War Front: Turning Point05.02.2007, Marcel Kleffmann
War Front: Turning Point

Im Test:

Zweiter Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg! Wargh, ich kann es weder hören, noch sehen, ferner mit Vorliebe spielen. Zu viele Strategiespiele haben in den letzten Jahren das Szenario derart ausgebombt, dass jeder neue Titel mehr Frust als Lust weckt. Zum Glück gibt es da Ausnahmen wie War Front: Turning Point (ab 7,00€ bei kaufen), das sich selbst nicht ernst nimmt und in ein alternatives Geschichtsszenario flüchtet. Reicht das für ein gutes Spiel?

Alternatives Szenario

"Afrika Korps vs. Desert Rats", "D-Day" und "1944 - Winterschlacht in den Ardennen" hießen die letzten Spiele von Digital Reality und alle thematisierten den Zweiten Weltkrieg. Scheinbar waren die Entwickler nach diesem WW2-Hattrick so müde von den historisch korrekten Gegebenheiten, dass sie jetzt mit War Front: Turning Point in eine alternative Geschichtsvision fliehen und in Richtung "C&C Alarmstufe Rot" abdriften: Anders als in der hinlänglich ausgebeuteten Historie konnte die deutsche Streitmacht ganz Großbritannien erobern und errichtete dort hoch entwickelte militärische Zentren zur Forschung und Entwicklung von Superwaffen. Die Sowjets und Amerikaner sahen nicht untätig zu und begannen aufgrund der neuen Bedrohung mit einer eigenen Technologieoffensive...

Das Exo-Skelett der Wehrmacht greift die feindliche Infanterie an - aus dem Blickwinkel der spielerisch eher sinnlosen Zoom-Perspektive.
Ein bisschen Spaß muss sein!

Obwohl mit den Alliierten, Russen und Deutschen drei Streithähne aufmarschieren, offeriert der Singleplayer-Modus lediglich zwei Kampagnen. Der storygetriebene Einsatz auf russischer Seite wird verweigert, dafür könnt ihr die sowjetischen Truppen im Gefecht- oder Mehrspieler-Modus einsetzen. Nichtsdestotrotz bekämpfen alle Beteiligten die Nazis. Wie, auch die Deutschen in der deutschen Kampagne? Korrekt, denn innerhalb der Wehrmacht regt sich eine Widerstandsbewegung, die mit den Amerikanern kooperiert und diese Revolution dürft ihr selbstverständlich anführen. Fortgesponnen wird die Geschichte zwischen den Missionen mit ziemlich langen, gut gemachten, aber niedrig aufgelösten Cutscenes mit eingestreuten Prisen von Selbstironie und Anspielungen - wie die russische Domina ähm Spionagefrau im Trinity-Lederlook à la Matrix. Hierzu gesellen sich überzeichnete Personen, pathetische Sprüche über Schlachtenruhm und neckische Anmerkungen über den Gegner, die sich u.a. bei den Einheiten-Kommentaren wieder finden. So freuen sich übermächtige Einheiten höhnisch, wenn der Gegner zumindest einen Angriff versucht.

In den Feldzügen ist nicht alles Jux und Dollerei. Die unterhaltsame Story rund um die Helden wie "Colonel John Lynch" oder "Roland Hellmann" schlägt durchaus ernste Töne an, schließlich gibt es an fast jeder Front Verräter oder Spione. Aufgrund der selbstironischen Untertönen  und den zum Schmunzeln anregenden

Downloads & Videos

Download: Singleplayer-Demo (809 MB)

Download: Multiplayer-Demo (496,8 MB)

Video: Trailer (Laufzeit: 2:20 min)

Video: E3-Trailer (Laufzeit: 1:41 min)              

Video: Trailer 3 (Laufzeit: 1:58 Min.)

Video: Trailer 4 (Laufzeit: 1:51 Min.)

Video: Trailer 5 (Laufzeit: 2:08 Min.)

Video: Dogfight (Laufzeit: 0:38 Min.)

Video: Luftkampf (Laufzeit: 1:16 Min.)

Video: Charakterstudie (Laufzeit: 0:06 Min.)

Video: Charakterstudie 2 (Laufzeit: 0:05 Min.)Anspielungen geraten erzählerische Schwächen, Logiklücken oder vorhandene Kontinuitätsfehler in den Hintergrund. Die Helden dienen dabei nicht nur als Identifikationsfigur um die Geschichte besser zu verdeutlichen, sondern gewinnen im Kampf an Erfahrung und erlangen Fähigkeiten wie mehr Lebenspunkte, ein effektiver "One-Hit"-Schuss oder eine Aura, welche die Angriffskraft oder Schussweite aller umgebenden Einheiten erhöht. Bei den Amerikanern kann zum Beispiel John Lynch eine Flammengranate werfen, während seine Kollegin Anna Herzog durch gezielte Informationen den Zustrom an Ressourcen erhöht.

Abgedrehte Truppen im klassischen Schlachtalltag

Abseits der Helden und ihren im Vergleich zu den normalen Einheiten mächtigen Fertigkeiten orientiert sich der Spielablauf am Vorbild "Alarmstufe Rot". In der Mehrzahl der Einsätze zieht ihr zunächst eine Basis hoch und dies geschieht mit Baufahrzeugen à la C&C Generäle. Danach könnt ihr in den Bauwerken die gewünschten Einheiten in Auftrag geben oder Technologie-Upgrades erforschen - im Gegensatz zu Supreme Commander bleiben die Gebäude- und Einheitenzahlen sehr überschaubar. Finanziert wird die Kriegsmaschinerie mit einer Ressource, die ihr in Minen abbaut und mit Hilfe von Sammler-Fahrzeugen zur Weiterverarbeitung bringt.   

Je weiter ihr im Technologie-Level fortschreitet, desto abgedrehter und kreativer werden die Einheiten. Als deutscher Kommandant kann man eine Art Mech (Exoskelett) mit schwerem Doppel-MG bauen und bei den Alliierten gibt es ein gepanzertes Schutzschild-Fahrzeug oder den Harrier als fixes Lufttransportmittel. Die Russen schicken lieber den Eis-Tank oder den Superpanzer Kharkov ins Gefecht schicken. Diese für den Zweiten Weltkrieg untypischen Einheiten ziehen neben den klassischen Vertretern (z.B. Tiger-Panzer oder Messerschmitt ME 262) in die Schlacht und peppen das Arsenal auf.

Auf Bewährtes wird ebenfalls bei der Kampfmechanik gesetzt. "Schere, Stein, Papier" heißt das Zauberwort. Jede Kampfeinheit hat also einen Schwachpunkt, den ihr mit einer anderen Einheit knacken könnt - Raketenwerfer helfen gegen

Ein amerikanischer Stealth-Bomber wirft seine explosive Fracht ab. Im Hintergrund ist außerdem ein Schutzschild zu sehen.
Panzer und das Exoskelett zeichnet sich gegen Fußtruppen aus. Generell reicht es aus, wenn ihr große Massen an Einheiten baut und dem Feind entgegenschickt - nur beim höheren Schwierigkeitsgrad solltet ihr auf eine ausgewogene Zusammenstellung achten. Die taktische Tiefe von "StarCraft" oder Warhammer 40.000: Dawn of War  wird keinesfalls erreicht. Mehr als diesen klassischen Standard solltet ihr beim Kampfsystem nicht erwarten, was ebenfalls den einfachen und stromlinienförmigen Charakter des Spiels unterstreicht. War Front ist vollends auf Zugänglichkeit getrimmt, kein Wunder mit dem leicht zu durchschauenden Schlachten und den vergleichsweise schnell durchexerzierten Aufträgen.

Apropos Missionen

In den 22 Kampagnen-Einsätzen wird euch allerhand Abwechslung geboten, obwohl viele der Aufträge im Nachhinein einen Fast-Food-Beigeschmack haben. Das soll heißen: In den Missionen gibt es zwar viel zu tun (Basen und Einheiten zerstören, Objekte suchen, reparieren oder verteidigen sowie "nur Helden-Aufträge"), aber mehr als eine halbe Stunde braucht ihr für den Sieg nicht einplanen. Dafür gibt es kaum Leerlauf, was daran liegt, dass Einheiten- und Gebäudeproduktion nicht lange dauern (ca. 15-20 Sekunden für ein Fahrzeug, je nach Tech-Level). Zwischendurch gilt es kleine Nebenaufgaben zu erledigen, die mit Bonus-Einheiten oder einer Finanzspritze belohnt werden.

Kennern von "Afrika Korps vs. Desert Rats", "D-Day" und "1944 - Winterschlacht in den Ardennen" dürfte der Modellbaukasten-Look der Grafik-Engine wieder ins Auge fallen. Schön anzusehen sind hingegen die Lichteffekte (wie bei den Tageszeiten).

Intelligenz?

Die markigen Sprüche der Einheiten verbergen keinesfalls die mittelprächtige künstliche Intelligenz dahinter. Neben der Abstinenz einer einheitlichen Marschgeschwindigkeit fällt vor allem die schlechte Wegfindung auf. Bei Einpässen auf der Karte stauen oder verklemmen sich die Bodentruppen oder nehmen umständliche Wege zum Ziel. In Kombination mit Sammlern und verhältnismäßig eng gebauten Basen kommen dem geneigten Strategen schon mal "böse Wörter" über die Lippen. Nicht ganz so schwachbrüstig präsentiert sich die Computerintelligenz, die zwar meilenweit davon entfernt ist, ein würdiger Gegner zu sein oder kreative Taktiken zu verwenden, aber in das schnelllebige Konzept passt die Mittelklasse-KI wunderbar rein. So solltet ihr euch nicht wundern, wenn die Feinde öfter die gleiche Stelle angreifen, sich an den seltsamsten Stellen sammeln und manchmal nicht auf angreifende Truppen reagieren, vor allem wenn man den Gegner mit permanenten Mini-Attacken unter Druck setzt. Dank vielen geskripteten Ereignissen fällt diese Mittelklasse-KI in der Kampagne nicht so schwer ins Gewicht. Im Gefecht hingegen fehlt ein würdiger Opponent - für eine Partie zwischendurch reicht es allemal aus.

Wahre Herausforderungen findet ihr im Mehrspieler-Modus. Mit maximal zehn Spielern (und dann recht schwacher Performance) und drei solide ausbalancierten Parteien dürft ihr euch Schlachten liefern, bei denen es meist schnell zur Sache geht und das Schere-Stein-Papier-Prinzip besser funktioniert, da menschliche Spieler in der Regel (Ausnahmen gibt es immer) clevere und ausgefallene Taktiken aushecken. Außerdem könnt ihr neben den auf Lufthoheit ausgelegten Alliierten (und Deutschen) auch die Sowjets kommandieren, die mit starker Panzerfokussierung für etwas Abwechslung sorgen.

Fazit

War Front: Turning Point wird es nicht mit Schwergewichten wie Supreme Commander oder Command & Conquer 3 aufnehmen können. Aber es spricht mit seinen schnellen Schlachten vor allem Einsteiger und Zockernaturen an, die flotte Echtzeit-Strategie für zwischendurch suchen. Für diese These sprechen das leicht durchschaubare Schere-Stein-Papier-Prinzip sowie die zackigen Missionen, die von einer unterhaltsamen und leicht ironischen Geschichte eingehüllt werden. Die zugänglichen Schlachten mit den coolen SciFi-Einheiten lassen jedoch eine taktische Tiefe à la StarCraft oder Dawn of War vermissen. Dazu gesellen sich eine verkorkste Wegfindung sowie eine durchwachsene Computerintelligenz, die zwar Superwaffen einsetzt, aber sehr vorhersehbar agiert. Im Mehrspieler-Modus hingegen wissen die rasanten Massen- und Rush-Gefechte kurzfristig zu überzeugen. Letztendlich sind sie das Zünglein an Waage, das die Wertung noch in den guten Bereich hievt.

Pro

schnelle Schlachten nach klassischem Vorbild
unterhaltsame „Was wäre wenn“-Geschichte
eingearbeitete Selbstironie
drei Parteien mit Helden und Sci-Fi-Supereinheiten
solide Balance
Missionsdesign betont Abwechslung
leicht zugängliche Kost
schicke Grafik-Effekte mit Wetter und Tageszeiten
gute Sprachausgabe
gelungene Mehrspieler-Schlachten

Kontra

schwache Wegfindung
Mittelklasse-Intelligenz
seichter taktischer Anspruch
Rush’s und Massenschlachten führen oft zum Sieg
„Fast Food“-Charakter
keine russische Kampagne

Wertung

PC

Augenzwinkernde Fast-Food-Strategie mit KI-Schwächen und seichtem taktischen Anspruch.

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