Unreal Tournament 320.11.2007, Paul Kautz
Unreal Tournament 3

Im Test:

Mit der von Trommelwirbel begleiteten Ankündigung Anfang des Jahres, dass Unreal Tournament 2007 ab sofort Unreal Tournament 3 (ab 14,99€ bei kaufen) (UT 3) heißen wird, sorgte Epic Games für Stirnrunzeln - nicht nur unter den anwesenden Journalisten in Las Vegas, sondern auch beim Rest der Shooterwelt. Okay, wenn man davon ausgeht, dass UT 2003 und 2004 im Grunde die gleichen Spiele waren, dann kann man sie schon unter Unreal Tournament 2 zusammenfassen. Aber dann sollte man so konsequent sein und UT 3 in UT 2 ½ umbenennen. Denn irgendwie ist es das.

Alle auf den Kern!

Was kennt man schon? Den allergrößten Teil der Spielmodi. Die meisten Waffen. Den grundsätzlichen Aufbau der Vehikel. Das Bot-Verhalten im Einzelspielermodus. Die Hälfte der Maps. Die direkte Steuerung. Die Grausamkeit der deutschen Lokalisierung. Wenn ihr der Meinung seid, dass das zu viel des Bekannten ist, könnt ihr an dieser Stelle aufhören zu lesen, dann ist UT 3 wohl nichts für euch.  Huschhusch, geht Team Fortress 2 spielen! Ist noch jemand da? Gut, dann wenden wir uns mal den Neuerungen zu, beginnend mit dem Einzelspielermodus: Wohl angespornt von den weltweiten Jubelarien,

Die Solo-Kampagne ist eine Ansammlung von Bot-Matches, die von schlecht gemachten Story-Elementen zusammengehalten werden.
die Gears of War auslöste, schwadronierte Epic davon, dass auch UT 3 ein -hier bitte dezent größenwahnsinniges Wort einfügen- Erlebnis bieten würde. Nun... das tut es nicht ganz: Der einzige Unterschied zu den Bot-Matches der letzten drei Games ist das einleitende, dezent pathetische Echtzeit-Intro sowie die zwischen den »Missionen« präsentierten Beschreibungen der Ziele, die von » Flaggen klauen« bis hin zu »Gegnerischen Energiekern zerstören« Abwechslung suggerieren, aber letzten Endes doch auf eine Variante von »Töte alle« hinauslaufen. Daran ist nichts Verwerfliches, Tradition ist schließlich Tradition - die vier Schwierigkeitsgrade bieten eine angemessene Herausforderung, außerdem kann man sich hier prima mit den Spielvarianten vertraut machen, von denen der größte Teil ebenfalls bekannt ist: DM, TDM, CTF & Fahrzeug CTF.

Der einzige Neuzugang ist »Kriegsführung«, der allerdings so neu nicht ist, stellt er doch lediglich eine Mischung aus den klassischen Spielvarianten »Assault« und »Onslaught« dar: Zwei Teams treten gegeneinander an, um den Energiekern des Feindes zu zerstören. Das geht nicht einfach so, denn vorher muss der »Primärknoten« der anderen erobert werden, indem zuerst seine Verteidigungshülle zerbröselt und er dann mit der aus dem Vorgängern bekannten Linkgun auf die eigene Farbe »umpolarisiert« wurde - oder es wird eine Energiekugel eingeschmuggelt, die das Umfärben sofort erledigt, allerdings hat deren Träger mit erheblichen Nachteilen zu kämpfen. So oder so, erst danach ist es  möglich, dem Widersacher tatsächlich an den Kragen zu gehen - klar, dass heiße Gefechte um die Primärknoten entstehen, ebenfalls klar, dass hier gut koordinierte Teamarbeit im Vordergrund stehen muss. Was nichts daran ändert, dass auch UT 3 in erster Linie ein »Alle gegen alle!«-Shooter ist, wobei maximal 32 Spieler mit- oder gegeneinander antreten dürfen.

Bio ist in!

Das ist UT, wie wir es kennen: Bunt, schnell, laut, dezent chaotisch!
Ein bemerkenswert großer Teil der zusätzlichen Designarbeit der letzten drei Jahre ging in frische Vehikel. Einige kennt man, die meisten aber nicht: Der kleinste gemeinsame Nenner beider Spielparteien ist das Hoverboard, das man jederzeit zücken kann und mit dem man etwas schneller unterwegs ist als zu Fuß - außerdem hat es den Vorteil, dass man beim ersten Treffer nicht gleich tot ist, sondern lediglich vom Board geschossen wird. Ein sehr praktisches Teil, mit dem man sich außerdem per Plasmaseil an fahrende Vehikel anklinken kann. Dezent größer wird es mit dem »Darkwalker«, einem dreibeinigen Laser-Ungetüm, das jeden Tripod aus »Krieg der Welten« wimmern lassen würde - ein mächtiger, aber sehr langsamer Gigant. Ähnliches gilt auch für den »Leviathan«-Panzer, der eine nahezu unaufhaltbare Ballerburg mit Platz für sechs Spieler ist. Flinker wird's mit dem »Fury«-Gleiter, der zwar sehr dünne Schilde, aber zielerfassende Laser hat. Unterhaltsam ist auch eine Landpartie im »Scavenger«, einer Plasmakugel mit Laser und drei Stummelbeinen, die sich einziehen lassen, wodurch aus dem staksigen Gefährt eine Mörderkugel des Todes wird - die sich in diesem Zustand allerdings nicht mehr präzise steuern lässt. Das ist allerdings Absicht, denn an sich ist die Vehikelsteuerung punktgenau wie eh und je, der Übergang von Fuß auf Hoverboard auf Fahrzeug geht flott und flüssig von der Hand. Nur die KI hat so ihre Schwierigkeiten mit einigen Kalibern, aber auch das ist man ja gewohnt.         

Das Figuren- und Vehikeldesign ist einzigartig abgefahren.
 Genau wie eine Maßstäbe setzende Grafik - und auch in diesem Punkt enttäuscht UT 3 nicht: Die neueste Version der Unreal-Engine liefert prächtige Bilder, detailreiche 3D-Modelle, coole Effekte (persönlicher Favorit: der spontan einsetzende Sandsturm) und exzellent designte Figuren, auch wenn man die nur selten aus der Nähe zu sehen bekommt - dafür ist das Spielprinzip einfach zu schnell und zu fraglastig. Ganz besonders gelungen sind die Vehikel der Necris: Einen Darkwalker butterweich animiert durch die Levels stapfen und feurigen Tod verteilen zu sehen ist ein beeindruckendes Erlebnis. Als Vergleich muss erneut Gears of War herausgekramt werden: Diese Qualität gibt's zu sehen, minus der großen Levels - die hiesigen Arenen sind logischerweise kleiner und in sich geschlossen. Davon gibt es 42, von denen gut die Hälfte ausdauernden UT-Spielern bekannt vorkommen dürfte. Der Rest ist neu, wobei die Qualität zwischen »Brillant designt!« und »Puh, wo ist die Landkarte?« schwankt - es hat schon seinen Grund, warum immer wieder mal eine gut sichtbare Leuchtpfeilspur z.B. zur gegnerischen Flagge ins Bild gelegt wird. Die letzte Neuerung betrifft den Longbow-Werfer - eine Art Raketenwerfer, der sich als hervorragendes Mittel gegen kleinere Fahrzeuge erwiesen hat. Den Rest des Arsenals, von Minigun über Flak-Cannon bis zur Bio-Gun, kennt man bereits.

Meine Ohren! Meine Ohren!!

Wenden wir uns der Akustik-Front zu: Die Musik ist gewohnt super - allein das traditionsreiche Titelthema ist eine Ohrenweide! Und natürlich krachen auch die Effekte auf gewohnt hohem Niveau, entsprechende Hardware vorausgesetzt selbstverständlich auch aus allen Richtungen.

Neu und furchtbar ist die deutsche Sprachausgabe. Obwohl, so neu ist die gar nicht - schon die Sprecher im Vorgänger sorgten für rote Gesichter und beschämte Griffe zum Lautstärkeregler. Immerhin wird eine Runde nicht mehr mit »Anstoß!« eröffnet, dafür geht es jetzt mit »Spielen!« los. Der erste Treffer sorgt für »Erstes Bluuuuuuuut!«, ein paar Frags später befindet man sich im »Blutraaaaaaaausch!«. »Greife deinen Primärknoten an!« ist mir ein

Jep, die Unreal-Engine kann einiges - das Leveldesign ist zum Teil ablenkend schön!
bisschen zu persönlich, aber es ist gut zu wissen dass ein »Feindlicher Kugelträger naht«. Kurz vor dem Ende einer Runde gibt's noch eine »Fünfminutenwarnung«,  zum Schluss war's vielleicht ein »Makelloser Sieg« - ich habe genug, ich will die Karte »entriegeln«. Argh! Nicht nur die Übersetzung ist ein Sammelsurium der Babelfisch-Lowlights, auch die Sprecher sorgen für unerwünschte Kontakte des Kopfes mit dem Tisch - angefangen bei Roberto Blancos Schwippschwager, bei dem man an South Parks Chefkoch auf dem Schlachtfeld denken muss, bis hin zur Sprecherin, bei der man sich wunderbar ausmalen kann, wie sie sich nach dem gezischten »Sssseiße!« giggelnd die Hand vor den Mund hält. Innerhalb der Missionsbeschreibungen kennen die Sprecher weder Punkt noch Komma, und zu allem Überfluss ist auch kein Wechsel zur englischen Version möglich - ernsthaft, Midway: Warum? Warum?? Falls ihr noch weitere Argumente gegen die deutsche Fassung braucht: Außer im Intro fließt kein Tropfen Blut, und natürlich gibt es auch keine platzenden Köpfe oder sonst wie durch die Gegend fliegenden Körperteile mehr.     

Fazit

Es fällt mir schwer, die richtigen Worte zu finden, mit denen sich die deutsche Sprachausgabe angemessen beschreiben lässt. Vielleicht würde es helfen, dieses Fazit ein paar Mal durch Babelfish zu jagen, um die Güte von sowohl Übersetzung als auch Sprachqualität zu visualisieren - das an sich wunderbare Spiel wird durch die ausschließlich deutsche Sprachausgabe furchtbar ins Lächerliche gezogen. Aber gut, man kann ja Sprecher und Ansager abschalten, dadurch fehlen einem zwar wichtige Informationen, aber das ist es wert. Außerdem gibt ja schon erste inoffizielle Sprachpatches im Internet. Unabhängig davon ist auch UT 3 ein reinrassiges UT, und zwar in jeder Hinsicht: Optisch umwerfend, spielerisch sehr unterhaltsam und abwechslungsreich. Nur Überraschungen solltet ihr keine erwarten; das Ganze ist im Wesentlichen ein grafisches Update der Vorgänger mit zusätzlichen Karten und Vehikeln - auch wenn der neue Spielmodus eine gelungene Erweiterung des Sortiments ist. Als reinblütiger, auf den Punkt gebrachter Multiplayershooter macht UT 3 seine Aufgabe also sehr gut - ärgerlicherweise gibt es in diesem Feld gerade jetzt mit Titeln wie Quake Wars, Team Fortress 2 oder Call of Duty 4 verdammt viel verdammt starke Konkurrenz. Ein gescheiter Singleplayer-Modus hätte dem Gesamtpaket gut getan - aber hier hat Epic leider sämtliche Chancen vertan.

Pro

beeindruckende Grafik
rasante Mehrspieleraction
punktgenaue Steuerung
viele toll designte Karten
großartige Fahr- und Flugzeug-Auswahl
motivierender »Kriegsführung«-Modus
gute Gegner-KI
exzellente Soundeffekte

Kontra

im Grunde ein grafisches Update
lächerliche deutsche Sprachausgabe
aufgesetzt wirkender Kampagnenmodus

Wertung

PC

Im Großen und Ganzen ein grafisches Update des Vorgängers - und damit ein unterhaltsamer, ansehnlicher Mehrspieler-Shooter!

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