Chrome: SpecForce18.06.2005, Marcel Kleffmann
Chrome: SpecForce

Im Test:

Im Oktober 2003 erschien hierzulande der technisch gute, aber spielerisch mäßige Ego-Shooter Chrome, der mit 74% ins Archiv wanderte. Mittlerweile hat das polnische Team von Techland den Nachfolger ins Rennen geschickt. Haben die Entwickler aus den Fehlern gelernt? Kann sich Chrome: Specforce an Far Cry, Half-Life 2 & Co herankämpfen?

Der Held mit dem Bolzen

Die Kolonisierung des Weltalls ist nicht einfach. Da Geld das Universum regiert und die Besiedlung seitens der Föderation nur spärlich kontrolliert wird, sehen sich manche Konzerne geradezu genötigt, illegale Aktivitäten zu starten. Also folgt mit der Kolonisierung auch der Anstieg der Kriminalität - und hier kommt ihr ins Spiel: Ihr  gehört zu einer mutigen Spezialeinheit und kämpft als Bolt Logan gegen den verbrecherischen Abschaum!

"Gestatten, Bolt Logan! Entschuldigen Sie bitte mein Äußeres, denn mein Gesicht wurde mit einem Bolzenschneider geformt."

Der erste Auftrag führt euch auf den Planeten Estrella, wo Drogen für Super-Soldaten hergestellt werden. Ein wirklich böses Vorhaben und deswegen muss jetzt für den interstellaren Frieden geballert werden. Klingt langweilig? Ist es auch, denn die Story erzeugt höchstens den Hauch einer Stimmung, weil sie mies präsentiert wird – alles wirkt zu bekannt und wahre Höhepunkte bleiben auf der Strecke. Nur wenige Momente bleiben im Gedächtnis kleben, darunter die Begegnung mit bizarren Dinosaurier-Kreaturen.

Einmal Shooter-Standard ohne Beilagen!

Im Gegensatz zur Story überzeugen immerhin die Missionen mit sehr viel Abwechslung: So gibt es pures Ballern, Mini-Schleichereien, Flucht- und Bombenaufträge sowie Stellungskämpfe mit Truppenmassen. Außerdem dürft ihr euch in Computersysteme hacken und verschlossene Tore öffnen, was zwar auffällig häufig vorkommt, aber nicht zwingend gemeistert werden muss: In einer Art Memory sollt ihr meist zwei identische Symbole finden und aufdecken. Ist euch das zu kompliziert? Dann erledigt einfach alle Feinde in der Umgebung - einer wird schon den Schlüssel haben.

So, jetzt wird eine Runde "Memory" gespielt.
In der Kampagne seid ihr nicht alleine unterwegs. In den großen Außenlevels begleitet euch ein kleines Team, das eine durchaus solide Figur macht, selbstständig in Deckung geht und Feinde attackiert. Trotzdem gibt es ab und zu Ausfälle und Inkonsequenzen: Führt euch die Mission in eines der kargen Innenlevels, gibt euch das Team von draußen Deckung, so dass ihr dort auf euch alleine gestellt seid– scheinbar möchten die Entwickler hier eine Lücke in der künstlichen Intelligenz kaschieren. Bei den "geklonten" Gegnern funktioniert die KI ebenfalls recht gut. Und weil die Feinde nahezu überall in den dichten Wäldern lauern können, kommt ein kleiner Schuss Taktik ins Gameplay, da ihr die Umgebung (Steine oder Bäume) ein in eure strikt lineare Ballerei einbeziehen könnt.  

Waffen, Fahrzeuge, Multiplayer

Genau wie in Chrome verfügt euer Charakter über eine Schutzpanzerung, die noch weitere Gimmicks enthält. Es gibt eine Tarnvorrichtung (Schleichmissionen), eine intelligente Zielerfassung, eine Zeitlupenfunktion,

Die dicht bewaldeten Außenlevels sind die Stärke der Engine. Überall könnten hier Gegner sein.
einen praktischen Energieschild sowie einen Muskelstimulator, damit ihr die teilweise langen Fußmärsche gut und schnell überstehen könnt – auf Kosten der Energie. Ein anderes Mittel gegen die Lauforgien sind die sehr, sehr einfach steuerbaren Fahrzeuge: flinke Buggys, futuristische Transporter, fette Panzer oder vor Munition nur so strotzende Mechs – diese bringen etwas Abwechslung und Tempo ins Abenteuer. Allerdings ist nichts dabei, was man nicht aus dem Vorgänger oder anderen Spielen kennt. Ähnlich unspektakulär präsentiert sich das Waffen-Arsenal mit Pistolen, diversen MGs, Scharfschützengewehren und sonstigen Projektilspuckern, die stellenweise mit ärmlich klingenden Sounds enttäuschen. Richtig gut geworden ist hingegen die deutsche Sprachausgabe. Schwach sind wiederum die Text-Briefings während der Ladephasen, denn liebloser geht es fast nicht mehr – keine Sprachausgabe, keine Bilder, keine Stimmung.

Erledigte Gegner hinterlassen typischerweise ihre Ausrüstung. Bloßes Drüberlaufen reicht allerdings nicht aus, stattdessen müsst ihr ein Inventar-System bemühen und die Munition oder Waffe per Hand ins chronisch kleine Inventar ziehen. Bei mehr als drei normalen Waffen ist normalerweise Schluss und mehr als zwei richtig fette Knarren haben ebenfalls keinen Platz – also müsst ihr euch hier entscheiden. Dabei ist das Aufheben durch Anvisieren des gewünschten Items immer noch zu penibel umgesetzt, um einen Gegenstand wirklich schnell zu fokussieren und ins Inventar packen zu können. Zur gewöhnlichen Kampagne gesellt sich ein uninspirierter Multiplayer-Modus: Auf nett und

Und wieder ein Mitglied der Klon-Armee erledigt!
durchgehend fair gestalteten Karten schlagt ihr euch im LAN oder Internet im hinlänglich bekannten Deathmatch, Team-Deathmatch oder Capture the Flag herum.

Verchromte Kulisse

Nicht nur spielerisch präsentiert sich Chrome als stinknormaler Shooter ohne echte Stärken: auch die Optik ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Besonders die grob gestalteten Charaktere und die eckigen Gesichter bzw. Masken fallen negativ auf. Schwach sind ebenfalls die kargen Innenräume – bis auf die spiegelnden Böden sieht alles sehr steril aus. Die Stärke der flotten Engine mit den langen Ladezeiten liegt in der Darstellung der Außenlevels: dicht bewachsene Wälder und ein Sammelsurium an Pflanzen sorgen für ein lebendiges Dickicht. Allerdings sieht das Drumherum nur eine kleine Spur besser aus als im Vorgänger. 

Fazit

Ist Chrome Specforce ein Spiel, das Shooter-Fans im Zeitalter von Far Cry & Co brauchen? Nein, wenn man packend auf hohem Niveau ballern will. Ja, wenn man nur zwischendurch ballern will. Das futuristische Abenteuer serviert lediglich Altbekanntes ohne kreative Ideen: Fahrzeuge, Waffen, Panzerung und Spezialfunktionen bieten keine Überraschungen und wurden teilweise komplett aus dem Vorgänger übernommen. Hinzu kommen eine ermüdende Story mit starken Präsentationsschwächen sowie strikt lineare Einsätze. Trotz dieser erdrückenden Liste an Kritikpunkten lohnt sich Chrome als kleine Ballerei im Sommerloch: Die Missionen sind abwechslungsreich und selbst die KI hinterlässt einen guten Eindruck, obwohl die Begleiter scheinbar Angst vor Innenräumen haben. Technisch kann Chrome zwar mit großen Außenlevels punkten, aber aufgrund der faden Figuren und der kargen Räume bleibt die Kulisse weit hinter Half-Life 2, Riddick & Co zurück. Der Mehrspielerteil ist trotz der netten Karten kaum der Rede wert, da die Modi nichts Neues bieten und scheinbar lieblos hinzugefügt wurden. Unterm Strich ist Chrome Specforce ein uninspirierter Standard-Shooter, der höchstens den Fans des Vorgängers gefallen könnte.

Pro

flotte Action
launige Fahrzeug-Touren
Anzug mit Spezialfähigkeiten
Teamplay
nette Missionen
gute Übersetzung
faire Multiplayer-Karten

Kontra

keine Highlights, alles Standard
öde Story
keine KI-Kollegen in Innenlevels
Gegner-KI mit Aussetzern
karge Innenräume
schwache Soundeffekte (der Waffen)
Bedienungsschwächen des Inventars und bei Interaktion
einfallsloser Multiplayer
dröge Text-Briefings
lange Ladezeiten

Wertung

PC

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