Tale of a Hero16.09.2010, Bodo Naser
Tale of a Hero

Im Test:

Rollenspiele gibt's jede Menge, aber es fehlt an guten Adventures, die eine epische Geschichte erzählen. Diesen Misstand will Tale of a Hero (ab 15,99€ bei kaufen) beseitigen, das nach jahrelanger Entwicklungszeit bei Daedalic erschien. Haben die Black Mirror-Macher auch ein Händchen für Fantasy?

Gute alte Zeit

Früher war natürlich alles besser, die Sonne schien heller und das Leben eines Helden war einfacher. Antike Helden

Held mit Alterswohnsitz. Olaf ist Heimschläfer, auch wenn er tagsüber den nebenberuflichen Helden gibt.
wie Perseus, Herkules oder Odysseus mussten vielleicht ein vielköpfiges Untier töten, göttliche Äpfel aus einem Garten am Ende der Welt klauen oder auch in die Unterwelt reisen, um einen toten Hellseher zwecks Rückweg in heimische Gefilde zu befragen. Das war's dann aber auch, denn bis zum Feierabend waren sie meist zurück in ihren eigenen vier Wänden. Von modernen Helden wird schon mehr erwartet, denn meist kämpfen Figuren wie James Bond, Indiana Jones oder Superman gegen irre Wissenschaftler oder globale Verschwörungen. Im weltweiten Einsatz gegen das Böse bleibt meist wenig Zeit fürs Persönliche.

Der Held von Tale of a Hero gehört eher zur klassischen Fraktion, denn er hat eine Verlobte, wohnt in einer schmucken Hütte und schläft nachts meist zu Haus. Alles scheint bei ihm ne Nummer gemütlicher: Während andere Fantasy-Heroen einen süchtig machenden Zauberring in einen aktiven Vulkan werfen müssen, der dummerweise mitten im Land des Feindes liegt, besiegt Gelegenheits-Fischer Olaf erst mal einen schlafsüchtigen Golem. Allerdings setzt er dafür nicht seine Schwertkunst ein, sondern seinen überragenden Verstand, der ihn allein, ohne Rückversicherung und nur mit einem Messer bewaffnet in eine Höhle steigen ließ. Naja, was tut man nicht alles für seine lieben Mitmenschen? Und schließlich haben ihm die Dorfbewohner auch Geld versprochen.

Der Fischer und seine Frau

Doch der "Kampf" gegen den schwermütigen Steintroll ist erst der Anfang eines noch größeren Abenteuers, das

Erweckungserlebnis: Nachts hat er auch keine Ruhe, da er von magischen Wesen um Hilfe gebeten wird.  
wie einst bei Bilbo Beutlin vor der eigenen Türe beginnt. Denn Olaf erfährt, dass eine frühere Freundin von ihm verschwunden ist. Der Eisriese Krugell hat das Mädchen in den hohen Norden entführt, um sich an deren Vater zu rächen, der zufälligerweise auch noch König ist. Nun soll der Jungheld helfen, die Prinzessin aus den Klauen des Unholds zu befreien. Hexe Pripogala bittet ihn um Hilfe, weil sein Vater ein großer Held war. Bei dem Frauenüberschuss ist Olaf natürlich sofort bereit zu helfen. Nur leider ist seine Freundin Alia ganz schön eifersüchtig. Was wird sie sagen, dass ihr Olaf nun auf eine weite Reise mit fremden Frauen geht?

Das klingt verdammt nach noch einer Fantasy-Story, die nach Schema f verläuft. Allerdings ist sie spannender, als gedacht: Die Welt ist liebevoll kreiert, die Charaktere wecken Interesse und alles hat irgendwie Tiefgang. Es werden kleine Geschichten am Rande erzählt etwa die des mysteriösen Rauchgeistes, der bei einem Fluch entstand und nun seinen Platz im Leben sucht. Zunächst kommt man sich ein wenig wie in einem tschechischen Märchenfilm vor, was Kenner nicht verwundert, denn Future Games sind aus Tschechien: Der Wirt heißt Masek, der Brunnen ist aus Holz und die Hexe wohnt in einem Haus auf Stelzen. Aber dann entdeckt man doch, dass hinter der mittelalterlichen Fassade weitere Geheimnisse schlummern, die mit einer versunkenen Stadt zu tun haben. Darüber hinaus ist das Spiel nicht bierernst, sondern augenzwinkernd, etwa wenn Masek dem Helden abrät, seine Tochter zu heiraten.

Aufgaben ohne Chique

Rätsel gibt es an fast jeder Ecke, die sich meist daraus ergeben, dass man in der Handlung weiterkommen will. Man soll etwa Pripogala besuchen, die im Sumpf wohnt. Allerdings verströmt die romantisch inszenierte

Wenn das nicht nach Rätsel riecht. Seltsame Apparaturen sind eher selten, denn meist reicht der richtige Gegenstand.   
Wasserfläche fiese Gase, die einen nicht mal in die Nähe lassen. Wie kommt man trotzdem zu ihr? Hier ist es hilfreich, sich zunächst mit allen zu unterhalten. Vielleicht weiß jemand Rat, auch wenn man mal wieder nur grob das Gesprächsthema auswählen kann und alles fragen muss. Leider tun sich Möglichkeiten erst im Laufe des Spiels auf, so dass man an bereits besuchte Orte zurückkehren muss. So findet man etwa den Flegel erst später, wenn man nach Haus zurückkehrt. Zum Glück gehen die meisten dieser Ereignisse dann von selbst los.

Meist handelt es sich um Inventaraufgaben, die nicht immer ganz leicht zu lösen sind. Das liegt nicht immer daran, dass sie sonderlich schwer sind sondern auch, dass es keine Hot-Spot-Anzeige gibt, die einem auf Wunsch die wichtigen Orte zeigt. So übersieht man Sachen, die in der Ecke stehen oder klein geraten sind. Man muss jedes Bild haarklein absuchen, wie es früher mal üblich war und man es längst verlernt hat. Rätsel-Puritanern dürfte das gefallen. Leider sind die Rätsel selber auch nicht immer logisch aufgebaut: Wie soll man etwa darauf kommen, dass man die Gabel noch verbiegen muss, wenn's dafür keinerlei Hinweise gibt? Dafür lassen die magischen Sachen, die man immer wieder suchen muss, Erinnerungen an Kings Quest aufkommen. Trotzdem sind andere Rätsel als Inventaraufgaben selten.

Märchenhafte Umgebung

Obwohl die Welt atmosphärisch aussieht, ist die die Kulisse nicht mehr zeitgemäß. Das merkt man nicht nur daran,

Man kommt immer wieder an andere Orte, die wie aus dem Traum sind. Hier ist man sogar unter Wasser.
dass sich die Figuren ungelenkt bewegen. Die Hintergründe sind zudem statisch, da es kaum Bewegung gibt. Moderne Animationen wie sich wiegende Äste, aufwirbelnder Staub oder flatternde Tiere gibt's kaum - nicht mal, als sich in der Höhle die Möglichkeit dazu quasi aufdrängt. Immerhin sind aber die Monster ganz nett designt, die auch mal was anderes bieten als die üblichen Typen.

Leider hat Daedalic, die das Spiel für den deutschen Markt umwandelten, bei der Sprachausgabe ein wenig geschlampt, was recht untypisch für den deutschen Publisher ist. Zwar hat der Held eine recht erträgliche Stimme, aber bei manchem Nebencharakter ist das weniger gelungen. Da hört man Stimmen, die schlicht lächerlich klingen - wie etwa der Seher. Das ist keinesfalls der märchenhaften Art des Abenteuers geschuldet, denn auch Märchenfiguren sollten nicht piepsig klingen, zumal das Spiel sonst wenig in Richtung Klamauk abrutscht.

   __NEWCOL__

Fazit

Nach dem beengten Start in der Trollhöhle entpuppt sich das technisch biedere Tale of a Hero im weiteren Verlauf als Geheimtipp. Wären alle Adventures von Future Games nach Black Mirror derart liebevoll gemacht, wäre ihr Ruf bis heute noch tadellos. Also vergessen wir mal Ausrutscher wie Retrobates und ziehen lieber mit Fischer Olaf in ein waschechtes Abenteuer, das einen immer wieder überrascht. Hier gibt es alle Zutaten, die auch in einem tschechischen Märchenfilm alter Schule vorkommen: Eine entführte Prinzessin, eine schlaue Hexe und ein eiskalter Oberfiesling, der auch aus einer slawischen Sage stammen könnte. Der Held muss natürlich alles wieder ins Lot bringen, wofür er Hinz und Kunz trifft. Leider sucht man nicht immer nur nach wichtigen magischen Artfakten, denn die meisten Rätsel bieten eher klassische Kost, sind aber nicht immer gleich zu lösen. Leider muss man oft an bekannte Orte, um Neues zu erfahren. Das Hin und Her hält sich aber gerade noch in Grenzen, weil die Abschnitte übersichtlich sind und es ne Karte gibt. Trotz seines Alters kann das Adventure doch eine Atmosphäre zaubern, was an der stimmungsvollen Fantasy-Welt liegt. Epos und Humor werden größtenteils gut miteinander verbunden. Weniger gelungen sind die albernen deutschen Stimmen mancher Nebenperson. Für erfahrene Recken, die auch heute noch gerne alles absuchen, ist das ein idealer Herbstausflug.

Pro

klassisches Abenteuer
spannende Helden-Story
augenzwinkernd erzählt
ohne modernen Schnickschnack
interessante Zutatensuche
außergewöhnliche Monster

Kontra

nur eine Rätselsorte
Rätsel nicht durchweg logisch
manches schwer zu finden
ziemliches Hin und Her
keine Hot-Spot-Anzeige

Wertung

PC

Tschechischer Märchenfilm zum Selberspielen.

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