Demokratie!10.01.2006, Bodo Naser
Demokratie!

Im Test:

Unsere Nachbetrachtung der vorweihnachtlichen Spiele geht langsam in die finale Phase: Dieses Mal testen wir mit Demokratie! (ab 25,95€ bei kaufen) ein Runden-Strategiespiel, bei dem ihr mal selbst Bundeskanzler bzw. Kanzlerin spielen könnt. Ein nervenaufreibender Eiertanz zwischen sich widersprechenden Forderungen der Interessengruppen auf der einen und ständigen Budgetnöten auf der anderen Seite, der aber leider rasch an Anziehungskraft verliert.

Mach, was wir wollen

Macht ihr es besser als Putin? Nur noch drei Monate bis zur Wahl, die recht knapp werden dürfte.
Aus dem Politikunterricht wissen wir noch: Demokratie heißt übersetzt "Herrschaft des Volkes". Wer Demokratie! von Positech Games spielt, könnte jedoch auf die Idee kommen, dass es auch ebenso gut "Herrschaft der (einflussreichen) Volksgruppen" heißen könnte. Denn die berühmt-berüchtigten Lobbyisten bestimmen eigentlich, was in eurem Staat zu geschehen hat, den ihr unter den Ländern Deutschland, USA, Japan, Kanada, Großbritannien, Australien, Frankreich, Italien, Russland und Polen auswählen könnt. Jede Gruppe kocht nämlich ihr höchst eigenes Süppchen, seien es nun die Autofahrer, Raucher oder Eltern. Natürlich gibt es auch die altbekannten politischen Richtungen von links außen bis scharf rechts, die ebenfalls zufrieden gestellt sein wollen. Also Finger weg von der stolzen Armee, sonst gibt es noch einen Militärputsch, der bei den obigen Ländern allerdings nur noch in Russland einigermaßen wahrscheinlich sein dürfte.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Rüde Gewalt ist allerdings eher die Ausnahme, wie eine enttäuschte Interessengruppe auf euer Polittreiben reagieren kann. Schon eher wahrscheinlich ist der Liebesentzug, genauer gesagt der Entzug der Stimme bei dem alle vier Jahre stattfindenden Urnengang. Wer z.B. an der Mehrwertsteuerschraube nach oben dreht, muss um die Stimmen des Mittelstands bangen, der lieber niedrige Abgaben will. Im Spiel, das ihr leider nur alleine zocken könnt, müsst ihr nämlich mindestens 50 Prozent der Stimmen erhalten, um an der Macht zu bleiben. Eine Beschränkung der Amtszeiten steht der Wiederwahl übrigens nicht im Wege. Von der Wahl von Volksvertretern wird bei Demokratie! hingegen wenig gehalten, denn sogar der deutsche Bundeskanzler wird hier direkt vom Volk gewählt. Gesetze werden nicht im Parlament beschlossen, sie werden vom Staatschef einfach erlassen, was reichlich undemokratisch ist. Das erinnert schon eher an eine präsidiale Diktatur à la Robert Mugabe, Saddam Hussein oder Wladimir Putin.

Neue Politikfelder

Mit Hilfe von unansehnlichen Reglern bestimmt ihr die Richtlinien eurer Politik. 
Die Finanzen sind erfahrungsgemäß ein wichtiges, wenn auch leidiges Thema, denn hier könnt ihr als Politiker viel falsch und wenig richtig machen. So bilden sie eines der zentralen Politikfelder, über die ihr von Anfang an gebieten könnt. Radikale Steuersenkungen z.B. können die Wirtschaft ankurbeln und so zu Mehreinnahmen führen. Es gibt aber nicht nur Schaltflächen für das liebe Geld, sondern auch für die innere Sicherheit, die Außenpolitik, Soziales, Umwelt und die Wirtschaft. Wenn ihr nun eines der auftretenden Probleme etwa das nervige Thema Billigimporte lösen wollt, bekommt ihr verschiedene Lösungsvorschläge serviert. Einer davon sind etwa Importzölle, die ihr erst freischalten müsst: Darüber freuen sich aber nur Patrioten und Gewerkschaften, der freie Handel leidet darunter. Ihr müsst euch neue Einflussmöglichkeiten erst schaffen, bevor sie eine Wirkung entfalten. Hier schlummern so unterschiedliche Konzepte wie Abgaskontrollen, bewaffnete Polizei oder Erbschaftssteuer, die aber meist mehr Geld kosten, als sie einbringen.

             

Kaum Unterschiede

Bei den Finanzen gibt es Unterschiede: Russland gibt traditionell viel Geld für Armee und Geheimdienst aus.
Demokratie! versucht, länderspezifische Unterschiede einzubauen. So sind in Deutschland die Steuern exorbitant hoch, die Arbeitslosigkeit steigt stetig und die Finanzen kurz vor dem Kollaps - ganz wie in der Realität. Allerdings gilt das für fast jedes spielbare Land, so dass es nicht wirklich einen Unterschied macht, ob ihr nun im Weißen Haus, in der Downing Street oder im Kreml sitzt. Manche Gegebenheiten wie der oben angeführte Militärputsch passen nicht auf alle Länder: So spielt beispielsweise die religiösen Rechte im Spiel auch außerhalb der USA eine wichtige Rolle, wenn es etwa darum geht, ob ihr Stammzellenforschung zulasst oder verbietet. In Europa spielen diese religiösen Gruppen im politischen Leben nur eine untergeordnete Rolle. Repräsentiert wird das zumindest dadurch, dass die Interessenverbände im Spiel unterschiedlich groß sind. Wer sich also mit Umweltaktivisten gut stellt, gewinnt nicht automatisch die Wahl, da deren Gruppe recht klein ist. Leider kommen auch keinerlei diplomatischen Kontakte mit dem Ausland vor, obwohl es das Feld Außenpolitik gibt.

Machiavelli lässt grüßen

Das Strategiespiel ist so eher eine Lehrstunde in der Kunst des Machterhalts in allen modernen Demokratien, denn eine länderspezifische Simulation. Wie das abläuft, könnt ihr euch im schmucklosen Tutorial anschauen. Leider wird das Regieren rasch langweilig, wenn ihr mal herausgefunden habt, wie der alte Polithase läuft. Wer kurz vor der Wahl eine verhasste Steuer senkt, kann noch manche Wählerstimme einsammeln und eine schon verloren geglaubte Wahl für sich entscheiden. Durch Zufallsereignisse wie Spionageaffären, Katastrophen oder Erfolge der Wissenschaft versuchen die Macher, so etwas wie Abwechslung aus dem Hut zu zaubern, was nicht gelingt, da sich oft wiederholen. Ebenfalls öfters wieder seht ihr die drängenden Entscheidungen, die ihr vor jedem Rundenende fällen müsst. Wer wird etwa Nachfolger eines zurückgetretenen Ministers und was für ein Signal wird damit gesetzt? Insgesamt bietet Demokratie weniger, als das komplexe Gameplay vermuten lässt.

Zusammenhänge sehen

Was der gemeine Sozialist alles mag, seht ihr auf einen Blick mit einem Klick.
Dass Äußerlichkeiten bei komplexen Strategiespielen in den Hintergrund treten, ist inzwischen fast schon so etwas wie eine Binsenweisheit. Allerdings hat Demokratie! wieder mal den all zu nüchternen Charme einer Tabellenkalkulation mit seinen unbewegten Menüs, kahlen Schaltflächen und kalten Statistiken. Eine Flagge im Hintergrund dient da fast als einziger Schmuck. Hier hätten die Entwickler noch viel mehr machen können. Viel wichtiger ist jedoch, dass alles sinnvoll optisch verknüpft wurde, so dass ihr mit einem Blick sehen könnt, woran ein bestimmter Problemkreis krankt. Ein roter Strich symbolisiert einen negativen Einfluss und ein grüner einen positiven. Ganz ähnlich ist es mit den einzelnen Gruppen, die durch eine bestimmte Politik positiv oder negativ beeinflusst werden. Verschiebt ihr einen Regler etwa für die Verteidigungsausgaben könnt ihr gleich sehen, wer das gut findet und wer was dagegen hat. So lässt sich eine Gruppe gezielt fördern.

     

Fazit

Demokratie! ist ein nettes Strategiespielchen für zwischendurch, das sich so oder so ähnlich sicher auch gratis im Internet finden ließe und mit dem sich politisch Interessierte an praktischer Politik versuchen können. Allerdings müsst ihr stets hübsch innerhalb der Spielregeln der Demokratie bleiben, denn Hobby-Revolutionsführer, Hardcore-Lobbyisten und Möchtegern-Diktatoren sind schneller abserviert, als das Volk seinen Wahlzettel ausfüllen kann. Das Zauberwort heißt nämlich nicht Machtdurchsetzung, sondern Interessenausgleich, der das A und O des Spiels darstellt. Wer sich für das preiswerte Demokratie! entscheidet, sollte allerdings bloß nicht zu viel erwarten, denn es wird nach ein paar Runden recht eintönig, da sich jede Partie ähnlich spielt. Das Spielprinzip ist irgendwann durchschaut - ein paar unterschiedliche Szenarien hätten hier geholfen. Schade, denn mit etwas ansprechenderer Grafik, einem Multiplayer-Modus sowie mehr Abwechslung wäre sicher mehr drin gewesen.

Pro

Zusammenhänge gut dargestellt
neue Politikfelder erschließen
möglich, ewig zu regieren
Verknüpfungen zu sehen
preiswert

Kontra

geringe Unterschiede zwischen Ländern
auf Dauer langweilig
Ereignisse passen nicht immer
staubtrockene Präsentation
kein Multiplayer

Wertung

PC

Nettes Politspielchen für zwischendurch. Nicht mehr

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