Bad Day L.A.01.09.2006, Benjamin Schmädig
Bad Day L.A.

Im Test:

Ein schießwütiger Präsident, Terroristen, Naturkatastrophen: Als Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika hat man es in den letzten Jahren nicht leicht. Und inmitten des Unheils schaffen es viele Einwohner auch noch, den Unmut ihrer Mitmenschen auf sich zu ziehen, indem sie das Buschfeuer des Krieges mit Wählerstimmen unterstützen. Höchste Zeit, dass jemand der amerikanischen Gesellschaft einen Spiegel vorhält! Bad Day L.A. (ab 3,75€ bei kaufen) tut genau das - versteckt die Botschaft aber in einem viertklassigen Auftritt.

Gähn!

Der Einstieg: Ich renne durch die Straßen von L.A., töte Terroristen, die kurz darauf in meinem Rücken wieder auftauchen, mache Zombies mit dem Feuerlöscher (!) wieder zu Menschen und laufe auf Figuren zu, die der Protagonist in einer automatischen Sequenz aus brenzliger Lage rettet.

Das zweite Level: Ich renne durch die Straßen von L.A., töte Terroristen, die kurz darauf in meinem Rücken wieder auftauchen, mache Zombies mit dem Feuerlöscher (!) wieder zu Menschen und laufe auf Figuren zu, die der Protagonist in einer automatischen Sequenz aus brenzliger Lage rettet.

Abschnitt Nummer drei: Ich renne durch die Straßen von L.A., töte Terroristen, die kurz darauf in meinem Rücken wieder auftauchen, mache Zombies mit dem Feuerlöscher (!) wieder zu Menschen und laufe auf Figuren zu, die der Protagonist in einer automatischen Sequenz aus brenzliger Lage rettet.

Willkommen in American McGees L.A.!

American McGee? Ist das nicht der Mann, aus dessen Feder der düstere Verschnitt von Alice im Wunderland oder das abgefahrene Scrapland stammen? Treffer.

Von den zerstörten Hochhäusern aus nehmen euch Scharfschützen aufs Korn.
In seinem neuesten Projekt macht McGee mit dem Zitieren bekannter Versatzstücke allerdings Schluss und zerrt das real existierende Amerika in die Schusslinie der Kritik. Was ihn an seinen Mitmenschen nervt ist die einheitliche Hysterie, die nach Katastrophen wie Terroranschlägen, Flugzeugunglücken oder Naturkatastrophen entfacht wurde und deshalb findet ihr euch als Sprüche reißender Außenseiter Anthony (ein arbeitsloser Afro-Amerikaner) in Los Angeles wieder, während die Filmhochburg von Meteoritenhagel, einrollenden Panzern und Zombies heimgesucht wird.

Die Existenz der Zombies wird gleich im Vorspann erklärt, wo ein mit Giftfässern beladenes Flugzeug auf den Highway knallt und die Bevölkerung von den ausströmenden Gasen in Untote verwandelt wird. Euch ist das aber egal, solange ihr nicht das Ziel erhaltet, eine bestimmte Anzahl Zombies zu töten oder sie mit einer Ladung Feuerlöschschaum wieder zu Menschen zu machen. Manchmal müsst ihr auch die aus dem Nichts aufgetauchten Terroristen beseitigen. Der "Witz" dabei: Nur nach dem Erledigen der geforderten Quote kommt ihr weiter, andere Auswirkungen hat es nicht. Ganz abgesehen davon, dass nach jedem erledigtem Bösewicht irgendwo ein neuer platziert wird. Müsst ihr gerade weder Terroristen noch Monster aus der Welt schaffen, lauft ihr zum Zielpunkt, wo der nächste Auftrag wartet.

 

Burger und Blumentöpfe

Egal, was ihr tut, ihr rennt stets durch das gleiche Szenario: Um euch herum kreischen Mitmenschen mit  wenigen nervenden Sprüchen um Hilfe,

Das Beste aus Bad Day L.A.:

Video: Das Intro

Video: Witzige ZwischensequenzTerroristen schießen auf euch, Zombies kotzen Gift, Statisten fangen Feuer - und euch ist stinklangweilig. Denn so abgedreht die Ideen auch sind, spielerisch sind sie nutzlos. Ihr könnt zwar ins Geschehen eingreifen und eure Beliebtheit bei der Masse erhöhen, indem ihr Brände löscht oder Passanten heilt, doch das bleibt ohne Konsequenzen. Nur wenn ihr ein halbes Dutzend Bürger über den Haufen knallt, wird die Meute sauer und schmeißt mit Burgern oder Blumentöpfen nach euch. Holt dann einfach den Feuerlöscher raus und verwandelt ein paar Zombies wieder in Menschen. Problem erledigt, nutzlos Zeit verschwendet, mal im Klartext: Was nützt ein mit kreischenden Figuren vollgestopftes Spiel, in dem ich nichts anderes zu tun habe, als stupide Gegner in einer nervenden Kulisse abzuknallen?

Ab und an versuchen die Entwickler, Abwechslung in den in allen Belangen katastrophalen Alltag zu bringen, wenn ihr z.B. aus einem Krankenwagen heraus auf Terroristen schießt - spannend. Oder wenn ihr einen Zwischengegner mit dem Scharfschützengewehr erledigt. Der sitzt in einem Hochhaus und wechselt von einer Sekunde zur nächsten das Geschoss - albern. Oder wenn ihr den Schutzschild (!) eines Kinobesitzers erst dann durchbrechen könnt, nachdem ihr an der Wand aufgehängte Besucher getötet habt. Warum

Der Beginn der Katastrophe: In einer knackigen Einspielung crasht das Flugzeug auf den Highway, anschließend plagt ihr euch mit kreischenden Menschen und grunzenden Zombies herum.
die dort hängen? Weil sie im Kino ihr Handy angelassen oder den Streifen mitgefilmt haben. Mir schmerzt jetzt noch der Bauch. Oder sind das Kopfschmerzen?

Eddy Murphy ohne Schmackes

Das Problem sind nicht die vielen Ideen, denen ihr an allen Ecken und Enden begegnet, denn prinzipiell sind derartige Seitenhiebe auf gesellschaftliche Konventionen oder Missstände eine prima Idee. Allerdings werden die Puzzleteile so lieblos und undurchdacht ins Spiel geklatscht, dass der Aha-Effekt ausbleibt. Ein Beispiel: Anthony soll ein Baby retten, doch er kann das Kind nicht selbst zurück tragen. Schnitt: Er kickt das Kleinkind mit einem blöden Spruch zu seiner Mutter. Schnitt zurück, Ende. Spielt sich so steif wie es klingt. Solche Szenen werden zudem nie von Musik begleitet noch werden sie von dramaturgisch sinnvollen Bildern zusammengehalten. Die Bewegungen aller Akteure gleichen einer Baumkrone bei Windstille und die zerstückelten Fetzen der laienhaften Sprachausgabe (ein Eddy Murphy-Verschnitt ohne Schmackes) wirken künstlich und aufgesetzt. Auch eure Begleiter, z.B. ein Mexikaner mit Kettensäge gewinnen zu keinem Zeitpunkt Profil: Sie rennen neben euch her, halten euch mäßig erfolgreich den Rücken frei und laufen statt zu sterben einfach davon, wenn ihnen der Lebenssaft ausgeht. Richtig gut sind nur die Filmeinspielungen zwischen den Missionen - eine davon findet ihr in unserer Videogalerie. Allerdings kommt auch hier weniger die Gesellschaftskritik als vielmehr eine ordentliche Prise schwarzen Humors zum Tragen. Und ja: Das Zeichentrick-Ambiente sieht zwar nicht zeitgemäß, aber professionell und vor allem originell aus.   

Fazit

Richtig gesehen: Unter den Pluspunkten verzeichnet Bad Day L.A. nicht den Eintrag "Gesellschaftskritik". Warum? Weil sie nicht zum Tragen kommt. Weil es den Entwicklern gelungen ist, McGees Ideen unter einer Lawine stupider Action-Kost zu verstecken. Und weil die Regisseure der Zwischensequenzen nicht dazu fähig sind, den erhobenen Zeigefinger filmisch einzufangen. Was bleibt ist die schale Oberfläche langweiliger 3rd-Person-Action, die selbst Hobbyprogrammierer schon spannender präsentiert haben. Natürlich wollen viele Aspekte bewusst eine schlechte Machart reproduzieren, allerdings verursacht das bloße Vorhandensein von Terroristen und Fast-Food-Zombies noch lange keine kritische Auseinandersetzung mit den Themen Terrorismus und Fressgesellschaft. Die Kritikpunkte müssen auch ironisch in Szene gesetzt werden, sonst geht der Witz flöten. Und genau das passiert in den lieblos zusammengeschnittenen Einspielungen mit ihrem laienhaft quasselnden Protagonisten. Das sinnlose Herumrennen in der unübersichtlichen Großstadt tut neben dem langweiligen Ballern, Feuerlöschen und Heilen sein Übriges, um den gut gemeinten Ansatz im Keim zu ersticken. Meine Hypothese: American McGee wollte wissen, ob Konsumenten nur das sehen, was ihnen vorgekaut wird und dafür das mickrige Gerüst der Einfallslosigkeit blindlings ignorieren. Der ungewöhnliche Comic-Look und die vorgefertigten Zwischensequenzen sind einsame Höhepunkte in der Belanglosigkeit. Dass Bad Day L.A. gelegentlich abstürzt und auf meinem (schnellen) Heimrechner gar nicht erst startet, sorgt allerdings dafür, dass der Titel endgültig in die unterste Wertungsregion schlittert.

Dieser Test quält mich. Diese Wertung ist ein Schlag ins Gesicht meiner ersten Euphorie. Und das Schlimme ist: Benjamin hat auch Recht. Die Analyse der Schwächen schmerzt mich, weil sie so wahr ist und weil ich American McGee als Spieldesigner einfach schätze. Ja, ich hab mich auf diesen Comic-Anarchismus gefreut. Nach der Präsentation und dem Interview habe ich fast gedacht, dass hier nicht nur ein angenehm politischer, sondern auch ein spielerischer Kontrapunkt im Anmarsch ist: Naiver Zeichenstil trifft auf brutale Spielwirklichkeit, naive Terrorangst auf subversiven Humor. Die politische Oberfläche ist mir im Ansatz unheimlich sympathisch: American McGee wollte auf die Hysterie nach dem 11. September aufmerksam machen, die für ihn in eine undemokratische und paranoide Gesellschaft führte. Aber kommt seine Botschaft gut rüber? Wirken die Stilmittel? Zündet der Witz? Nicht wirklich. Ein Titel wie Dead Rising, der auch die Elemente Zombies, Amerika und Katastrophe nutzt, transportiert seine Gesellschaftskritik wesentlich besser. Hinzu kommt, dass das Spiel unter dieser Oberfläche auf Dauer einfach nervtötend und langweilig ist. Es ist in seinen Mechanismen so schrecklich konservativ, so redundant, dass man es fast schon rückständig nennen muss. Was mich quält ist, dass ich mir eigentlich mehr Spiele wünsche, die ein Zeichen gegen das politische Establishment setzen. Aber: Sie dürfen nicht nur als ideologisches Plakat funktionieren, sie müssen auch als Spiel funktionieren.

Pro

witzige brutale Filme
ungewöhnlicher Comic-Look
einzigartiger Protagonist

Kontra

nervtötendes Geschrei der Passanten
billig klingende Geräusche
praktisch keine Musik
miese Sprachausgabe
langweilige Levels
überflüssiges Gut/Böse-System
Steuerung nicht einstellbar
kein automatisches Speichern
gelegentliche Abstürze
startet evtl. nicht
schlecht inszenierte Zwischensequenzen
wenige und hölzerne Bewegungen
Figuren tauchen plötzlich auf
Keine Dramaturgie in der Handlung
unsinnige Zwischengegner
Helfer ohne Profil

Wertung

PC

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