Vietcong 205.11.2005, Marcel Kleffmann
Vietcong 2

Im Test:

Schon vor mehr als zwei Jahren war der Zweite Weltkrieg als Szenario überlaufen. Eine Alternative musste her und fündig wurden viele Software-Schmieden beim Vietnamkrieg. Eine ganze Palette an langweiliger Durchschnittskost folgte, nur ein Spiel hob sich vom Einheitsbrei ab: Vietcong. Mit fordernden Kämpfen und finsterer Atmosphäre streckte der Shooter von Pterodon die Konkurrenz zu Boden. Nun steht der Nachfolger in den Startlöchern, der auf die Stärken des Vorgängers baut, aber mit neuen Problemen zu kämpfen hat.

Tet-Offensive

Zwei Kampagnen erwarten euch in Vietcong 2 (ab 10,41€ bei kaufen), einmal auf Seiten der US-Armee und als Vietcong. Auf amerikanischer Seite wird das Szenario aus dem dichten Urwald in den Stadtdschungel verlagert, d.h. ihr kämpft in der Stadt Hue, in der es wenig Vegetation gibt. Bevor ihr als Captain Daniel Boone die Kriegshölle am eigenen Leib erfahrt, wird verruchte Atmosphäre in einem vietnamesischen Bordell aufgebaut, anschießend folgen Gespräche mit Kollegen, Erkundungstouren, eine Party und schon seid ihr mittendrin in de

Playboy: The Mansion? Nein, Vietcong 2 beginnt mit Gesprächen (!!!) in einem Freudenhaus.
r Tet-Offensive. Dieser famose Auftakt besticht durch Erkundungstouren und Dialoge, die in den folgenden Missionen zu kurz kommen. Ab den ersten Feuergefechten mit den Aufständischen tritt der Story-Aspekt nämlich in den Hintergrund und mutiert zu einem One-Way-Shooter (neudeutsch: Einbahnstraßen-Geradeaus-Ballerei) mit gelegentlichen ruckartigen Fahrzeug-Touren - nein, fahren dürft ihr nicht, aber schießen…

Hammerharte Gefechte

Erwartet ihr jetzt eine Overkill-Action-Orgie à la Call of Duty in Vietnam, seid ihr auf dem Holzweg. Erstens habt ihr ein Team zu befehligen und zweitens hauen euch nur wenige Gewehrtreffer aus den Armeestiefeln. Schon wegen der gesundheitlichen Anfälligkeit gegenüber Projektilen bekommen die Gefechte einen realistischen Touch, da jede Feuersalve eure Letzte sein könnte. Deswegen kommt es auf langsames und überlegtes Vorgehen an: Ihr schleicht euch hauptsächlich durch die Levels, späht um Ecken, überblickt die Lage und danach folgt der Angriff aus sicherer Deckung.

Das Resultat aus der Verwundbarkeit des Charakters ist ein gemächliches, wenn nicht gar langsames Spieltempo, mit dem die ohnehin kurzen Kampagnen in die Länge gezogen werden. Zu rasches Vorgehen wird mit dem vorzeitigen Ableben bestraft und je nach Schwierigkeitsgrad steht euch eine limitierte Anzahl an Speicherplätzen zur Verfügung. Für die ganz besonders harten Kämpfer unter euch wird bei der Heilung durch den Sanitäter der Lebensenergiebalken gar verkürzt.

In der US-Kampagne stehen Häuserkämpfe an der Tagesordnung.
Einsteiger werden durch diese schweren Gefechte schnell frustriert, während Genre-Kenner oder Vietcong-Veteranen neue Herausforderungen finden.

Brothers in Vietnam

Ebenso wichtig wie überlegtes und langsames Vorgehen ist es, euer Team geschickt einzusetzen. Der dreiköpfige Trupp besteht aus einem MG-Gunner, einem Gesundheits spendenden Sanitäter und einem Ammo-Träger, der für jede der 50 verschiedenen Schießprügel die passende Munition dabei hat. Mit einem aus Brothers in Arms ausgeliehenen Kontrollsystem befehligt ihr eure drei Mannen zu den verschiedensten Positionen im Level. Dort angekommen suchen sich eure Kollegen automatisch Deckung und/oder nehmen den Feind unter Beschuss. Diese KI-Routinen sowie die Wegfindung funktionieren ganz gut, kommen jedoch nicht an die dynamische Intelligenz der Waffenbrüder von UbiSoft heran, vor allem weil die Kumpanen gerne durch eure Schusslinie spazieren.      

Diese KI-Unzulänglichkeiten der Team-Kollegen haben die Entwickler bemerkt und deswegen eure Kämpfer mit Unverwundbarkeit gesegnet. Bitte was? Genau, eure Mitstreiter sind komplett immun gegen Schaden, weswegen ihr sie eigentlich immer vorausschicken könntet, um die Gegend zu befrieden. Allerdings widerspricht solch eine Vorgehensweise dem taktischen Grundaspekt und bietet nur

Hinterhältige Fallen im Dschungel gibt es nicht mehr!
wenig Spielspaß – solltet ihr jedoch mal an einer schweren Stelle feststecken, hilft euch das Team aus der Patsche. Längst nicht so intelligent sind eure Gegenspieler, die zwar in Deckung gehen, aber des Öfteren eure Anwesenheit verleugnen und nicht immer auf Schüsse reagieren.

Vietcong

Neben der amerikanischen Kampagne, die mit einem nicht ganz ausbalancierten Endkampf (Panzer, Mörser, etc.) endet, dürft ihr die Seite wechseln und als Vietcong-Guerilla kämpfen, der die Zerstörung seines Dorfes durch südvietnamesische Truppen rächen will. Zur Seite stehen euch wieder drei Personen, die übrigens die gleichen Funktionen bekleiden wie die US-Kollegen. Euer Ziel ist die Stadt Hue und der Weg dorthin führt durch den Dschungel – bis sich schließlich die Kampagnen in der Stadt überschneiden. Trotz des Seitenwechsels und der Veränderung des Szenarios ändert sich am linearen Schlagabtausch nichts, egal ob ihr die Gegner im Dschungel oder in der Stadt erledigt oder wo ihr Fahrzeuge aus dem Verkehr zieht. Lediglich das Waffenarsenal wandelt sich und alle Teammitglieder sprechen in ihrer unverständlichen Heimatsprache. Dieser schöne Seitenwechsel ist furchtbar kurz geraten und dauert nur magere zwei bis drei Stunden, aber viel länger hätte man die Darstellung des Dschungels sowieso nicht ertragen.

Grafik 03

Apropos Grafik: Ein optischer Höhenflieger ist der zweite Vietnam-Ausflug keinesfalls. Fortgeschrittene DirectX9-Effekte mit hübschen Shadern oder sonstiger Schnickschnack fehlen komplett. Alle Objekte (Teller, Steine, Bäume, etc.) sind furchtbar eckig und längst nicht mehr zeitgemäß. Um diesen Fauxpas zu kaschieren wurden hoch detaillierte Texturen auf die Objekte geklebt, aber ohne Erfolg – die störenden Kanten fallen weiterhin ins Auge. Ein weiteres hässliches Entlein ist der Dschungel, der aus extrem wenigen Pflanzen besteht und gegen das Far Cry-Dickicht aussieht wie ein offenes Feld. Außerdem würde ich gerne wissen, warum das Spiel trotz eines High-

Im Gegensatz zur eckigen Landschaftsgrafik machen die Waffen-Modelle einen richtig guten Eindruck.
End-Systems (Athlon 64 4000+, 2GB Ram, Geforce 7800GTX) an machen Stellen zu ruckeln anfängt. Wenn man wenigstens sehen würde, warum es ruckelt, wäre es ja okay, aber bei solch einer veralteten Kulisse darf das Spiel nicht einmal auf einem Mittelklasse-Rechner ins Stocken geraten - schließlich gab es schon im Jahre 2003 bessere Grafikwelten.

Mehrspieler-Modus

Besonders der Multiplayer-Modus hatte Vietcong damals zu einem beliebten Spiel gemacht und an diese Stärken knüpft der Nachfolter an. Auf zehn durchwachsen gestalteten Karten dürft ihr im Deathmatch, Team-Deathmatch, Assault oder Capture-the-Flag gegeneinander antreten oder ihr tobt euch im kooperativen Modus gegen computergesteuerte Bots aus. Zur Wahl stehen acht Klassen (Infanterie, Pionier, Sanitäter, Scharfschütze, etc.) und für zusätzlichen Reiz sorgt ein Erfahrungssystem, das gewisse Klassen ab einem Punktestand freischaltet. Sogar Fahrzeuge dürft ihr ins Gefecht führen, allerdings ist das Fahrgefühl sehr hakelig und längst nicht so dynamisch wie in Battlefield.   

Fazit

Vietcong 2 wird es im stürmischen Spiele-Herbst gegen FEAR, Call of Duty 2 oder Brothers in Arms Earned in Blood schwer haben. Schon die Kulisse hängt der Konkurrenz mehr als zwei Jahre hinterher und dennoch lässt die Performance zu wünschen übrig – bei FEAR weiß ich zumindest, warum mein Rechner ruckelt. Im Dschungel gibt’s packende sowie realistisch anmutende Gefechte und ein aus Brothers in Arms übernommenes Kommandosystem. Das wird allerdings streckenweise ad absurdum geführt, da das Team unverwundbar ist - also mache ich mir im Grunde keine Sorgen um die Kameraden. Viel verschenkt haben die Entwickler auch bei der Story, die sich nie richtig entfaltet. Etwas besser als die beiden viel zu kurzen Kampagnen ist der Mehrspielerbereich: Hier gibt es nette Karten, viele Modi (auch kooperativ), massig Klassen, ein Erfahrungssystem und Fahrzeuge. Fans des Vorgängers und von fordernden Gefechten kommen mit Vietcong 2 trotz der schwachen Inszenierung durchaus auf ihre Kosten. Wollt ihr Action pur oder echte Teamtaktik, solltet ihr nicht nach Vietnam reisen.

Pro

realistisch anmutende Gefechte
gute Team-Steuerung
Teamplay wird fokussiert
Dialoge mit Nebendarstellern
ausgezeichnete Einführung
spielbarer Vietcong
großes Waffenarsenal
herausfordernde Schwierigkeitsgrade
streckenweise gute Texturen
hübscher 60-Jahre Soundtrack
rundum gute Sound-Kulisse
acht Multiplayer-Klassen & gute Modi

Kontra

Story-Aspekt verschwindet schnell
kurze Kampagnen (vor allem Vietcong)
streng lineares Level-Design ohne Überraschungen
Team ist unverwundbar
durchwachsene Gegner-KI
streckenweise frustrierender Schwierigkeitsgrad
Soundtrack kommt viel zu kurz
kantige, veraltete Grafik
eingeschränkte Speicherfunktion
miese Dschungel-Präsentation
englische Sprachausgabe, dt. Untertitel
schlechte Engine-Performance
hakelige Fahrzeug-Steuerung im Multiplayer

Wertung

PC

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