Disciples 3: Renaissance09.07.2010, Bodo Naser
Disciples 3: Renaissance

Im Test:

Der letzte stimmungsvolle Rollenspiel-Mix für Fantasytaktiker hieß Age of Wonders 2 - das ist mehr als ein halbes Jahrzehnt her. Jetzt schickt sich Disciples 3: Renaissance (ab 2,85€ bei kaufen) an, für Atmosphäre zu sorgen, die deutlich düsterer ausfällt. Ist das rundenbasierte Strategiespiel von Akella nur hübsch anzusehen oder bieten die klassischen Monsterkämpfe auch inhaltliche Tiefe?

Wie Tag und Nacht

Der Unterschied könnte gar nicht augenfälliger sein! 

Selbst mit dem Getier des Waldes hat man hier seine liebe Not, zumindest bis man fürs Kämpfen gerüstet ist.
Nein, ich meine nicht die Spielweise unserer Nationalkicker im Vergleich zu dem, was man sonst so von deutschen Mannschaften gewöhnt war. Was ich meine, ist vielmehr der Schwierigkeitsgrad von Disciples 3 verglichen mit dem zuletzt getesteten Grotesque. Zwar kommt das eine aus Russland und das andere aus Deutschland, aber das allein macht noch keinen Unterschied. Die rundenbasierten Kämpfe bei Grotesque waren viel zu einfach, so dass man eigentlich nie ins Schwitzen geriet. Ganz anders das Bild bei Disciples 3, wo man regelmäßig Probleme mit den angriffslustigen Feinden bekommt.

Anfangs gilt das sogar für den leichten Schwierigkeitsgrad, obwohl der für Anfänger ausdrücklich empfohlen wird. Drei Stufen gibt's insgesamt, von denen allenfalls zwei zu schaffen sind und der höchste recht illusorisch ist. Denn nur auf den unteren Stufen trifft man mal auf machbare Gegner, bei denen die ultraharten Monster wie Bäume schwingende Riesen, Elfenritter mit Lanze oder fast unverwundbare Werwölfe nicht auch noch gehäuft auftreten. Neben den todbringenden Gegnern gibt es noch einen Unterschied zu Groteque: Disciples ist gänzlich unlustig. Akella versucht es mit einem finsteren Ansatz, der manchmal vielleicht etwas zu ernst wirkt, aber insgesamt sehr gut zur Kulisse passt.

Drei Völker - ein Ziel

Disciples heißt übersetzt Anhänger und genau um die geht's im dritten Teil der Fantasy-Saga. Die genretypische Story

Jeder Held erzählt seine Geschichte, in der er Großes vollbringt. Der Held der Verdammten muss natürlich seinen Herrn und Meister befreien. 
erzählt von drei Völkern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Die Menschen, die an ein höheres Wesen glauben; die Elfen, die die Natur verehren; die Bösen, die einem mörderischen Kult verfallen sind. Mitten in diese spannungsgeladene Welt fällt ein Meteorit, dem ein Himmelsbote entsteigt. Das ist ein wenig wie bei Das fünfte Element, allerdings in einer Welt der Mythen und Legenden. Für die zerstrittenen Menschen ist die junge Frau die Hoffnung auf Erlösung, während die Legion der Verdammten mit Hilfe des Engels ihren satanischen Anführer befreien wollen, der schon lange im Verlies auf Rache sinnt.

Jede Gruppe schickt also ihren Helden los, um an den Engel zu kommen bzw. die andere davon abzuhalten. Das ist der Ausgangspunkt der drei Kampagnen, die alle an unterschiedlichen Orten spielen, obwohl sie ein ähnliches Ziel haben. Durch den Engel bekommt das Ganze einen fast philosophischen Touch, der einen dieselbe Geschichte auch aus einer anderen Perspektive erleben lässt. Einzig die gar nicht so nette Elfenallianz sitzt etwas zwischen den Stühlen, weshalb die Kampagne in ihren herbstbraunen Landen nicht so stringent verläuft. Hinzu kommt noch ein freier Modus, bei dem man keine Quests erledigen muss. Zudem gibt es die Möglichkeit, zu zweit an einem Rechner zu spielen, was bei rundenbasierten Taktik-Rollenspielen seit jeher Tradition hat. Einen Online-Multiplayer sucht man allerdings vergebens.

Helden und Kämpen

Zwar bekommt man drei feste Helden geliefert, aber die darf man nach eigenem Gutdünken ausbauen.

Charakter pimpen, wie man es mag: Auch den Helden der Elfen darf man nach eigenem Wunsch ausstatten und aufsteigen lassen. 
Akella weiß also, wie man Genrefans langfristig motiviert, auch wenn das Ganze nicht so ausgefeilt ist wie bei einem lupenreinen Rollenspiel. Aber immerhin darf man bei jedem Aufstieg Punkte verteilen, die sich in vertraute Werte wie Stärke, Ausdauer, Geschick oder Intelligenz aufspalten. Zudem muss man sich für Zusatzboni entscheiden, mit deren Hilfe man Schläge besser pariert, besser gepanzert ist oder magische Angriffe übersteht. Gerade dieses fast an ein Minispiel erinnernde Menü ist wichtig, da es irgendwann zu mehr Mitgliedern führt. Zu Beginn darf man nämlich nur drei Recken mitnehmen, was man durch die richtige Taktik ausgleichen muss.

Diese an mittelalterliche Soldaten erinnernden Mitstreiter steigen zwar automatisch auf, aber immerhin kann man Art und Zeit ein wenig beeinflussen. Gesteuert wird das über die eigene Stadt, in der man Bauten errichten kann: Eine Kaserne verbessert z.B. die Nahkämpfer. Diese Entscheidungen sind sogar richtungsweisend, da sich Gebäude teils ausschließen. Wer etwa ein Kloster für Heilerinnen errichtet, kann keine Kirche mehr für Inquisitorinnen bauen. Neben Schwertkämpfern gibt es noch Bogenschützen, Heiler und Zauberer, aber auch ausgefallene Einheiten wie Titanen. Am Anfang vergisst man leider öfter, die Gebäude zu erweitern und wundert sich, warum die Kämpfer nicht aufsteigen. Leider erschlägt einen das Spiel zu Beginn ein wenig mit seinen vielen Details, weshalb schon mal die Übersicht leidet.

                          

Monsterfights satt

Disciples 3 ist sehr kampfbetont, denn die kniffligen Gefechte machen gut drei Viertel aus. 

Das ist die in Felder aufgeteilte Arena für den Kampf Männer gegen Monster, in der neben Kraft die richtige Taktik entscheidet.   
Überall auf den teils weitläufigen Karten erwarten einen versprengte Orks, marodierende Truppen oder auf Schätze achtende Untiere. Entspannter sind die Kämpfe eigentlich nur im Tutorial oder auf Stufe leicht - allerdings auch nur zu Beginn, wenn ein paar Goblins oder Grauwölfe zu plätten sind. Später muss man dann mit Feinden zurechtkommen, die scheinbar unzerstörbar sind. Bei Kämpfen schaltet das Spiel auf einen separaten Bildschirm, der nur für die Minischlachten da ist und der natürlich sofort Erinnerungen an Heroes of Might and Magic wachruft. Die Kämpfe sind ähnlich anspruchsvoll, aber nicht so sehr von Magie geprägt. Da man die Zauber erst erforschen muss, kann man sie nicht gleich nutzen. Häufiger heilt man jemanden, da Elfenfrauen nur diese Kunst beherrschen.

Nur mit der richtigen Taktik kommt man weiter: Es gibt Engstellen, die leichter zu halten sind. Gegen Schützen hilft das nichts, denn ihre Geschosse fliegen über den ganzen Platz. Die Bögen der Elfen richten mehr Schaden an, während die Hexer Feuerbälle regnen lassen. Echte Formationen gibt's zwar nicht, aber man kann bestimmen, wer vorne kämpft. Am Schluss ist meist Durchhaltewillen und die richtige Kombination der Waffen entscheidend. Totenbeschwörer können die Untoten etwa immer wieder aufwecken, was eine mögliche Vorgehensweise ist. Zudem gibt es bestimmte Zonen, die für mehr Angriffsschaden sorgen. Natürlich gilt es diese zu nutzen, was allerdings nicht immer klappt - oftmals wird ein Schwert schwingender Kobold auf einer solchen Zone zum echten Problem. Da hilft nur ein Blitz vom Himmel, der ihn in Asche verwandelt.

Städte und Magie

Überall stehen alte Gemäuer herum, die zum Erforschen einladen. Manch eines gehört einem dann urplötzlich als Stammsitz.  
Natürlich gibt es auch noch anderes zu tun, auch wenn das verglichen mit dem Kämpfen keinen breiten Raum einnimmt. In den weitgestreuten Ortschaften liegen Festungen, die wie fantastische Burgen aussehen. Jedes Volk hat auch hier sein Design - so sieht der Sitz der Verdammten ein wenig wie Saurons Turm aus Peter Jacksons Herr der Ringe-Verfilmung aus. Man hat zwar nicht in allen Levels eine Stadt, aber sie übernimmt dann wichtige Funktionen. Zum einen ist da der Ausbau der Armee, der ausschließlich über die Bauten funktioniert. Zum Bau braucht man Rohstoffe wie Stein oder Gold. Es gibt natürlich noch andere Gebäude wie Tempel, die die Heilung der Helden in der Stadt ermöglicht. Da es nur eine Hand voll Ausbauten pro Mission gibt, hat man in ein paar Runden meist alles ausgebaut; leider dauern die Missionen oft länger. Besitzt man keine Stadt, so kann man Söldner in deren Lager erwerben, die dann aber nicht aufsteigen.

Um überhaupt Magie erforschen zu können, braucht man einen weiteren Bau - den Turm der Zauberer. Es gibt Sprüche wie Heilung, Luftschaden oder Beschwörung eines Monsters, das für diese Schlacht an der Seite kämpft. Das Erforschen ist recht teuer und umständlich, da man dafür zwei Mal eine bestimmte Menge des passenden Manas benötigt. Zunächst wird der Zauber grundsätzlich erforscht und dann noch eine Rune für die Schlacht hergestellt. Wenn man keine Heilerin hat, sollte man zumindest die Heilmagie erforschen. Ansonsten kommt man auch ohne Magie zurecht, da das Erforschen ohnehin nur den Helden selbst betrifft. Die Mitkämpfer können auch ohne das entsprechende Mana zaubern, was das Zeug hält. Zudem findet man immer wieder Runen als Lohn für gewonnene Kämpfe, die man verwenden kann

           

Weitläufige Karten

Man löst natürlich auch Quests, die recht genretypisch verlaufen: Man muss etwas finden, 

Auf den Karten kommt man ganz schön herum, auch weil die Quests sich in die Länge ziehen. Was sich einfach anhört, muss erst erkämpft werden.  
mit einer Person sprechen oder einen mächtigen Feind vernichten - wie man das eben kennt. Es gibt auch Nebenquests, in denen man jemanden aus den Fängen der Orks befreien oder eine Zutat für einen Trank finden muss. Diese sind fast interessanter als die großen Aufträge, auch weil sie einen mal abseits der Straßen führen. Zudem sind sie schneller gelöst als die Hauptquest, die sich über Stunden hinziehen kann. Da die Areale umfangreich sind, kann da schon mal die Frage auftreten, wie lange es noch dauert. Aber gerade in dem Moment, wo es droht langweilig zu werden, trifft man wieder jemanden, wobei die Gespräche allerdings automatisch ablaufen. Leider gleichen sich die Aufträge in den weiteren Levels, auch wenn man ein anderes Volk spielt.

Darüber hinaus gibt es natürlich auf den vollgestopften Karten viel zu erkunden. Obwohl die Umgebung sehr kunstvoll aussieht und sich auch je nach Besitzer verändert, wiederholt sich doch bei näherem Hinsehen einiges: So gibt es überall verlassene Wagen, Manakugeln und magische Brunnen, was die Erkundung trotz der Größe zur Routine macht. Leider schaffen es die Macher nicht, trotz überbordender Details für markante Höhepunkte wie größere Monumente zu sorgen. Stattdessen gibt es Klein-Klein, das optisch verwirrt, auch weil man den Höfen und Minen nicht sofort ihre Funktion ansieht. So muss man jedes Gebäude anklicken, um den Besitzer zu erfahren. Dungeons kommen übrigens keine vor, stattdessen kann man in verlassenen Gebäuden kämpfen.

Optischer Leckerbissen

Steinbeißer, aus Magie zusammen gesetzt. Wo der toll designte Golem hinschlägt, wächst kein Gras mehr.  
Die Fantasy-Idylle haben wir schon ausgiebig gelobt, hinzu gesellt sich eine stimmungsvolle Musik, die von irisch-folkig bis hymnisch-pathetisch reicht. Aber es gibt auch noch mehr zu sehen wie etwa die gelungenen Einheiten- und Monsterdesigns. Da gibt es in Eisen geschmiedete Ritter oder in teure Stoffe gewandete Elfenreiter in eigenwilligem Stil, ohne dass das Ganze zu sehr an andere Fantasy-Epen erinnert. Die Orks sehen endlich mal nicht so aus, als wären sie aus dem Herr der Ringe-Film kopiert, sondern eher wie eine grüne Mischung aus Indianer und Asiate. Neben klassischen Designs wie bei den Greifen gibt es auch neuartiges wie bei den Trollen, deren Gesicht vernagelt scheint.

Durchgängig hat Disciples 3 zwar keine Sprachausgabe, aber viele Texte sind vertont. So etwa die Stimmen der Soldaten, bei denen sogar so etwas wie Humor aufkommt. Da gibt es einen Kasernenhofton, aber auch der schlichteste Spruch wird irgendwann witzig, wenn man ihn nur oft genug hört. Die metallisch klingenden Elfenreiter fabulieren etwas vom Weltuntergang, während den Goblins schlecht wird, wenn sie Lebenspunkte lassen. Kurz vor dem Tod ruft mein Recke noch warnend "Heile mich!" Ansonsten sind insbesondere die Gespräche mit den NPCs nicht vertont, was schade ist, denn gerade diese wichtigen Texte muss man nachlesen.

         

Fazit

Disciples 3: Renaissance bietet Nachschub für alle, für die Heroes of Might and Magic immer noch das Maß aller Dinge ist. Dabei vereint der Rollenspiel-Mix schönes Aussehen mit beinharten Kämpfen, die man in der idyllischen Umgebung gar nicht erwarten würde. Die Story um einen weiblichen Messias ist mehr als nur märchenhaft, denn die Legion der Verdammten sorgt für angenehm düsteres Flair - mit ihrem Einfall verfärbt sich die Welt schwarz, was man nur durch einen Sieg gegen die Kultisten ändern kann. Wie alle Computergegner sind sie schwer zu besiegen und eine gewonnene Schlacht ist in diesem Fantasygemetzel noch gar nichts, denn Abertausende folgen im Krieg der Weltanschauungen. Am Schluss gewinnt nur der gewiefte Taktiker, der die Fähigkeiten seiner Kämpfer richtig einsetzt - das Spiel wendet sich eindeutig an Leute mit Verstand und Durchhaltevermögen. Obwohl man die Heldengruppe selbst ausbauen kann, gibt es über das schiere Kämpfen hinaus leider wenig zu tun. Hier täuschen die vielen Details darüber hinweg, dass es nur eine Hand voll Bauten und wenig Magie gibt. Dafür gibt es einen Hot-Seat-Modus, der den einen oder andere wieder versöhnlich stimmen dürfte. Insbesondere Veteranen sollten hier zugreifen!

Pro

bekannte, aber interessante Erlöserstory
stimmungsvolles düsteres Szenario
knackiger Schwierigkeitsgrad
taktische Schlachten
aggressive KI
Charakter selbst ausbauen
Hot-Seat-Modus
recht umfangreich

Kontra

für Anfänger frustrierend
sehr kampflastig
Quests teils zäh
begrenzte Zahl an Zaubern und Bauten
Zahl der Kämpfer begrenzt

Wertung

PC

Finstere Fantasy-Schlachtplatte, gespickt mit harten Kämpfen und stilecht ausstaffiert.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.