Rising Kingdoms05.07.2005, Benjamin Schmädig
Rising Kingdoms

Im Test:

Schon mutig, was Haemimont Games da wagt: In einer Zeit, in der 2D-Grafik selbst unter Echtzeitstrategen bestenfalls nostalgische Gefühle auslöst, scheuen die Bulgaren nicht davor zurück, einen Titel zu veröffentlichen, der schon im Vorfeld als altbacken abgetan werden könnte. Bietet Rising Kingdoms (ab 5,66€ bei kaufen) genug spielerische Tiefe, um die unansehnliche Kruste aufzubrechen oder ist es nicht mehr als ein längst überholter Nachzügler?

Das Memento der Fantasy

Zweimal sollen dunkle Mächte das Land Equiada heimsuchen, bevor das Böse für immer und ewig vom Erdboden verbannt wird. Was hat es mit dieser Prophezeiung auf sich? Bis ihr das herausfindet, müsst ihr euch durch drei Kampagnen kämpfen, in denen die Geschichte aus der Sicht der Menschen, Waldwesen und Sinistri in jeweils zehn Missionen erzählt wird.

Ihr habt die Qual der Wahl und könnt den Story-Modus mit jeder der drei Rassen beginnen, wobei es sich empfiehlt, die Handlung in der vorgegebenen Reihenfolge zu erleben. Chronologisch schreitet ihr dabei nicht voran, denn Haemimont erzählt in der ersten Kampagne gleich das Ende vom Lied. Erst mit den Sinistri erfahrt ihr, wie das Unheil einst seinen Lauf nahm.

2D für High End-Rechner?

So löblich die Idee klingen mag, so wenig habt ihr davon, denn die eigentlich spannende Geschichte wird in trockenen Dialogfenstern vorangetrieben, durch die ihr euch mühsam klickt. Vom packenden Story-Rahmen bleibt daher nicht viel übrig, mitreißend geschrieben sind die wichtigen Unterhaltungen schon gar nicht. Fehlende Zwischensequenzen

Die Hüter des Waldes im Zwist mit den Herrschern der Unterwelt.
und technische Qualitäten, die zuletzt vor fünf Jahren aktuell genannt wurden, tun ihr Übriges, damit die Präsentation ans untere Ende jeder Wertungsskala purzelt.

Auch die eigentlich hübsche, aber grob animierte und längst nicht mehr zeitgemäße 2D-Grafik schreckt Besitzer moderner Rechner ab. Könnte man dem Spiel hier noch zugute halten, sich an Besitzer betagter Hardware zu wenden, löst sich das Argument spätestens dann im Nichts auf, wenn viel Betrieb im Fantasyreich herrscht und ein Prozessor mit mehr als 2 GHz das Erreichen der Leistungsgrenze mit störendem Ruckeln quittiert. Hier bot selbst das fast ein Jahr ältere Armies of Exigo schönere und vor allem den Rechner schonende Eindrücke.

Klassisch gut

Aber sei's drum, auf die inneren Werte kommt es schließlich an. Und hier bietet Rising Kingdoms schmackhafte Hausmannskost, die mit interessanten Features für kurze Phasen guter Unterhaltung sorgt. Jedenfalls dann, wenn ihr euch für das klassische Schere-Stein-Papier-Prinzip begeistern könnt und keinen schwer verdaulichen Brocken vom Kaliber eines Earth 2160 erwartet. Fehlende Formationen, planlos übereinander herfallende Truppen und mäßige Intelligenz aller Einheiten sorgen allerdings schon zeitig dafür, dass sich ausgelernte Taktiker unterfordert fühlen.

Das Management der Ressourcen fällt zunächst noch unauffällig, aber gut durchdacht aus. Ihr baut Gebäude, die Gold oder Edelsteine fördern, den Rest erledigen die einfachen Arbeiter. Erweiterungen machen eure Armee widerstandsfähiger, lassen euch neue Gebäude bauen oder beschleunigen den Ressourcenabbau. Vielfältiger schon die Vor- und Nachteile aller drei Rassen: Ihr werdet z.B. feststellen, dass die Menschen am besten im geschlossenen Verband agieren: Zwar kostet euch das Produzieren der Einheiten wenig Gold, dafür haben kleine Gruppen der gleichen Einheit kaum eine Chance gegen die Gegner.

Zusätzlich heißt es, die Truppen geschickt zu kombinieren und innerhalb kürzester Zeit wichtige Erweiterungen zu erforschen. U.a. verfügen unsere Verwandten nicht über die Selbstheilungskräfte der Kontrahenten, so dass ihr gut daran tut, einen Trupp Mönche mit Sanitäterausbildung mit aufs Schlachtfeld zu schicken. Zu guter Letzt solltet ihr vorsichtig abwägen, gegen welchen Gegner ihr ins Feld zieht. Die Sinistri richten z.B. großen Schaden gegen die Waldwesen an, doch deren Helden plätten bei falscher Taktik die Reihen der Unterweltler im Handumdrehen.

Mit Ruhm bekleckert

Gehört ihre Kolonie erst einmal uns, sind die Drachen Feuer und Flamme für unsere Sache.

Was die Helden auszeichnet sind ihre Spezialfähigkeiten, denen im Story-Modus eine entscheidende Rolle zukommt; bis zu vier davon können sie gleichzeitig erlernen. Mit den Zaubersprüchen schützt ihr Verbündete vor Angriffen, lasst einen Regen der Zerstörung auf die Widersacher niedergehen oder verwandelt den Charakter in ein mächtiges Monster. Die ideenreichen Sprüche sind klasse, ihre meist schlagkräftige Wirkung sorgt für spürbare Motivationsschübe. Allein das Ausprobieren neuer Figuren kann eine durchschnittliche Mission zum spaßigen Ereignis machen.

Aus dem Nichts tauchen die Fertigkeiten selbstverständlich nicht auf, vielmehr braucht ihr so genannte Ruhm-Punkte, um einen Helden magisch nachzurüsten. Diese Bonus-Punkte winken u.a. beim Vernichten feindlicher Truppen oder unabhängiger Kolonien. Letztere werden von einer der fünf niederen Rassen, den Trollen, Drachen, Elfen, Nomaden und Schatten bewohnt und spendieren zusätzliche Extras wie Goldnachschub, neue Monster oder starke Geschütze, sobald sie in euren Besitz geraten.                  

Bis zu sieben solcher Ruhm-Punkte könnt ihr sammeln und erkauft euch damit entweder höhere Truppenlimits oder die magischen Fähigkeiten der Helden. Es gilt gut zu überlegen, ob ihr auf große Armeen setzt oder trickreiche Einzelkämpfer bevorzugt. Letztere bringen euch vor allem im Singleplayer-Modus weiter, während ein Mehr an Einheiten Vorteile im Freien Spiel bedeutet.

Was die Planung angeht, ist für strategischen Tiefgang also gesorgt, aber wie stellt sich das Geschehen im hektischen Echtzeit-Alltag dar? Kann die künstliche Intelligenz überzeugen und motiviert das Missions-Design? Ein klares Ja oder Nein gibt es leider nicht.

Beta-Test oder Vollversion?

Zunächst zur KI: Der Computer agiert durchschnittlich gewieft, greift in regelmäßigen Abständen eure Basis an und weiß geschickt mit den Fertigkeiten seiner Helden umzugehen – alles in allem glänzt die Zurechnungsfähigkeit des

Unsere Armee macht sich am Hauptquartier der Menschen zu schaffen.
Elektrodenhirns mit brauchbarem Mittelmaß. Das Missions-Design und der mangelnde Einfallsreichtum sorgen allerdings für frühe Stirnfalten. Dabei ist noch zu verschmerzen, dass euch die meisten Aufträge mit dem genormten "Aufbauen, Aufsuchen, Abreißen" betrauen. Zu selten gibt es Abwechslung, und wenn doch, wird das beschriebene Ziel gerade mal um den Basisbau erleichtert.

Richtig schwerwiegend kommt hinzu, dass sich die Entwickler echte Patzer erlaubt haben und manche Missionen den Eindruck erwecken, als wären sie erst nach dem Beta-Test erdacht worden. Ein Beispiel: An einem Punkt der Menschen-Kampagne müsst ihr eine Armee aufstellen, um den Gegner zu überrennen. Dumm nur, dass verbündete Truppen, die sich nicht unter eurer Kontrolle befinden, den eigenen Einheiten hinzugerechnet werden, so dass ihr dank engem Truppenlimit keine Chance habt, den dringend benötigten Nachschub zu produzieren. Als einzige Möglichkeit bleibt daher, eure zwei Helden wieder und wieder von den Toten aufstehen zu lassen, nachdem sie sich zum wiederholten Male an der feindlichen Übermacht die Zähne ausgebissen haben.

Über derartige Schnitzer stolpert ihr regelmäßig, was dazu führt, dass auch erfahrene Maus-Strategen ihr Nagetier regelmäßig mit Flüchen belegen. Zählt man hier noch die selbst im einfachsten Schwierigkeitsgrad recht deftigen Anforderungen hinzu, muss man den Frustrationswert im oberen Bereich ansiedeln. Zwar versprechen die Entwickler, Abhilfe mit einem Patch zu schaffen, eine derartige Verkaufstaktik kann allerdings kein Kaufargument sein.

Im Freien Spiel stellt sich die Lage schon anders dar, denn hier entfaltet das Programm seine ganzen Stärken. Auf einer erfreulichen Vielzahl von Karten tummeln sich bis zu acht Parteien, wahlweise zieht ihr gegen die KI oder im Online-Wettstreit über GameSpy in den Kampf. Ihr könnt beliebig viele Helden erstellen, die Schlachten gehen flott von der Hand und die Maps bieten jede Menge Kolonien der fünf niederen Rassen, was hart umkämpfte Regionen abseits eurer Basis zur Folge hat. Löblich auch die Möglichkeit, alle Mitspieler in beliebig vielen Teams zu organisieren.

Fantasielose Monotonie

Verblüffende Ähnlichkeit mit Werken von H.R. Giger: Die Basis der Sinistri.
Die schwache Präsentation wurde schon erwähnt, aber was bietet die akustische Untermalung? Da wäre zunächst einmal der Soundtrack, welcher trotz durchschnittlich guter Untermalung zu eintönig leiert, um auf Dauer begeistern zu können. Schade auch, dass niemand auf die Idee kam, den unterschiedlichen Rassen eigene Musikstücke zu spendieren. So klingt Rising Kingdoms jedenfalls stets gleich und wirkt lieblos inszeniert.

Richtig nervig ist die sprachliche Umsetzung. Unprofessionelle Sprecher stören mit den ewig gleichen Sprüchen, die noch dazu der Atmosphäre trotzen und so gar nicht ins Ambiente passen wollen. Glück im Unglück haben Englisch-Kundige, denn die weitaus erträglichere Originalversion wird großzügig mitgeliefert. Überhaupt kann das Drumherum voll überzeugen: Ein dickes farbiges Handbuch erklärt sämtliche Funktionen und gibt einen ausführlichen Einblick in die epische Hintergrundgeschichte, mit dem Editor erstellt ihr eigene Karten, und müsste man die Musik nicht im Bereich der Belanglosigkeit ansiedeln, wäre die separate Soundtrack-CD eine richtig gute Idee gewesen.          

Fazit

Rising Kingdoms ist mit 30 Euro zwar kein Vollpreistitel, etwas mehr Sorgfalt hätte man trotzdem walten lassen können. Von den unprofessionellen Sprechern über die veraltete Grafik bis zum verkorksten Missionsdesign verärgert das Fantasy-Abenteuer an allen Ecken und Enden. Und das, obwohl das unkomplizierte aber bewährte Prinzip eigentlich Spaß macht, der Einsatz der Helden sogar begeistern kann. Die vielfältigen Möglichkeiten, welche ihr mit diesen Charakteren habt, werdet ihr im Solospiel gar nicht ausschöpfen können – gut, dass der Multiplayer-Modus ausreichend Motivationspotential in sich birgt, um für mehrere Stunden an den Bildschirm zu fesseln. Am Ende bleibt trotzdem die nüchterne Feststellung, dass die Konkurrenz in Sachen Qualität und Quantität dem Black Bean-Titel zu weit überlegen ist, als dass sich ein Zugreifen für Strategen mit begrenztem Taschengeld lohnen würde. Wer dem Genre aus Prinzip treu ist und dringend klassischen Fantasy-Nachschub sucht, könnte dennoch einen Abstecher nach Equiada wagen.

Pro

<P>
liebevoller Story-Hintergrund
vielseitige Helden
strategische Tiefe dank Ruhm-Punkten
umfangreiche Ausstattung</P>

Kontra

mittelalterliche 2D-Grafik
horrende Rechner-Anforderungen
keinerlei Zwischensequenzen
monotoner Soundtrack
nervige deutsche Sprachausgabe
altbackenes Prinzip, keine Überraschungen
wenig taktische Optionen
Fehler im Missions-Design

Wertung

PC

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