Perimeter: Emperor's Testament16.05.2006, Jörg Luibl
Perimeter: Emperor's Testament

Im Test:

Für Echtzeit-Strategen gibt es selten frische Impulse abseits althergebrachter Eroberungssitten - innovative Exoten muss man mit der Lupe suchen. Aber es gibt sie. Neben dem retrobizarren Darwinia und den mikrokosmischen Pikmins gehört auch Perimeter dazu. Im Mai vor zwei Jahren begeisterte der Newcomer aus Russland mit Terraforming, GO-Anleihen und Schutzschildtechnik.

Qualität aus Königsberg

Mit einem Testergebnis von 87% haben wir Perimeter im Mai 2004 gefeiert: "Endlich mal was Neues! Endlich mal wieder innovative Strategie, die ein frisches Spielgefühl entfacht!" Was ist das Besondere an diesem Titel aus Russland? Was bietet das Kaliningrader Team von K-D Lab , das andere nicht haben? Es ist die Mischung aus territorialer Taktik, schnellem Einheitenwechsel und kluger Schutzschild-Defensive, die auch heute noch begeistert.

Wie die Spinne im Netz: Euer Hauptgebäude ist das Zentrum, drumherum liegen Energietürme.
Das Spiel erinnert zum einen an eine futuristische Echtzeit-Variante des japanischen Klassikers Go , denn ihr müsst Schritt für Schritt Raum gewinnen, indem ihr ein Netz aus elektronisch verbundenen Stützpunkten auslegt. Je klüger ihr diese Punkte und kleine Abwehrgeschütze setzt, desto stabiler ist der Zusammenhalt bei einem Angriff. Energie gewinnt man, indem man den Boden mit kleinen Mikrorobotern einebnet, die sich nicht nur durch Fels und Erde fressen, sondern auch Wasserflächen trocken legen.

Dieses Terraforming sorgt dafür, dass ihr Bohrtürme installieren könnt, die dem Planeten die wertvollen Rohstoffe abgewinnen; gleichzeitig agieren sie als Energieknoten für das alles umspannende Schutzschild. Ihr startet in einer zerfurchten Landschaft mit einem schwebenden Hauptgebäude und müsst in einer von feindlichen Kreaturen bevölkerten Wildnis überleben: Wenn diese fliegenden oder krabbelnden Wesen in Horden angreifen, erinnert Perimeter an die Tower-Defense-Modifikation von WarCraft 3 - nur, wenn ihr eure Abwehranlagen klug positioniert habt, werden diese Wellen brechen. Aber es gibt auch klügere Gegner, die selber ihr Netz aus Türmen, Kasernen und Geschützen aufbauen.

Verformbare Armee

Abseits der stationären Laser- und Raketengeschütze könnt ihr deshalb auch eine mobile Armee aufbauen. Zwar gibt es auch hier zig futuristische Varianten der Infanterie, Artillerie und Luftwaffe, ja sogar unterirdische Gemeinheiten, aber im Gegensatz zu anderen Spielen könnt ihr eine Waffengattung auf Knopfdruck schnell in eine andere verwandeln: Wenn die schweren Panzer gerade aus der Luft attackiert werden, lasst ihr sie einfach in Helikopter transformieren! Schere-Stein-Papier wird hier erfrischend dynamisch zelebriert und verhindert den langweiligen Aufbau statischer Armee-Ungeheuer - das Ergebnis: Klasse statt Masse.

Voraussetzung für den fliegenden Truppentypwechsel ist jedoch, dass ihr die passende Mischung aus den drei Einheiten Soldat, Offizier und Techniker parat habt. Also heißt es: Kasernen bauen, Technolgien erforschen, aufrüsten. Lobenswert ist, dass der Nachschub nach der Produktion umgehend zu seiner Gruppe marschiert - das erspart lästiges Mikromanagement und erinnert an den Versorgungskomfort von Earth 2160 . Ärgerlich ist jedoch, dass sie dabei immer noch Abgründe ignorieren und wie Lemminge blind in den Tod laufen - das haben wir schon anno 2004 kritisiert! Das hätte man in der Erweiterung verhindern müssen, denn es gibt nichts Frustrierendes als die eigene Verstärkung in den Suizid rennen zu sehen.

       

Moderne Schutzschildtechnik

Viel angenehmer ist es, den Gegner beim Aufprall auf das eigene Schutzschild zu beobachten, das man just in dem Moment hochzieht, wenn er seine ersten Bomben fallen lässt: Auf Knopfdruck und bei genug Energie könnt ihr entweder einzelne Energietürme oder gar die ganze Basis mit einem flackernden Schild versehen. Erstere Methode eignet sich, um Angriffe auf einen Punkt energiesparend abzuwehren; Letztere ist lebenswichtig, wenn ihr von mehreren Seiten bedroht werdet, kostet aber sehr viel Energie. Beide Varianten sehen gut aus, denn plötzlich wabert ein transparenter Mantel über euren Gebäuden.

Auch aus der Luft werdet ihr attackiert: Schutzschild hochziehen oder die Flugabwehr alarmieren?
Die Stärke dieses Prinzips ist, dass es nicht statisch ist und dass das Schutzschild sowie seine Knotenpunkte ständig erweitert werden müssen: Um einen entlegenen Punkt zu erreichen, muss man quasi eine Kette aus Türmen anlegen. Nur über weit strahlende Transmitter lassen sich unzugängliche Bergregionen überwinden - das ist Raumgewinnung für Kreativköpfe, die immer wieder zum militärischen Knobeln einlädt. Das Gemeine und spielerisch Faszinierende daran: Zerstört der Feind einen Energieturm tief in eurem Netz, kann er damit nicht nur gleich einen ganzen Expansionsarm lahm legen, so dass selbst eure Laser- und Flugabwehrtürme ausgeschaltet werden. Nein, er kann durch geschicktes Anbauen auch dafür sorgen, dass eure fleißig errichtete und jetzt saftlose Infrastruktur komplett erobert wird. Dazu muss er die brachliegenden Türme nur an sein Netz anschließen und schwups: schon wurde alles annektiert. Im Multiplayermodus sorgen diese Gemeinheiten für angenehmes Schwitzen...

Kriegsspiel für Profis

Auch dieses Perimeter ist kein Zuckerschlecken: Abgesehen davon, dass Einsteiger auch aufgrund des fehlenden Handbuchs oder Tutorials an der Komplexität verzweifeln können, zeigt die KI von Beginn an ihre Stärke. Man muss schnell und klug reagieren, um die Missionen heil zu bestehen. Es gibt Dauerangriffe, Zwei- oder Dreifrontenkriege und euer Gegner beherzigt auch ab und an das Schere-Stein-Papier-Prinzip, wenn er Einheiten geschickt in jenen Typ verwandelt, der euch gefährlich werden kann. Für Veteranen und Kenner ist das der ideale Spielplatz, denn gerade dieser Anspruch spornt immer wieder an, die eigene Taktik zu verbessern. Statt einer Aneinanderreihung einfacher Zerstörungsaufgaben muss man hier immer das große Ganze im Auge behalten und wachsam sein.

Die Kulisse konnte schon damals mit ihren ebenso natürlichen wie bizarren Landschaften faszinieren und ist auch heute noch ansehnlich, wenn auch nicht mehr erstklassig: Nicht nur die dampfenden Vulkane, die tiefen Schluchten und vereinsamten Inselplatten, sondern auch die vielen Bodenreliefs mit ihren fossilen Strukturen laden zum Hinschauen ein. Jeder Planet zeigt sein eigenes exotisches Gesicht. Schade ist, dass das Porträt des Imperators nicht animiert wurde; zudem wirkt sein Äußeres fast zu jugendlich. Die Präsentation bleibt insgesamt auf dem Stand von 2004 - gute Zwischensequenzen sind Fehlanzeige, die Menüs wirken steril. Das kann man einem günstigen Add-On verzeihen, aber Perimeter 2 sollte hier einen Zahn zulegen.

Trotz des ungeheuren Potenzials einer futuristischen Exodusgeschichte, in der eine mythische Erde und mysteriöse Schöpfergeister durchaus die Neugier wecken: In Sachen Story bleibt diese Erweiterung leider den verwirrenden Wurzeln treu. Wer das Hauptspiel und die Entwicklung zwischen den drei Völkern der Geister, der naturverbunden Harkbacks und des soldatischen Imperiums nicht kennt, wird erzählerisch in der Luft hängen. Auch diesmal rückt die Story in der 25 Missionen starken Kampagne daher schnell in den Hintergrund, wenn man sich nicht auf vieles selbst einen Reim macht: Hängen bleibt eigentlich nur, dass alle drei Völker ums Überleben kämpfen - hier hätte ein schöner Rückblick oder eine Zusammenfassung der Ereignisse geholfen. Der Multiplayerteil ist zwar immer noch ein Garant für spannende Duelle, aber die Beschränkung auf nur drei neue Karten und lediglich gewöhnliche Modi wie Deathmatch sorgen nicht gerade für Euphorie.

     

Fazit

Zugreifen! Ja, die Story ist verwirrend und die Präsentation ist nicht mehr so faszinierend. Ja, man vermisst ein Handbuch sowie bessere Routinen bei der eigenen Wegfindung. Und ja, der Multiplayermodus hätte inspirierter sein können. Aber trotzdem darf man sich diesen Titel nicht entgehen lassen. Er kostet knapp 20 Euro. Er läuft ohne Hauptspiel. Und er serviert immer noch eines der innovativsten Strategie-Erlebnisse auf dem Markt - das ist der Bonus, der unser Gold glänzen lässt. Wer abseits gewöhnlicher Weltkriegs- oder Fantasyschlachten taktisch anspruchsvoll und intelligent unterhalten werden möchte, wird hier trotz dramaturgischer Schwächen bestens unterhalten. Hier geht's nicht um die größte Armee, den schnellsten Aufbau oder billige Tankrushorgien, sondern um kluge Gebietserweiterung, gezielte Angriffe und die perfekt getimte Defensive. Perimeter erinnert an eine Echtzeit-Variante des japanischen Brettspiels GO. Und das ist nicht umsonst zeitlos genial.

Pro

sehr günstig (19,90 Euro)
25 Missionen
komplett Deutsch
neuer Soundtrack
Multiplayermodus
anspruchsvolle Aufgaben
abwechslungsreiche Missionen
klasse Schutzschildsystem
ideal für Perimeter-Veteranen
territoriale Taktik statt Massenangriffe
Erweiterung läuft ohne Hauptspiel

Kontra

kein Tutorial
kein gedrucktes Handbuch (nur auf CD)
schwache Präsentation, starre Porträts
für Einsteiger zu unübersichtlich
suizidfreudige Wegfindung eigener Truppen
wenig Neues im Multiplayer

Wertung

PC

Günstig und sinnvoll ergänzt. Unterm Strich eine sehr gute Erweiterung des Klassikers.

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