Warhammer 40.000: Dawn of War - Winter Assault23.09.2005, Jörg Luibl
Warhammer 40.000: Dawn of War - Winter Assault

Im Test:

Lust auf Kettensägengerassel, Schwerthiebe und Panzerdonner? Sehr gut. Dann verlasst all die langweiligen Schlachtfelder dieser Welt und meldet euch bei der Imperialen Armee. Das Team von Relic präsentiert mit Winter Assault die erste Erweiterung zum düsteren Strategie-Gemetzel Warhammer: Dawn of War. Neue Partei, neue Waffen, neue Story. Lohnt sich der brutale Fronteinsatz im 41. Jahrtausend?

The Empire strikes back

Erinnert ihr euch noch an den Feldzug der Blood Ravens? Im Herbst 2004? Damals musste man der lausig ausgerüsteten menschlichen Armee noch in zahlreichen Einsätzen den Allerwertesten retten. Die Jungs hatten eine schlechte Moral, kaum Feuerkraft und dementsprechend schnell die Hosen voll. Außerdem war die Kampagne zu leicht, zu linear und zu schnell vorbei. Das ändert sich alles mit dieser Erweiterung, denn hier fällt zum einen der Imperialen Armee eine besondere Rolle zu: Sie soll auf dem Eisplaneten Lorn V. eine mächtige Kriegsmaschine bergen - den "Titan Dominatus".

Die weißhäutigen Ogryns sind dumm wie ihre grünhäutigen Gegner, aber die besten Nahkämpfer der Imperialen Armee.
Zum anderen trumpft die Kampagne mit Abwechslung auf: Ihr könnt von Beginn an wählen, ob ihr sie aus der Sicht der Gerechten (Eldar & Imperiale Armee) oder der Ketzer (Orks & Chaos Space Marines) spielen wollt. Die Story trieft zwar vor militärischem Pathos, aber sie kann mit einigen interessanten Wendungen unterhalten und ermöglicht euch den Rollentausch: Der komplette Feldzug lässt sich nicht aus der Perspektive der guten oder bösen Fraktion erleben, sondern einzelne Schlachten auch aus der Sicht der Eldar oder Imperialen Armee - ein großer Fortschritt gegenüber dem Hauptspiel. Außerdem sind die Aufträge anspruchsvoller, dynamischer und bieten mehr Variation: Stellungen auf Zeit halten, Hindernisse wegsprengen, Basen stürmen und Kolonnen schützen sind da nur eine Auswahl.

Aber zurück zum heiklen Auftrag der Imperialen Armee: Das erste Problem ist, dass sowohl die Eldar als auch die Chaos Space Marines sowie die Orks scharf auf das Artefakt sind. Kein Wunder, denn der Titan wurde in den Vulkanöfen des Mars hergestellt und birgt ungeahnte Kräfte. Das zweite Problem ist, dass die Imperiale Armee nur aus normalen Soldaten besteht, die im Vergleich zur Elite der anderen Parteien sehr schwach auf der Brust sind. Die einzige zerstörerische Einheit sind die orkähnlichen Ogryns - ebenso begriffsstutzige wie muskelbepackte Glatzköpfe, die alles kurz und klein schlagen. Aber dafür setzt die Armee auf ihre Masse, vernichtende Fernangriffe und geschickt verbundene Tunnelstellungen.

Defensive ist Trumpf

Warhammer-Veteranen werden sich etwas umstellen müssen, denn die kluge Defensive ist der Trumpf der neuen Kriegspartei, die auf den ersten Blick wie eine konventionelle, leicht mutierte US Army wirkt. Wer ihre Stärken ausspielen will, muss sich ähnlich einarbeiten wie in die Eldar und sollte das gute, mit taktischen Hinweisen versehene Tutorial nutzen: Man kann z.B. Truppen gezielt in Gebäuden platzieren und zwischen Bunkern, Horchposten und Kasernen verschieben, so dass schnelle Frontwechsel und Stellungskriege möglich sind. Man kann flächendeckende Bombenangriffe ordern oder mit Psionikern selbst mächtige Wesen mit einer Attacke vernichten.

Nur haben die Truppen z.B. keine mächtige Superkreatur. Stattdessen schicken sie eine Art Elite-Kommando ins Feld: einen Wolverine-General, der viele Kettensägen-Prediger mit Unverwundbarkeitsritualen und selbstmörderische Psioniker mit Blitzattacken um sich scharen kann. Je nach Zusammensetzung hat man hier den idealen Angriffs- oder Heilungsmob vor sich. Trotzdem hat die Armee kaum Chancen im Nahkampf. Aber sie haben gegenüber den Langohren einen Vorteil: ihre immense Feuerkraft. Die Imperiale Armee gleicht quasi einer konventionellen mit tödlicheren Projektilen, Lasern, Granaten, Panzern und Geschützen - wo z.B. die Baneblade-Panzer mit ihren elf schweren Waffen hinlangen, wächst kein Gras mehr. Und die mächtigen Basilisk-Kanonen feuern in bester Artilleriemanier über extrem weite Distanz mit verheerender Wirkung. Außerdem kann die Armee schnelle zweibeinige Sentinel-Roboter ins Feld schicken, um Kontrollpunkte einzunehmen.

Feuerkraft pur: Wenn man die Artillerie auf einen Punkt konzentriert, wächst kein Gras mehr.
Damit eure Jungs beim Anblick eines Orks mit MG und Zigarre nicht weglaufen, muss man allerdings ihre Moral besser im Auge behalten als bei anderen Völkern. Im Truppenverband sorgen deshalb Kommissare dafür, dass engagiert gekämpft wird. Und wenn sich die Angst anschleicht? Gibt's brutale Disziplinierungsmaßnahmen wie die Exekution eines eigenen Kameraden mitten im Gefecht. Makaber, aber hilfreich, denn danach steht Ottonormal-Rekrut nicht nur stramm, sondern schießt auch schneller.

Alte Schwächen

Trotzdem plagen auch die Erweiterung alte Schwächen: Angesichts der fulminant inszenierten Hieb-, Baller- und Stichszenen, die immer wieder zum totalen Zoom einladen, verzeiht man zwar die fehlenden Lippenbewegungen und grobe Texturtapeten in den Zwischensequenzen oder selbst die recht hohen Hardware-Anforderungen - wer mit 1 GB Ram, 3 Ghz-Prozessor und ATI Radeon 9800 zockt, sollte viele Details auf die mittlere Stufe absenken. Und es gibt noch zu häufig ärgerliche KI-Aussetzer, die eigene Truppen z.B. ohne Lust aufs Feuern ein paar Meter neben der Front zeigen. Auch die Platzierung von Gebäuden kann angesichts der Enge der Basis zum Problem werden - hier hätte man großzügiger mit dem benötigten Platz umgehen müssen. Und wenn alles zugebaut ist, sorgen vor allem die großen Truppenverbände der Imperialen Armee für Staus im Gelände und Marschverzögerungen. Schade ist auch, dass es kein neues Intro für den Winterkrieg gibt.

Verstärkung für alle

Aber das sind alles Fehler im Detail, die auch viele andere Echtzeit-Strategiespiele plagen. Und vor allem die KI kann sich insgesamt sehen lassen, denn die taktischen Einstellungen werden vom Nah- und Fernkampffokus, dem freien Feuern über

Der Kommissar mit Säbel und Pistole. Spuren seine Jungs nicht, exekutiert er einen...
das Gebiet verteidigen bis hin zum gezielten Angriff feindlicher Gebäude gut umgesetzt. Außerdem sorgt die Erweiterung für ein frisches Spielerlebnis: Neben der Imperialen Armee wurden ja auch die vier alten Parteien um Truppen ergänzt: Für die Space Marines zieht ein griesgrämiger Ordenspriester ins Feld, der auf Distanz attackieren und in der Nähe heilen kann. Für ihre Chaos-Feinde schlägt sich der Korne Berserker als blutrünstiger Wüterich im Nahkampf. Die Orks begrüßen den Ork-Boss in Megarüstung, der quasi mit Freude Projektile schluckt und zur Killermaschine mutiert. Und auch die Eldar haben im Nahkampf Verstärkung durch die Feuerdrachen bekommen.

Insgesamt hat Warhammer damit an Reiz und taktischen Möglichkeiten gewonnen. Nicht umsonst gehört es immer noch zu den beliebtesten Online-Spielen und nicht umsonst als Disziplin im Aufgebot der World Cyber Games. Fünf gut ausbalancierte Völker, an die 50 Karten und das durchdachte Prinzip der Kontrollpunkte, das für sehr dynamische und trotz aller Action überaus taktische Gefechte sorgt, laden immer wieder zu knackigen Duellen ein.

     

Fazit

Ich hab's damals geliebt, ich liebe es heute noch: Winter Assault ist schnell, bizarr, orgiastisch. Die Warhammer-Welt versprüht immer noch ihren eigenen, unverwechselbar morbiden Charme. Und Relic inszeniert immer noch die besten Nahkämpfe, die die Echtzeit-Strategie zu bieten hat - weder Age of Empires III noch Earth 2160 oder Schlacht um Mittelerde können mit diesem wilden Hauen, Sägen und Sengen mithalten. Zwar wirkt die Imperiale Armee auf den ersten Blick langweilig konventionell, aber sie offenbart auch ihre durchgeknallten und bizarren Seiten: Ogryns sind stark und dumm wie Orks, Kommissare richten mal eben Kameraden hin, Priester hantieren mit Kettensägen. Und weil es nicht nur für jedes Volk neue Einheiten gibt, sondern die Kampagne jetzt spannender, fordernder sowie aufgrund der Perspektivwechsel interessanter ist, gibt's für diese herrliche Erweiterung zwei Awards.

Pro

+ gute Tutorials
gute Dramaturgie
neue Animationen
taktisch & actionreich
ideales Multiplayer-Gemetzel
komplett neue Kriegspartei
insgesamt an die 40 Karten
Kampagne aus zwei Perspektiven
neue Spezialeinheiten für jedes Volk

Kontra

kein neues Intro
kleine KI-Aussetzer
hoher Hardware-Hunger
Zwischensequenzen ohne Mimik

Wertung

PC

Spannender, abwechslungsreicher und interessanter als das Hauptspiel - eine klasse Erweiterung!

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