Spore04.09.2008, Jörg Luibl
Spore

Im Test:

Manchmal sind Spiele wie eine große Welle, die einen sofort mitreißt: Man jubelt von der ersten Berührung an. Aber manchmal bestehen Spiele aus mehreren Wellen mit ganz unterschiedlichen Wirkungen. Will Wright hat Gott gespielt und schickt euch nicht eine, sondern erst vier kleinere Wellen, bevor euch die letzte große in den galaktischen Ozean seiner Evolution abtauchen lässt. Wir haben zwischen Aliens und Artefakten nach Spieltiefe gesucht.

Welle 1: Die wabernde Ursuppe (Zellenphase)

Fressen und gefressen werden: Ihr startet in der Zellenphase und müsst großen Feinden ausweichen, während ihr fleißig futtert.
Jeder fängt mal klein an. Auch die Evolution: Da sucht man sich in der einen Sekunde noch einen Stern aus und benennt einen Planeten, um in der nächsten mit einem feurigen Meteoriten im trüben Nass irgendeines Ozeans zu landen. Man beginnt nicht als tauchender Held, starkes U-Boot oder gefährlicher Riesenkraken, sondern als winzig kleine Zelle, aus der irgendwann mal eine raumfahrende Spezies werden soll. Ist diese Vision eines Spiels nicht fantastisch? Alleine die Aussicht darauf, ein kleines Wesen durch Millionen Jahre zu formen macht von der ersten Minute an neugierig auf das, was der Sims-Vater Will Wright diesmal geschaffen hat.

Entsteht hier vielleicht ein ganz neues Genre, ein Weltenbau ungeahnten Ausmaßes? Es geht in der Startphase zunächst um Banales: Fressen oder gefressen werden. Man entscheidet sich noch für den Weg des Pflanzen-, Fleisch- oder Allesfressers und schon jagt man ähnlich wie im Casualgame "Feeding Frenzy" von Sprout Games (2004) seinem Futter hinterher und muss dabei aufpassen, nicht von größeren Räubern verschluckt zu werden. Man bewegt seine Zelle aus der Vogelperspektive durch das Wasser, klickt mit der Maus auf das nächste Ziel, weicht flink aus oder wendet vor einem wartenden Maul. Selbst Kinder ab sechs Jahren dürften hier und vor allem mit dem Monstereditor ihren Spaß haben - Spore (ab 22,00€ bei kaufen) eignet sich hervorragend als kreativer Babysitter.

Survival of the Flinkest

Schon der Startphase zeigt der einfach zu bedienende Kreaturenbaukasten seine Stärken: Egal ob Farben oder Formen - eurer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Während dieses Katz- und Mausspiels sammelt man DNA in seiner Erfahrungsleiste und findet vielleicht eine paarungswillige Zelle mit wabernden Herzchen, um sich weiter zu entwickeln - sprich: Schneller, stärker, besser zu werden. Darf es ein Stachel zur Abwehr frecher Jäger sein? Oder eine Zille für das flotte Ausweichen? Vielleicht ein Gift spuckender Mund? All das lässt sich in null Komma nichts an eure Kreatur andocken. Schön ist, dass man immer noch auf einen anderen Nahrungserwerb umsteigen kann, wenn einem die vegetarische Kost zu gefährlich ist und man doch zum Räuber mutieren möchte.

In dieser ersten Phase ist Spore nicht mehr als ein kleines Minispiel. Man kann zwar schon hier zwischen aggressiver oder passiver Spielweise wählen und eine gewisse Tiefe erahnen, wenn man sich seine Entwicklung in der Evolutionsleiste anschaut, aber fasziniert wird man noch nicht. Hier deutet sich jedoch bereits eine starke Seite an, die später noch mächtig zulegt: Der Baukasten. Egal ob Glubsch- oder Tentakelaugen, Fransen- oder Spitzmaul, Streifen- oder Fleckenmuster - ihr könnt euch in alle nur denkbaren Richtungen entwickeln; natürlich in allen erdenklichen Farben. Spore macht hier sehr neugierig und lässt noch auf Großes hoffen.

               

Welle 2: Der große Schritt an Land (Kreaturenphase)

Endlich an Land: In der Kreaturenphase geht es vom Gezeitentümpel endlich auf die Planetenoberfläche. Auch hier lauern viele Gefahren...
Wenn man sich über Jahrtausende voll gefressen hat, entwickelt sich so langsam ein Bewusstsein in der schwimmenden Kreatur, die mal eine Zelle war. Und wo will man hin, wenn man genug vom trüben Nass hat und irgendwann den Weltraum beherrschen möchte? Richtig: An Land! Und jetzt wird aus dem starken ein mächtiger Baukasten, denn man kann die Wirbelsäule und den Körper mit wenigen Klicks strecken, dehnen, kann sich zwei, drei, vier oder acht Augen verpassen und dank einer Fülle an Gliedmaßen die bizarrsten Kreaturen züchten - das macht richtig Laune, weil die Bedienung denkbar einfach und die Vielfalt an Teilen so enorm groß ist.

Allerdings hat der ausgezeichnete Editor einen kleinen Schönheitsfehler: Ich erkenne im linken Bildschirm mit seinen dutzenden Mäulern, Füßen oder Flügeln nicht, was ich schon besitze. Sprich: Ich klicke rechts auf meine Kreatur mit Krallenfüßen und sie blinken links nicht auf - das ist deshalb ungünstig, weil es da schon zig Krallenfußsorten gibt.

Bunte Vielfalt statt prächtige Details

Eure Spezies wagt gemeinsam den Schritt aus dem Wasser an Land. Als Basis für die Futter- und Verbündetensuche dient euch ein Nest.
Aber zurück ins Spiel, zum ersten Landgang: Hier zeigt sich die Kulisse nicht gerade von der pompösen Seite, wenn man den Boden oder sein Nest betrachtet - die Texturen von Stroh, Geäst & Co sind einfach schwach. Spore punktet eher mit seiner Vielfalt als mit Details, eher mit seiner Farben- und Kreaturenfreude als mit prächtiger Außenwelt. Die kann sich zwar mit ihrem Tag- und Nachtwechsel, den Echtzeitschatten sowie ansehnlichen Wasserspiegelungen durchaus sehen lassen, bleibt aber auf einem durchschnittlichen Niveau ohne optische Finessen, physikalische Spielereien oder Kollisionsabfrage - Kreaturen laufen ständig durch Bäume oder andere Hindernisse und die Sicht wird oft versperrt, da Blätter und Sträucher im Zoom nicht transparent werden. Der Vorteil dieser polygonalen Sparsamkeit: Spore läuft theoretisch auch auf betuchten Rechnern ohne Stottern.

An Land bleibt es dabei, dass man sich erst körperlich verändern kann, wenn man eine paarungswillige Artgenossin gefunden hat - dann pausiert das Spiel und das Basteln geht los. Allerdings wird aus der alten Dreiteilung von Pflanzen-, Alles- und Fleischfresser die neue Aufteilung in soziale, anpassungsfähige oder räuberische Tiere. In dieser Phase hat man noch das wohlige Gefühl, dass sich diese Unterschiede in der Evolution auf das große Ganze auswirken, dass die kleinen Entscheidungen in der Kreaturenphase später noch von Interesse sind. Und selbst wenn nicht: Hier macht das Experimentieren und Erkunden auch noch Spaß, hier sorgt der Baukasten immer noch für genug Motivation.

Sozial, angepasst oder räuberisch?

Die Kulisse ist zwar bunt und dank Echtzeitschatten & Co durchaus ansehnlich, aber alles andere als prächtig. Spore punktet eher mit seiner Vielfalt als Texturdetails.
Je nachdem, für welche Spielweise ihr eure Kreatur spezialisiert, erlebt ihr den ersten Boden unter den Füßen ganz anders: Wer der Pflanzenaufnahme treu bleibt, muss sich vor den Räubern in Acht nehmen und schon mal die Flucht ergreifen; wer auf Fleisch umsattelt, muss ständig Ausschau nach Beute halten. Aber selbst da gilt es, auf die Schatten zu achten: Da stapfen nämlich auch riesige Ungeheuer durch die Wälder, die alles ohne Rücksicht auf Verluste in Grund und Boden stampfen. Ähnlich wie in der Zellenphase hat man hier das unangenehme Gefühl von Winzigkeit, das wiederum für eine gewisse Spannung sorgt: Komme ich lebendig zur Pflanze hinter dem Hügel, um mich zu ernähren?

Ziel ist es, entweder Verbindungen mit anderen Spezies einzugehen oder diese auszurotten. Und in dieser Phase zeigt Spore endlich etwas mehr Komplexität, denn man kann auf verschiedene Arten erfolgreich sein. Wer die friedliche Taktik wählt, kann sich über das geschickte Entwickeln seines Körpers soziale Aktionen wie das Tanzen, Singen oder Posieren in verschiedenen Effizienzgraden aneignen. Trifft man nun auf einen anderen Pflanzenfresser, kommt es zu einer Art Befreundungsbalz: Er macht etwas vor, das man nachahmen muss - wird getanzt, muss man nachtanzen; wird gesungen, muss man nachsingen.

Welche Fortschritte eure Spezies im Laufe ihrer Evolution macht, zeigt euch eine historische Übersichtsleiste an.
Das Knifflige dabei ist, dass man höher entwickelte Kreaturen nur dann überzeugen kann, wenn man die Disziplin ähnlich gut beherrscht - wer in der sozialen Evolution zurück bleibt, kann nicht überzeugen. Das System dahinter ist denkbar einfach: Wer nur einen Schweif mit Poser-Stärke 1 besitzt, wird es bei Kreaturen mit Poser-Stärke 3 schwer haben. Also heißt es: Aufrüsten! Und dieses Levelsystem ist im Grunde für aggressive wie friedliche Kreaturen dasselbe - nur die Icons ändern sich. Die eigene Kreatur braucht einen singfreudigen Mund, Berstenkörner zum Verzaubern, Federn oder Büschel für das Posieren und ordentliche Füße zum Tanzen.

Wenn das Gegenüber endlich beeindruckt ist, dann hat man nicht nur einen Verbündeten gewonnen, sondern auch einige besondere Merkmale dieser Spezies in seinem Baukasten zur Verfügung. Ersteres ist an Land lebenswichtig, denn man kann je nach sozialer Intelligenz irgendwann mit zwei oder drei Verbündeten losziehen, so dass man selbst Fleischfresser in Bedrängnis bringen kann. Das ist endlich mal eine gute Differenzierung zwischen den Spezies. Auch wenn man Pflanzen zu sich nimmt, kann man übrigens gut austeilen - Nashörner, Nilpferde und Gorillas lassen grüßen. Die Begleiter attackieren im Kampf automatisch, während man seine Spezialattacken über einen Mausklick auslöst: Je nach Kreatur kann das Schlagen, Rammen, Gift spucken oder Ähnliches sein.

Ihr habt noch Fragen zu Spore? Oder sucht Hinweise zu Artefakten, hilfreiche Statistiken oder News? All das findet ihr auf unserer Netzwerkseite SporeSource !In dieser Phase erinnert Spore fast ein wenig an World of WarCraft & Co: Man erkundet eine feindliche Umgebung, meidet die Aggressionsbereiche zu gefährlicher Monster und sucht neue Partner - mit dem Unterschied, dass Spore hier statischer und kleiner ausgelegt ist. Ähnlich wie in Online-Rollenspielen kommt man hier in eine Leveltretmühle mit Erfahrungspunkten und homöopathischen Belohnungen zum Aufstieg. So pirscht man durch die Gegend, immer auf der Suche nach Nahrung und Verbündeten. Die enormen Größenunterschiede zu manchen Feinden und diese Ahnung von Monstren machen diese Phase zu einer durchaus unterhaltsamen - richtig faszinierend ist hier aber eher die Entwicklung der eigenen Kreatur als das Spielprinzip. Trotzdem gehen in dieser Phase der Baukasten und die Erkundung der Welt eine gelungene Symbiose ein - die Motivation stimmt, Spore unterhält gut.

   

Welle 3: Primitives Stammesleben (Stammesphase)

In der Stammesphase entwickelt sich Spore zu einem Echtzeit-Strategiespiel mit Aufbauphase. Allerdings können Gebäude und Waffen nicht über die inhaltlichen Schwächen hinweg täuschen.
Der nächste Schritt in der Evolution leitet dann allerdings die schwächste Phase im Spiel ein: Die Stammesphase. Hier begegnen euch zum ersten Mal Werkzeuge und Bündnisse, Hütten und Gemeinschaften, was theoretisch für mehr Möglichkeiten und Spieltiefe sorgen sollte. Das Ganze ist an klassische Echtzeit-Strategiespiele mit Aufbauteil angelehnt. Das heißt, ihr baut Gebäude, sammelt Nahrung, verteilt Berufe vom Musikanten bis zum Krieger und sorgt nebenbei für Nachwuchs, damit euer Stamm wächst.

Da ihr auf dem selben Planeten bleibt, erkennt ihr auch, wie eure ehemaligen Tierfreunde auf dem Evolutionsniveau stehen geblieben sind - leider oft im wahrsten Sinne des Wortes: Viele der Kreaturen stehen wie Ölgötzen in der Landschaft herum, ohne sich großartig um die Jagd oder Flucht zu kümmern. Schön ist allerdings, dass man die Tiere domestizieren kann; seine letzten animalischen Freunde nimmt man sogar automatisch mit in ein kleines Gehege.

Hurra, eure Kreaturen haben ihr Nest verlassen und ihre erste Hütte gebaut! Jetzt muss der Stamm wachsen und sich entweder kriegerisch ausbreiten oder musikalisch verbünden.
Einen Stamm gründen? Kein Problem! Was so einfach klingt, wird leider sehr verwirrend eingeleitet - zu Beginn weiß man nicht genau, was man eigentlich tun kann, um sich zu spezialisieren, welche Rolle der Häuptling genau inne hat, was das Gehege soll und wie man sich verbünden kann. Zwar verfügt Spore über eine vorbildliche Texthilfe und Enzyklopädie, aber der Übergang von der Kreaturen- in die Stammesphase wirkt wie ein Bruch. Vor allem deshalb, weil das Spiel hier selbst dann, wenn man es durchschaut hat, nicht so viel Spaß macht wie in der offenen Kreaturenphase; man fühlt sich plötzlich in bekannte Genrekonventionen gezwängt. Was zu Beginn ob der Möglichkeiten verwirrend wirkt, ist eigentlich total simpel.

Statischer Basenbau

Das fängt schon beim Aufbau an, denn viel Freiheit habt ihr hier nicht: Ihr könnt euer Lager nicht überall bauen, sondern müsst Gebäude auf vorgegebenen Plätzen erstellen - das System erinnert an EAs Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde . Und ab diesem Zeitpunkt könnt ihr auch nicht mehr auf die Statur euer Spezies Einfluss nehmen. Das Äußere lässt sich ab sofort nur noch über Ausrüstung und Kleidung ändern, die sich auch auf eure Fähigkeiten auswirkt. Das macht längst nicht so viel Spaß wie die Kreaturenbildung - hier verliert Spore einen Motivationsjoker, der die ersten beiden Phasen noch wirkte. Und dieses

Leider gibt es nur festgelegte Bauplätze für eure Gebäude. Zur Auswahl stehen hier lediglich diverse Waffen oder Musikinstrumente, das Spielprinzip ist trotz anfänglicher Verwirrung (Wozu brauche ich ein Gehege? Was macht der Häuptling?) denkbar einfach.
System der Kleidungsboni ist zudem sehr gewöhnungsbedürftig, weil es nicht klar genug ist: Wie wirkt sich dieser Hut oder die Feder jetzt genau aus? Oder ist es nicht egal, wie ich schmücke? Ja, es ist streng genommen nur noch Fassade, das Äußere verliert an Bedeutung.

Alles läuft jetzt darauf hinaus, dass ihr der letzte Stamm auf dem Planeten sein müsst, um zu gewinnen. Das könnt ihr erneut über Bündnisse oder den Krieg oder eine Mischung aus beiden erreichen - die Dreiteilung im Vorgehen aus aggressiv, ausgeglichen und passiv erscheint hier genau so wie in den Phasen zuvor. Und sie zeigt hier erste Abnutzungserscheinungen, denn es ist hier wirklich banal einfach, militärisch zu siegen, da die Gegner nahezu keine künstliche Intelligenz besitzen; und zwar auf dem mittleren von drei Schwierigkeitsgraden. Und spätestens hier hätte man eventuell auch taktische Fortschritte im Gefecht erwarten können.

Primitive Kriegsführung

Es gibt zwar Nah- und Fernkämpfer, wobei sich Letztere mit ihren Speeren durchaus automatisch hinten postieren, aber das Ganze erinnert in der Schlacht eher an ein buntes Gewusel als an Stammeskriege - im Grunde gewinnt der, der mit mehr Leuten sehr früh seinen Nachbarn angreift und dessen Hütte zerstört. Auch die Evolution von Formationen oder Gruppenbildung macht Spore nicht mit, sondern beschränkt sich auf primitive Mechanismen. Schade ist auch, dass das Vernichten fremder Stämme kaum Auswirkungen auf die Aktionen anderer Stämme hat.

Kampf bis zur feindlichen Hütte: Wer seine Gegner schnell und früh mit vielen Kriegern attackiert, wird erfolgreich sein. Taktische Tiefe ist hier leider Fehlanzeige.
Etwas kreativer, aber im Endeffekt ähnlich schnell durchschaut, ist da schon die friedliche Methode: Wer Nachbarstämme beeindrucken will, marschiert nicht mit Äxten, sondern Maracas, Holzhörnern und Didgeridoos hinüber. Im Gegensatz zur Stammesphase entscheidet hier nicht das musikalische Nachahmen, sondern Musik-on-Demand: Die Leute aus dem anderen Stamm halten Schilder mit den Instrumenten hoch, die sie hören wollen - dabei ist auch die Anzahl der Schilder entscheidend. Wenn sie fünf Maracas anzeigen, ihr aber nur drei dabei habt, dann reicht es nicht für den finalen Bündnisjubel. Also heißt es: Möglichst viele Leute mit unterschiedlichen Instrumenten dabei haben, um sich zu verbünden.

Je nach Spielweise bekommt ihr am Ende dieser Phase wieder eines von drei möglichen Verhaltensmustern bescheinigt: Aggressiv, "Arbeitssam" (??? Hört sich an wie ein tüchtiges deutsches Wort, ist aber keines - der einzige Fauxpas in einer ansonsten guten Übersetzung), Freundlich. Besonders konsequent ist Spore hier nicht: Obwohl ich zwei Stämme ausgerottet und nur einen musikalisch überzeugt habe, werde ich nicht als Aggressor eingestuft. Warum reicht ein Bündnis aus, um mich anders einzuordnen? Hier wirkt das mathematische System der Auf- und Abstufungen einfach zu steril. Außerdem hinterlässt diese ganze Phase den unangenehmen Nachgeschmack von Echtzeit-Strategie light. Die Motivation sinkt an dieser Stelle, man vermisst die Spieltiefe.

    

Welle 4: Die Geburt einer Nation (Zivilisationsphase)

In der Zivilisationsphase scheint sich Spore dank Diplomatie, Handel und Religion endlich komplexerer Gestaltung zu widmen.
Nach dieser ernüchternden Stammesphase, die höchstens auf befriedigendem Niveau angesiedelt war, kommt die Zivilisationsphase. Und hier verschenkt Maxis sehr viel Potenzial, denn theoretisch hätte man aufgrund der Ähnlichkeit zu Civilization IV  (Städte verwalten, Rohstoffe ernten, Reich vergrößern) durchaus anspruchsvolle Impulse einfügen können.

Dafür sorgt der Baukasten noch mal für Bastelfreude - oder ist es jetzt langsam Arbeit, dass man jedes Teil selbst gestalten muss? Wer faul ist, kann immerhin auch auf vorgefertigte Grafiken zurückgreifen; von Maxis oder von Usern weltweit, auf deren Inhalte man zurückgreifen kann - quasi globaler "User Generated Content". Zwar kann man seine Kreatur nicht weiter entwickeln als ihr Kleidung zu verpassen, aber dafür bauen sich Kreativköpfe gleich zu Beginn ein Rathaus nach eigenem Geschmack - später kommen normale Häuser, Autos, Flugzeuge und Fabriken hinzu. Die Kombinations- und Farbmöglichkeiten sind schier unerschöpflich, man kann sich von quietschbunt bis hin zu düsterdunkel ins Nirwana konstruieren.

Eure Spezies kann sich körperlich nach der Kreaturenphase nicht mehr weiter entwickeln - so wird das Volk aussehen, das mal den Weltraum erobern soll. Den Hut kann man ja noch abnehmen...
In diesem Zeitalter der Technologie geht es nur auf den ersten Blick endlich wieder komplexer zur Sache, denn jetzt, wo sich der eigene Stamm auf dem Planeten durchgesetzt hat, muss man die vielen Städte der eigenen Spezies einen. Also baut man sich seine eigene Stadt, erntet Rohstoffe, indem man die Gewürzvulkane sichert, und muss dabei so effizient sein, dass man schnell die anderen Metropolen übernehmen kann. Auch hier bleibt sich Spore der Devise "Jeder nach seiner Fasson" treu - ihr könnt die anderen Städte vernichten, bekehren oder kaufen.

Die Religion ist da

Damit feiert die Religion neben den Fahrzeugen (zur Ernte der Gewürze, zur Bekehrung mit Hologrammen oder zur Attacke mit Projektilen) ihre Premiere. Und hinzu kommt endlich eine erste diplomatische Komponente, denn eure Ausrichtung bestimmt den Sympathielevel bei euren Nachbarn - von einem bösen roten Gesicht über ein neutrales blaues bis hin zum grünen Smilie. Diesen Level könnt ihr mit euren Aktionen beeinflussen; wer Kriege inszeniert, macht sich keine Freunde.

Mit der Religion kommt die Bekehrung als Waffe ins Spiel: Ihr könnt feindliche Städte mit Hologrammen eurer Götter beeinflussen und schließlich übernehmen.
Eure Gründerstadt bestimmt je nach eurem Verhalten in der Stammesphase die Ausrichtung der ersten Stadt. Wart ihr weder Aggressor noch Pazifist? Dann wird sie wirtschaftlich aktiv und ermöglicht euch, andere Städte zu kaufen - zu diesem Zeitpunkt könnt ihr also weder angreifen noch bekehren. Erst, wenn ihr euch andere Städte aneignet, habt ihr die Wahl, ob ihr deren Ausrichtung übernehmt. Ihr könnt euch also spezialisieren oder durch geschickte Aufteilung alle Fähigkeiten einsetzen. Und wieder einmal gilt: Wer aggressiv spielt, hat es am einfachsten - die militärischen Herausforderungen in Spore sind kaum vorhanden; man gewinnt meist mit der stupiden Alles-drauf-Methode.

Erste Sackgassen?

Das Blöde ist, dass man auch in Sackgassen bzw. Schleifen des ewig Gleichen kommen kann, da die eigenen Fahrzeuge wirklich nur eine Funktion ausführen. Ich habe mit einer wirtschaftlichen Metropole auf dem Kontinent begonnen und irgendwann meine religiös ausgerichtete Nachbarstadt gekauft; als mir diese wieder entwendet wurde, konnte ich nicht mehr auf die anderen Inseln expandieren, da diese den einzigen Hafen hatte. Und da ich von aggressiven Nachbarn umgeben war, wollten diese auch gar nicht erst handeln bzw. sich kaufen lassen. Leider waren sie mir deshalb nicht gerade wohl gesonnen, weil die von mir annektierte Stadt eben religiös orientiert war und mir damit einen Weltanschauungsmalus verpasst hat - selbst dann noch, als es gar nicht mehr meine war!

Natürlich geht das auch auf klassische Art und Weise: Krieg führen, bis die Stadt fällt.
Also saß ich mit meiner kontinentalen Stadt auf dem Kontinent fest und konnte für einige Stunden nicht expandieren, um das Spielziel zu erreichen, da ich 1) keinen Hafenzugang hatte, 2) aufgrund meiner Wirtschaftsausrichtung kein Militär bauen konnte und 3) keine Konkurrenten kaufen konnte, da diese mich als Feind einstuften.

Theoretisch hätten sie mich sehr schnell vernichten können, vor allem, als es nur noch einen Gegner gab, der mit seinen Panzern alles überrollt hatte - außer meiner allerersten Stadt. Allerdings hat die KI diese Möglichkeit erst gar nicht in Erwägung gezogen. Die Lösung für mich: Ich konnte ihre Sympathie über einfache Bestechungsgelder Schritt für Schritt erhöhen, von aggressiv bis hin zu neutral, so dass ich ihre Städte schließlich doch noch kaufen konnte. Das hat mich zwar im Endeffekt aus der Sackgasse geführt, aber an dieser Stelle kam man nur auf stupide Art und Weise zum Ziel. Ähnlich wie die Stammesphase hat mir die Zivilisationsphase keinen Spaß gemacht. Das, was hier an Civilization-Potenzial schlummerte, wurde einfach nicht ausgenutzt. Aber dann geht es in den Weltraum...

    

Welle 5: Super Wills Galaxy (Weltraumphase)

Der Weltraum ist riesig: Zu Beginn ist die Galaxie noch unerforscht, im Laufe der Zeit füllt sich eure Sternenkarte mit Alienvölkern, die ihr auch als Verbündete gewinnen könnt.
...und plötzlich öffnet sich eine galaktische Karte, die einem nach dem ersten zögerlichen Erfassen den Atem verschlägt: So groß ist Spore? Wirklich so groß? Man kommt aus dem Staunen kaum noch heraus, wenn man sich später mit dem Mausrad in dutzende Sternensysteme zoomt, wo man auf hunderte Planetenoberflächen hinunter scrollen kann, um die Vegetation und Tierwelt zu betrachten oder einfach nur Vulkanausbrüche und Eiswinde zu sehen. Im Vergleich zu dieser Phase mit diesem riesigen Raum erscheinen die anderen vier fast wie ein Prolog. Man kann hier mindestens zehnmal so viel entdecken wie in allen Phasen zuvor! Hatte ich vorher zehn oder zwanzig Dinge erforscht, ging es hier schnell in die hunderte.

Die Frage ist: Kann Entwickler Maxis nach dem durchwachsenen Auftakt, der einen im Einstieg zwar noch neugierig machte und in der Kreaturenphase gut unterhielt, aber in der Stammes- und Zivilisationsphase so stark ernüchterte, noch mal für Begeisterung und Motivation sorgen? Ja. Diese Phase rettet Spore letztlich die gute Wertung - ansonsten wäre es im befriedigenden Bereich stecken geblieben. Das liegt nicht daran, dass man jetzt auch ein Raumschiff basteln und bemalen, ja sogar aktiv über Maus und/oder Tastatur fliegen darf, sondern am Erkundungs- und Entdeckerdrang, der hier in der Weite der Galaxie ausgelöst wird: Ich soll das Lycah-Sternensystem finden und dort den Planeten Calda erforschen! Ich soll Ruinen scannen und ein uraltes Artefakt bergen! Na also, hier kommt endlich Stimmung auf!

Was für ein Raumschiff darf es sein? Das entscheidet ihr! Ähnlich wie eure Kreaturen werden auch all eure Fahrzeuge und Gebäude komplett individuell gestaltet. Der Editor ist mächtig und einfach zu bedienen.
Und diese Galaxie hat trotz der steril wirkenden Übersichtskarte mit ihren bunten Verbindungslinien Charme: Die vielen kleinen Himmelskörper erinnern unweigerlich an Nintendos Super Mario Galaxy - auch da konnte man die Planeten in null Komma nichts umrunden. Hier fliegt man mit seinem Raumschiff um vulkanische, eisige, spröde, blaue oder violette Planeten herum, kann auf Tastendruck an Höhe gewinnen oder wieder runter fliegen, um sich die Fauna und Flora aus der Nähe anzusehen. Mit einem Scanner kann man zudem alle Arten archivieren: Einmal eine Pflanze anfunken und schon erscheint ihr Name plus Bild oben im Display - sehr schön, diese kleine aber feine Erkundungsmöglichkeit hat anno dazumal auch Beyond Good & Evil ausgezeichnet! Ihr wollt die Beute einlagern und mitnehmen? Kein Problem: Einfach mit dem Entführungsstrahl draufhalten und hochbeamen!

Was ist im Zentrum der Galaxie?

Es gibt unendlich viel zu entdecken. Das ist nur ein kleiner Auszug aus den Planeten, denen ihr auf eurer Reise begegnet...
Ziel ist es, bis ins Zentrum des Universums vorzudringen. Und da kommt man nur hin, wenn man den Weltraum kolonisiert, mit Außerirdischen interagiert, geschickt handelt und seine Raumfahrttechnik weiter entwickelt. Man startet als kleiner unbekannter Kapitän und kann zur intergalaktischen Berühmtheit aufsteigen, wenn man nur genug Aufträge erfüllt und nützliche Werkzeuge sammelt, die man entweder als Belohnung bekommt oder irgendwo findet. Sehr ansehnlich sind die Dialogfenster mit den animierten Kreaturen: Zu Beginn klärt euch hier ein Vertreter des eigenen Volkes darüber auf, was ihr am besten tun solltet - ein Artefakt bergen, Handelsrouten errichten oder Ähnliches.

Diese ersten Hinweise nimmt man dankbar an, denn in dieser Phase kann man quasi alles machen. Im Gegensatz zu den ersten vier Phasen, die meist dreigleisig strukturiert waren, öffnet Spore hier nicht nur alle wirtschaftlichen und kriegerischen Möglichkeiten, sondern fügt viele neue Aktionen hinzu: Terraforming, Kolonisierung, Seuchenschutz, Schatzsuche, Sabotage, Pflanzensuche, Entführung, Diplomatie, Bündnishilfe, Handelsrouten etc. - die Liste der Quests und Aufgaben ist schier unerscöpflich.

Ihr könnt in einem animierten Dialogfenster mit den Aliens interagieren: Quests, Handel, Philosophie, Bündnisse & Co stehen auf der Gesprächsordnung.
Als Basis dient der eigene Planet, den man als Zelle entdeckte und schließlich mit der eigenen Kultur zivilisierte. Jetzt ist die eigene Spezies allerdings nur eine von Hunderten, die da draußen aktiv sind. Und hier fühlt man dann doch einen gewissen Stolz gepaart mit einem Big-Mama-Gefühl, wenn man den Planeten mit seiner Kreatur betrachtet und die ersten Kolonisten der eigenen Spezies im Weltall aussetzt. Hier spürt man dann doch die Größe, die in Spore schlummert.

Terraforming & Wirtschaft

Man kann z.B. Planeten terraformen, also bewohnbar machen, wenn man die richtige Technik einsetzt. Und hier gibt es kein blödes Minispiel mehr, sondern ein intelligentes, dreistufiges System, bei dem ihr die Temperatur und Atmosphäre eines Planeten gezielt über Meteoritenhagel, Sauerstoffmaschinen oder Vereisungsapparate beeinflussen könnt. Und wenn ihr das gemacht habt, müsst ihr auch das Ökosystem des Planeten stabilisieren - sprich: Ihr müsst Tiere und Pflanzen aller Arten beschaffen und hier ansiedeln; auch das in drei Stufen, wobei ihr nicht einfach dieselbe Spezies drei mal aussetzen dürft, sondern immer neue Lebensformen. Das ist zwar alles teuer und aufwändig, aber nur über diese Methode könnt ihr fruchtbare Kolonien entstehen lassen, die für euch die wertvollen Gewürze ernten.

Die Planetenkrümmung im Visier: Mit eurem Raumschiff könnt ihr die vielen großen und kleinen Himmelskörper erforschen, Pflanzen oder Tiere aufnehmen und Kolonien gründen.
Und da sind wir beim Thema Wirtschaft: Im Gegensatz zur Zivilisationsphase, wo es nur einen Rohstoff gab, gibt es jetzt verschieden gefärbte Gewürzarten, mit denen ihr handeln könnt. Das gewöhnliche rote Gewürz verkauft man natürlich am besten dort, wo es selten ist, um auch ordentlich Profit zu machen. Ohne Gewinn werdet ihr nämlich nie das Zentrum der Galaxie sehen: Jede Erweiterung eures Raumschiffes, wie z.B. effizientere Laser oder Bomben, mehr Platz im Lager, höhere Energiereserven oder Reichweite, kostet richtig viel Geld. Also solltet ihr möglichst dort Kolonien erreichten, wo auch das blaue oder grüne oder gelbe Gewürz gedeihen könnte. Und ihr solltet Handelsrouten aufbauen, um nicht alles alleine zu bewerkstelligen!

Kommunikation & Diplomatie

Diese Expansion setzt wiederum Kommunikation voraus. Sprich: Ihr müsst mit den Aliens interagieren! Und hier trumpft Spore mit einer Fülle an Kreaturen und Völkern auf, die wirklich verblüfft - zumal die meisten Spezies auch noch mit einer eigenen Philosophie aufwarten. Mal abgesehen von den putzigen Gesten und Geräuschen: Es gibt rücksichtslos brutale, hinterhältig gemeine, zurückhaltend vorsichtige, geldgierige, stoische, religiöse fanatische und einfach nur durchgeknallte Aliens da draußen. Sobald ihr in Kommunikationsnähe seid, blinkt es blau auf und ihr könnt das Dialogfenster mit ihren animierten Gestalten öffnen.

Der Weg ins Zentrum der Galaxie wird übersichtlich dokumentiert: All eure Entwicklungen und Tode, Entdeckungen und Erfolge findet ihr hier - eine futuristische Variante des Teppich von Bayeux.
Diesen Bereich hat Maxis wirklich gut inszeniert, vom anfänglichen Störnebel bis zum endgültigen Materialisieren des Aliens. Und abgesehen von den bewegten Gesten gibt es hier auch außerirdische Akustik auf die Ohren und teilweise witzige Texte, die gut ins Deutsche übersetzt wurden. Das Gnosh-Reich meldet sich z.B. so: "Willkommen liebe Mit-Lebensform!". Wichtiger ist noch, dass hier ein Tick Rollenspiel und ein angenehmer Schuss Diplomatie aufwarten: Man kann sein Gegenüber nach seiner Lebenseinstellung fragen, man kann es über das Ablehnen eines Auftrags verärgern oder über einen kleinen Kauf erfreuen - wie sich der Sympathielevel ändert, erkennt man sofort anhand des numerischen Feedbacks sowie der Veränderung des Smilies, der rot bis orange erzürnt, gelb bis blau neutral oder grün lächelnd dargestellt sein kann.

Diese Dialoge nutzen sich mit der Zeit leider ab, da sie euch immer dieselben Interaktionsmöglichkeiten servieren, sie bleiben aber wichtig für euren Erfolg - also klickt man sich ohne nähere Lektüre zu den wesentlichen Fragen: Nur, wenn ihr die Aliens freundlich behandelt, ihnen Geschenke überreicht und vor allem ihre Aufträge erfüllt, werden sie euch wohl gesonnen und lassen in einer ersten Annäherung Handelsrouten, in einer zweiten vielleicht sogar ein Bündnis zu und in einer dritten werden sie eventuell einen Feind für euch attackieren. Das Diplomatiesystem erinnert hier - trotz deutlicher Defizite en detail, was gemeinsame Allianzbildungen oder Handelsembargos angeht- angenehm an Civilization IV .

Civilization lässt grüßen

Leider kann man nicht von einem früheren Punkt seiner gespeicherten Evolution wieder anfangen, um etwas anderes zu probieren: Man muss im Hauptmenü einen neuen Planeten auswählen und kann dort direkt in jede der fünf Phasen einsteigen.
Leider konnten die Entwickler diese Anleihen im Lauf der Weltraumphase nicht konsequent genug weiterführen - sonst hätte unser Goldaward gewackelt: Am Anfang macht es noch richtig Laune, mit seinem Raumschiff durch die Galaxie zu fliegen und sich einen Stützpunkt und Verbündeten nach dem anderen zu sichern. Aber irgendwann, wenn man ein Dutzend eigener Kolonien überall verstreut hat, wenn man zig Infizierte ausgelöscht, dutzende Pflanzen geborgen und Artefakte gesammelt hat, vermisst man eine übergeordnete Verwaltung - statt übersichtlicher Imperiumsgestaltung kommt es zu langwierigem Babysitting vom Terraforming bis zur Reaparatur jedes einzelnen Planeten.

Hätte man nicht ein imperiales Menü anbieten können, in dem ich mich durch mein Reich klicke und schnell Strukturen schaffen oder Schwerpunkte im Aufbau wie militärisch, wirtschaftlich oder technisch hätte setzen können? Hätte man nicht Berater installieren können? Das, was die Stadtverwalter irgendwann in Civilization leisten, nämlich das lästige Mikromanagement durch optionale und intelligente Automatismen verhindern, leistet Spore leider nicht.

Hektische Luftkämpfe

Habne wir schon erwähnt, dass der Editor klasse ist? Man kann sogar Mäusevorbilder zu Autos oder Raumschiffen designen - hier das Modell Hinky.
Das ist deshalb ein Kritikpunkt, weil es irgendwann in einem großen interstellaren Reich an allen Ecken und Enden aufgrund von Überfällen und Piraten brennen kann. Statt Sandkastenidylle und Erkundungsspaß regiert dann die nervige Kriegshektik: Man wird quasi alle paar Minuten irgendwo von Außerirdischen angegriffen. Ich habe nichts gegen Schlachten im Weltraum, aber Spore zwingt einen dazu, sich um jeden kleinen Konflikt selbst zu kümmern und danach den Schaden an Städten wieder im Detail aufzubauen. Warum gibt es keine besseren defensiven Automatismen als die Geschütze, die man auf den Planeten in jeder kleinen Stadt errichten muss? Warum muss ich wirklich in jeder einzelnen Stadt jedes einzelne Geschütz wieder manuell installieren? Das nervt einfach. Und das hätte ein intelligentes Spieldesign über eine einfache Übersicht aller Planeten verhindern können.

Zumal der Echtzeitkampf gegen feindliche Raumschiffe auch nur zu Beginn Spaß macht, da ihm auf Dauer die taktische Raffinesse und die intuitive Bedienung fehlt: Man zielt mit einem Fadenkreuz auf einen Gegner, feuert dann über eine an Online-Rollenspiele erinnernde Menüleiste mit Kampficons Laser oder Spezialwaffen ab oder heilt sich. Zwar kann man

Und was man alles sammeln kann! Die Achievements aus Xbox Live lassen grüßen: Es gibt wirklich für alles gesonderte Auszeichnungen.
später auch die Durchschlagskraft von zwei, drei oder vier Verbündeten nutzen, die automatisiert mitfliegen und schießen, was die Duelle verkürzt, aber das Ganze erinnert eher an einen kleinen Shooter als an anspruchsvolle Weltraumgefechte mit Schutzschilden, Formationen & Co. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zielerfassung des Feindes fast nie auf Anhieb funktioniert, da man seine Flughöhe immer nach oben oder unten ausrichten muss - das führt manchmal zu hektischem Gefummel. Hier wäre es besser gewesen, den Feind wenigstens in Sichtweite fixieren zu können, um sich nicht auf den Anflug, sondern die Wahl der Waffensysteme konzentrieren zu können.

Endspiel: Was kommt dann?

Wenn man nach dem Bau von zwanzig, dreißig Kolonien in diesem Planetenbabysitting steckt, wenn man den gefühlten zweihundertfünfundsechzigsten Angriff auf seinen Mutterplaneten abgewehrt hat, wenn man tausende Weltraummeilen und Myriaden Artefakte und Plaketten gesammelt hat, dann kommen einem zwei Gedanken: Erstens pfeift man auf die stupide Trophäenjagd und will endlich in das Zentrum der Galaxie vordringen, um die geheimnisvollen Grox zu finden, um vielleicht noch eine erzählerische Wende zu erleben, die frisch motiviert. Also gibt man Gas und stört sich nicht mehr um all die Angriffe der Aliens, die scheinbar zu dumm sind, um der eigenen Spezies endlich den Garaus zu machen. Man hangelt sich kompromisslos von Sternensystem zu Sternensystem und staunt erneut über die Größe dieser Galaxie. Aber in das Staunen schleicht sich auch die Gewissheit, dass Spore in dieser Phase zusammen mit seiner atemberaubenden Masse auch seine Beliebigkeit offenbart. Hatte die ganze Evolutionsphase überhaupt eine Auswirkung auf das gehabt, was meine Spezies gerade im Weltraum veranstaltet? Man fühlt sich trotz all seiner Anstrengungen wie ein winziger Punkt im All, auf der Suche nach mehr Spielspaß als den, den all die Quests und Trophäen zu Beginn noch auslösen konnten. Am Ende, wenn man das Zentrum der Galaxie nach 20 bis 30 Stunden endlich gefunden hat, fragt man sich, ob man das Ganze noch mal von vorne spielen würde - vom Einzeller bis zum Raumfahrer. Bei mir lautete die Antwort ganz klar: Nein.

      

Fazit

Spore ist ein gutes Spiel. Spore ist sogar ein großes Spiel, wenn ich mir die schiere Vielfalt vor Augen führe - alleine für den unerschöpflichen Baukasten, die Online-Integration der weltweiten Community und die inspirierende Aussicht auf die eigens gestaltete Evolution würde ich am liebsten einen Award zücken: Diese Vision ist es, die im ersten Spielanlauf die Tage frisst und die Nächte schluckt. Will Wright hat hier sehr viel Faszinierendes im Angebot, das im besten Sinne des Wortes zum Spielen animiert - zum Ausprobieren und Experimentieren, zum Bauen und Bemalen, zum Erkunden und Erobern. Aber Spore ist trotz aller Sympathie für diese epische Idee alles andere als ein großartiges Spiel. Visionäre Theorie und erspielte Praxis klaffen irgendwann weit auseinander - aus der prickelnden Neugier wird zu oft Ernüchterung. Spore ist mal genial, mal banal, mal faszinierend, mal frustrierend. Es scheitert letztlich am Spagat zwischen simplem Minispielcharme und komplexer Welteroberung. Obwohl ich nach zwei unterhaltenden und zwei sehr schwachen Phasen, die wie ein Prolog anmuten, endlich ein pulsierendes Universum erkunden kann, ist es letztlich auch ein beliebiges - sprich: Unter der bunten Oberfläche schlummert zu viel Sammelbares, zu viel Sim'sches, aber zu wenig Anspruchsvolles, zu wenig Civ'sches. Ich vermisse die große Perspektive, die mich nach Millionen Jahren Evolution endlich weg bringt vom Mikromanagement des Einsammelns und Einsaugens, die mich hin bringt zum Planen und Verwalten im großen Maßstab. Für diese Aussicht fehlt Spore eine übergeordnete Ebene der Verwaltung, die mich schnell und effizient über meine Planeten, Rohstoffe und Bündnisse wachen lässt. Man verheddert sich immer wieder in Kleinkram, der irgendwann seinen Reiz verliert. Und das ist der entscheinde Unterschied zu strategisch interessanteren Spielen wie Civilization IV. Spore ist eher für Sammler oder Online-Rollenspieler geeignet, die einfach aufsteigen und möglichst alle Auszeichnungen in ihrem Archiv sehen wollen. Das macht durchaus Laune, wenn man Weltraummeilen, Artefakte und Aliens abstaubt. Aber das Spiel hätte an Größe gewonnen, wenn man es im letzten starken Drittel anspruchsvoller gestaltet hätte. Warum wird man im Weltraumzeitalter zum Jäger & Sammler degradiert? Am Ende hat man das Gefühl, dass Spore zu sehr für den Kompromiss und die sammelwütige Masse entwickelt wurde. Es hat ein sympathisches, wunderbar massentaugliches, aber letztlich in seinen Teilen ganz gewöhnliches Gamedesign. Und damit hat es sich aus evolutionärer Sicht hervorragend an die aktuelle Spiele-Umwelt angepasst. Hätte Will Wright markanter selektiert und ausgelesen, hätte Spore vielleicht die Spitze der Spieleschöpfung erreichen können. Ist das tragisch? Nein. Hier hat sich ein kreatives Team an einer im Ansatz grandiosen Idee versucht, mich neugierig zappeln lassen und an der kunterbunten Oberfläche sehr lange Zeit gut unterhalten.

Pro

grandiose Spielidee
viele Spielweisen möglich (aggressiv, ausgewogen, passiv)
unglaubliche Artenvielfalt
riesiges Universum
Spiel ohne Kampf zu meistern
gelungenes Diplomatie- & Wirtschafts-System
mehrstufiges Terraforming-Konzept
fantastischer Gebäude-, Fahrzeug- & Kreaturen-Editor
Paradies für Item-Jäger & Trophäen-Sammler
abwechslungsreiche Aufträge
coole Planetenzooms

Kontra

zu viele Sammelquests- viele Interaktionen auf Minispielniveau
nervige Alarmierungen & Kämpfe in der Weltraumphase
Spielweisen gleichen sich manchmal zu sehr
zu wenig Verwaltungsübersicht (Planetenbabysitting) 
schwache Stammes
& Zivilisationsphase
taktisch belangloses Kampfsystem
Sackgassen in der Zivilisationsphase
zu wenig Überraschungen in der Weltraumphase

Wertung

PC

Die Evolutions-Idee ist großartig, das Spiel kann letztlich gut unterhalten - etwas mehr Anspruch und es hätte begeistert!

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