Rise of Nations: Rise of Legends26.05.2006, Jörg Luibl
Rise of Nations: Rise of Legends

Im Test:

93%. Platin-Award. Strategiespiel des Jahres 2003. Das ist die Erfolgstory von Rise of Nations. Jetzt ist nach drei Jahren Entwicklung der Nachfolger da und alle Welt ist gespannt, ob Designer Brian Reynolds die Faszination seiner innovativen Feldzüge fortsetzen kann. Das Team von Big Huge Games hat den Pfad der Historie verlassen, um der Fantasie in einem zauberhaften Szenario freien Lauf zu lassen: Wissenschaft trifft auf Magie, Roboter auf Fabelwesen, eine hohe Erwartung auf Ernüchterung?

Magie & Technik

Was haben Tigerpanzer und Zwerge, die Wehrmacht und Orks gemeinsam? Sie gewinnen fast jedes Casting als Kanonenfutter für Echtzeit-Strategiespiele. Umso erfreulicher ist es, wenn man endlich wieder ein kreatives Szenario abseits

Wenn Leonardo da Vincis Maschinen Flugreife erreicht hätten, könnten diese Herrschaften fast so durch die Renaissance propellert sein.
bekannter Military- und Fantasy-Pfade entdecken kann. In Rise of Nations: Rise of Legends (ab 18,82€ bei kaufen) (RoL) geht es nicht um den Kampf von Nationen mit konventionellen Truppen, sondern um den Kampf von Kulturen mit einzigartigen Mächten. Die europäisch anmutenden Vinci setzen auf Wissenschaft, Dampfmaschinen und Roboter, die arabisch angehauchten Alin auf Zauberei, Drachen und Dschinnen, die an Azteken erinnernden Cuotl führen Nekromantie, uralte Götter und außerirdische Artefakte ins Feld. Das Szenario erinnert in seinem Konflikt zwischen Technologie und Magie an das Rollenspiel Arcanum .

Wenn man nach dem viel versprechenden Intro zum ersten Mal in das Meer der Einheiten abtaucht, muss man respektvoll den Hut ziehen vor der Kreativität der Designer. Da staksen Roboter unbeholfen vorwärts, während Propellerflieger über ihnen wie große Hummeln brummen und Feuerdrachen ihre Kreise ziehen. Glühende Golems marschieren mit schweren Schritten durch den Wüstensand, mechanische Spinnen krabbeln flink hinterher, vermummte Wüstenläufer ziehen ihre Krummsäbel und Skorpionreiter speien Gift. Hinzu kommen Musketiere und schwebende Mantas, Salamander und Glasdrachen, Sonnenkatzen und Adlerbomber, Sturmscheiben und Zitadellen, Riesenkanonen und Flammenzirkel, Bunkerforts und schwebende Heiligtümer.

Lediglich Age of Mythology (AoM) kommt an diese Farbenpracht und Kreaturenvielfalt heran. Im Zoom erkennt man zwar, dass es den kantigen Figuren an Details fehlt und RoL erreicht weder die Licht durchflutete Landschaftsidylle eines Age of Empires III (AoE3) noch die Anmut der Bewegungsabläufe eines ParaWorld (PW), aber das, was hier an Figuren und Gebäuden, an Effekten und Zaubern über den Bildschirm flackert, ist auch ohne die letzte körnige Polygondichte einfach fantastisch - und hat immerhin den Platz von vier CDs verschlungen. Leider wurde der optische Pomp der Schlachten mit all seinen Explosionen, Fontänen und Pulverdampf nicht konsequent auf die Soundeffekte übertragen: hier hätte es etwas kerniger und variabler krachen, zischen und rattern müssen; zu oft gehen Aktionen akustisch einfach unter.

Vertrautes Spielprinzip

Das angenehm Exotische dieser drei Völker animiert jedoch sofort dazu, sich näher mit ihnen zu beschäftigen. Wenn man den Reiz des Stöberns in den ersten Missionen befriedigt, erkennt man unter der fremd anmutenden Oberfläche schnell das Altbekannte: Das wunderbar durchdachte Fundament von Rise of Nations (RoN). Veteranen dürfen sich auf all die Stärken freuen, die den weltweit gefeierten Vorgänger bis heute so auszeichnen - Grenzen verschieben sich dynamisch, statt Zeitalter gibt es Forschungsgebiete, fremde Städte kann man auch ohne Kampf annektieren und auf einer Weltkarte à la Risiko zieht man seine Armee. Einsteiger werden sich zunächst an die Fülle der Möglichkeiten in den Bereichen Aufbau, Forschung und Eroberung gewöhnen müssen, denn das Angebot geht weit über das hinaus, was einfacher gestrickte Titel wie Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde 2 (HdR:SuM) oder AoM zu bieten haben. Hier weht ein angenehmer Hauch von

Exotische Völker wie die arabisch angehauchten Alin vermitteln schnell ein Flair von Tausenundeiner Nacht.
Civilization 4 : Dieses Echtzeit-Strategiespiel ist auf den ersten Blick etwas unzugänglicher und verwirrender als manche Konkurrenten, aber dafür auf den zweiten taktisch interessanter und im positiven Sinne komplexer.

Allerdings werden Kenner abseits der zauberhaften Kulisse wenig Neues finden: Ins Auge fallen da neben dem neuen Stürmen der Gebäude zunächst die Helden. Jedes Volk verfügt über besonders starke Persönlichkeiten, die mit ihren Spezialangriffen so manche Schlacht entscheiden können. Während der Kampagne könnt ihr sie wie Rollenspielfiguren entwickeln und noch effektiver machen. Dem Haupthelden Giacomo, der über großflächige Reparaturtechnik, Kamikazeroboter und Schallwellen verfügt, schließen sich im Laufe der drei Akte zahlreiche Heroen an, die ihr je nach taktischem Geschmack schulen könnt. Piratenbraut Leonora kann z.B. eigene Flieger stärken und fremde kapern sowie multiple Raketen abfeuern - ideal für die Lufthoheit. Im Skirmish und Multiplayer könnt ihr auch auf die Bösewichte zurückgreifen, wie den mächtigen Alin-Helden Sawu, der mit wirbelnden Glasklingen für Chaos sorgt und Spinnen herbeiruft oder den gesichtslosen Cuotl-Helden Czin, der mit Pest verseucht oder mit Seelenfeuer betäubt. Diese Helden bereichern die Schlachten um eine Portion Individualität, denn vom Scharfschützen über den Verwandlungskünstler, vom Stampfmonster bis zum Heiler ist alles möglich.

Von der Stadt zur Metropole

                  

Im Zentrum des Aufbaus steht die Stadt, die ihr mit Bezirken erweitern könnt - man kann nicht einfach irgendwo eine neue bauen, sondern muss bestehende ausweiten oder erobern. Je nachdem, ob ihr hier mit Handel, Militär oder Industrie expandiert, ändern sich die Möglichkeiten: Wer einen Soldatenbezirk anbaut, bekommt sofort Truppen, eine bessere

In der Wüste trefft ihr auf fliegende Mantas, Magie und Dschinnen.
Verteidigung und ein erhöhtes Bevölkerungslimit. Wer sich um die Technik kümmert, wird mehr Forschungspunkte erhalten sowie die allgemeine Produktion beschleunigen. Und erst wer drei Bezirke gebaut hat, darf seine kleine Stadt in eine Metropole verwandeln. Erst dann zeigen sich weitere Äste im Entwicklungsbaum und erst dann werden die Grenzen ausgedehnt. Rohstoffe gibt es nur zwei: Timonium wird in Minen abgebaut, Gold wird über Karawanen gescheffelt. Und zusätzlich zu den Bezirken muss man an die konventionellen Gebäude wie Kasernen, Türme, Flugplätze, Fabriken, Labore etc. denken.

Diese Vielfalt kann verwirren, zumal man sein Auge überall haben und wichtige Entscheidungen schnell fällen muss. Das Schöne ist: Alles greift ineinander, alles macht Sinn. Zum Beispiel die schrittweise Verteuerung, wenn man immer nur einen Truppentyp baut - das beugt dem Rushen mit einer billigen Massenarmee vor und zwingt zur Flexibilisierung. Und jedes Volk kann über die geschickte Spezialisierung auf einen der Bereiche Handel, Militär oder Industrie völlig anders gespielt werden.

         

Risiko mit Zwischensequenzen

Damals hatte man eine riesige Welt mit Kontinenten und Meeren, die man frei erobern konnte - allerdings ohne Story, was viele kritisiert haben. Jetzt hat man diesem nackten Brettspielprinzip das Korsett einer Kampagne in drei Akten angelegt, um es erzählerisch attraktiver zu gestalten. Worum geht's? Ganz kurz: Um Rache, einen Tyrannen, das Böse und eine

Welcher Held soll euch begleiten? Jeder hat eigene Stärken und Schwächen, jeder kann individuell verbessert werden.
Weltbedrohung - konnte Big Huge Games beim Szenario noch mit Fantasie auftrumpfen, bleibt man in Sachen Story sehr konservativ und im Genrevergleich nur durchschnittlich. Giacomos Feldzug ins Ungewisse, der ihn von seiner Heimat in die Wüste der Alin und dann in den Dschungel der Cuotl treibt, wird zwar von einigen bösen Überraschungen gewürzt, aber kann in Sachen Dramaturgie und Charakterzeichnung nicht begeistern. Einige Rollen werden gut aufgebaut, einige Dialoge gut geführt, aber Spiele wie AoM haben eine wesentlich spannendere Geschichte erzählt. Die Story lebt von schönen Filmen als Überleitung, aber es gibt sehr viele Klischees und seltsame Übergänge, die den roten Faden vermissen lassen: Obwohl der Doge als Figur in einem anderen Land platziert ist, taucht er plötzlich im Kampf auf. 

Man will die Kampagne weiter spielen, um noch mehr Kreaturen zu sehen, aber nicht unbedingt um Giacomos Schicksal zu verfolgen: RoL spielt sich quasi wie Risiko mit Zwischensequenzen. Denn auf der einen Seite hat man Ziele auf der Weltkarte, kann aber auf der anderen Seite den Weg dorthin selbst bestimmen und sein Reich ganz nach eigenem Ermessen ausbauen - was je nach erobertem Land nicht nur andere Filme oder Figuren präsentiert, sondern auch Fähigkeiten und Forschungen. Greift man lieber das schwache Monte Laguna an, das einem die Fähigkeit der Notvorräte sowie dei Erfahrungspunkte verschafft oder direkt das schwer gerüstete Corbanile, wo man wesentlich bessere Beute machen kann?

Keine freie Welteroberung

In den ersten Stunden ist genau diese Freiheit auf der Weltkarte das faszinierende Element, das Strategen ins angenehme Grübeln bringt. Aber bald zeichnet sich ab, dass es letztlich doch in eine ausgewogene Richtung gehen muss, zumal Abweichungen von der

Welches Land soll erobert werden? Ganz à la Risiko habt ihr in der Kampagne mehrere Möglichkeiten.
vorgegeben Diplomatie kaum möglich sind. Wählt man den Weg der gezielten Aufrüstung und lässt sich Zeit mit dem Hauptziel, wird auch der Gegner mit seinen Armeen über die Karte ziehen und Territorien belagern. Wählt man den Weg der schnellen Erfüllung des Hauptziels, ist man eventuell zu schwach für die finale Schlacht - hier wird man sogar gewarnt, dass man vielleicht erst schwächere Regionen attackieren sollte. Also ist man immer gezwungen, einen Mittelweg zu wählen, der sogar von kleineren Nebenzielen vorgegeben wird.

Und genau das ist die Krux dieses Systems: Das erzählerische Korsett raubt dem alten Risikostil die Freiheit, denn trotz theoretisch vieler Eroberungsziele gibt es doch immer einen vorgegebenen Pfad. Das liegt auch daran, dass die Weltkarten der Kampagnen zu klein sind und die große Weite vermissen lassen. Schade ist auch, dass die drei Akte nicht auf einer Weltkarte stattfinden, sondern auf separaten. Das führt zu einer gewissen Monotonie im Spielprinzip. Neuer Akt heißt: Man muss immer wieder vorne mit einem oder wenig Ländern anfangen, verliert immer die Einheiten des letzten Aktes (sogar die eigene Stamm-Armee wird einfach aufgelöst), spielt leider immer genau das Volk, das auch der Feind spielt und hat ein großes Endziel - nämlich die Hauptstadt mit der finalen Schlacht.

Im Multiplayer begeistern die Dominanzen: Weil ich als Erster acht Truppen gebaut habe, darf ich dem Gegner eine Armee steheln.
Natürlich ist dieser Modus mit all seinen Nachschub- und Ausbaumöglichkeiten taktisch immer noch dreimal interessanter als das, was man in HdR: SuM erlebt. Aber durch die Zerstückelung der Weltkarte und die vorgegebenen Hauptziele, die erzählerisch natürlich zwingend notwendig sind, raubt man dem Spieler die Freiheit. Besonders schade ist deshalb, dass es nach der etwa 15-stündigen Kampagne keinen freien Welteroberungsmodus gibt, wo man sich Volk und Startland aussuchen kann. Warum hat man darauf verzichtet? So kann man abseits der Online-Duelle nur im Skirmish spielen. Der eignet sich vornehmlich als Spiel- und Probierplatz für spätere Internetduelle, weil die Gegner sich hier sehr passiv verhalten. Ideal, um Völker zu testen; weniger gut, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Dafür besticht der Multiplayer mit interessanten Modi abseits vom Zerstöre-Alles-Prinzip: Ihr könnt z.B. im Blitzkrieg einstellen, dass der gewinnt, der die erste Stadt erobert.

Missionen & Taktik

Das Geschehen in der Kampagne und den Online-Arenen unterhält ohnehin auf hohem Niveau, was Missionen und Taktik betrifft. Gefangene retten, Wunderwaffen zerstören, Städte halten, Teleskope erobern, Piraten bestechen. Schön ist, dass es in den Schlachten auf der Karte sehr abwechslungsreich zur Sache geht; und die Möglichkeit der Diplomatie mit neutralen Parteien bereichert das Spiel - auch wenn es keine komplexen Verhandlungen, sondern meist nur Allianzen für Rohstoffaustausch gibt. Interessant ist, dass oftmals mehrere Wege zum Ziel führen: Mal helfen kurze Attacken mehrerer Truppen auf Versorgungseinrichtungen, mal gezielte Landungen mit Lufttransportern, um ewig lange Schlachten abzukürzen. Wer sich auf der Karte umschaut und auf die Tipps achtet, kann oftmals viel schneller und klüger gewinnen als mit der langwierigen "Ich-zerstöre-das-Hauptquartier-Methode". Neben dem Hauptziel könnt ihr immer weitere Bonusziele freischalten, dessen Beute euch wiederum bei der Entwicklung hilft. Außerdem braucht ihr nicht stupide jeden Gegner auf der Karte zu vernichten, damit es weitergeht. Sobald die Ziele erreicht sind, geht es weiter.

Die drei großen Stärken von RoL

Von der Massenvergiftung bis zum Erdbeben ist alles möglich: So mancher Spezialangriff kann eine Schlacht entscheiden.
heißen Variation, Forschung und Spielbalance. Die Völker spielen sich komplett unterschiedlich und zeigen nur wenige Überschneidungen, wobei die Vinci ideal für Einsteiger sind und die Alin sowie vor allem die Cuotl etwas mehr Einarbeitungszeit benötigen - Letztere ernten eine ganz eigene Energie. Während die Vinci fast schon konventionell mit Robotern, Dampfpanzern, schwerer Artillerie und Bombern zu Werke gehen und gleich zu Beginn eine Gefahr darstellen, brauchen die Cuotl etwas mehr Zeit, um ihre mächtigen mythischen Waffen ins Feld zu führen. Der Trumpf der Alin ist ihre Luft- und Turmhoheit, denn sie können im Gegensatz zu den Vinci nicht nur Türme gegen Bodenziele, sondern auch welche gegen Luft- und sogar welche gegen beide Gegnerziele bauen. Das macht sie auf der einen Seite sehr stark in der Defensive und auf der anderen Seite ideal für schnelle Attacken gegen die etwas behäbigeren, aber kampfstärkeren Vinci. Kurzum: Man kann mit jedem Volk jedes andere gezielt auskontern.

Alle drei führen nicht nur viele kleine Truppen mit Spezialangriffen wie Netz, Sturm oder Betäubung ins Feld, sondern auch riesige Ungetüme: Die Vinci bauen eine bewegte Landfestung, die sich wie eine Spinne über das Land bewegt und einen Vernichtungsstrahl abfeuert; die Alin beschwören einen riesigen Glasdrachen, der sich selbst heilt und in seiner Raserei tausende Splitter auf den Feind regnen lässt; die Cuotl setzen auf eine Gift speiende Todeskugel, die Schäden absorbiert und sich sogar unsichtbar machen kann.                       

Steuerung & Formationen

Diese Fülle an Möglichkeiten hat allerdings ihren Preis. Das Steuern der Einheiten kann gerade in großen Schlachten mit mehreren Dutzend Truppentypen unübersichtlich sein und in einem großen Chaos aus Feuer, Qualm und Magie aufgehen.

Noch steht alles wohl sortiert. Aber an Brücken kann es zu Formierungs- und Wegfindungsproblemen kommen.
Das sieht klasse aus, gar keine Frage. Aber vor allem das Auslösen der Spezialfähigkeiten der Helden sowie der Spezialstellungen der Soldaten verlangt das Durchschalten mit der Tab-Taste. Viel komfortabler wäre es, wenn man die Spezialmanöver einer Gruppe sofort in einem Kasten sehen würde - dann könnte man auch die Reihenfolge ihrer Wirkung über wenige Klicks besser koordinieren. Überhaupt verlangt der Ausbau eurer Basis, Technologien und Fähigkeiten sehr viele Entscheidungen an verschiedenen Orten - man muss immer wieder hin- und herspringen, um alles auf den aktuellen Stand zu bringen. Zwar bietet die Benutzeroberfläche sehr viele und sinnvoll angelegte Icons, aber in hektischen Situationen wäre weniger auf einen Blick mehr gewesen. Vielleicht kann ParaWorld im September mit seinem "Army Controller" in die richtige Richtung weisen, denn dort habe ich alles besser im Griff.

Auf der Ebene der Truppensteuerung bietet RoL immer noch mehr Service als viele andere Konkurrenten. Mal abgesehen von Verhaltensweisen wie passiv, defensiv oder aggressiv könnt ihr auch Einheiten schützen oder auf dem Weg zum Ziel alles attackieren lassen. Und ihr könnt die Karte automatisch mit einem Scout erkunden, der sogar Reliquien einsammelt und Energievorkommen sichert - sehr schön. Hinzu kommen zig interessante Manöver wie das Eingraben, der Kartensprung, der Sturmangriff, die enge Schusslinie oder ausufernde, das ganze Gelände zerwühlende Zerstörungen.

Aber das Team von Big Huge Games hat auch auf einige Kleinigkeiten wie z.B. den aus RoN bekannten Befehl nur Gebäude zu schleifen verzichtet und im Bereich der Wegfindung nicht so gut gearbeitet wie im Vorgänger. Es kommt gerade bei Brücken und Anhöhen immer wieder vor, dass Truppen hängen bleiben, nicht mitkommen oder verzweifelt ihre Position

Feurball und Blitze, Pulverdampf und Magie: Die Schlachten sind bunt und farbenfroh.
suchen. Gerade an diesen neuralgischen Punkten ist das ärgerlich. Auch die einheitliche Marschgeschwindigkeit im gemischten Verband wird nur über kurze Strecken gehalten - geht es über längere Distanz von A nach B preschen die schnellen Einheiten undiszipliniert vor.

Überhaupt hat man das Gefühl, dass die Armee als wild gemischter Pulk genau so gut zum Erfolg kommt, wie in klug gestaffelten Teilen - wer Feldtaktik im Gelände inklusive Höhenvorteil, Deckung im Wald & CO sucht, wie z.B. in Rome: Total War ,  Ground Control 2 oder Praetorians , wird hier nicht fündig; wenn es zur Sache geht, dann actionreich, denn es kommt auf den gemischten Verband und den Erstschlag an. Das Formationssystem verzichtet z.B. auf Kreis, Keil, Linie und sonstige Manöver, ist zwar sehr intuitiv zu bedienen, aber nicht flexibel genug für ausgeklügelte Stellungen: Ihr zieht mit der Maus eine Stellung auf, seht dort schon die Positionen der Einheiten und dann marschieren alle dorthin; und zwar immer so, dass Nahkämpfer vorne und Fernkämpfer hinten stehen - im freien Feld ist das ideal. Aber überall dort, wo es im Gelände enger wird, gibt es scheinbar keine Aufstellungsalternativen, da die finalen Markierungen immer von der ganzen verfügbaren Breite ausgehen. Sprich: Bewegt ihr eure Truppen in eine Schlucht, versuchen sich zehn Musketiere vorne in Linie zu postieren, obwohl aufgrund der Anhöhen vielleicht nur vier nebeneinander passen. Irgendwann merken sie das und suchen sich weiter hinten Plätze.

Eroberungen & Dominanzen

Im Gegensatz zu anderen Spielen kann man feindliche oder neutrale Städte, Taverne oder Türme nicht nur militärisch erobern, sondern auch über die Ausweitung der dynamischen Landesgrenzen annektieren oder über regen Handel schließlich bestechen. Sprich: Wer die Bereiche Territorium und Handel über gezielte Forschungen vorantreibt, kann sein Reich theoretisch ohne einen Schuss ausdehnen. Natürlich ist die aggressive Methode die schnellere: Man kann belagerte Städte sogar stürmen, wenn man in der Umgebung die militärische Oberhand hat, indem man seine Infanterie kurzfristig hinein

Ein Tyrann vor dem Sturz: Nach dem ersten Akt bleibt kaum Zeit für Siegesparaden - die Welt wird von mehr als einem Dogen bedroht.
schickt. Danach läuft ein Timer runter. Schafft der Belagerte es, in dieser Zeit ein Entsatzheer in der Region aufzubieten, kann man die Invasoren wieder zurückjagen.

Das territoriale Prinzip sorgt dafür, dass eroberte Städte eure Grenzen erweitern und Feinde in eurem Gebiet automatisch Verschleißschaden erleiden. Außerdem kann der Feind in eurem Gebiet nicht einfach Gebäude errichten - all das schiebt schnellen Tank-Rush-Feldzügen zunächst einen Riegel vor. Hinzu kommt ein überaus intelligentes Dominanzsystem, das gerade Multiplayer-Duelle noch spannender macht: Wer hat als Erster acht Einheiten gebaut? Wer hat die Forschung am besten entwickelt? Wer hat am meisten geplündert? Wenn ihr in einem Bereich ein Ziel erreicht, wird eine globale Fähigkeit freigeschaltet, die ihr sofort auslösen könnt: Das kann z.B. ein aufgezwungener Waffenstillstand sein, eine Komplettheilung der eigenen Armee oder das gemeine Stehlen ganzer feindlicher Verbände. Wer sich also geschickt spezialisiert, kann auch mit kleiner Armee großen Schaden anrichten.

           

Fazit

Ich habe Rise of Nations geliebt. Es war nicht nur unser Spiel des Jahres 2003, sondern ist bis heute neben Seven Kingdoms und Age of Kings II mein zeitloser Echtzeit-Strategiefavorit. Deshalb habe ich mich unheimlich auf Rise of Legends gefreut. Hinsichtlich des Szenarios, der Spielbalance, der Eroberungsmöglichkeiten und des Völkerdesigns wurden meine Erwartung absolut erfüllt: Abseits vom üblichen Militär- und Fantasyeinerlei trifft hier Magie auf Technik, abseits vom einfachen Rushen kann man wilde Eroberungen mit klugen Annektierungen oder Forschungen kontern, und zusätzlich zum taktischen Aufbau und Kampf im Feld hat man in der Kampagne strategische Freiheiten auf der Weltkarte. Aber es steht auch ein wenig still, begeistert nicht mehr ganz so wie vor drei Jahren. Diesem Nachfolger fehlt abseits der fantasievollen Kulisse die Frische neuer Ideen oder die konsequente Weiterentwicklung bekannter Elemente wie Grenzen oder Diplomatie. Es ist ja nicht schlecht, dass es sich nach einer Stunde so anfühlt wie der grandiose Vorgänger - ganz im Gegenteil: Das Fundament ist eines der besten und intelligentesten im Genre. Aber wenn man genau hinschaut, bleiben in Sachen Wegfindung, Übersicht und Armeekontrolle Wünsche offen. Dass der Sound Aussetzer hat oder einige Sprecher nicht passen, sind nur Peanuts. Aber die Kampagne hätte mit einer packenderen Story, wechselnden Gegnern und noch mehr Platz auf der Karte wesentlich unterhaltsamer sein können. Richtig schade ist auch, dass es keinen freien Risikomudos mehr gibt - den habe ich schmerzlich vermisst. Also bleibt nach den drei Kapiteln nur der Skirmish- und Multiplayer-Modus. Aber was heißt nur? Dieses Spiel ist mit seinen drei komplett unterschiedlichen Völkern und dem fiesen Dominanzsystem ein Garant für viele spannende Online-Duelle.  Das hier ist alles ein Jammern auf hohem Niveau: Denn unterm Strich habe ich mit den Vinci, Alin und Cuotl mehr Spaß als mit Age of Empires III oder Herr der Ringe: Schlacht um Mittelerde II.

Pro

fantasievolles, frisches Weltdesign
klasse Territorialprinzip
sehr gute Spielbalance
motivierender Heldenaufbau
sinnvolles Eroberungs- & Dominanzsystem
hervorragendes Völkerdesign
jede Menge coole Forschungen
drei komplett unterschiedliche Fraktionen
sehr viele Spezialfähigkeiten
Stürmen als Belagerungsneuheit
umfangreiche Kampagne
fodernde KI in der Kampagne
Weltkartenmodus mit Eroberungsfreiheit
viele interessante Multiplayer-Modi
mächtiger Editor, übersichtliche Statistiken
variable Hilfe und Schwierigkeitsgrade
schönes Intro, gute Zwischensequenzen

Kontra

Story nur Durchschnitt
man vermisst frische Ideen
einige Wegfindungsprobleme
Figuren klobig und steif im Zoom
einige unpassende Sprecher
unvollständiges Handbuch
kleine Soundaussetzer, wenig Effekte
Armee
& Aufbaukontrolle etwas zu unübersichtlich
Weltkartenkampagne nicht offen genug
kein freier Risikomodus
keine Feldtaktik inklusive Höhenvorteil oder Deckung nötig

Wertung

PC

Klasse Völker, Magie gegen Technik, intelligentes Spieldesign - zugreifen!

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