Domination09.05.2005, Jörg Luibl
Domination

Im Test:

Echtzeitkämpfe sind euch zu chaotisch? Ihr wollt ruhige taktische Tiefe? Dann schaut euch Domination an. Wer ohne Hektik planen, manövrieren und erobern will, findet den Nachfolger zu Massive Assault ab sofort im Handel. Das weißrussische Team von Wargaming.net hat ganz tief in die Verbesserungskiste gegriffen, um die Anregungen von Presse und Fans umzusetzen. Ein militärisches Highlight für Feldherren?

Ansehnlicher Nachfolger

Massive Assault galt schon 2003 als Geheimtipp für Strategen. Die rundenbasierten Kämpfe mit futuristischen Einheiten verlangten taktisches Geschick und erinnerten aufgrund der wichtigen Vorausplanung fast an Schach. An diesem motivierenden Prinzip hat sich auch im Nachfolger Domination nichts geändert, der auf den ersten Blick fast wie ein Zwilling wirkt: auf bunten Inseln von arktisch bis tropisch tummeln sich über 30 Panzer, Boote und Flieger zweier Kriegsparteien. Immerhin zeigt die aufgemotzte Engine nicht nur deutlich bessere Explosionen, sondern auch ein bewegtes Firmament, das sich im Wasser spiegelt und sogar Schnee rieseln lässt. Nur die Soundeffekte und die uninspirierte Musik hätten etwas mehr akustische Hingabe nötig gehabt - es rattert und plätschert recht eintönig dahin.

Bewegter Himmel, gleißende Explosionen - für ein Rundenstrategiespiel sieht Domination richtig gut aus.
Die Kulisse ist ansehnlich, zumal sie wenig Rechenpower verlangt, sich bequem zoomen und drehen lässt sowie knackige Kamerafahrten in Zeitlupe bietet. Zwar können die schnellen Perspektivwechsel beim Positionieren der Einheiten mit der Zeit für ein Schleudertrauma sorgen, aber ihr könnt diese Sequenzen auch überspringen. Überhaupt lässt sich jede Anzeige der Benutzeroberfläche euren Wünschen anpassen. Profis können allen unnötigen Krimskrams abschalten oder beschleunigen. Einsteiger werden sehr gut in das Spiel eingeführt, mit wichtigen Hinweisen versorgt, vor sinnlosen Zügen gewarnt und dürfen im Zweifelsfall sogar mehrere Züge zurück nehmen - Bedienung und Komfort sitzen perfekt; Frust ist Fehlanzeige.

Schach für SciFi-Krieger

Auf dem Schlachtfeld motiviert Altbekanntes: Jeder besitzt eine bestimmte Zahl an verdeckten Territorien bzw. Verbündeten. Zu Beginn einer Runde darf man allerdings immer nur einen aufdecken und weiß nicht, an welcher Stelle der Karte der Gegner startet. Schon diese ersten Züge können erhebliche Vorteile mit sich bringen, wenn man sich z.B. schnell ein neues Gebiet über die Einnahme der Hauptstadt sichern und deren Einnahmen einstreichen kann. Allerdings ist hier Vorsicht geboten, denn der Einmarsch in neutrale Länder zieht einen Aufstand der Rebellen nach sich, die sich umgehend dem Gegner anschließen. Daher kann auch geschicktes Abwarten erfolgreich sein, wenn man selbst auf die rebellischen Einheiten zugreifen möchte…dieses angenehme Grübeln und Planen sorgt für einen Charme, der an Schach erinnert.

Nicht nur in Sachen Verbündete, auch hinsichtlich der Topographie sollte man seine Züge und Startpositionen wohl überlegen. Aufgrund der Tatsache, dass jede Karte, jeder Planet eine andere Landschaft aufweist, muss man ständig umdenken: Gibt es viele Inseln, sollte man auf Amphibienfahrzeuge zurückgreifen; durchziehen unwegsame Gebirgsketten das Gelände, sollte man Transportflugzeuge bauen; gibt es schmale Pässe, sollte man große Geschütztürme hinein pflanzen, die den Gegner für kostbare Runden aufhalten. Gerade diese strategische Qual der Wahl ist es, die Domination genau so auszeichnet wie den Vorgänger. Trotzdem vermisst man immer noch taktisch relevante Wettereinflüsse wie Nebel oder Regen, Tarnung in Wäldern oder eine bessere Reichweite auf Hügeln. Erst solche Zusätze hätten das alte Spielgefühl um mehr als nur Nuancen bereichern können.

Ein enger Korridor im arktischen Fjord: Nur die optimale Kombination aus Nah- und Fernkampf bringt euch weiter.
Der Wille der Fans

Was hat sich überhaupt geändert? Auf der Wunschliste der Fans standen vor allem eine Kampagne mit Story, mehr Modi, mehr Truppenvielfalt sowie bessere Spezialeinheiten. Das weißrussische Team von Wargaming.net hat alle Anregungen aufgenommen, tatsächlich viele Zusätze integriert und Domination endlich auch für Einzelspieler attraktiver gestaltet: Es gibt es jetzt z.B. eine Story, die ihr entweder aus der Perspektive der Phantom League oder der Union der Freien Nationen spielen könnt. Das ist lobenswert, aber leider bleibt die erzählerische Qualität auf der Strecke - vor allem, wenn man die epischen Geschichten aus Echtzeit-Strategiespielen zum Maßstab nimmt.

Trotz gelungener deutscher Sprachausgabe und sehr ausführlicher Texte kann die Kampagne nicht fesseln. Die Charaktere wirken schon nach wenigen Missionen ausgesprochen kitschig und werden nur über starre Porträts gezeigt: Die totalitär angehauchte League wird z.B. von einem skrupellosen Diktator namens Joseph Huttler angeführt, der ein Faible für Kanonenfutter und aufopferungsvolle Endsiege hat - ein echter Führer eben. Aber egal auf welcher Seite man startet: man wird als junger Offizier zunächst im Kasernenjargon zusammen geschissen, dann für erste kleine Erfolge gelobt und schließlich als Retter in komplexe Entscheidungsschlachten geworfen. Immerhin kann man die wenig gehaltvollen Dialoge schnell wegklicken und sich auf das Wesentliche konzentrieren: die Schlacht.      

Feldherrenfutter für Wochen

Denn selbst wenn die Story allerhöchstens B-Film-Niveau hat, kommen Einzelspieler auf ihre Kosten, da der militärische Kern jetzt wesentlich attraktiver und umfangreicher ist - ihr könnt euch weit über 150 Stunden austoben: Da gibt es z.B. spezielle Aufträge, die ein Einheiten- bzw. Rundenlimit haben oder separate Weltkriege auf Inseln aller Größen, an denen man sich aufgrund der knackigen Computergegner ganze Wochenenden die Zähne ausbeißt. Einsteiger sollten jedoch nicht auf dem knackigen normalen Modus spielen, sondern erstmal einen leichteren Schwierigkeitsgrad wählen. Das Verhalten der KI kann sich sowohl bei den Eroberungen neuer Basen als auch im kleinen Bereich sehen lassen: Da werden Fahrzeuge z.B. geschickt aus der Reichweite eurer Artillerie gezogen, um erst dann massiv anzugreifen, wenn die Luftunterstützung stimmt. Bis zu sechs Stufen sind einstellbar, so dass man endlich auch als Anfänger Erfolge feiern kann. Gingen die Gegner in Massive Assault noch so gnadenlos effektiv wie ein Schachcomputer zu Werke, machen sie jetzt endlich auch Fehler.

Auch auf einer Vulkaninsel geht`s taktisch zur Sache - inklusive Rauch und Lava.
Man kann auch eine Karriere starten, in der man nach jeder Mission Punkte bekommt, die man in Truppentypen oder bessere Panzerung investieren kann. Das ist eine gute Idee, denn so entsteht eine kleine Entwicklung und man hat die angenehme Wahl, z.B. eher auf bessere Panzerung der leichten Jeeps oder gleich auf die neuen Mech-Roboter zu setzen. Schade ist jedoch, dass Einheiten in diesem Modus weder Erfahrungspunkte oder Orden sammeln noch repariert werden können - wie das z.B. im Klassiker Battle Isle möglich war. So neigt man dazu, seine Truppen als Mittel zum Zweck der größten Feuerkraft zu verheizen. Rückzüge mit angeschlagenen Einheiten sind eher kontraproduktiv und selten sinnvoll. Lediglich auf die aufgemotzten Spezialeinheiten in den storybasierten Feldzügen muss man aufpassen, denn ihre Vernichtung zieht sofort ein Game Over nach sich.

Neue Einheiten & Inkonsequenzen

Immer noch gibt es lediglich zwei Kriegsparteien, die sich jetzt wenigstens leicht unterscheiden - vor allem die Spezialeinheiten sorgen für Abwechslung in der Monotonie der konventionellen Truppen. Es gibt z.B. riesige Mechs, die mit zwei Waffensystemen ausgestattet sind, so dass man seine Raketen auf den einen und die MG-Salve auf den anderen Gegner feuern kann. Hinzu kommen mächtige Geschütztürme, die man ideal als Block setzen kann sowie nützliche Land-, See- und Flug-Transporter. Auch einige tödliche Kombinationen sind möglich: Wer z.B. eine Artillerie auf einer schwimmenden Kampfplattform positioniert, verbindet maritime Beweglichkeit mit großer Raketenreichweite. Dazu noch ein Flugzeugträger mit bis zu vier Bombern sowie ein Zerstörer und die mobile Flotte kann ganze Territorien in Schutt und Asche legen. Besonders ansehnlich ist der Schild gegen Luftangriffe: Ihr könnt defensive Fahrzeuge kaufen, die à la Perimeter umgehend einen Bereich mit einem blau leuchtenden Schutzschirm umhüllen - Bomber haben da keine Chance mehr.

Allerdings gibt es ärgerliche Inkonsequenzen: Warum können Bomber z.B. Hubschrauber attackieren? Das sieht albern aus und ist nicht gerade realistisch. Und warum können sie nicht die Hangars in den Basen dem Erdboden gleich machen? Hier könnt ihr nur mit motorisierten Einheiten an die feindlichen Flugzeuge ran. Man muss auch fragen, warum U-Boote nicht in Sicherheit abtauchen können? Das Einsinken unter die Meeresoberfläche ist quasi nur optischer Schnickschnack, lässt sich aber nicht defensiv als Ausweichmanöver gegen Zerstörer nutzen. Auch die Tatsache, dass man den Platz einer eben zerstörten Einheit nicht umgehend einnehmen kann, sondern erst eine Runde warten muss, ist nicht ganz nachvollziehbar. So kann man eine Front quasi nicht sofort durchbrechen und es entstehen sehr langwierige Grabenkriege, da in der nächsten Runde wieder der Nachschub die Lücke besetzt. 

Multiplayer-Spaß

Trotz dieser offenen Wünsche unterhält Domination vor allem mit Freunden auf gutem Niveau: Man kann nicht nur im LAN,

Wir empfehlen:

Download Sound-Patch

sondern auch per Hotseat an einem Rechner loslegen - wie zu guten alten Battle Isle-Zeiten. Wer Karriere machen will, sollte allerdings im Internet um Ruhm kämpfen. Es gibt eine Bestenliste, in der man über Siege vom einfachen Rekruten zum General aufsteigen kann - und selbst für Niederlagen erntet man ein paar Punkte.

Die Server stehen zwar alle in den USA, aber Online-Spiele funktionieren dank zügiger E-Mail-Benachrichtigung und gutem Support reibungslos. Hektik kommt gar nicht erst auf, denn ihr könnt euch auf Wunsch schon mal einen oder mehrere Tage für einen Zug Zeit lassen und sogar mehrere Partien parallel laufen lassen. Und im Gegensatz zum Vorgänger ist Domination übers Internet komplett kostenlos.

      

Fazit

Ich habe Battle Isle geliebt. Ich habe Advance Wars verschlungen. Jetzt hat Domination zugeschlagen! Bis tief in die Nacht brüte ich über meinen Zügen, um in der Online-Rangliste vordere Plätze zu erobern - selbst World of WarCraft fristet während dieser Grübelei ein Schattendasein. Das rundenbasierte Strategiespiel der Weißrussen unterhält auf gutem Niveau: egal ob Kulisse, Truppenvielfalt, Verbündetenplanung oder Bedienkomfort. Und im Gegensatz zu so manchem KI-Totalausfall der Echtzeit-Kollegen hat man es hier mit knackigen Gegnern zu tun, die schwache Züge gnadenlos ausnutzen - Schach lässt grüßen. Auch die Truppen können dank der coolen Mechs, der schwimmenden Kampfplattformen und der Transporter überzeugen. Allerdings hätte ich mir deutlichere Zusätze wie taktisch relevantes Wetter oder Tarnungsboni in Wäldern gewünscht. Außerdem vermisse ich gerade in der Kampagne immer noch dynamische Durchbrüche sowie Erfahrungspunkte, um nicht alle Einheiten gnadenlos zu verheizen. Hinzu kommen kleine militärische Inkonsequenzen: Wieso können Bomber z.B. Hubschrauber bekämpfen, aber keine Hangars attackieren? Die neue Story ist trotz lobenswerter deutscher Sprachausgabe zwar eine kitschige Enttäuschung, dennoch kommen Einzelspieler aufgrund der neuen Spezialeinheiten und der vielen Spielmodi auf ihre Kosten - und das für weit über 150 Stunden. Letztlich überzeugt Domination aber vor allem im Online-Bereich, denn die Rangliste lockt mit Auszeichnungen, die E-Mail-Züge garantieren ruhiges Planen und man zahlt keine monatlichen Gebühren. Wer auf lange Sicht taktieren will, sollte zugreifen!

Pro

taktisch anspruchsvoll
komfortable Bedienung
umfangreiche Spielmodi
sehr einsteigerfreundlich
deutsche Sprachausgabe
mehrere Schwierigkeitsgrade
neues Technologie-Kaufsystem
kleine bis riesige Planeten spielbar
Boden-, See- und Luftstreitkräfte
knackig inszenierte Kamerafahrten
storybasierte Karriere für Einzelspieler
Online-Gefechte ohne monatliche Gebühr
im Hotseat, im LAN oder online spielbar
voll kompatibel zu Massive Assault Network
angenehme Hardwareanforderungen
ansehnliche Spiegelungen, bewegter Himmel

Kontra

schwache Story
starre Figurenporträts
nur zwei Parteien spielbar
uninspirierte Musik & Sounds
kein Erfahrungspunktesystem
einige Inkonsequenzen im Kampf
Durchbrüche können nicht genutzt werden
kein taktisch relevantes Wetter, keine Tarnungen, keine Höhenvorteile

Wertung

PC

Lust auf SciFi-Schach für Feldherren? Dann schlagt zu! Vor allem online ist Domination ein Suchtgarant.

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