Rogue Trooper25.04.2006, Mathias Oertel
Rogue Trooper

Im Test:

Um im unübersichtlichen Dschungel der Third-Person-Action ein Zeichen zu setzen, muss man sich mittlerweile einiges einfallen lassen. Es reicht einfach nicht mehr, einen Helden mit haufenweise Waffen auszurüsten und ihn durch Abschnitte zu schleusen. Kann der für das renommierte Rebellion-Team (AvP) auflaufende Rogue Trooper (ab 4,16€ bei kaufen) als hierzulande kaum erfolgreiche Comic-Figur wieder Schwung ins Genre bringen?

Blauer Teufel

Der blaue GI (Genetischer Infanterist, ein klonbarer Soldat) Rogue hat es nicht leicht. Dabei fällt weniger ins Gewicht, dass er bei flüchtigem Hinsehen als ein Schlumpf auf Steroiden durchgehen könnte.

Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr auf einem Gott verlassenen Planeten namens Nu Earth als Elite-Soldat der Southern im Kampf gegen die barbarischen Norts mit ansehen müsstet, wie eure Kameraden einer nach dem anderen niedergemäht werden? Was würdet ihr fühlen, wenn die einzige Überlebenschance für eure Freunde darin besteht, dass ihr ihnen einen Kontrollchip aus dem Nacken schneidet, auf dem alle für die nächste Klonversion wichtigen Daten gespeichert sind?

Wut und Rache?

Kein Blick zurück! Wo die Ein-Mann-Armee Rogue durchfegt, wächst kein Gras mehr. Aber die Comic-Umsetzung hat mehr zu bieten als tumbe Action.
Die Ein-Mann-Armee

Dann viel Spaß mit Rogue Trooper! Denn so abgedroschen einer der ältesten Beweggründe für moderne Action auch ist, so gut funktioniert er hier. Während des umfangreichen Tutorials lernt ihr erst nach und nach die Kollegen Gunnar, Bagman und Helm kennen – nur um sie kurz darauf das Zeitliche segnen zu sehen. Just in dem Moment, als man sich an sie und ihre teils ernste, teils flapsige Art gewöhnt hat.

Während des Rest des Spieles müsst ihr aber auf eure Freunde nicht verzichten. Der Clou: Wie im Comic finden ihre Biochips Platz in Rogues Waffe (Gunnar), Rucksack (Bagman) und Kopfschutz (Helm), wo sie fortan nicht nur darauf warten, wiederbelebt zu werden, sondern mit tatkräftiger Unterstützung und zynischen Kommentaren dafür sorgen, dass das Spiel zur hierzulande weitestgehend unbekannten Grafiknovelle etwas ganz Besonderes wird.

Denn wo sonst findet man ein sprechendes Gewehr, das nach einem guten Schuss laut jubelnd Anfeuerung spendet oder einen Rucksack, der immer wieder im Zwiegespräch mit einem Helm steckt? 

Vor allem in den ersten Stunden sorgen Rogue und seine Freunde mit ihren Kommentaren immer wieder für amüsante Unterhaltung, die als cooler Kontrapunkt zu der explosiven Action und der düsteren, mit Rache versetzten Grundstimmung auf sich aufmerksam macht.  

Gunnar eignet sich auch solo sehr gut zur Dezimierung der Feinde - perfekt, um Fallen zu stellen!
Nach einer gewissen Zeit nimmt die Faszination hinsichtlich der anfangs clever eingestreuten Comedy-Elemente allerdings deutlich ab. Zuzuschreiben ist dies aber nicht nur den sich recht schnell wiederholenden Textfetzen von Gunnar oder Bagman.

Vor allem bei den Zwiegesprächen, die man schon fast als "Party-Interaktion" bezeichnen könnte, haben die Entwickler einige Chancen ungenutzt verstreichen lassen, um im späteren Spielverlauf für Witz zu sorgen.

Denn so witzig die Animositäten zwischen den einzelnen Biochips auch sind, so geskriptet sind sie auch. Sprich: Ihr bekommt nur dann Unterhaltungen präsentiert, wenn die Entwickler es vorgesehen haben. Spontane Streitereien oder gar Austausch von Weisheiten sind nicht vorhanden.

Recycelte Action

Natürlich stellt sich mit dem Wunsch nach konsequenterer Nutzung des immer wieder durchscheinenden Comic-Potenzials auch die Frage, ob man tatsächlich so viel Witz brauchen kann oder ob das nicht vom Spiel an sich ablenken würde. Natürlich liegt diese Einschätzung im Ermessen jedes Einzelnen. Mir wurde das Element "Witz" einfach auf Dauer zu inkonsequent angegangen.

Ganz im Gegensatz zur Action, die sich als durchweg durchdacht präsentiert. Zugegeben: Auf den ersten Blick könnte man auf die Idee kommen, dass Rebellion mit Rogue Trooper ein seit Jahren bewährtes Prinzip abgreift und nahezu perfekt bedient. Ihr bekommt stringente Action, in der ihr mit Einsatz sanktionierter Waffengewalt alle Gegner niedermäht, die sich euch in den Weg stellen.

     

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn auch wenn Rebellion in keiner Form an den Grundfesten der Third-Person-Action-Bibel rüttelt und mit Sniper-Einlagen, stationären Geschützen, einem breiten Spektrum an Schießprügeln und diversen Granaten und Minen sowie den obligatorischen Nahkampf-Attacken nichts bietet, was man nicht auch irgend wo anders finden kann, offeriert der blaue Comic-Rambo unter dem Strich doch alles etwas anders als die Konkurrenz: Rebellion hat es geschafft, dem Spieler mehr Freiheit zu bieten als man es von herkömmlichen Genre-Kollegen gewohnt ist.

Rogue Trooper bietet von Anfang bis Ende schmackhafte Action-Kost in passendem Ambiente!
Ihr wollt wild ballernd durch die großräumigen Abschnitte pilgern? Kein Problem: da Gunnar mit unterschiedlichen Munitionstypen gefüttert werden und Bagman im Laufe der Zeit mit frischen Blaupausen für neue Waffensysteme ausgestattet werden kann, ist der Projektil-Teller voll genug, um auf Dauer satt zu machen. 

Aber interessant wird das All-You-Can-Eat-Buffet, das Rebellion hier auftischt, erst mit den weiteren Zutaten. Denn ihr habt auch die Möglichkeit, euch an Gegner heranzuschleichen und sie mit einem eleganten Angriff aus dem Hinterhalt aus dem Weg zu räumen. Oder aber ihr lockt sie mit verschiedenen Hilfsmitteln wie einem klug eingesetztem Pfiff oder einem zeitbegrenzten Hologramm in eine mit Minen, einem stationierten Gunnar (!) oder Störgranaten versehene Falle.

In punkto Gegenstände wie Munition und Gesundheitspacks schließlich geht Rebellion ganz neue Wege und haucht der überstrapazierten Phrase "Spiel-das-Spiel-deinem-Stil-entsprechend" tatsächlich neues Leben ein.

Denn anstatt euch von Medipack zu Medipack oder von Munitionsstation zu Munitionsstation durch die Abschnitte zu schleusen, habt ihr die Produktion selber in der Hand – genauer gesagt erledigt Bagman alles Notwendige.

Aus "Schrott", der zum einen auf den Schlachtfeldern herum liegt, zum anderen aber auch aus jedem erledigten Gegner sowie den gefallenen Kameraden wieder gewonnen werden kann, baut euch euer labernder Rucksack alles, was ihr braucht, um auf dem Feld der Ehre zu überleben: Munition, Granaten, Minen, Erste-Hilfe-Kästen usw.

Eine klasse Idee, die für große Abwechslung und enorme Freiheit sorgt, sich aber unter der Vergrößerungslupe doch wieder als nur leichte Abweichung vom Einerlei herausstellt. Denn nur all zu selten werdet ihr wirklich aufgefordert, eine strategische Entscheidung zu treffen, ob ihr den Schrott nun für Munition oder ein Gesundheitspack opfert. Ihr habt immer genügend Reserven, um im Ernstfall ausreichend versorgt zu sein.

Technisch mit Höhen und Tiefen

Wie es sich für einen Titel aus dem Hause Rebellion gehört, liefern die Briten einen technisch sauberen Job ab. Unabhängig vom System bekommt ihr ruckelfreie Umgebungen präsentiert, die von haufenweise Gegnern bevölkert werden und die mit ihren ständigen Explosionen, Staubfontänen und Maschinengewehrsalven ein Mittendrin-Gefühl hervorrufen, das in dieser Form nur noch von EAs Medal of Honor-Serie übertroffen wird. Auch die Akustik mit guter deutscher Sprachausgabe, mal dramatischer, mal dezent im Hintergrund gehaltener Musikuntermalung sowie den knalligen Soundeffekten unterstützt den Eindruck, dass die MoH-Serie einen Abstecher in eine düstere Zukunft gemacht hat.

Bumm! Dank (leider nicht immer so gut) funktionierender Physik macht der Nort hier den Abflug!
Und da die Abenteuer von Rogue auf einem Comic basieren, verzeiht man auch den einen oder anderen Abstrich, den man im Detail am Boden und bei Wasser hinnehmen muss. Wobei diese Abstriche auf der PS2 am schwersten ins Gewicht fallen, während Xbox und PC nahezu gleichauf sind, der PC aber bedingt durch die bessere Auflösung letztlich klar vorne liegt – und dabei nicht einmal horrende Anforderungen an das System stellt.

Doch was der PC in Sachen Optik gut macht, verliert er wieder, wenn es um die Steuerung geht. Vor allem die "klassische" Maus-/Tastatur-Kombo ist in hektischen Situation nicht optimal und dem Pad hoffnungslos unterlegen. Dementsprechend unproblematisch ist die gut reagierende Steuerung auf den Konsolen.

Gleichauf wiederum liegen die Systeme, wenn es um die Animationen geht, die sich durch die Bank als grundsolide präsentieren - das Schmuckstück ist natürlich Rogue samt Biochips. Immer wieder entdeckt man kleine, aber feine Details, die den Comic zu überzeugendem Leben erwecken. So z.B. der mechanische Arm des Rucksacks, der Schrott sammelt oder Rogue eine Spritze in den Arm jagt. Deutlich schwächer, aber immer noch nett anzuschauen, sind die Bewegungen der Gegner, die allerdings auf Dauer Verschleißerscheinungen zeigen. Bei der grundsätzlichen guten Physik und den sich daraus ergebenden und von verschiedenen Trefferzonen unterstützten Ablebeanimationen schleichen sich aber immer wieder unschöne Fehler ein. Mal schwebt ein Nort steif wie ein Brett auf einem Abhang, ein anderes Mal clippt er durch die Hauswand durch, weil die Kollisionsabfrage sich entschließt, einen Abgang zu machen.

Stört dies alles den Spielspaß? Nur selten, doch wird man dann für kurze Momente aus der an sich überzeugend aufgebauten Welt heraus gerissen.

Vernachlässigbar sind die eher untergeordneten Standard-Mehrspieler-Modi für maximal vier Spieler, die sich nicht nachhaltig als Kaufgrund präsentieren können.

Fazit

Rogue Trooper ist einer der Titel, bei denen man nach den ersten Stunden unbedingt einen Award zücken möchte, die Faszination aber mit zunehmender Spielzeit ständig zurückgeht. Dass die Motivation trotzdem erhalten bleibt, um mit dem blauen Comic-Rambo den Rachefeldzug zu beenden, liegt am cleveren Spieldesign, das es tatsächlich schafft, etwas frischen Wind ins Genre zu bringen. Mit den frei erstellbaren Gegenständen und den gut eingesetzten Spezialfähigkeiten hat man als Spieler die Wahl, ob man wild ballernd zum Ausgang der großen Abschnitte preschen will oder sich eher auf Ablenkungstaktiken und Schleichereien festlegt. So bekommt die im Kern altbackene und technisch eher durchschnittliche Action einen erfrischenden Touch, der ausreicht, um Rogue Trooper deutlich über das graue Einerlei hinweg zu heben. Sicher: in technischer Hinsicht wäre ebenso mehr drin gewesen wie im Hinblick auf den auf Dauer etwas gezwungen wirkenden Humor, dessen Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Doch auch wenn Rogue und seine Biochip-Kameraden letztlich knapp am Gold-Award scheitern, sind sie ein Garant für weit mehr als ein Dutzend Stunden feine Action. Und das ist mehr, als viele andere Spiele von sich behaupten können.

 Nach den ersten drei Stunden hätte ich genau so wie Mathias den Gold-Award mit Anlauf und Hurra ins Redaktionssystem gekickt - zumal ich die Comics von 2000 AD liebe. Der Rogue Trooper hat mich mit seinen vielen Facetten zunächst klasse unterhalten, denn er spielt auf der ganzen Klaviatur der Action ein explosives Solo zwischen Run&Gun und Stealth&Kill. Zwar ist die Freiheit im Endeffekt immer nur situationsbezogen, aber die Illusion offener Möglichkeiten hält lange an. Leider hat man die herrliche Party-Interaktion mit Waffe, Helm und Rucksack nicht konsequent genug verfolgt. Was am Anfang noch witzig, kreativ und abgedreht ist, verläuft sich später in streng reglementierten Kommentaren, die etwas an Coolness verlieren. Die wunderbare Leichtigkeit der Sidekicks wird irgendwann von der schweren Rachegeschichte erdrückt. Die ist zwar auch unterhaltsam, aber ich habe markantere Antagonisten vermisst, die sich mir z.B. in einem Bosskampf in den Weg stellen. Trotzdem: Unterm Strich ein richtig gutes, höchst abwechslungsreiches Abenteuer, das jeden Cent wert ist!

Pro

gelungene Comic-Umsetzung
Gegenstände wie Munition, Med-Packs selber herstellbar
großräumige Abschnitte
viele spielerische Freiheiten
explosive Soundkulisse
gute Lokalisierung
sehenswerte Animationen
interessante Story

Kontra

zu wenig spontane Interaktion zwischen den Troopern
KI mit Problemen
trotz spielerischer Freiheit bleibt ein Gefühl der Linearität 
Steuerungsdefizite mit Maus/Tastatur (PC)
schwache Umgebungsgrafik (PS2)
suboptimales Physiksystem
lahmer Mehrspieler-Modus

Wertung

XBox

PC

PlayStation2

Empfehlenswerte Action, die im Detail leider nicht immer konsequent durchdacht wurde.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.