Tony Hawk's American Wasteland06.05.2006, Paul Kautz
Tony Hawk's American Wasteland

Im Test:

Die Tony Hawk-Serie ist Spielegeschichte: Neversofts mittlerweile sechs Jahre alte Reihe hat nicht nur das Videospiele-Skateboarden revolutioniert, sondern auch die echten Bretter wieder modern gemacht. Nach vielen Höhen (Teil zwei und vier) sowie einigen Tiefen (die Underground-Spiele) findet die Reihe mit »American Wasteland« zu alter Stärke zurück – auch auf dem reichlich spät versorgten PC!

Zwei Games zum Preis von einem

Langlebige Serien haben immer das Problem der zweigeteilten Erwartungshaltung: Auf der einen Seite sind da die Fans, die ihr Spiel lieben und für umwälzende Veränderungen nicht zu haben sind. Auf der anderen Seite sind da die Neugierigen, die sich fragen, wieso nicht mal etwas Neues versucht wird und immer wieder dasselbe Spielprinzip vielleicht mit neuer Grafik oder ein paar dazugewonnenen Features wiedergekäut wird. Tony Hawk's American Wasteland (ab 6,64€ bei kaufen) ist mittlerweile der siebte Spross mit dem Birdman auf dem Cover – obwohl die

BMX ahoi: Das Bike steuert sich ganz anders als die Boards.
»offizielle« Wählweise mit dem vierten Teil eingestellt wurde. Was kann dieses Spiel, was andere nicht können – speziell seine Vorgänger? Bringt der Verzicht auf die Nummer oder den »Underground«-Zusatz etwas Neues, oder birgt das Paket Vertrautes in frischer Hülle?

American Wasteland ist in erster Linie ein Schmelztiegel aller bisherigen Tony Hawk-Games: Es vereint die früheren Teile wie gewohnt im »Klassik-Modus«, bietet die ausufernden Personalisierungsmöglichkeiten und den Story-Modus der Underground-Reihe sowie die perfekte Steuerung, die die Serie so populär gemacht hat. »Ja, super – und das ist alles?« höre ich die abwinkenden Nörgler schon rufen. Nein, ist es nicht. Zusätzlich zum Best-Of gibt es eine gigantische Stadt zum Beskaten, viele neue Tricks – und BMX Bikes! Damit baut Tony Hawk eine Brücke zur Mat Hoffman’s Pro BMX-Serie, denn die zugrunde liegende Physikengine entstammt dem BMX-Spiel. Somit habt ihr gewissermaßen gleich zwei Funsportgames zum Preis von einem – das ist doch was!

Eine kurze Geschichte des Skatens

Dreh- und Angelpunkt des amerikanischen Ödlandes ist der Storymodus. Dort entscheidet ihr euch für eines von fünf Landeiern, welches nach Los Angeles kommt, um eine Skate-Legende zu werden. Kaum dort angekommen, werdet ihr von einer Pöblerbande ausgeraubt und landet unsanft auf der Straße. Hilfe gibt es nur von der Punkerin Mindy, die euch unter ihre Fittiche nimmt und in die nächstgelegenen Shops schickt, wo ihr euch einkleidet sowie einen stadtgerechten Haarschnitt zulegt. Sitzt das Outfit, geht es ins Tutorial. Hier bekommt ihr nicht nur die grundlegenden Bewegungen wie Manual oder Reverts beigebracht (diese Übungen müssen sich auch erfahrene Spieler antun, selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad), sondern auch die neuen Manöver wie Bert Slide oder Natas Spin sowie das Radeln mit dem BMX-Bike. Anfangs habt ihr so gut wie gar nichts drauf: erst nach und nach eignet ihr euch benötigte Skills an, um die wirklich heißen Tricks zu zünden. Wie in den vorherigen Teilen gibt es im Pausenmenü eine Auflistung der Dinge die ihr tun müsst, um verbesserte Skater-Werte zu erlangen. Außerdem steht dieses mal auch das Geldverdienen auf dem Tagesplan, schließlich wollt ihr euch doch neue Decks, Klamotten oder Frisuren kaufen, oder?

In speziellen Shops könnt ihr euren Skater optisch aufmöbeln.
Die Story wird nicht nur in Echtzeit-Zwischensequenzen präsentiert, sondern hat dieses mal auch tatsächlich Substanz, ist witzig, bringt skurrile Figuren ins Bild und alberne Dialoge ins Ohr, die voller guter Anspielungen (u.a. ein unbeliebter Hollywood-Star namens »Ben Whofleck«) stecken. Im Laufe eurer Skater-Karriere bekommt ihr jede Menge Aufträge von herumstehenden Personen, die euch u.a. mit einem Hund Gassi laufen, Skate-Duelle gewinnen oder Tricks auf Zuruf zünden lassen. Zusätzlich gibt es zur Aufmöbelung eurer Werte noch Sponsoren-Challenges an den lokalen Skate-Shops – jeden Tag eine neue, was dank des beschleunigten Echtzeit-Tagesverlaufs wörtlich zu nehmen ist. Ein am oberen Bildschirmrand befindlicher Kompass weist euch zuverlässig den Weg zum nächsten Ziel, Shop oder Auftraggeber. Leider hat der Story-Modus zwei Nachteile: Erstens ist er sehr leicht. Trotz dreier Schwierigkeitsgrade bekommt ihr die meisten Aufgaben ausführlich vorgekaut und werdet zumeist auch noch direkt vor dem Aufgabenpunkt abgesetzt. Das führt direkt zu Nachteil zwei: Die Story ist ohne große Mühen in weniger als acht Stunden vorbei. Kein echter Nachteil, aber doof ist außerdem, dass ihr euren Story-Skater in keinem anderen Modus verwenden dürft – ärgerlich, wenn ihr ihn mühsam trainiert habt, aber er nach der Geschichte zu nichts mehr zu gebrauchen ist. Umgekehrt ist es übrigens genauso: selbst gebastelte Protagonisten bekommt ihr nicht in der Story unter. Denn wie mittlerweile gewohnt, dürft ihr euch ein rasendes Ebenbild aus etlichen Einzelteilen selbst erschaffen. Außerdem könnt ihr eigene Tricks, Grafiken für die Decks und ganze Levels inkl. Aufgaben basteln. Wie gewohnt gibt es außerdem tonnenweise Bonus-Skater und einige witzige Videos freizuspielen.     

So klassisch, so neu

Zusammen mit dem Story-Modus und den BMX-Bikes gibt es auch in Sachen Spielgebiet eine Neuerung: Dieses Mal berast ihr nicht die halbe Welt, sondern »lediglich« große Teile von Los Angeles (und auch einige Gebiete außerhalb), die nach und nach freigeschaltet werden und prinzipiell frei beskatebar sind. »Prinzipiell« deshalb, weil Hollywood, Santa Monica, Downtown, Beverly Hills und East LA durch Tunnel verbunden sind, die das Äquivalent eines Ladebalkens darstellen – ihr könnt nichts tun außer geradeaus zu skaten müsst dabei die lade-bedingten Grafikruckler in Kauf nehmen - wenn ihr keine Lust darauf habt, könnt ihr auch in den Bus springen. Die Levels sind wie gewohnt einfallsreich und voller nutzbarer Objekte, sehr vieler Objekte sogar - was seinen Teil zur Einfachheit des Spiels beiträgt, da es dieses Mal sehr leicht ist, eine Mörder-Kombo aufs

Ein entsprechend gutes Pad vorausgesetzt steht die PC-Steuerung dem Konsolen-Vorbild in nichts nach.
Parkett zu legen. Selbst das BMX-Bike ist nach kurzer Zeit ein Punktebringer erster Kajüte, obwohl sich die Steuerung grundlegend von der Skater-Kontrolle unterscheidet und daher etwas Gewöhnung bedarf. Aber dank gut umgesetzter Fahrphysik und vielerlei Trickmöglichkeiten lernt man das Rad schnell als nützliche Ergänzung zu schätzen. Apropos Steuerung: Wie bei jedem TH-Titel lautet auch hier der erste Rat an potenzielle Käufer: Besorgt euch ein Gamepad! Nur damit funktioniert die Kontrolle der Skater so flüssig und schnell, wie man es von der Serie gewohnt ist. Wer hier tatsächlich mit der Tastatur aufs Brett steigt, hat nichts anderes als Sehnenscheidenentzündung und verknoteten Finger verdient!

Zusätzlich zur Story wartet noch der Klassik-Modus auf euch – und einen Freund, denn dieses mal könnt ihr die Oldschool-Aufgaben kooperativ zu zweit angehen! Wie in den ersten drei TH-Teilen gibt es hier zehn Ziele pro Level und Zwei-Minuten-Limit: Highscore, Profiscore, COMBO, SKATE, geheimes Tape und mehr. Die sechs Arenen (fünf davon sind erst freizuspielen) sind durch die Bank aus früheren TH-Teilen und der PSP-Version von THUG2 recycelt, teilweise leicht umgestaltet und durch die Bank grafisch aufgemöbelt worden: Chicago Skate Park, The Mall, Santa Cruz oder Minneapolis laden zum klassischen Skaten ein.

Nie mehr allein!

Bringt American Wasteland alleine schon sehr viel Spaß, geht im Mehrspielermodus traditionell erst recht die Post ab: da wäre zum einen die Splitscreen-Variante für zwei Spieler, zum anderen das Online-Spiel via Internet! Satte 13 Modi bieten acht Spielern in fünf Schwierigkeitsgraden ordentlich Abwechslung, ihr dürft eigene Skater verwenden und auch Server hosten – allerdings nur mit im Solomodus freigespielten Levels Und auch nur, wenn ihr wirklich Glück habt, denn der unzuverlässige Netzwerkcode hat während unseres Tests gut die Hälfte der gespielten Partien mittendrin abgebrochen!

Der Fluch hoher Auflösung: Speziell die Figuren sehen sehr kantig und verwaschen aus.
Optisch bietet American Wasteland die mittlerweile gewohnte stagnierende Evolution statt der vergeblich erhofften Revolution: Über alle Zweifel erhaben sind nach wie vor die Animationen; die Figuren, allen voran natürlich die Skater, bewegen sich verdammt flüssig. Dazu gibt es lippensynchrone Sprache, animierte Haare und schöne Effekte wie die Bodenreflektionen. Auf der anderen Seite sind die Levels und Figuren immer noch reichlich eckig und teilweise extrem schwach texturiert. Und wie schon auf der Xbox 360 ist die hohe Auflösung der PC-Fassung gleichzeitig Segen wie Fluch, ermöglicht sie doch in erster Linie einen hochauflösenden Blick auf die groben Modelle und matschigen Texturen, die mit aktiviertem Anti-Aliasing überdies noch potthässliche Ränder ausweisen. Zugegeben: das Gebotene ist besser als früher, speziell die Nebenfiguren sehen nicht mehr aus, als wären sie mit der Kettensäge designt worden. Aber ein wirkliches Augenzucker-Spiel ist auch American Wasteland nicht. Dafür geht es wie gewohnt gut in den Gehörgang: Der brachiale Soundtrack tendiert dieses mal in eine etwas härtere Richtung, Bands wie My Chemical Romance, The Dead Kennedy, The Doors, Public Enemy, Motley Crüe, Bad Religion oder Green Day rocken die Boxen. Dazu gibt es hervorragende englische Sprachausgabe sowie gute deutsche Untertitel. Die Soundeffekte sind größtenteils aus den vorherigen Teilen bekannt und bieten damit bewährte Qualität  

Fazit

Danke Neversoft, danke! Danke dafür, dass ihr euch auf eure Wurzeln besonnen und nicht einfach einen weiteren Jackass-verhunzten Underground-Teil auf den Markt geworfen habt! Danke dafür, dass ihr euch mal wieder aufs Skaten und nicht nur auf das Drumherum konzentriert habt! Und danke dafür, dass American Wasteland eine Art Best-Of der Reihe darstellt, mit gut umgesetztem Story- und runderneuertem Klassik-Modus. Macht all die Dankbarkeit jetzt summa summarum das beste Tony Hawk aller Zeiten? Nein, dafür wirkt American Wasteland zu überambitioniert, dafür ist das Spiel in sich nicht völlig stimmig. Aber es kommt sehr nahe an diesen Status heran und ist in jedem Fall besser und empfehlenswerter als die Underground-Teile. Das BMX-Fahren ist kein Meilenstein, aber eine nette Ergänzung, die Mehrspielermodi sind mit Spielvarianten noch und nöcher vollgepackt. Leider ist das Vergnügen im Story-Modus sehr kurz, aber dafür gibt es ja viele Klassik- und noch mehr Multiplayervarianten - auch wenn das Online-Vergnügen durch den mistigen Netzcode reichlich getrübt wird. Außerdem muss auch für die PC-Fassung dieselbe Warnung ausgesprochen werden wie für die 360-Variante: Durch die höhere Auflösung sieht das Game tatsächlich hässlicher als auf Konsolen aus, 3D-Modelle und Texturen bekommt das Hochskalieren gar nicht gut. Und ein gutes Gamepad ist Pflicht, mit der Tastatur gibt es hier nicht mal ein Büschel Löwenzahn zu gewinnen!

Pro

besser als die Underground-Serie
ausgezeichnete Pad-Steuerung
BMX-Bikes verwendbar
nett inszenierter Storymodus
riesiges Gebiet
großartige Animationen
kooperativer Klassikmodus
etliche Personalisierungsmöglichkeiten
viele Mehrspielermodi
einige neue Tricks
kaum Ladezeiten
sehr einsteigerfreundlich

Kontra

kurzer Story-Modus
sehr eckige Umgebungen und Figuren
gelegentliches Ruckeln
unbrauchbare Tastatursteuerung
Story-Charakter nicht in anderen Modi
spielbar und umgekehrt
mäßige Laufkontrolle
instabiler Netzcode
hässliche Texturränder

Wertung

PC

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