Warhammer: Mark of Chaos29.11.2006, Jörg Luibl
Warhammer: Mark of Chaos

Im Test:

In der Welt der Brettspiele sind die Warhammer-Armeen eine feste Größe: Der Kampf zwischen Imperium und Chaos, zwischen Elfen und Orks wird seit vielen Jahren weltweit mit Würfelglück und bemalten Miniaturen auf dem Tisch ausgetragen. Kann das ungarische Team von Black Hole Entertainment die Faszination dieses detailverliebten Hobbys in eine Polygonwelt übertragen?

Ab in die Düsternis

Wie schmeckt Warhammer? Rauchig, bitter und herb. Pulverdampf aus Musketen trifft auf kalten Stahl, Paladine in

Das Intro (gibt es hier!) ist fantastisch: Renderqualität auf höchstem Niveau, klasse Kämpfe und der herrliche Geschmack der Düsternis. Leider ist es irgendwann vorbei...
Plattenpanzern stürmen auf gehörnte Dämonen, Kanonen donnern und Feuerbälle knistern. Der Konflikt zwischen Imperium und Chaos, zwischen Gut und Böse wird hier auf einer martialischen Fantasybühne von Menschen im bunten Renaissancelook, Elfen in feinen Gewändern oder Dämonen mit Furcht erregenden Fratzen inszeniert. Seit Jahren begeistert dieses üppige Theater Tabletop-Spieler in aller Welt. Könnte Warhammer: Mark of Chaos (ab 19,98€ bei kaufen) (MoC) auch der Startschuss für eine virtuelle Fanbasis sein?

Das Szenario strotzt zwar nur so vor Klischees, eckt aber mit einigen Kanten angenehm an. Es sind vor allem die deutschen Namen der Helden und Orte, die trotz Elfenglanz und Zaubertrank für einen Hauch von bizarrer Historizität sorgen: Erstedorf und Otto von Gruber, die Ostmark und Reiksmarschall Wolfgang Trenkenhoff - da schlagen Freunde preußischer Feldherrlichkeit gleich mit einem markigen Jawoll die Hacken zusammen. MoC entführt euch in eine apokalyptisch anmutende Welt mit einigen Teutonismen und vielen Tolkienismen, in der auch Glaube, Ketzer und Moral eine große Rolle spielen. Es herrscht mal wieder Krieg zwischen den Mächten der Finsternis und des Lichts.

Sigmars Kriegshammer

Das Intro fängt diesen ebenso martialischen wie sakralen Hintergrund wunderbar ein: Ein imperialer Trupp marschiert durch

Lust auf ein Probespiel?

Download Demo (1,12 GB)einen düsteren Wald, vorneweg ein Priester mit seinem mächtigen Kriegshammer. Irgendwann schälen sich gehörnte Helme der Chaoskrieger aus dem Nebel und ein mörderischer Kampf entbrennt in feinster Renderqualität. Blutig sackt der Priester irgendwann zusammen, ein Dämon erscheint für den Todesstoß, aber dann durchfährt den halbtoten Gläubigen die Kraft des Gottes Sigmar, sein Medaillon strahlt und sein glühender Hammer zerschmettert die schwelende Kreatur...

Videos:

Trailer 5 (1:04 Min.)

Gameplay 10 (1:58 Min.)

Gameplay 9 (1:54 Min.)

Was für ein herrlicher Kampf! Ein Einstieg auf Blizzard-Niveau. Erinnert ihr euch noch an Armies of Exigo ? Schon da haben die ungarischen Entwickler filmisch begeistert. Das Blöde an Intros ist nur, dass ihre Stimmung meist nicht lange anhält, wenn das darauf folgende Spiel nicht daran anknüpfen kann. Auch MoC kann diese abflauende Tendenz nicht verhindern, obwohl die Menüs sowie das ganze Art&Design aus Schrift und Verzierungen sehr edel ist. Aber die kommenden Zwischensequenzen zeigen nur noch statische Dialogszenen - gute deutsche Sprachausgabe, langweilige Stimmung. Euer Held trägt das Brandzeichen der Ketzerei im Gesicht und muss mit dem Misstrauen und dem Neid in den eigenen Reihen leben. Das wird ihm in zig Zwischensequenzen von Konkurrenten ohne lebendige Mimik näher gebracht. Ab hier fährt die Regie einen Gang runter.

Bunte Miniaturenwelt

Viel wichtiger als die Erzählung der intriganten, aber letztlich durchsichtigen Gut-Böse-Story ist allerdings der Auftritt der

Auf den ersten Blick herrlich neblig und konturstark, auf den zweiten erschreckend linear und wenig interaktiv. Schade auch, dass es kein offenes Spiel in der warhammer-Welt gibt.
Warhammer-Völker auf dem Schlachtfeld - und der ist auf den ersten Blick gelungen. Egal ob Goblins, Skaven oder Orks; Menschen, Elfen oder Zwerge: das Flair der überzeichneten Miniaturen wurde von den ungarischen Figurendesignern wunderbar eingefangen, viele Spezialfähigkeiten wurden akribisch vom Brett auf den Monitor übertragen: das Infizieren ganzer Regimenter durch Seuchenschleuderer, die Warpflammenwerfer der Skaven oder das Explodieren der Warlocktechniker.

Auch sonst kann sich das bunte Völkergemisch aus Imperium, Hochelfen, Chaos, Skaven und Söldnern sehen lassen: Die Nachtgoblins hüpfen in ihren Kapuzenumhängen auf und ab, die Rattenwesen schlagen mit ihren Schwänzen und zücken hektisch ihre Schwerter und auch mächtige Riesen, Drachen oder Adler erscheinen auf dem Schlachtfeld. Auf der einen Seite Zähne fletschende Chaoshunde und blutrote Dämonen wie der Zerfleischer, auf der anderen Seite bunte Kurfürsten und lichte Elfenmagier.

Wer in die Reihen zoomt, wird auch erkennen, dass es sich nicht um Klonkrieger handelt: Wie in Medieval 2: Total War  (M2) bestehen die Regimenter aus vielen unterschiedlich gekleideten Typen, die sich schon vor dem Kampf asynchron bewegen. Wer in den Editor schaut, der kann auch selbst in die Farbpalette tunken und Einzelteile wie Arme, Kopf, Beine oder Rüstung bemalen oder gegen andere Formen austauschen. Ihr könnt jede einzelne Figur ins Visier nehmen, sie drehen und zoomen. Gerade für spätere Multiplayerduelle ist diese mögliche Personalisierung der Truppenteile ein motivierender Faktor.                   

Das Schlachtfeld bebt?

Wie fühlen sich die Schlachten an? Auf den ersten Blick gut, aber auf den zweiten fehlt etwas. Mal abgesehen von den ärgerlichen Performance-Problemen bei mehr als zweihundert Truppen oder dem immergleichen Prinzip von Feuerball rein, Fernkämpfer ran, Nahkämpfer drauf: Trotz der Farben- und Völkervielfalt und trotz der Mischung aus zuckender Zauberei und donnernder Ballistik will der Funke der Begeisterung nicht überspringen. Erinnert ihr euch noch an Dark Omen von Mindscape aus dem Jahr 1998? Damals waren es die animierten Porträts und die ins Kampfgetümmel gebrüllten oder gezischten Kommentare der Hauptleute, die für Stimmung sorgten - das gibts hier leider nicht. Zwar geben die eigenen Truppen und die der Feinde auch Kommentare ab, aber die kommen lange nicht an die herrlich derben Sprüche aus Warhammer 40.000: Dawn of War (DoW) ran, die die Orkboyz & Crew so auszeichneten. Hier hören sich die Grünhäute viel zu harmlos, nicht cool genug an.

Trotz des guten Figurendesigns können die Kämpfe im Detail nicht die Wucht entfachen, die man von Warhammer erwartet.
Aber es sind nicht nur die markanten Geräusche, die hier fehlen. Alles sieht gut aus, wenn noch marschiert wird, aber wenn die Reihen aufeinander prallen, fehlt dieser letzte Schuss an Wucht und Schwertgewitter. Wo sind die eleganten Paraden? Wo sind die alles zerstörenden Schläge? Natürlich fallen und fliegen hier Krieger, aber es wird nicht packend genug inszeniert. Schon DoW war im Handgemenge wesentlich brachialer und in seinen Kampfanimationen vielfältiger. Auch Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde II hat sowohl die flächendeckenden Zauber als auch den Auftritt der mächtigen Kreaturen besser inszeniert. Wenn hier ein Riese oder Dämon auftaucht, fehlt mir die letzte Brisanz.

Statische Duelle

Aktuell hat auch M2 im totalen Zoom mehr an individuellen Attacken und Paraden zu bieten und verströmt auch akustisch ein wesentlich intensiveres Schlachtfeldgefühl. Wo sind hier die coolen Animationen für das Reizen des Gegners? Wo ist das wilde Schildgerappel? Da hätte man mehr rausholen müssen! Dafür punktet MoC wiederum mit Figuren, die nach einer Detonation mehrere Meter in die Luft fliegen oder gleißenden Zaubern, die die Luft in Hitze wallen lassen - vor allem aus der Entfernung hat MoC mit seinen liebevollen Landschaften einiges zu bieten: schwelende Gifte, spiegelnde Flüsse, tiefe Täler. Die Karten sind abwechslungsreich und angenehm groß. Nur wird man beim Zoom in den Kampf mit immer gleichen Attacken und wirklich billigen Blutfleckpopups eher ernüchtert. Also spielt man lieber aus der ansehnlicheren Distanz.

Auch die Duelle der Helden sind zu statisch: Sobald eine Feindarmee mit einem mächtigen Krieger auf euch losgeht, könnt ihr auf sein Icon klicken und in einem begrenzten Duellbezirk gegen ihn antreten, während die Schlacht um euch herum weiter tobt. Ihr könnt eurem Helden jetzt Verhaltensweisen wie defensive, magische oder offensive Taktik erteilen, Tränke zur Stärkung einschmeißen oder Spezialattacken ausführen. Hört sich gut an, ähnelt in der Konzeption Schere-Stein-Papier, ist in der Ausführung alles andere als packend: Euer Held steht steif da, schlägt zu, der Gegner steht steif da, schlägt zu - bis einer gestorben ist. Das Schöne: Sobald der Gegner stirbt, dürfte die Moral seiner Truppen ins Bodenlose fallen. Das Schlechte: Eine heroische Choreographie sieht einfach anders aus.

Heroische Strategie

Im Armee-Editor könnt ihr euch eine Truppe nach Maß zimmern: Vier Völker und ein farbeditor stehen zur Verfügung.
Obwohl MoC atmosphärisch einige Luft nach oben hat, ist es strategisch durchaus interessant, denn es ist quasi die knackige Fantasy-Variante von M2. Unterschiede bestehen eigentlich nur darin, dass ihr auch mächtige Helden kontrolliert, die Zauber ausführen und Gegenstände von erschlagenen Feinden aufsammeln können. Wer die Metzelklinge führt, bekommt z.B. eine um 15 Prozent erhöhte Trefferquote. Hier muss man jedoch aufpassen, wer was aufnimmt, denn bisher habe ich keine Möglichkeit gefunden, Waffen oder Rüstungen später zwischen den Helden zu tauschen - das ist ärgerlich. Das soll immerhin mit dem amerikanischen Patch behoben worden sein.

Schön ist, dass man die Anführer gezielt in Truppenteile eingliedern kann, die dann von den Fähigkeiten der Helden profitieren: etwa bessere Moral, mehr Schaden, höhere Magieresistenz. Wer seine Helden klug aufbaut und gezielt einsetzt, kann so manche Schlacht entscheiden. Aber ansonsten sind die Ähnlichkeiten zu M2 verblüffend: Es gibt eine Positionierungshase, in der ihr eure Truppen aufstellen könnt; es gibt Banner für jeden Truppentyp; es gibt lose und enge, Marsch- und Linienformationen sowie den entscheidenden Faktor der Moral. All das verbindet MoC und M2. Und beide fühlen sich auch ähnlich an, nur dass man in Creative Assemblys Epos das große Gemälde und hier das kleine Abbild bekommt.

Medievals kleiner Bruder

Hier läuft sich alles in einem kleineren, weniger beeindruckenden Rahmen ab, ohne tausende Kämpfer auf dem Schlachtfeld - es können immerhin hunderte sein. Trotzdem kann auch hier die Übersicht im Kampfgetümmel verloren gehen, denn die Banner mit den wichtigen,

Die Steuerung der Truppen ist komfortabel, ihr könnt im Kampf auf Keil, Schildwall & Co zurückgreifen.
aber winzigen Informationen zu Moral, Lebenspunkten & Co sind irgendwann kaum noch zu erkennen, wenn sich Einheiten im Pulk  vermischen. Außerdem gibt es weniger komplexe Manöver in Sachen Formationen - also keine voreingestellten Flanken- oder Defensivstellungen, kein automatisiertes Zurückziehen der Fernkämpfer, keine Pfähle vor den Bogenschützen. Angesichts des kleineren Truppenaufgebots ist das aber verschmerzbar. Und dafür punktet die Fantasyschlacht mit lobenswerten Automatismen: Die Marschgeschwindigkeit bleibt selbst im gemischten Verband einheitlich, schwere Kavallerie bildet einen Keil für den Sturmangriff und die Speeträger können sich zum Schildwall formieren, der seinen Gegner sogar umzingelt - sehr schön!

Immerhin könnt ihr auch Kolonnen zur schnelleren Bewegung bilden und bei Beschuss eure engen Reihen lockern. Außerdem läuft die Ausrichtung der Truppen über das Halten des rechten Mausbuttons wesentlich komfortabler als in M2. Und MoC ist im Ernstfall einen Tick varientenreicher: Hier kommen die Feinde auf den großen Karten auch schon mal in Wellen und von mehreren Seiten - die KI lässt allerdings zu wünschen übrig, da sie sich kaum abzusprechen scheint und teilweise sinnlos einzelne Truppenteile verheizt. Da kommen trotz klarer Unterlegenheit immer wieder kleine Verbände auf euch zu oder ein Riese streunt lustlos umher, anstatt einzugreifen...

             

Territorium & Tabletopfinessen

Trotzdem sind die Schlachten taktisch interessant. Zum einen, weil im Hintergrund die Tabletop-Berechnungen von Warhammer laufen - sprich: Bei einem Angriff bekommen Truppenverbände je nach Größe einen Bonus in Form von Aufprallschaden, außerdem wird ihr Schaden von hinten gleich mehr als doppelt so hoch ausfallen und Fernkämpfer müssen damit leben, dass auch sie nicht alles treffen und Streuschüsse abgeben. Übrigens Vorsicht mit großen Kalibern: Eine fette Kanone trifft immer auch befreundete Einheiten.

Das Aufrüsten sorgt für ein wenig Rollenspielflair: Magische Gegenstände wollen verstaut, Helden mit neuen Fähigkeiten versorgt und Truppen geheilt werden.
Es gilt Artfefakte wie Hörner zwecks Nachschubruf zu erobern oder strategische Zonen mit Flaggen zu sichern, die euch Eroberungspunkte gutschreiben und auch Gewinnvoraussetzung bei Belagerungen sind. Hinzu kommen Wehrtürme, die euch bei der Besetzung Reichweitenvorteile gewähren: Bogenschützen rein und Feuer frei! Auch das Ausweichen von wabernden Giftzonen sorgt für Abwechslung beim Marsch der Truppen. Und es sind die Feinheiten in den Truppeneigenschaften, die vielleicht nicht sofort auffallen, die aber auch Tabletopspieler interessieren dürften: Slayer sind ideal gegen große Gegner, Bestien verfallen ohne Meister in Raserei und greifen auch Feunde an, Drachenatem verwundet alle Gegner in gerader Sichtlinie.

Das sind Aspekte, die M2 natürlich fehlen. Das geht allerdings nicht so weit wie in DoW, wo ihr ganze Gebiete zwecks Nachschub sichern müsst. Schade ist auch, dass die Landschaft ansonsten fast keine Rolle spielt: Natürlich muss man Furten finden, kann man von Höhen aus weiter schießen, sich den Radius sogar anzeigen lassen, aber Wälder und Häuser können nicht zur Deckung genutzt werden, Wälle oder Gräben nicht angelegt werden. Gerade wenn man eine Stadt verteidigen soll und sich nicht verschanzen kann, wünscht man sich solche Möglichkeiten. Für weitere Teile sollte man gerade diese taktischen Aspekte anbieten - aber hier hat bekanntlich auch M2 Nachholbedarf.

Das Brechen der Moral

Dafür ist das Moralsystem wiederum ein gutes und noch einen Tick effektiver als in M2: Sobald eure Feinde heranrollen und ihr sie unter Beschuss nehmt, sinkt die Moral - und zwar numerisch dargestellt von 100% nach unten. Jeder Treffer aus der Distanz sorgt dafür, dass der Kampfgeist fällt. Wenn dann noch eine Attacke von der Seite folgt, kann es zu Panik kommen und der Feind flieht. Das wird hier sehr schön über das Brechen des Banners dargestellt - und das geht recht schnell. Deshalb Vorsicht: Auch eure Truppen können es mit der Angst zu tun bekommen, wenn Dämonen oder Riesen nahen. Ihr dürft sie nicht alleine lassen, solltet frühzeitig in Städten Moral spendende Verstärkung in Form von Bannern oder Musikern kaufen und die Fähigkeiten eures Helden entsprechend schulen.

Dieses Duell sieht zwar auf den ersten Blick richtig gut aus, aber in der Praxis sind die Zweikämpfe viel zu statisch inszeniert - kaum Bewegung, kaum schöne Manöver.
Hinzu kommen Belagerungen, die zwar in Sachen Mensch und Material nicht an den Umfang von M2 heranreichen, aber für Abwechslung sorgen. Ihr könnt Mauern aus der Distanz mit mächtigen Kanonen zerbröseln, müsst auf die Bogenschützen und Axtwerfer auf den Wehrgängen achten, um nicht vorzeitig dezimiert zu werden und beim Auftauchen der ersten Schneise alles daran setzen, die Burg zu stürmen. Das macht Spaß, zumal der Gegner euch immer wieder über Ausfälle am Schleifen der Festung zu hindern versucht. Ähnlich wie in M2 müsst ihr einen Kontrollpunkt innerhalb der Mauern sichern, um zu gewinnen.

Allerdings bleiben auch hier einige Wünsche offen: Viele Bewegungen auf den Wehrgängen sehen einfach zu lemminghaft aus - da hätte man etwas mehr Vielfalt zeigen müssen. M2 ist zwar nach dem Gebrauch der Sturmleitern auch noch verbesserungswürdig, aber da wird auf den Zinnen ansehnlicher gekämpft. Ärgerlich ist, dass Axtwerfer & Co meist die Zinnen ihrer Wehrgänge ignorieren und im Zoom deutlich durch die Steine werfen - wenigstens schleudern sie ihre Geschosse nicht hindurch. Außerdem laufen die Belagerungen in der Kampagne nicht konsequent genug ab, da die KI viel zu passiv bleibt und einem der Sieg schon mal geschenkt wird: Ich konnte trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit mit wenigen Männern in nur zwei Einheiten durch eine Lücke stürmen, ohne dass die acht Feindeinheiten auf den Wehrgängen nach unten gestürmt wären. Sie haben zwar Anstalten dazu gemacht, aber da sicherten meine Kämpfer schon den Kontrollpunkt und die Burg gehörte mir.

Armeebau im Multiplayer

Natürlich geht soetwas im Multiplayer im LAN oder im Netz über GameSpy gegen bis zu fünf menschliche Kontrahenten nicht so leicht. Hier nutzt jeder ein bestimmtes Punktekonto und einen Schlachttyp - vom normalen Kampf bis zum letzten Mann bis hin zu Belagerungen auf diversen Karten ist alles möglich. Ähnlich wie im Tabletop-Vorbild oder ParaWorld stellt ihr eine eigene Armee aus einem vorher festgelegten Punktelimit auf - selbst Champions, Banner und Aufrüstungen könnt ihr hier schon einkaufen. So kann man entweder mit großer Masse, ausgewogener Truppenvielfalt oder wenigen Spitzenkriegern in den Kampf ziehen. Tabletop-Veteranen können hier ausprobieren, ob ihre Miniaturenarmee auch virtuell bestehen kann.

Edle Elfen in Formation: Einheitliche Marschgeschwindigkeit und sinnvolle Automatismen sorgen trotz der fehlenden Wucht im Kampf für gute Unterhaltung.
Diese Aussicht auf individuelle Online-Kriege mit eigenen Armeen ist auch deshalb so wichtig, weil die Kampagne für Einzelspieler eher ein unterhaltsamer Appetizer ist und aufgrund der fehlenden Komplexität recht schnell verdaut sein dürfte. Ihr könnt die Story erst aus der Sicht des Imperiums und später (oder gleich zu Beginn, nur ist es dann etwas kniffliger) auch aus der des Chaos erleben. Was vielversprechend auf einer nebelverhangenen Karte anfängt, entpuppt sich trotz des Figurenwechsels zu den Elfen schnell als Einbahnstraßenfeldzug in mehreren Kapiteln - schade.

Gute und böse Kampagne

Ihr bewegt euren Helden samt Armee auf festgelegten Routen über die ansehnliche und gleichzeitig leblose Karte, die noch nicht mal die Truppenbewegungen des Gegners zeigt oder Informationen über die Länder anbietet. Ansonsten bekommt man auf Wunsch zu jeder Einheit eine kleine Beschreibung in Form einer vergilbten Schriftrolle, nur die Reiche auf der Karte werden nicht so löblich erklärt. Ihr könnt ab und zu Abzweigungen oder optionale Ziele wählen, ein Lager zwecks Heilung aufschlagen, aber habt quasi immer ein großes Endziel vor Augen: die letzte Burg, die letzte Schlacht.

Es gibt weder einen freien Spielmodus auf einer offenen Karte samt Diplomatie à la M2 oder strategische Ausbaumöglichkeiten à la HdR:SuM2. Wie klasse wäre es gewesen, wenn man mit einem Volk seiner Wahl auf einer freien Karte hätte expandieren können! Trotzdem ist auch die Kampagne aufgrund ihrer Rollenspielelmente interessant: Ihr könnt euer erbeutetes Gold in Städten ausgeben, um neue Rüstungen, Waffen, Heiltränke oder magische Gegenstände zu erwerben. Gerade diese Elemente des Kaufens und Verkaufens, des Aufrüstens und Ausstattens machen den Reiz für Solisten aus. Zumal sich gezieltes Verstärken und Heilen lohnt, da sowohl eure Helden als auch eure Truppen an Erfahrung und Schlagkraft gewinnen. Hinzu kommt für Erstere auch ein Skilltree, in den ihr investieren könnt - und hier hat man endlich wieder mehr Entscheidungsfreiheit: Man kann entweder die allgemeinen Spezialkräfte des Helden, seine Duellfähigkeiten oder die der Truppenunterstützung stärken.      

Fazit

Sieht gut aus, mach erst Spaß, aber fühlt sich auf Dauer einfach zu schlaff an - da war so viel mehr drin! Hey, Black Hole Entertainment, das ist verdammt noch mal Warhammer! Warum tanzt der Hammer hier nicht brachialer im Kampfgetümmel? Wo ist diese martialische Düsternis auf dem Schlachtfeld, die euer herrliches Intro noch verspricht? Warum ist die Kampagnenkarte so eingleisig angelegt? Wo ist dieser letzte gemeine Schliff der Kommentare, der Dark Omen anno 1998 so auszeichnete? Immerhin: Warhammer: Mark of Chaos spielt sich wie der kleine Bruder von Medieval 2: Etwas wilder und bunter dank Magie und Fantasy, etwas rollenspielähnlicher dank Heldeneinsatz und Itemhatz. Die Schlachten sind leichter zu führen, punkten mit einem effizienten Moralsystem und einigen territorialen Finessen, die der große Bruder nicht bietet. Es gibt nützliche Formationen vom Keil bis zum Schildwall, sogar Belagerungen mit Kanonen und die Helden locken mit interessanten Skilltrees. Aber man erreicht trotz Drachen- und Riesenaufgebot einfach nicht das epische Mittendringefühl eines Medieval 2 oder die herrliche Choreographie der Nahkämpfe eines Warhammer: 40.000 - Dawn of War. Die Kämpfe sind bunt und üppig, aber seltsam unspektakulär und aufgrund der KI wenig anspruchsvoll; die Duelle der Helden werden grauenhaft statisch inszeniert. Das Spiel punktet wiederum mit einem guten Figurendesign, einem Armee-Editor und vielen Anleihen bei der Tabletop-Vorlage, die im Hintergrund das Kampfgeschehen berechnen. Wer seine Chaos-Truppen online anführt, könnte trotz der Defizite in Sachen Regie gut unterhalten werden. Solisten ohne Games Workshop-Hobbykeller wird das Abenteuer aufgrund der fragwürdigen KI, der immergleichen Missionen sowie eines fehlenden freien Spielmodus auf lange Sicht allerdings nicht satt machen. Unterm Strich kein großes Epos, eher Fantasy-Popcorn für zwischendurch.

Pro

gesprochenes Tutorial
gutes Figurendesign
effizientes Moralsystem
hervorragendes Intro
viele Aspekte der Tabletop-Vorlage
motivierendes Aufrüsten & Sammeln
Truppen gewinnen Erfahrung
Magie, Schusswaffen, Belagerungen
einige territoriale Finessen (Gebiet halten, Türme besetzen)
komfortable Steuerung
gute deutsche Sprecher
sehr gutes Menüdesign
einheitliche Marschgeschwindigkeit
Keil, Schildwall & Umzingelung
spannender Multiplayermodus
Armee-Editor

Kontra

durchsichtige Story
eingleisige Kampagnen
Performance-Probleme
kaum Interaktion auf der Karte
schrecklich statische Duelle
schwache Kampfanimationen
keine animierten Porträts
schwache Einheitenkommentare
kein offenes Spiel auf der Karte
einige KI-Inkonsequenzen im Kampf
Gegenstände nicht austauschbar
einige lemminghafte Belagerungsszenen
es fehlt die Übersicht im Bannerwust
kleine Inkonsequenzen in der Übersetzung (englische Reste)

Wertung

PC

Unterm Strich kein großes Epos, aber leckeres Fantasy-Popcorn für zwischendurch!

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