X³ Reunion25.11.2005, Marcel Kleffmann
X³ Reunion

Im Test:

Was würdet ihr tun, wenn ihr im Weltall komplett freie Hand hättet? Handel treiben? Pirat oder Polizist spielen? Ein Wirtschaftsimperium aufbauen? All das und noch viel mehr könnt ihr im X-Universum tun oder lassen. Ob diese Freiheit auf Dauer motiviert oder in langweiligem Herumirren endet, klärt der Test.

Story-Telegramm

Mission angenommen – Stopp – Julian ist an Bord eines Frachters – Stopp – Piraten kommen – Stopp – Schauplatzwechel – Stopp – mehr Piraten – Stopp – Anflug auf Planeten – Stopp – Vorfolgungsjagd in Hochhausschlucht – Stopp – Flucht – Stopp – Zerstörung des Schiffes - Stopp – im Raumanzug alleine im All – Ende der Mitteilung.

Als Schütze in einer Gefechtskanzel zerlegt ihr haufenweise Piraten in ihre Einzelteile.
Na, wisst ihr was los ist? Nein? Genau so geht es Spielern bei der zweiten Mission. Schon der Vorgänger litt an dilettantischen Zwischensequenzen, einer vergeigten Story-Präsentation und stümperhaft geskripteten Missionen – dies wird leider in trauriger Tradition fortgeführt.

So ist die Story zwar um Abwechslung bemüht, kann jedoch niemals fesseln, was an der missglückten Veranschaulichung der Hintergrundgeschichte liegt. Viele Cutscenes erinnern mehr an ein Telegramm als ein echtes Video. Begleitet wird das Schauspiel von unpassenden Schnittfehlern, so dass die wahren Begebenheiten auf den ersten Blick verborgen bleiben. Nicht alle Zwischensequenzen bzw. geskripteten Missionen sind dermaßen schlecht, aber fern der Dramaturgie eines Freelancer.

Eingeleitet wird eine Mission durch ein grobkörnig aufgelöstes und unscharfes Briefing-Video. Ähnliches gilt für das Intro, bei dem sich die Synchronsprecher keineswegs mit Ruhm bekleckern und den teils pragmatischen Text gelangweilt vor sich hin reden. Lippensynchronität gibt’s nicht und die Ingame-Sprecher sind nur geringfügig besser.

Erzählung zum Abgewöhnen

Diese missratene Präsentation würde jedes andere Spiel zu Grunde richten, aber X3 rettet sich tatsächlich auf ein befriedigendes Niveau. Warum? Ihr könnt die Hintergrundgeschichte einfach ignorieren und euch im wunderschönen und zugleich gigantischen All rumtreiben. Egal ob ihr Großhändler, Pirat, Erforscher, Polizist, Wirtschaftsmogul, Flottenkommandant oder Großkampfschiff-Kapitän werden wollt: alle Wege stehen offen und alleine das ist motivierender, als dem Ablauf der Geschichte zu folgen.

Die spielerisch belanglose Flucht durch ein futuristische Hochhaus-Metropole hätten sich die Entwickler sparen können.
Allerdings müsst ihr euch eigene Ziele setzen oder ihr lasst euch vom Verbesserungs- bzw. Herrschaftsdrang übermannen. Schließlich gibt es genügend Sektoren zu erforschen, Fraktionen kennen zu lernen und zig verschiedene Schiffe, Raumstationen sowie Ausrüstungsgegenstände zu kaufen. Sofern ihr euch auf das X-Universum einlasst, belohnt euch Reunion mit großer Freiheit und einer sensationellen Grafikkulisse.

Weltall zum Verlieben

Der erste Anblick im Sektor "Argon-Prime" dürfte euch den Atem rauben: Geschmeidig schwenkt die Kamera um euren blitzblank polierten Raumjäger um einen gigantischen Planeten, dessen Wolken gemächlich über die Oberfläche ziehen. Langsam weichen die Augen vom malerischen Himmelskörper und wandern zu den Schiffen und Stationen in der Umgebung. Eine "Argon Colossus" zieht majestätisch an euch vorbei: ein mächtiges, stromlinienförmiges Großkampfschiff, das aus der Nähe betrachtet mit Hangartoren und sonstigem Details aufwartet. Der Flug geht vorbei an wahrhaft kilometerlangen Stationen, die anders als im Vorgänger realistischere Größenverhältnisse aufweisen. 

Danach nehmt ihr das erste mit HDR-Technik ausgeleuchtete Sprungtor in den nächsten Sektor. Anstatt eines Sprungvideos folgt nun ein schwarzer Bildschirm (Bug?), doch dafür 

Bei manchen Schiff-Designs haben sich die Entwickler selbst übertroffen (Teladi / Adler)
entschädigt meist der nächste Sektor. Wieder prangt im Hintergrund ein großer Planet und vor euch erblickt ihr einen alten Bekannten: ein Sonnenkraftwerk, dessen Solarsegel gigantische Ausmaße erreichen und euch kümmerlich erscheinen lassen. Damit nicht genug: Im weiteren Verlauf verschlägt es euch in hübsche und zugleich psychedelisch wabernde Nebenbänke, dichte Asteroidenfelder oder düstere Sektoren, in denen man die Hand vor Augen nicht sieht.

Hardware-Hunger und Bugs

Diese beeindruckende Kulisse verschlingt Mittelklasse-Systeme zum Frühstück und zwingt selbst High-End-Computer streckenweise in die Knie. Der Testrechner (Athlon 64+ 4000, 2 GB RAM, GeForce 7800 GTX) schaffte in fast allen Sektoren (außer z.B. Argon Prime) problemlos die höchste Detailstufe; ohne FSAA oder AF. Vorraussetzung ist jedoch der Patch v1.2.01, vorher war die RAM-Auslastung ein Garant für Ruckler. Am meisten beansprucht X³ den System-RAM (1 GB empfohlen) sowie Grafikkarte (mind. Geforce 6er-Serie), ferner sollte die CPU rund 1,8 GHz Realtakt haben.

Dass die Weltraumsimulation scheinbar überstürzt in den Handel gekommen ist, merkt man nicht ausschließlich an der Story-Präsentation, 

Downloads und Videos:

Download: Patch 1.0 -> 1.2.01 (77,8 MB)

Download: Patch 1.2 -> 1.2.01 (19,7 MB)

Download: Hörprobe "Farnham Legende" (20,6 MB)

Video: Promo-Trailer (Laufzeit: 1:41 min)

Video: Trailer (Laufzeit: 3:54 min)

Video: Trailer 2 HiRes (Laufzeit: 2:32 Min.)sondern ebenfalls an der Stabilität: Unnachvollziehbare Abstürze (z.B. beim Landen auf einer Station (Speichern) oder beim Durchflug der Tore) stehen an der Tagesordnung. Manchmal könnt ihr sogar die Uhr nach den regelmäßig auftretenden Crashs stellen. Auch im Spiel treten kleinere Bugs (z.B. Schiffe ohne Funktion) auf; diese sind nicht ganz so nervtötend, da die gigantische Spielwelt für solche Schnitzer entschädigt.

Willkommen beim Handel

Ist der erste Schock über Story, Hardware-Anforderungen und Abstürze überwunden, beginnt das eigentliche X-Vergnügen abseits der Geschichte. Ihr dürft völlig frei in den über 130 Sektoren herumfliegen und an fast jeder Raumstation andocken. Dort könnt ihr Handel treiben, in dem ihr z.B. preiswerte Energiezellen an einem Sonnenkraftwerk kauft und diese Gewinn bringend an einen Verbraucher vertickt. Klingt einfach? Ist es nicht, denn erstens sind die aus dem Vorgänger so beliebten Sonnenkraftwerke rar geworden und zweitens ändern sich permanent diePreise basierend auf Angebot und Nachfrage. Deswegen sollte die erste Investition in eine Handelscomputererweiterung fließen, mit der ihr aus der Ferne die An- und Verkaufs-Preise scannen könnt. Habt ihr eine passende Station gefunden, bittet ihr um Andocklizenz und lasst den Rest vom Autopilot erledigen.

Das Wirtschaftssystem ist dynamisch und komplexer als 

Fast alle Raumstationen sind von beeindruckender Größe. 
im Vorgänger: die Preise schwanken ständig. Hat ein computergesteuerter NPC-Frachter eine große Ladung Energiezellen gekauft, müsst ihr mit höheren Einkaufspreisen rechnen – genauso beeinflusst euer Handel(n) die Preise. Daher solltet ihr mehrere Wirtschaftskreisläufe (Nahrungsmittel, Raketen, Computer, etc.) im Auge behalten. Wofür die einzelnen Handelswaren gut sind, verrät euch übrigens eine schizophrene Computerstimme.

Flotte und Stationen

Das angehäufte Vermögen könnt ihr in weitere Schiffe oder eigene Raumstationen wie Sonnenkraftwerke oder Minen stecken. Letztere produzieren wie ihre NPC-Brüder fleißig Ressourcen und benötigen für ihre Arbeit ebenso Rohstoffe. Diesen "Im- und Export" könnt ihr entweder selbst in die Hand nehmen oder ihr erteilt eurer zusammen gekauften Flotte die entsprechenden Kommandos. Neu sind Röhrensysteme, mit denen ihr eigene Stationen für den Rohstoffaustausch verbinden könnt. So entstehen große zusammenhängende Komplexe, die autark fortgeschrittene Waren herstellen. Allerdings ist die Aufstellung bzw. Platzierung dieser Röhren nicht gerade einfach - vor allem, weil der versprochene Stationsschlepper nicht enthalten ist. Beim automatischen Andocken an solch ein Gebilde macht der Autopilot übrigens ziemlich seltsame Flugverrenkungen.

Aller Anfang ist schwer

Natürlich ist die Argon Buster nicht die beste Wahl für angehende Händler. Der Laderaum dieses Startschiffs ist einfach zu klein. Am sinnvollsten wäre der Kauf eines Frachters. Dazu muss erstmal Geld in die Bude kommen, z.B. durch den Verkauf von Ausrüstung oder des kompletten Schiffes.

Ohne die automatische Andock-Funktion und den Zeitverzerrungsantrieb würde ein Dock-Vorgang viel Zeit in Anspruch nehmen.
Weitere Einnahmequellen sind kleine Kurier-Missionen, die ihr u.a. in den Handelsstationen bekommt. Diese Aufträge unterscheiden sich kaum von den Aufträgen in X².

Lieber kämpfen?

Ist euch der Aufbau eines Wirtschaftsimperiums (mit oder ohne Flotte/ Geleitschutz) nicht interessant genug, könnt ihr auf Jagd gehen. Mit einer gekauften Polizeilizenz dürft ihr herum lungernde Piraten aus dem All pusten oder die Khaak erledigen. Diese interstellaren Gefechte sind durch die verbesserte KI anspruchsvoller geworden. Die Bösewichte versuchen euch keineswegs mehr mit Rammorgien aus X²-Zeiten zu vernichten, sondern organisieren sich in einer Staffel und fliegen teils nette Abfang- oder Fluchtmanöver. Dennoch hängt euer Kampferfolg stark von der Ausrüstung (Bordwaffen, Raketen, Geschützkanzeln) und dem Schiff (Schilde, Größe, Wendigkeit, Geschwindigkeit, Kampfsoftware) ab. Herrenlose bzw. verlassene Schiffe lassen sich übrigens kapern und verkaufen.

Ist der Ruf erst ruiniert

Ein Ruf-System bringt zusätzliche Würze ins Universum. Die acht Fraktionen (Argonen, Boronen, Split, Teladi, etc.) reagieren nämlich auf euer Verhalten. Treibt ihr Handel, steigt die Reputation; gleiches erwartet euch, wenn ihr Feinde dieser Partei erledigt. Und was bringt ein besserer Ruf? Zugang zu besonderen Waffen und Gegenständen eben dieser Fraktion.

Menü-Dschungel

Da ihr in X² fast die Hälfte der Spielzeit in den Menüs vertrödelt habt, wurde das Dickicht gelichtet. Das geliebte Cockpit ist verschwunden und ermöglicht nun freie Sicht aufs All. Wesentlich wichtiger geworden ist die Maus, mit der ihr gleichzeitig das Schiff steuern und das Interface bedienen könnt. Wie geht das denn? Ein

Tipps zum schnellen Handels-Einstieg:

1) Nach der Goner-Mission (Einsatz #2) fliegt ihr zum "Roten HQ".

2) Sammelt dort die Hornisse ein, die im Sektorzentrum liegt.

3) Schlachtet euer Schiff aus, verkauft alle Waffensysteme sowie den Argon Buster an sich.

4) Schafft euch einen Frachter (Merkur) an (SINZA nicht vergessen).

5) Dieser kauft Energiezellen (z.B. in Linie der Energie) und verkauft sie gewinnbringend.

6) Nach mehreren Flügen verbessert ihr die Triebswerksleistung und vergrößert den Laderaum.

Weitere Tipps, eine komplette Karte aller Sektoren und eine Schiffsübersicht findet ihr auf www.seizewell.de Druck auf die rechte Taste und schon wechselt ihr zwischen der direkten Shooter-ähnlichen Schiffssteuerung und der HUD-Kontrolle. Ist die HUD-Steuerung aktiviert,  behält das Schiff den Kurs bei und ihr könnt Stationen direkt anklicken sowie Befehle wie Andocken geben. Außerdem versteckt sich an der rechten Seite das Quickmenü mit allen notwenigen Informationen und Optionen.

Aus dem Dschungel in den Dschungel

Trotz des Maus-Novums kommt ihr ohne Menüs nicht aus. Sektor- und Galaxiekarte sowie die Scans der Preise erfordern viel Klickarbeit. Diese nicht skalierbaren Fenster-Boxen sind sinnvoll verschachtelt, jedoch nicht ganz so zugänglich wie bei Freelancer. Nach zwei oder drei Stunden solltet ihr das grundlegende System im Griff haben - Tastaturkürzel bleiben jedoch Pflicht. X-Veteranen dürfen sogar das Steuerungs-Profil des Vorgängers aktivieren und werden langsam in die veränderte Welt eingeführt. Allerdings werden Neulinge ihre Probleme mit dem Zeitfresser haben, da es kein gescheites Tutorial (z.B. für Handel) gibt - lediglich schnöde Hilfetexte sind vorhanden.

Echte Hobby-Piloten greifen nicht zur Maus, sondern verwenden den Joystick als Steuerknüppel, was der gesamten Kulisse einen zusätzlichen Stimmungsbonus verleiht. Vor allem die träge Steuerung der Frachter bzw. die Wendigkeit eines Jägers kommen mit dem Joystick besser zur Geltung.

Fazit

X³ entfacht ein Wechselbad der Gefühle: Die Freiheit, der große Umfang sowie die Traumkulisse stehen einer furchtbaren Story-Präsentation sowie massiven Bugs gegenüber. Aufgrund der verkorksten Geschichte und der miserabel geskripteten Missionen hat man den Eindruck, als würde man eine Beta-Version spielen. Unnötige Spielabstürze und astronomische Hardwareanforderungen untermauern dies zusätzlich. Habt ihr euch aber durch den zähen Einstieg gebissen, werdet ihr abseits der Story mit einem Universum voller Möglichkeiten und einem dynamischen Wirtschaftssystem belohnt, das sich keineswegs hinter Port Royale 2 oder dem alten Elite zu verstecken braucht. Allerdings müsst ihr euch selbst motivieren und eigene Ziele setzen oder ihr lasst euch Verbesserungs- bzw. Herrschaftsdrang übermannen. Lasst ihr euch auf X³ Reunion ein, ist die Weltraumsimulation ein Zeitfresser sondergleichen, der seine Brillanz aus dem Aufbau eines Wirtschafts- oder Kampfimperiums bezieht. Echte Kampfjunkies oder Story-Folger werden mit X³ nicht glücklich. Hätten sich die Entwickler mehr um die Story und das Bugfixing gekümmert, wäre ein Award reine Formsache gewesen.

Pro

gigantischer, lebendiger Weltraum
enorme Freiheit abseits der Handlung
Kampf, Handel, Missionen
komplett dynamisches Handelssystem
logische Wirtschaftskreisläufe
große Anzahl an Schiffen & Verbesserungen
neue Schiff-Designs
spürbare Steuerungs-Unterschiede der Schiffe
überarbeitetes Interface
bessere Dogfights
cleverere KI als in X2
sinnvoll verschachteltes Menü
hilfreiche Automatisierungen
Raumstationen können errichtet werden
Rufsystem bei den Fraktionen
fantastische Grafik-Kulisse
Spielmodi ohne Story
stimmige Musik-Untermalung

Kontra

Abstürze und Bugs
echtes Tutorial fehlt
schleppender Einstieg
abgehackte Zwischensequenzen
rudimentäre Story
miese Präsentation
Khaak zu schwach
Tutorial-Texte sind wenig hilfreich
Spieler muss sich selbst motivieren
pixelige Cutscenes
hohe Hardwareanforderungen
kleine Schiffe schwer zu unterscheiden
zwei verschiedene Computer-Stimmen
Schriftfarben im Menü nicht optimal

Wertung

PC

Ambitioniertes großes Universum für Händler; leider mit mieser Story und Bugs

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