Mass Effect19.11.2007, Jörg Luibl
Mass Effect

Im Test:

Kann BioWare ohne die Macht von Star Wars im Rücken futuristisch begeistern? Mit Jade Empire haben die Kanadier bewiesen, dass sie auch ohne Lizenz das Flair exotischer Kulturen einfangen können. Mass Effect (ab 7,00€ bei kaufen) ist allerdings ein ganz anderes Kaliber. Hier soll ein episches Rollenspiel in einem neuen Universum stattfinden - inklusive filmreifer Präsentation, lebendiger Dialoge und moralischer Konflikte. Jetzt auch auf PC.

Glaubwürdiges Universum

Ein Blick auf die Hauptstadt des Universums: Die Citadel. BioWare erschafft ohne Lizenz ein ganz neues Science Fiction-Universum. Die Metropole der Galaxie dient euch als Basis. (360)
Manche Entwickler erwecken faszinierende Kreaturen oder Landschaften zum Leben. Man denke an die bizarren Geschöpfe eines Bioshock , Metroid Prime 3  oder die weiten Wälder eines The Elder Scrolls IV: Oblivion . Für all das braucht man eine Grafikengine und dazu begabte Grafikdesigner. Zu den größeren Leistungen kreativer Köpfe gehört es jedoch, ganz eigene Welten mit historischem Hintergrund zu erschaffen. Dazu gehört eine umfangreiche Geschichte, die die Ereignisse so glaubwürdig verankert, dass man sich als der jüngste, fest geschmiedete Teil einer Epoche fühlt, wenn man ein Buch liest, einen Film schaut oder in ein Spiel taucht.

Inhaltlich entspricht die PC-Fassung dem Xbox 360-Vorbild ohne die Zusatzmission "Kollisionskurs" - deshalb gibt es dieselbe Wertung. Was hat sich an Details verändert?

- Texturen werden nicht verzögert aufgetragen

- Fahrstühle fahren schneller

- Benutzeroberflächen angepasst & verändert

- auf Maus-Steuerung optimiert

- Speichern während des KampfesJ.R.R. Tolkien hat das geschafft, George Lucas ebenfalls und auch BioWare könnte spätestens mit dem Abschluss der geplanten Mass Effect -Trilogie dazu gehören. Wer als Commander Shepard an Bord der Normandy die Galaxie erkundet, bekommt sehr schnell das überaus angenehme Gefühl, ein Universum mit Geschichte zu erforschen. Man erfährt nicht nur etwas über längst vergangene Zivilisationen wie die geheimnisvollen Protheaner, deren Vermächtnis bis in die gespielte Gegenwart hinein wirksam ist, sondern auch über verheerende Kriege, die das Bewusstsein der erst spät ins All gereisten Menschen und der dort längst herrschenden außerirdischen Völker prägen. Etwa die Schlacht von "Shanxi", in der der erste menschliche Außenposten überrannt wurde - diese Schmach haben die Verlierer ebenso wenig vergessen wie die Gewinner den Sieg.

Erzählerische Mosaiksteine

BioWare benutzt viele erzählerische Mosaiksteine: Dazu gehören Kommentare im Fahrstuhl, Gespräche sowie Tagebuch- und

Ein Blick in das Charaktermenü: Ihr könnt euren Helden optisch modifizieren und in Sachen Fähigkeiten entwickeln. Auf dem PC wurden einige Benutzeroberflächen angepasst und für die Mausbedienung optimiert.(PC)
Lexikoneinträge. Wenn man Letztere aufschlägt, darf man sich zurücklehnen und von kompletter deutscher Sprachausgabe begleitet mehr über Geschichte, Technik, Kultur und Rassen erfahren - nicht nur Oberflächlichkeiten, sondern so viel wissenschaftlich Konkretes und chronologisch so fest Verankertes, dass man dieser Enzyklopädie einfach glauben muss und mehr erfahren will. Schließlich sind da die Dialoge mit den Bewohnern, mit all den außerirdischen Völkern der Kroganer, Turianer, Quarianer, Asari, in denen plötzlich ein fremdes Ritual, ein Krieg oder Ereignis früherer Zeit thematisiert wird.

Die technikfixierten Quarianer müssen auf ihrer Fahrt ins All z.B. ein Artefakt bergen, um gesellschaftlich anerkannt zu werden; ihre eigene hoch entwickelte Robotertechnik wurde zu ihrem Verhängnis, denn die von ihnen erschaffenen Geth stellten sich plötzlich gegen sie und bedrohen jetzt die Galaxie - die Zylonen aus "Kampfstern Galactica" lassen grüßen. Die

Commander Shepard inspiziert sein Raumschiff: Die "Normandy" ist das technische Schmuckstück der Allianz. Sie bringt euch von Planet zu Planet. An die deutsche Stimme muss man sich erst gewöhnen, dennoch geht die Lokalisierung unterm Strich in Ordnung. (360)
an Dinosaurier erinnernden Kroganer sterben gerade aus, sind aber stolze Krieger, die extrem darwinistisch, fast schon faschistisch denken: Der Stärkere hat Recht, das Schwache soll sterben. All diese Unterschiede in der Kultur sorgen schnell für interessante Motive und Konflikte.

Auf diese Weise schließt sich während des Spiels immer wieder der Kreis, so dass die Welt Stunde um Stunde immer dichter, immer glaubwürdiger und irgendwann fast heimatlich wirkt. Das ist eine große Leistung, denn ich fühle mich als Teil eines lebendigen Universums wohl. Vor allem als Leser, Zuhörer und Gesprächspartner in Dialogen bin ich begeistert. Aber einen vermag BioWare trotz dieses epischen Fundamentes am Ende nicht ganz zu begeistern: Den Entdecker. Ich erfahre viel über fremde Kulturen und Geschichte, aber sehen und erleben kann ich sie nur in Ansätzen.

                             

Größe schluckt Entdeckerdrang

Landschaftliche Attraktionen gibt es nur in den großen Missionen: Hier kämpft ihr euch durch fast schon karibisch anmutende Canyons. (360)
Dabei sind die Ausmaße auf den ersten Blick wahrhaft gigantisch. Wer nach drei bis vier Stunden das erste Mal die Sternenkarte an Bord der Normandy öffnet, wird verblüfft staunen: Es gibt etwa siebzehn Galaxien! Da ist der Serpent-Nebel, der Pferdekopfnebel oder der Voyager-Cluster. Und wenn man in eine Galaxie wie Artemis Tau fliegt, dann öffnet sich eine Karte mit den vier darin verborgenen Sonnensystemen Sparta, Athens, Macedon und Knossos! Wenn man jetzt nach Athens reist, bekommt man nicht nur eine detaillierte Beschreibung der klimatischen Verhältnisse, die jeden Astronomen begeistern wird, man findet dort fünf Planeten inkl. Sonne und Asteroiden-Nebel!

Man kann zwar meist nur auf einem der Planeten innerhalb eines Sonnensystems wirklich landen und ihn mit dem Weltraumjeep Mako erkunden, aber man kann Rohstoffe sichern und so manche versteckte Station bzw. Piraten finden.

Auf dem PC läuft Mass Effect insgesamt etwas flotter und sauberer: Die Fahrstühle sind schneller am Ziel, die Texturen werden nicht erst Sekunden später auf die Figuren gepappt - eine gute Umsetzung! (PC)
Während seines Abenteuers besucht Commander Shepard aber lediglich eine große Stadt, die Hauptstadt der Galaxie, dazu ein, zwei größere Lager, viele Katakomben und Minen, bevor er am Ende endlich einmal durch pompöse Ruinen wandert. Aber wo sind die Städte anderer Völker? Wo sind die bizarren Orte der Außerirdischen? Der größte Vorwurf, den man diesem spannenden Abenteuer machen kann ist der, dass die Dramaturgie und Dialoge der Geschichte viel stärker sind als die Befriedigung des Entdeckerdrangs.

Die Hauptstadt des Universums ist die Citadel. Und die erkundet man gleich zu Beginn mit neugierigen Blicken: Immerhin gibt es mehrere Etagen, ganz unterschiedliche Bezirke und man kann sich in diesem Labyrinth aus Verwaltungs- und Vergnügungsvierteln fast verlaufen. Hier bekommt man wirklich ein Gefühl von Größe. Abseits davon gibt es aber nichts Vergleichbares. Und selbst in der Citadel hält sich die Lebendigkeit abseits der Hauptauftraggeber in Grenzen: Wieso kann ich in den beiden einzigen Bars mit fast niemandem sprechen? Wieso gibt es da nicht etwas mehr Leben in der Bude mit ihren Tanzgirls? Selbst die Wirtin reagiert nicht...hier verschenkt Mass Effect sehr viel atmosphärisches Potenzial, denn gerade in Tavernen konzentrieren sich eigentlich Gerüchte, Typen und Eindrücke.

Obwohl Mass Effect Shooterelemente enthält, lässt sich der Kampf jederzeit pausieren und taktisch angehen. Die Explosions- und Biotikeffekte können sich sehen lassen. (360)
Und so seltsam das klingt: Trotz der immensen Größe des Universums mit all seinen Planeten, trotz einer Spielzeit von etwa 25 Stunden, hat man am Ende das Gefühl, nur einen kleinen Teil der Oberfläche erforscht zu haben. Nicht, weil man keine Zeit mehr hatte, sondern weil man erst gar keine Möglichkeit dazu hatte. All das, was in Gesprächen und Lexikoneinträgen beschrieben wird, kann man nicht mit eigenen Augen sehen. Das alles wäre auch zu viel verlangt, aber ein paar kleine konkrete Häppchen fremder Kulturen, also die Landung in ihren Raumhäfen oder die Erkundung ihrer Siedlungen, hätten vielleicht schon ausgereicht. Aber auch, wenn der Entdecker in mir nicht so laut jubeln kann, wie er eigentlich möchte, der Spieler in mir tut es.

        

Faszinierendes futuristisches Flair

Das Feindbild ist von Beginn an klar: Der Turianer Saren mimt den machthungrigen Antagonisten. Schon in der ersten Mission zeigt er sein skrupelloses Gesicht... (360)
Denn vor dieser Ernüchterung, die sich erst nach dem Durchspielen einstellt, steht eindeutig die Begeisterung. Ein paar Fetzen davon begegnen einem schon in der ersten Mission: Da ist die angenehm sphärische Musik, die eher auf elektronische statt orchestrale Elemente setzt und damit fast an Bladerunner erinnert, da ist das Salutieren der Besatzung, da sind diese fotorealistischen Gesichter, da ist der majestätische Anflug der Normandy auf die Citadel, die Hauptstadt des Universums mit ihrem gigantischen Mutterschiff - schon hier spürt man die epische Kraft des Spiels. Und da ist das erste Auftauchen des feindlichen Flaggschiffs Souverain, die wie eine Klaue durch den Himmel greift, umzuckt von Blitzen und dunklen Wolken - schon hier spürt man die dramaturgische Kraft des Spiels. Da geschieht in einer der vielen Zwischensequenzen ein hinterhältiger Mord, man kämpft sich gegen Robotertruppen bis zu einem außerirdischen Sender vor, verliert einen Mann, rettet eine Frau und plötzlich wird man von schrecklichen Visionen heimgesucht - schon hier spürt man den starken, aber leider auch unheimlich geradlinigen Plot.

Die kontroversen Gespräche sind das Salz in der galaktischen Suppe: Immer wieder werdet ihr in moralische Konflikte gestürzt, immer wieder müsst ihr euch entscheiden. (PC)
Es ist weniger die Story als vielmehr die Brisanz der einzelnen Situationen sowie die Macht der Entscheidung, die Mass Effect so faszinierend macht. Man nehme die Liebe: Spielt ihr einen Mann, bemerkt ihr innerhalb des Abenteuers, dass ihr eine Beziehung zu einer menschlichen und außerirdischen Frau aufbauen könnt. BioWare geht hier sehr behutsam vor, bestraft euch, wenn ihr zu forsch seid, bringt Eifersucht und Zickereien ins Spiel, zwingt euch zur Geduld und zum Einfühlungsvermögen, bevor man sich schließlich für eine Lady entscheiden darf, um sich in einer Nacht vor dem Finale endlich zu vereinigen - ich empfehle wärmstens die außerirdische Mischung aus platonischer und körperlicher Liebe. Aber Vorsicht: Man kann es sich auch mit beiden verscherzen.

Oder nehmen wir Nationalismus und Rassismus: Irgendwann werdet ihr von Charles Saracino angesprochen, der zur "Trockenlandpartei" der Menschen gehört. Sein Credo lautet: "Erst die Erde" oder "Kein Blut für Aliens". Ihr könnt euch für ihn entscheiden oder gegen ihn. Das Geniale an diesem Dialog ist die Tatsache, dass eure außerirdischen Freunde ganz unterschiedlich auf diesen fanatischen Menschen reagieren: Ist z.B. der Kroganer Wrex in eurer Gruppe dabei, dann lobt er

Eure Befehle und Antworten entscheiden nicht selten über Leben und Tod - selbst ein Völkermord wird nicht nur thematisiert, sondern von euch abhängen. (360)
diesen "couragierten" Mann, der endlich mal die Schwäche der menschlichen Rasse ablegt. Aber als Wrex dann von eben diesem zu hören bekommt, dass die Meinung eines Aliens nicht interessiert, wird er richtig sauer und zückt fast die Waffe - hier kommt nicht nur richtig Stimmung auf, hier zeigt BioWare alle Facetten dieser Problematik und relativiert mal eben die Moral!

Auch Drogen sind im Spiel: Ein Außenpolitiker der Menschen braucht für die nächste Verhandlung unbedingt verbotene Mittel, damit er fit ist und für die Menschen alles rausholen kann. Er bittet euch, ihm zum Wohle eures Volkes zu helfen. Was tut ihr? Letztlich könnt ihr ihn mit Argumenten von seiner Sucht überzeugen, ihr könnt ihn zusammen stauchen und sogar mit der Waffe bedrohen. Besonders unterhaltsam sind die Entscheidungen, die über Tod und Leben bestimmen können: Soll sich ein Offizier in das Büro des Botschafters schleichen und dort stehlen oder sich an Wachen vorbei direkt zum Ziel begeben? Und ganz ohne Lexikon und Tagebuch sorgen auch Art & Design sofort für ein futuristisches Flair: Die eng geschnittenen Uniformen und sauberen Flure erinnern an die klinische Welt von Star Trek, die Scharfschützen, Dronen und Verwüster der Geth erinnern an die Kampfdroiden aus Star Wars.

          

Charaktererschaffung

Wenn ihr nicht mit dem Standard-Shepard losziehen wollt, könnt ihr euch einen eigenen Charakter basteln und dabei das Gesicht verändern. Lange Haare sind nicht erlaubt und die Statur bleibt unangetastet. (360)
BioWare hat sich sehr gut inspirieren lassen und die Motive in etwas Eigenständiges verwandelt. Und die Jungs aus Kanada wissen, wie sie mich noch vor dieser ersten Mission ködern können: Es gibt nichts Schöneres für einen Rollenspieler als die Erschaffung seines Charakters. Denn schon da beginnt die Illusion von Freiheit. Und auch hier gibt es diese intime Geburt vor dem eigentlichen Abenteuer. Ihr habt keine Lust auf den vorgefertigten Commander Shepard? Er ist euch zu glatt? Kein Problem: Habt ihr euch für Mann oder Frau entschieden, dürft ihr nach allen Regeln der Gesichtsdeformierung an eurem Äußeren basteln. Egal ob Augenform, Nasenbreite, Hauttyp oder Narben - alles lässt sich anpassen.

Nur lange Haare oder Zöpfe sind leider tabu für künftige Allianzsoldat(inn)en, was dazu führt, dass sich vor allem die Frauen gleichen. Auch die deutsche Stimme des Helden, an die man sich erst mal gewöhnen muss, lässt sich natürlich nicht verändern. Obwohl viele Sprecher, wie der eures Vorgesetzten Captain Anderson oder der des außerirdischen Antagonisten Saren, sehr gut zur Figur passen, gibt es auch einige deplatzierte Besetzungen; außerdem wiederholen sich manche Frauenstimmen und im Finale gibt es einen seltsamen Bruch in der Stimme des Feindes. Schade ist auch, dass die deutsche Stimme von Luke Skywalker so schnell wieder verschwindet. Aber diese wenigen Aussetzer lassen sich verschmerzen - unterm Strich kann man die Lokalisierung als gelungen bezeichnen. Ihr könnt euch eine von drei Vergangenheiten sowie eines von drei Psychoprofilen aussuchen. Schon hier beginnt das Rollenspiel: Wollt ihr auf der Erde oder in den Kolonien geboren sein? Wollt ihr als einziger Überlebender oder Kriegsheld gelten? Denkt daran: Später werden die Leute ihre Kommentare dazu abgeben. Trotzdem hat diese Wahl noch keine relevanten Auswirkungen: Ihr bestimmt später durch eure Taten, ob ihr als vorbildlich oder verrucht eingestuft werdet.

Neben eurer Herkunft und einem Psychoprofil könnt ihr auch eine von sechs Klassen wählen. Diese bauen unterschiedlich auf den Fähigkeiten Kampf, Biotik und Technik auf. (PC)
Hinzu kommt die berufliche Ausrichtung: Sechs Klassen vom Soldaten über den Techniker bis hin zum Wächter stehen zur Verfügung. Sie bauen alle unterschiedlich auf den drei Fähigkeiten Kampf, Biotik und Tech auf; entweder pur oder als Mischung. Erstere lässt euch über klassische Waffen von der Pistole bis zum Sturmgewehr Schaden austeilen, Zweitere lässt euch die Umwelt vom Gegnerwurf bis zur Projektilbarriere psychisch manipulieren - was übrigens dank aktiver Physikengine wunderbar inszeniert und über bläuliche Luftverzerrungen sehr gut dargestellt wird. Letztere erlaubt euch u.a. das Hacken und Überhitzen von Systemen, Waffen oder Gegenständen. Das geht so weit, dass sich feindliche Kampfroboter nach Erfolg gegenseitig angreifen...

Charakterentwicklung

Bei der Chronologie und Glaubwürdigkeit der Welt macht BioWare alles richtig. In Sachen Art & Design, Lokalisierung und Musik macht BioWare alles richtig. Bei der Charaktererschaffung macht BioWare alles richtig. Auch die Wahl des Schwierigkeitsgrades sowie die komfortablen Einstellungen hinsichtlich des automatischen oder manuellen Aufstiegs sind lobenswert. Und man erkennt schon auf der Charakterkarte, dass man sehr viele Möglichkeiten hat, seinen Helden zu spezialisieren: Wollt ihr eure frischen Erfahrungspunkte lieber in das Präzisionsgewehr, die Erste Hilfe oder das Elektronikwissen investieren? Wer sich auf eine Schiene konzentriert wird schrittweise mit neuen Fähigkeiten belohnt: Diese erscheinen im Kampf in einem runden Auswahlmenü und können dann direkt genutzt werden.

Selbst Feinheiten wie Narben oder die Nasenbreite lassen sich im Gesichtseditor anpassen. Ihr könnt übrigens auch eine Frau spielen, was sich auf die Beziehungen im Spiel auswirkt. (360)
Angehende Scharfschützen bekommen z.B. das "Attentat", das den Schaden des nächsten Schusses immens vergrößert. Angehende Elektroniker dürfen selbst schwierige Sonden bergen oder Safes dechiffrieren. Das wird übrigens über ein Reaktionsspiel simuliert: Ihr müsst schnell die Buttons drücken, die aufleuchten. Spannend ist das allerdings nicht auf lange Sicht, denn leider verspürt man kaum Unterschiede zwischen "leichten" und "schweren" Schlössern - und wenn es nicht klappt, kann man das Ganze auch einfach aufkaufen, indem man Gel investiert. Hätte man da nicht unterschiedliche oder etwas kniffligere Methoden anbieten können? In Star Wars: Knights of the Old Republic spielte das Hacken noch eine interessantere Rolle. Auch im weiteren Verlauf gibt es nur zwei, drei Stellen, wo es als Rätselelement in ein Logikspiel verändert wird.

Das Problem ist vielleicht auch, dass man nach zehn bis zwölf Stunden, also etwa zur Hälfte des Abenteuers, fast alle relevanten Werte eines Charakters auf das Maximum gebracht hat. Und danach bleibt nur noch Platz für den Ausbau scheinbar weniger wichtiger Dinge. Immerhin kann Mass Effect dem vorschnellen Karriere-Ende nach zwei Drittel der Spielzeit über eine Spezialisierungsklasse entgegen wirken: Irgendwann kann man sich als "Soldat" z.B. für eine der Subklassen "Sturmtruppe" oder "Kommando" entscheiden. Und danach gibt es eine neue Fähigkeit, die gefüllt werden darf. Richtig Schwung bringt diese aber auch nicht in eine letztlich verfrüht abgeschlossen wirkende Charakterentwicklung. Ich habe das Spiel in Level 42 abgeschlossen, theoretisch ist Level 50 und sogar 60 möglich. Sehr ärgerlich ist allerdings, dass man nach dem Finale nicht noch mal in das Universum zurück kann, um evtl. offene Missionen zu meistern - man muss ganz von vorne anfangen.

       

Kampfsystem & Steuerung

Das taktisches Kampfsystem verströmt einen Hauch von Full Spectrum Warrior - aber leider kann man seine beiden Mitstreiter nicht gezielt getrennt postieren. (360)
Die Steuerung ist denkbar einfach: Es gibt z.B. eine optionale Zielhilfe für Leute, die mehr Lust auf Rollenspiel und weniger Lust auf präzises Anvisieren haben - wer will, kann sie auch abschalten und bekommt dann sein Shooterfeeling. Aber keine Bange, Mass Effect lässt sich trotz dieser Echtzeitelemente taktisch und ruhig spielen. Während der Kämpfe habt ihr immer die Möglichkeit zu pausieren, um die Waffen zu wechseln oder Fähigkeiten auf bestimmte Feinde anzuwenden. Ein schwerer Kampfroboter ist im Anmarsch? Einfach den rechten Bumper drücken und z.B. "Werfen", "Stase" oder "Heben" wählen, danach das Ziel anvisieren und mit einem roten Dreieck fixieren - das schleudert ihn nach hinten, friert ihn ein oder befördert ihn die Luft.

Da ihr immer in einer Gruppe zu dritt unterwegs seid, könnt ihr bei geschickter Wahl eurer Begleiter theoretisch auf alle Waffen-, Tech- und Biotik-Fähigkeiten zurückgreifen. Wer nur mit Kampfmaschinen unterwegs ist, darf sich nicht wundern, wenn er auf einem Planeten eine Sonde nicht bergen kann - dazu ist Elektronikwissen erforderlich! Man wünscht sich aber

Einen Tick ansehnlicher und insgesamt dank der Maus sowie der Speicherung während der Kämpfe etwas komfortabler: Die Pc-Fassung kann sich sehen lassen! (PC)
öfter, dass die Spezialisierungen der Charaktere wirklich notwendig sind. Als Commander habt ihr vollen Zugriff auf die Ausrüstung und Bewaffnung eurer Mitstreiter: Und ihr findet so viele Upgrades, Anzüge und zig Wummen von Version I - VII, dass das Limit von 150 sehr schnell erreicht ist. Danach könnt ihr Überflüssiges entweder zum Spottpreis verkaufen oder es in Gel umwandeln. Etwas ärgerlich ist dabei, dass es hier keine Automatismen gibt - ich muss im letzten Drittel des Spiels eine Liste von Dutzenden Items nach unten wühlen, um das schlechteste endlich zu finden und zu verkaufen. Hier wäre weniger vielleicht auch mehr gewesen, denn man vermisst in der Flut manchmal wirklich besondere Waffen oder so etwas wie Sets. Dafür wird jede noch so kleine Änderung in Sachen Rüstung sofort am Charakter angezeigt - vom pechschwarzen Panzer bis hin zum Camouflage-Design.

Bei den Aktionen eurer Mitstreiter bietet BioWare wiederum den vollen Komfort von Automatismen: Ihr könnt festlegen, dass eure Partner ihre Fähigkeiten selbst einsetzen, sich defensiv verhalten oder ihr könnt als Commander alles penibel manuell bestimmen. Das läuft auch alles wunderbar, lediglich bei der Wegfindung und Deckungssuche, die im Ansatz an Full Spectrum Warrior erinnert, zeigen sie Aussetzer: Manchmal besetzen sie nicht den günstigsten Punkt oder weigern sich, nach vorne zu preschen, obwohl der Weg frei ist. Außerdem vermisst man die Möglichkeit, die beiden Mitstreiter wirklich getrennt zu platzieren - also den stark gepanzerten Kroganer ganz vorne am Felsen, den schwachen Biotiker mit seinen Distanzfähigkeiten weiter hinten. Hier hätte Mass Effect etwas mehr taktischen Einfluss ermöglichen sollen. Ärgerlich ist, dass sie beim selbständigen Feuern auch oft in ein Hindernis schießen, ohne sich eine günstigere Position zu suchen - hier muss man des Öfteren Babysitting betreiben, damit die Projektile und Laser auch beim Feind ankommen. Trotzdem kann man Wegfindung und Kampfaktionen der Begleiter unterm Strich als gut bezeichnen. Zudem sieht es klasse aus, wenn man gerade von einem schweren Geth-Verwüster bedrängt wird und ein Mitstreiter diesen plötzlich über geschickten Biotikeinsatz nach hinten schleudert. Der Kampf ist immer taktisch und bis auf die Granaten, die leider auf der schwer zugänglichen Back-Taste liegen, komfortabel zu bedienen.

Alte BioWare-Schwächen?

In der Hauptstadt findet man neue Auftraggeber und erkundet ein riesiges Areal. Allerdings vermisst man in den beiden einzigen Bars die Lebendigkeit - ihr dürft nur bestimmte Personen ansprechen. (360)
Die Dramaturgie ist klasse, die Welt wirkt lebendig, die Spieltechnik ist sehr gut, die Kampfmechanik funktioniert gut. Aber wie sieht es mit dem erzählerischen Einstieg aus? Wie gut ist die eigentliche Story? Durchwachsen. Denn die Story könnte nicht gewöhnlicher anfangen: Ihr seid auserwählt, die Welt zu retten. Das ist nicht wirklich originell. Ihr startet das Spiel im Jahr 2183 als anerkannter Held, als Vorzeigesoldat der menschlichen Rasse, die erst seit kurzer Zeit mit außerirdischen Völkern Kontakt hat. Die Menschen sind nicht unbedingt beliebt, sie gelten als ehrgeizige Parasiten mit dem Willen zur Macht - ihr werdet auf Misstrauen, Spott und Hass treffen. All das verwebt BioWare hervorragend über kleine Kommentare und Sticheleien zu einem authentischen Erlebnis.

Mass Effect lässt euch allerdings nicht lange im Dunkeln darüber, wer die Welt vernichten will: Schon nach der ersten Mission wird das Feindbild in Form des Turianers Saren in euer Bewusstsein gemeißelt - bis zum Finale. Das ist dramaturgisch nicht besonders klug, denn so beschränkt sich die Ungewissheit nur darauf, wie er das Universum vernichten will. Wo bleibt da das Mysterium? Erinnert ihr euch an Baldur`s Gate 2 ? Da war lange Zeit unklar, wer überhaupt die Fäden zieht. BioWare behält sich zwar ein paar überraschende Nuancen vor, aber man wundert sich gerade zu Beginn über diesen fast schon

Den Feind immer vor Augen: Der Turianer Saren tritt meist zusammen mit seinen Robotersöldnern, den Geth, auf. Diese erinnern an die Kampfdroiden aus Star Wars und begegnen euch in zig Varianten vom einfachen Kundschafter bis zum schweren Verwüster. (360)
plumpen Spannungsraub. Und ehrlich gesagt ist man auch spielerisch nach zwei Stunden etwas ernüchtert: Alles fühlt sich noch zu sehr an wie Star Wars: Knights of the Old Republic 2.0. Das war wahrlich kein schlechtes Spiel - im Gegenteil. Aber es hatte auch damals Schwächen und Eigenheiten, denen man schon in den ersten Missionen wieder begegnet: Man öffnet die Karte und erkennt ohne jegliche Erkundung des Gebiets sofort den Levelschlauch samt der wichtigen Punkte, die man erreichen soll. Muss man gleich die ganze Map lüften und mir den Moment der Entdeckung nehmen?

Plötzlich stehen ohne Zusammenhang Kisten in der Landschaft, die ich plündern kann. Okay, ich freue mich über Scharfschützengewehr und Granaten-Upgrade, aber warum liegt das da so rum? Und wenn ich in einem Privatraum einen Schrank oder Safe knacke, hat das ebenfalls keine Konsequenzen - niemand regt sich auf, scheinbar haben alle Truhen auf mich gewartet. Bewohner reagieren auch nicht auf meine gezückte Waffe - selbst Wachen nicht! Okay, ich darf zwar nicht schießen und bin kein Dieb, aber ein modernes Rollenspiel sollte hier lebendigere Reaktionen zeigen - Gothic in Variante 1 lässt grüßen. 

      

Dialoge, Mimik & Gestik

Der Kroganer Wrex in all seiner echsenhaften Pracht: Die Mimik gehört zum Besten, was es derzeit in der Videospielwelt zu sehen gibt. (360)
Hört sich das jetzt nach einem Verriss an? Abwarten. Denn auch in diesen ersten ernüchternden Stunden blitzen die Stärken auf, die wiederum auf erzählerischer Ebene für beste Unterhaltung sorgen: Dialoge, Mimik und Gestik. Freut euch auf die lebendigsten Gespräche und realistischsten Gesichter, die es bisher in Videospielen gibt. Ihr könnt jede Stimmung schon an den Augen oder Mundwinkeln ablesen, ihr könnt sehen, wie sich die Brauen eures Gegenübers zusammen ziehen, wenn er wütend wird oder wie ein Lächeln über das Gesicht einer Frau huscht, wenn ihr ein Kompliment aussprecht. All das ist erstklassig, in dieser Form bisher nicht da gewesen.

Hinzu kommen unheimlich gut geschriebene Dialoge, die euch bei geschickten Antworten immer mehr Auswahl geben oder einfach tiefer in der Persönlichkeit des Gesprächspartners wühlen lassen. Ihr habt kein Bock auf 08/15-Quests, sondern Lust auf wirklich relevante Themen und moralische Entscheidungen? Dann ist Mass Effect genau das Richtige, denn es zwingt euch, Stellung zu beziehen: Ein sadistischer Mediziner züchtet Organe in seinen Mitarbeitern - rechtfertigt ihr das im Sinne der Wissenschaft oder zieht ihr ihn zur Rechenschaft? Ein fremdenfeindlicher Mensch wettert über Aliens - macht ihr mit oder empört ihr euch? Ein fanatischer Kultist schottet sich mit seinen Jüngern ab - überzeugt oder erledigt ihr ihn?

Auch eine galaktische Beziehung ist möglich: Ihr habt die Wahl zwischen einer zackigen, aber etwas fanatischen Offizierin und einer liebreizenden, aber etwas seltsam kopulierenden Außerirdischen. (360)
BioWare wirft euch in Dutzende dieser Interessenskonflikte, die schließlich einmal in der Frage von Tod oder Leben eines Crew-Mitgliedes gipfeln: An einer Stelle müsst ihr euch für einen von zwei Offizieren entscheiden. Und ein anderes Mal gipfelt der Konflikt in der Frage des Völkermordes: Die Rasse der kriegerischen Kroganer steht vor dem Aussterben, aber es gibt ein Mittel dagegen. Die Allianz will es vernichten, da sich euer Erzfeind eine Armee von Kroganern heranzüchten will, um das Universum zu unterjochen. Was tut ihr? Und was tut ihr, wenn einer euer besten Mitstreiter ein Kroganer ist, der euch plötzlich die Waffe an den Kopf hält, um die Vernichtung des Mittels zu verhindern? Das sind Momente, die man nicht so schnell vergisst! Das ist genau das, was vielen anderen Rollenspielen fehlt: emotionale Spannung!

Verrat und Intrigen bestimmen den Einstieg. (PC)
Wenn ihr eure beiden kommunikativen Talente Schmeicheln und Einschüchtern schult, habt ihr auch zwei rhetorische Mittel auf Lager. Ihr könnt so z.B. wütende Wachen über ein Lob beschwichtigen oder labile Söldner mit einem deftigen Anschiss auf Kurs bringen. Und Mass Effect zeigt diese Körpersprache: Commander Shepard beugt sich plötzlich vor, hebt die Faust oder packt sein Gegenüber am Kragen - herrlich! Diese Kombination führt dazu, dass man sich fast wie in einem interaktiven Film fühlt, in dem man Regie führt. Und wer richtig böse wird und bedroht, entlockt seinen Opfern nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Informationen - allerdings werden einige Partymitglieder darauf kühl reagieren.

Dieses ausgezeichnete Dialogsystem geht nicht so weit, wie man im Vorfeld denken konnte: Wo ist z.B. die angedeutete und bei uns in der Vorschau noch gelobte Funktion des plumpen Unterbrechens? Man kann lediglich eine Art Vorspulen nutzen, wenn man X drückt - aber das hat als rhetorisches Mittel null Beudeutung.  Man wühlt sich immer tiefer in einem Kreis aus Antworten, es erscheinen bei geduldigem Nachhaken plötzlich neue Möglichkeiten, aber es gibt keine rhetorischen Echtzeitreaktionen mit absoluter Freiheit - so weit ist auch BioWare bei aller gebotenen Klasse noch nicht. Man sieht zwar sofort wie ein Gesprächspartner sich nach einer Antwort fühlt, aber man kann niemandem einfach über den Mund fahren oder ihn gezielt so beleidigen, dass dadurch vielleicht eine Szene oder ein Kampf entstünde. Außerdem wirkt der

Schwer bewaffnet geht es in die nächste Mission: Ihr entscheidet, wer welche Waffe und welche Panzerung nutzt. Freut euch auf ein riesiges Arsenal. (360)
Meinungsumschwung nach einem erfolgreichen Einschmeicheln oder Einschüchtern manchmal etwas zu abrupt.

Ihr bekommt allerdings je nach Aktion unterschiedlich viel Erfahrungspunkte sowie Punkte in den Bereichen "Vorbildlich" bzw. "Skrupellos" gutgeschrieben. In Mass Effect gibt es nicht eine Moralleiste für Gut und Böse, sondern gleich zwei. So könnt ihr über eine menschenfreundliche Antwort an Vorbildcharakter gewinnen, aber eine Minute später über die Rechtfertigung von Selbstjustiz tyrannische Facetten bekommen. Sehr schön ist, dass das Feedback eurer Partymitglieder die Moral des Volkes berücksichtigt. Sprich: Für einen Kroganer ist es gerechtfertigt, einen elenden Verräter sofort zu töten - tut ihr es nicht, verspottet er euch als verweichlichten Menschen.

   

Falsche Antworten

Diese Maulwurf ähnlichen Außerirdischen sind vor allem in den Bereichen Schmuggel und Finanzen tätig. Das Kreaturendesign ist durch die Bank gelungen. (360)
BioWare gibt allerdings den Rahmen der Aktionen und Antworten vor. Und hier liegt eine Schwäche auf textlicher Ebene: Manchmal entsprechen die Antworten, die man geben kann, nicht dem, was Shepard später sagt. Und manchmal ist es egal, was man wählt, denn es kommt auf dasselbe heraus. Im Auswahlkreis werden verständlicher Weise aus Platzgründen nur verkürzte Varianten angezeigt, aber die unterscheiden sich teilweise stark von dem, was kommt. Wenn ich das neutrale "Was gibt es?" auswählen kann und mein Charakter daraufhin recht angenervt "Die korrekte Anrede lautet Commander" sagt, dann ist das etwas anderes.

Obwohl die Texte meist in etwa dem entsprechen, was ausgedrückt werden soll, gibt es immer wieder diese ärgerlichen Überraschungen: Wenn ich "Udina hat mich verraten" auswähle und "Die Normandy bleibt am Boden" herauskommt, oder wenn ich "Was ist mit meiner Crew?" auswähle und "Die Normandy zu stehlen ist Meuterei. Wie wird meine Crew reagieren?" herauskommt, dann ist das irritierend. Das hört sich zwar gravierender an, als es in seiner Konsequenz ist, denn man weiß ungefähr, dass die positiven und vorbildlichen Antworten meist ganz oben stehen - aber hier antworte ich manchmal ins Blaue hinein. Hätte man nicht ein System entwickeln können, dass mir die komplette Antwort vorher ausgegraut oder in Auszügen anzeigt?

Technik & Planeten

Dieser Alien ohne Gesicht predigt ohne Erlaubnis in der Citadel. Ein Offizier will ihn verjagen. Was tut ihr? (360)
Während Mimik und Gestik derzeit das Nonplusultra darstellen, schwankt die Kulisse zwischen sterilem Durchschnitt und atemberaubenden Ausblicken. Das Weite und Entfernte wird sehr gut dargestellt - vor allem, wenn man auf Planetenoberflächen auf zwei Monde oder feurige Himmelskörper blickt. Die Innenräume und Katakomben von der Citadel bis hin zu denen auf Planeten wirken jedoch fast schon klinisch leer. Natürlich hat dieser Stil durchaus seine Berechtigung, denn er unterstreicht das Flair der Science-Fiction der 80er Jahre - und das ist an einigen Stellen durchaus reizvoll. Weiß, Grau und Blau bestimmen die Farben, all die Terminals, die Leuchtreklame und Co sorgen dafür.

Außerdem scheint die Xbox 360 entweder an ihre technischen Grenzen zu kommen oder BioWare hat es nicht verstanden, sie richtig auszunutzen: Da sind einmal all die kleinen Ladephasen und Ruckler - flüssig läuft dieses Mass Effect nicht. Und dann steigt man aus einem Fahrstuhl oder betritt einen neuen Raum und sieht plötzlich schwammige Oberflächen auf Wänden und Charakteren. Was ist da los? Es dauert manchmal zwei bis drei Sekunden, bevor die scharfen Texturen endlich da sind - selbst in Zwischensequenzen! Das letzte Mal, dass ein Spiel solche Probleme hatte, war meines Wissens Halo 2 auf der Xbox.

Was hat es mit den seltsamen Keepern auf sich, die überall in der Citadel die Technik warten? (360)
Sind die Texturen erstmal da, genießt man die Feinheiten an Waffen und Panzerungen. Mass Effect punktet jedoch unterm Strich eher mit seiner Vielfalt und den Waffeneffekten als mit grafischen Details. Man erkennt auch trotz einiger imposanter Szenen kleinere Schwächen: Endlich sind im Finale auch mal Pflanzen zu sehen, sie wuchern über dem ganzen Gelände, nur bewegt sich kein Blatt, wenn man hindurch läuft. Diese Diskrepanz zwischen Quantität und Qualität wird besonders auf den Planeten deutlich. Was hat man da für eine Auswahl: Man kann auf Dutzenden Himmelskörpern landen und sie erkunden - und das ist zunächst faszinierend! Immerhin gibt es ganz unterschiedliche klimatische Verhältnisse, es kann vulkanig rot sein wie auf dem Mars oder weiß und verschneit wie in der Arktis, es kann zerfurchte grüne Krater geben und fast schon metallisch graue Oberflächen.

Aber was herrscht da auf den zweiten Blick für eine landschaftliche Eintönigkeit! Nur die Farben ändern sich, die Struktur der Planeten bleibt immer eine Mischung aus flachen Ebenen und zerklüfteten Hängen. Es gibt keine Pflanzen, keine Bäume, keine Flüsse. Okay, das kann man wissenschaftlich erklären und das ist durchaus authentisch - die Erde ist immerhin etwas Besonderes. Aber wenn sie denn schon vorkommt: Warum kann ich nicht auf ihr landen, um mal ein paar Pflanzen zu sehen? Nur der Mond darf befahren werden. Und der ist kahl. Schade. Und wenn man aus klimatischen Gründen keinen Wald abbilden kann, warum baut man dann nicht wenigstens noch eine Stadt? Oder wenigstens Ruinen? Oder Konstrukte eines alten Weltraumhafens? Irgendwas?

    

Mit dem Mako auf Mission

Der Mako qualmt: Dieses Planetenerkundungsfahrzeug begleitet euch bei allen Landungen. Leider lässt er sich nicht aufrüsten. (360)
Man muss BioWare zugute halten, dass die großen Missionen, die die Story vorantreiben, alle sehr gut inszeniert werden und auch grafisch Abwechslung bieten. Aber die kleinen Ausflüge auf die Planeten gleichen sich: Man landet mit dem Mako, macht die Karte auf, und erkennt meist drei Symbole. Eine Anomalie, dann Trümmer und vielleicht eine Festung oder Mine. Dann fährt man die drei Punkte ab, sammelt alles ein und betritt evtl. die Katakomben bzw. Gebäude. Vielleicht findet man unterwegs noch Rohstoffe, die man für die Allianz markieren kann. Man darf den Reiz dieses Abfahrens und Sammelns natürlich nicht unterschätzen: Immerhin gibt es dreizehn Turianer-Embleme, zehn Asari-Inschriften und sieben Protheaner-Artefakte, zwanzig Leicht-, zwanzig Schwermetalle, zwanzig Erdelemente, zehn Liga-Medallions, drei Salarianer ID-Tags.

Hab ich was vergessen? All das kann man finden. Aber wäre es nicht viel spannender gewesen, wenn man auf den Planeten etwas Geheimnisvolles oder Unerwartetes gefunden hätte als eine Nummer? Das einzige Lebewesen, das einem ab und zu begegnet, ist eine Art riesenhafter Sandwurm, der an Dune erinnert: Plötzlich bricht er durch die Oberfläche und geifert euch an. Endlich Spannung, endlich Adrenalin! Hier muss man richtig vorsichtig sein, denn wer sich zu nah heran begibt, wird

Auf den Planetenoberflächen gibt es zwar ab und zu richtig Action, aber die Missionen gleichen sich und die Oberflächen bleiben immer ein Mix aus Kahlschlag und Gebirge. (360)
sofort zermalmt. Diese Kämpfe können allerdings nerven, da man nicht vorausahnen kann, wo das Ungetüm auftaucht. Auch hier hätte man über eine Scanfunktion oder Ähnliches etwas mehr Taktik reinbringen können.

MG und Kanone? Ja, euer sechsrädriger Mako, eine Art Weltraumjeep, verfügt darüber. Leider kann man diesen Wagen nicht aufrüsten oder mit besseren Schilden ausstatten - man brettert mit ihm vom ersten bis zum letzten Einsatz in der Grundausstattung über die Planeten, kann zwischendurch auch aussteigen und mit der Crew zu Fuß loslegen. Der Mako kann lediglich auf zwei Arten feuern und über den A-Knopf springen. Das Fahrgefühl erinnert dabei zunächst an MotorStorm  oder den Warthog in Halo 2 und Halo 3 Etwas zittrig zunächst, sehr leichte Schwenks, aber man gewöhnt sich daran. Trotzdem hinterlässt der Mako eher Arcade- als Simulationgefühl, denn er überwindet fast unmöglich scheinende Steigungen, kann quasi jede Steilwand erklimmen und die Gravitation auf den Planeten spielt keine Rolle.

Genau das weiß man allerdings zu schätzen, wenn man die zerfurchten Planetenoberflächen erkundet. Hier genießt man

Gerade die letzten Abschnitte kommen auf dem PC in der maximalen Auflösung von  1280 x 1024 richtig gut zur Geltung. (PC)
noch die Freiheit, selbst die Route zu den markierten Punkten oder zu Feinden festzulegen. Manchmal muss man feindliche Festungen samt Geschütztürmen schleifen und kann sich herrlich mit dem Mako bis auf Schussweite heranpirschen - von allen Seiten. Leider vergeht der Spaß, wenn man die Storymissionen spielt: Hier muss man tatsächlich durch enge Levelröhren fahren, darf weder groß nach links oder rechts abweichen und bekommt auf dieser engen Route noch einige Tunnels serviert, in denen ganze Kompanien von Kampfrobotern warten. Und hier kann der Mako-Kampf nerven: Man muss quasi frontal angreifen, muss über zig Raketen hopsen und dabei hoffen, die ersten Feinde in Schussweite auszuschalten. Warum zwingt man mich hier so oft zu diesem stupiden Vorgehen? Einen Meter vor, feuern, zurück. Einen Meter vor, feuern, zurück. Warum kann ich hier nicht flankieren oder selbst auf Zielsuchraketen zurückgreifen? Das Ärgerliche ist, dass der Mako hier auch Probleme bei der Zielerfassung hat, wenn man auf kleinen Hügeln steht: Obwohl man einen Feind ganz klar im Visier hat, ohne Hindernis dazwischen, erreichen die Schüsse manchmal nicht ihr Ziel!

      

Fazit

Das Abenteuer ist vorbei. Nach 27 Stunden und 43 Minuten läuft der Abspann. Wenn man den vom Chefdesigner bis zum Hausmeister durchlaufen lässt, dann hat ein Spiel verdammt viel richtig gemacht. Egal ob auf dem PC oder der Xbox 360: Man zollt den Entwicklern noch mal stillen Respekt. Bravo, BioWare, ihr habt mich sehr gut unterhalten! Ihr habt die Illusion eines glaubwürdigen Universums von schier unglaublicher Größe lange Zeit aufrechterhalten - bis zu dem Punkt, an dem sich die ersten Wiederholungen und Abgrasmechanismen einschlichen. Es fehlen mir letztlich mehr Momente der Entdeckung und Überraschung. Besonders schade ist, dass es nur eine große Stadt gibt und dass man nicht in denen der Außerirdischen landen kann - das hätte Mass Effect eine wahrhaft epische Größe gegeben. Erst auf Ilos, im großen Finale, kommt so etwas wie erhabene Stimmung auf, als man endlich mal eine verlassene Siedlung mit fremdartigen Skulpturen und überwucherten Mauern erforscht. Hier blitzt ganz am Ende noch mal das auf, was ich vorher so vermisst habe. Ich hatte noch beim Abspann das Gefühl, dass man mich etwas zu direkt mit einem verfrüht offenbarten Feindbild durch ein Epos geschleust hat, das trotz all seiner Lebendigkeit in den Bereichen Mimik, Gestik und Dialogführung, trotz seiner Genialität hinsichtlich der Dramaturgie, manchmal etwas zu steril wirkte. Hinzu kommen einige technische und inhaltliche Mängel: Die Texturprobleme auf der Xbox 360, die nervigen Levelröhrenkämpfe mit dem Mako, den man aber nicht aufrüsten kann, sowie die alten KotOR-Schwächen fehlender Reaktionen bei Diebstahl oder dem Waffenzücken. Aber das sind Peanuts. Der größte Vorwurf, den man diesem über weite Strecken packenden Abenteuer machen kann ist der, dass Dramaturgie und Dialoge viel stärker sind als die eigentliche Story oder die Befriedigung des Entdecker- oder Spieldrangs: Warum ist das Planetenerforschen so eintönig? Warum wirken die beiden Bars so leblos? Warum öffnen sich alle Schlösser so leicht? Warum kann ich den Mako nicht aufrüsten? Ansonsten bin ich von der Qualität überzeugt: Das taktische Kampfsystem hat sich trotz fehlender Einzelpositionierungen bewährt, die Missionen werden packend inszeniert und der futuristische Stil der 80er ist ebenso reizvoll wie das Kreaturendesign der Aliens. Letztlich ist die Tatsache, dass ich in moralische Konflikte gestürzt und emotional gepackt wurde, dass ich Entscheidungen mit spürbaren Konsequenzen treffen konnte, bei all den kleinen Schwächen immer noch ein verdammt seltenes und unheimlich kostbares Gütesiegel. BioWare hat hier nicht weniger als eine futuristische Welt neben Star Trek und Star Wars erschaffen. Unterm Strich bietet dieser erste Teil ohne Frage erstklassige Unterhaltung. Und es ist ohne Frage für mich das beste Rollenspiel des Jahres. Aber es bleibt einfach ein kleiner Rest Ernüchterung. Hoffentlich kann sich die Trilogie als Ganzes noch zu einem Meilenstein entwickeln. Vielleicht muss sich BioWare dafür noch stärker von Star Wars: Knights of the Old Republic lösen und alte Zöpfe abschneiden. Der erste Schritt ist getan. 



Ich kann mit Rollenspielen eigentlich gar nichts anfangen. Die mühselige Verwaltung von Charakteren, das Hantieren von unzähligen Gegenständen und Zufallskämpfe im Stil von Final Fantasy sind überhaupt nicht mein Ding. Hinzu kommt der Zeitfaktor: Ich hab keine Lust, mich wochen- oder gar monatelang durch eine Welt wie Oblivion zu leveln. Und WoW? Geh weg! Es gibt bisher nur eine ruhmreiche Ausnahme in meiner Zocker-Karriere, bei der ich mich trotz all dem Charakter-Management für ein Rollenspiel begeistern konnte: Knights of the Old Republic! Aber dieser Meilenstein hatte auch den Star Wars-Bonus, der zumindest auf mich positiv einwirkt. Jetzt ist Mass Effect da und was soll ich sagen? Es hat mich begeistert, gepackt, total geflashed - auch ohne Jedis, Sith-Lords & Co. Mich, den Rollenspiel-Muffel! Wie ist so was möglich? Es ist die Inszenierung mit diesen genial modellierten Charakteren, die mir das Gefühl geben, Teil eines interaktiven Science Fiction-Films zu sein. Dieses Gefühl hatte ich zuletzt bei Wing Commander III und IV. Es ist die liebevoll gestaltete Galaxis mit all ihren Planeten, es sind die individuellen (Alien-)Völker und interessanten Hintergründe, die mich in eine glaubhafte und durchdachte intergalaktische Gemeinschaft versetzen. Dabei bedient sich BioWare an Zutaten erfolgreicher Science-Fiction: Die vielen Spezies könnten Star Trek entsprungen sein; die Specter als Hüter von Frieden und Gerechtigkeit sind für mich vergleichbar mit Jedi-Rittern; die synthetischen Geth könnten entfernte Verwandte von Zylonen oder Borgs sein und die Reisen zwischen Galaxien durch aktivierte Protheaner-Technologie erinnert an Stargate. Schade ist nur, dass die Fronten zu schnell geklärt werden und es nicht den erwarteten Überhammer-Twist in der trotzdem hervorragend erzählten Geschichte gibt. Wären da doch nicht die Technik-Macken, die mich mit ihren ständigen Slowdowns und Texturproblemen aus dem Sci-Fi-Himmel reißen. Auch das Handling des Makos, der leider nicht mit neuen Waffensystemen aufgerüstet werden kann, hat mich nicht gerade überzeugt. Und wo sind die großen Weltraumschlachten mit Laser-Salven und wendigen Jägern, die eigentlich ein fester Bestandteil des Genres sind? Aber mal ehrlich: Das sind nur Kleinigkeiten! Genau wie die vereinzelten KI-Aussetzer und die fehlende Möglichkeit, das Squad im Kampf zu trennen. Davon abgesehen finde ich das Kampfsystem vorbildlich, da es mir genau die richtige Mischung aus Taktik und Action bietet. Wenn ich mir für ein Spiel die Nächte um die Ohren schlage, auf Mahlzeiten verzichte und selbst beim Einkaufen darüber nachdenke, wie die Geschichte wohl weiter gehen könnte, haben die Entwickler einiges richtig gemacht. Sogar so viel, dass Mass Effect für mich eines der packendsten Erlebnisse dieses Jahres darstellt. Und das, obwohl es "nur" ein Rollenspiel ist... Unglaublich!  

Pro

hervorragende Regie
glaubwürdiges SciFi-Universum
gutes taktisches Kampfsystem
klasse Waffen- & Biotikeffekte
lebendige Kommentare in der Party
unheimlich große Spielwelt
insg. gute deutsche Lokalisierung
klasse Kreaturendesign der Aliens
sehr gut platzierte Zwischensequenzen
auch ungenutzte Partymitglieder steigen auf
fast lebensechte Mimik & Gestik
hervorragend geschriebene Dialoge
brisante Themen wie Völkermord, Rache, Liebe & Schuld
sehr stimmungsvoller Soundtrack
viele Entscheidungen mit Konsequenzen
spannendes Missionsdesign
Fahren & Kämpfen auf fremden Planeten
hervorragende Verflechtung von Erzählelementen
sehr gute interne Bibliografie
Wiederspielwert dank hoher Levelbegrenzung (60) und alternativer Spielweisen (vorbildlich/skrupellos)
Spielzeit für den reinen Hauptplot zwischen 15 und 20 Stunden

Kontra

nur eine große Stadt
zu wenig Leben und Ansprechpartner in den beiden Bars- Fahrzeug lässt sich nicht aufrüsten
Minimap zeigt auf Planeten sofort alle Zielgebiete an (= Abgrasen statt Entdecken)
keine natürlichen Reaktionen auf Waffenzücken oder Diebstahl( = alte KotOR-Schwächen)
Feindbild/Gut-Böse wird zu schnell deutlich
Partymitglieder lassen sich im Kampf nicht einzeln postieren
Partymitglieder verhalten sich teilweise stupide

Wertung

360

Episch, prächtig, unwiderstehlich: Dieses SciFi-Abenteuer zieht mit seinen moralischen Konflikten alle emotionalen Register!

PC

Technisch besser, inhaltlich gleich: Auch auf dem PC kann dieses futuristische Epos überzeugen.

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