Gears of War08.09.2016, Michael Krosta

Im Test: Die wirklich ultimative Version

Vor zehn Jahren setzte Epic Games mit Gears of War (ab 14,99€ bei kaufen) ein Ausrufezeichen auf der Xbox 360: Nicht nur das Potenzial der Unreal Engine wurde eindrucksvoll demonstriert. Auch der Shooter überzeugte abseits der visuellen Pracht durch coole Mechaniken, knallharte Action und spaßige Mehrspieler-Duelle. PC-Spieler können das bestätigen: 2007 erschien der Erstling als einziger Teil der Reihe auch für Windows. Kann die generalüberholte Ultimate Edition, die nach der De-Indizierung des Originals jetzt auch von der USK grünes Licht bekommen hat, die alte Faszination erneut entfachen?

Der Zahn der Zeit

Zehn Jahre sind schon eine Menge Holz, in denen viel passieren kann. Auch im Shooter-Bereich. Doch auch wenn manche der Mechaniken eines Gears of War mittlerweile etwas angestaubt wirken, kann die Ultimate Edition innerhalb weniger Minuten vermitteln, warum der Action-Kracher unter der Regie von Cliff Bleszinski damals so einschlug und eine Duftmarke setzte. Stilistisch mag die mittlerweile etwas erschlankte Truppe der Muskelmänner rund um Marcus Fenix immer noch etwas grotesk wirken und auch die banale Story sowie die Dialoge würden niemals für einen Oscar in Erwägung gezogen.

Doch wenn man zum Controller greift, dann stellt es sich schnell wieder ein, dieses alte, wohlbekannte und immer noch großartige Gears-Feeling, wenn man von Deckung zu Deckung huscht, sich heftige Stellungskämpfe gegen die zähen sowie clever flankierenden Locust liefert und mit dem richtigen Timing flott das Magazin wechselt. Gerade diese damals innovative Nachlademechanik empfinde ich immer noch als genial und sie sollte auch in anderen Shootern viel öfter zum Einsatz kommen. Auch das eingängige Deckungssystem auf Knopfdruck funktioniert noch so gut wie eh und je, übertrifft sogar immer noch viele der späteren Spiele von Mitbewerbern, die ähnliche Ambitionen verfolgten. Etwas nervig ist neben den vereinzelten Trial&Error-Passagen lediglich der Umstand, dass der Einsatz des coolen Kettensägenbajonetts aufgrund der Tastenbelegung und der dadurch resultierenden Einschränkung der Kamera

Neben der Kulisse profitieren auch die Figuren von der grafischen Generalüberholung.

immer noch relativ umständlich ist, dafür aber erneut bei richtiger Anwendung in einem herrlichen Gore-Spektakel endet. Kurz gesagt: Bis auf ein wenige mechanische Einschränkungen spielt sich Gears of War immer noch klasse und steckt auch in der ultimativen Edition manch anderen aktuellen Shooter in die Tasche.

Mehr Inhalt, bessere Technik

Zählte das Spiel auf der Xbox 360 noch zu den technischen Vorzeige-Titeln, blieb der ganz große Wow-Effekt schon auf der Xbox One aus, obwohl von den Texturen über die (Licht-)Effekte bis hin zu den Figuren sowie Zwischensequenzen alles spürbar aufgebohrt und die Bildrate auf flüssige 60fps verdoppelt wurde. Auf dem PC sieht es ähnlich aus, obwohl man hier die Auflösung sogar auf bis zu 4K hochschrauben und auch die Bildrate noch weiter erhöhen kann, sofern die Hardware entsprechende Leistungsressourcen bietet. Aber diesen leicht angestaubten Eindruck kann Gears auch auf höheren Grafikeinstellungen nicht loswerden, zumal das optionale FXAA auch nicht alle Kanten glatt bügeln und man immer noch ein leichtes Flimmern entdecken kann. Das für die Umsetzung zuständige Studio „The Coalition“ hat sich für dieses Remaster aber deutlich mehr ins Zeug gelegt als etwa Sonys Santa-Monica-Studio bei der PS4-Umsetzung von God of War 3 oder Capcom bei Resident Evil HD. Aber die überarbeitete Kulisse vermittelt heute einfach nicht mehr die Wucht und das Gefühl eines technischen Overkills, den man damals noch auf der 360 verspürt hat. Nichtsdestotrotz macht die Unreal Engine hier einen guten Job und vor allem beim Zielen profitiert die Steuerung von der höheren Bildrate. Hinsichtlich der (Begleiter-)KI hätte man aber mehr optimieren können, denn hin und wieder krankt sie noch an ähnlichen Problemen und vereinzelten Aussetzern wie vor neun Jahren. Tatsächlich wirkt die PC-Version in dieser Hinsicht noch einen Tick schlimmer: Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass meine Begleiter auf der Xbox One derart oft zu Boden gegangen sind oder so viele dämliche Laufwege eingeschlagen haben. An anderer Stelle erkennt man dagegen deutliche Verbesserungen bzw. man hört sie: Abgesehen davon, dass Microsoft die Soundkulisse auf eine 7.1-Konfiguration erweitert hat, profitieren vor allem die deutschen Stimmen von der frischen Abmischung. Sie tönen nicht nur deutlich klarer aus den Boxen, sondern auch die störenden Lautstärkeschwankungen des Originals wurden minimiert. Trotzdem sorgt die deutsche Tonspur aufgrund mancher Sprecher und etwas zu wörtlichen Übersetzungen aus dem Englischen für ungewollte Lacher. Ärgerlich: In dem über 50 Gigabyte großen Download ist zwar auch die Original-Tonspur enthalten, doch wer Marcus & Co auf Englisch erleben will, muss dafür die Sprache seines Betriebssystems (Windows 10) umstellen. Warum bietet man die Sprachwahl nicht direkt aus dem Spiel heraus in den Audio-Einstellungen an?

Dank zähen Gegnern, dem intuitiven Deckungssystem und der flüssigen Darstellungen sind die Feuergefechte ein Genuss.

Neben der Technik hat Microsoft auch den Inhalt aufgestockt: PC-Spieler kennen die fünf zusätzlichen Kapitel der Kampagne zwar schon aus der Umsetzung von 2007, doch auch der Mehrspielermodus bekommt im Vergleich zum Original Zuwachs durch weitere Variation wie Team Deathmatch, King of the Hill (im Stil von Gears of War 3) und dem neuen Gnasher Execution, bei dem zwei Zweier-Teams gegeneinander antreten, während sich in anderen Modi bis zu acht Teilnehmer tummeln können. Was ich aber vermisse ist ein Horde-Modus: Den gab es zwar auch nicht im Original, aber dieser populäre Modus hätte der Ultimate Edition sicher gut gestanden. Dafür gibt es im Vergleich zur 360-Fassung mit 19 Karten fast die doppelte Anzahl und auch nette Extras wie Comics (...für Finder der KOR-Marken) oder Konzeptzeichnungen runden das Paket ab. Ein zusätzlicher Schwierigkeitsgrad schließt außerdem die Lücke zwischen „Lässig“ und „Hardcore“, während sich Profis weiter auf der Stufe „Wahnsinnig“ austoben dürfen. Klasse ist außerdem, dass die LAN-Unterstützung als Alternative zu den Online-Matches nicht gestrichen wurde und man noch mehr Möglichkeiten an die Hand bekommt, die Partien mit einer größeren Palette an Einstellungen an eigene Vorlieben anzupassen. Und auch technisch liefen die Online-Partien im Rahmen unseres Tests rund: Die automatische Spielervermittlung dauert zwar etwas lange und auf dem PC scheinen einfach (noch) nicht viele Spieler unterwegs zu sein, doch kommt eine Partie zustande, sind mir beim Ballern auf den dedizierten Servern weder Lags noch Verbindungsabbrüche aufgefallen. Nur eine Sache schmerzt und führt zu einem Punktabzug gegenüber der Fassung der Xbox One: Lokale Partien am geteilten Bildschirm sind am PC leider nicht erlaubt.

Fazit

So muss ein Remaster aussehen! Auch wenn Gears of War in der Ultimate Edition nicht mehr so frisch wirkt und technisch vom Hocker haut, wie es damals das hierzulande mittlerweile de-indizierte Original auf der 360 getan hat, überzeugt der Shooter auch auf PCs mit Windows 10 durch gelungene Mechaniken, schweißtreibende Schusswechsel, ein tolles Pacing und intuitives Deckungssystem sowie unterhaltsame Mehrspieler-Partien, von denen sich sogar manch neuere Spiele eine dicke Scheibe abschneiden könnten. Zwar hätte man abseits der Grafik auch die eine oder andere Mechanik modernisieren können, doch insgesamt kann mich das Spielgefühl von damals auch heute noch begeistern. Es macht einfach tierisch Spaß, sich durch die Feuergefechte zu beißen oder Locust mit der Kettensäge zu zerlegen. Zumal die Kampagne weiter die Bonus-Kapitel der damaligen PC-Version enthält und der Inhalt insgesamt deutlich aufgewertet wurde. Der Horde-Modus oder die Möglichkeit, wie bei den Halo-Remasters zwischen alter und neuer Grafik wechseln zu können, wären die Sahnehäubchen gewesen. Doch auch in dieser Form fetzt die Ultimate Edition und The Coalition hat bewiesen, dass Gears of War 4 bei ihnen offenbar in guten Händen ist. Schade nur, dass man der Begleiter-KI nicht mehr Gehirnzellen spendiert und in der PC-Version die sehr spaßigen Koop-Ballereien am geteilten Bildschirm einfach gestrichen hat.

Pro

immer noch sehenswerte, visuell deutlich aufgewertete Kulisse
Auflösung bis zu 4K möglich
klasse Deckungsmanöver
alle DLCs enthalten
angenehme Steuerung mit genialer Nachlademechanik
aggressive Gegner-KI
spaßige Mehrspieler-Modi
LAN-Unterstützung
stimmungsvoller Soundtrack
nettes Bonusmaterial (Comic etc.)

Kontra

Geschichte ist kaum der Rede wert
einige Trial&Error-Passagen
Kettensägenbajonett recht umständlich
KI-Partner mit häufigen Aussetztern
Befehlsautomatismen nicht effektiv genug
kein Umschalten zwischen alter und neuer Grafik
kein Horde-Modus
keine Splitscreen-Unterstützung mehr
Sprache lässt sich nur über Umwege ändern

Wertung

PC

Gears of War hat nichts von seinem Charme verloren: Mechanisch zwar leicht angestaubt, rocken Marcus Fenix & Co den PC ein weiteres Mal mit Lancer und Kettensägenbayonett - nur leider nicht auch am geteilten Bildschirm.

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Kommentare

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MaxDetroit

Ich hab es letztens mal durchgezockt (im Game Pass, natürlich), da ich als jahrelanger Sony Fanboy keins der Gears of Wars Teile gezockt hatte. Ich muss gestehen: Das Teil ist selbst in der Ultimate Edition doch eher schlecht gealtert. Grafisch kann es hier und da noch was her machen und da wurde für das Remaster sicherlich einiges an Arbeit geleistet, aber die Environments wirken dann doch irgendwann sehr monoton und eintönig. Die Story ist so gut wie nicht vorhanden, bzw. einfach nur Mittel zum Zweck um einen von Mission zu Mission zu jagen. Gameplay können heute viele besser, z.B. Division hat da Standards gesetzt, ich hab z.B. kurz davor noch Outriders durchgezockt, das einfach zeigt was sich mittlerweile alles in dem Bereich getan hat. Ich habe mich dann versucht zu einem Versus Match (Multiplayer) anzumelden, hat nicht geklappt, habe mindestens 5 bis 10 Minuten in einer Wartschlange verbracht ohne das sich was getan hätte - der Bereich des Spiels scheint tot zu sein.

Einzig und allein der Coop Modus sticht für mich noch heraus, habe da mit Randoms ein paar Level gespielt, wenn man das mit einem Kumpel komplett von vorne bis hinten durchballert, ist das sicherlich nochmal ein wesentlich besseres Erlebnis (besonders da auch die Gefährten KI richtig mies ist und der mir dauernd in die Schusslinie gelaufen ist).

Also als Coop Game (auch Splitscreen fähig) ist das Teil sicherlich noch empfehlenswert, als Solo Erfahrung eher nicht, auch wenn die Kampagne eher kurz und knackig ist.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren