Die Siedler 2 - Die nächste Generation06.09.2006, Marcel Kleffmann
Die Siedler 2 - Die nächste Generation

Im Test:

Pünktlich zum zehnjährigen Geburtstag von "Die Siedler 2" bringen Ubisoft und Funatics ein technisch aufgemotztes Remake des Klassikers in den Handel. Mit dem als zeitlos angesehenen Straßenbausystem und der Belebung des einstmaligen Wuselfaktors soll das zehn Jahre alte Konzept auch heute noch siedelfreudige Spieler vor die Monitore locken. Bleibt es bei einem konsequenten Remake in hübscherer Kulisse oder gibt es auch Neuerungen?

Kein Erbe der Könige

Im Jahr 2004 überlegten sich Blue Byte und Ubisoft das altbekannte Siedler durch ein massenmarkttaugliches Echtzeit-Strategiespiel mit beschnittenem Wirtschaftsteil, belanglosen Helden und einem unzureichenden Kampfsystem zu ersetzen. Die Folge war, dass "das Erbe der Könige" nichts mehr mit den klassischen Siedler zu tun hatte; eine 4P-Wertung mit gutmütigen 75% und viele enttäuschte Anhänger waren die Quittung. Zum Glück nahmen sich die Entwickler den Unmut zu Herzen und servieren pünktlich zum zehnjährigen Geburtstag von "Die Siedler 2" ein Remake des bisher beliebtesten Teils. Eine Umfrage unter Fans ergab schließlich den Titel "Die Siedler 2 - Die nächste Generation". Der Name ist allerdings etwas irreführend, denn trotz des Zusatzes "nächste Generation" bleibt es ein hundertprozentiges Remake ohne große Veränderungen. Ist das jetzt gut oder schlecht?

Straßenbau und Rohstoffbeschaffung

Gut ist auf jeden Fall die Besinnung auf die alten Stärken wie das Straßensystem: Jedes von euch errichtete Gebäude muss mit einer Straße versehen werden, damit ihr die dort produzierten Waren entweder weiterverarbeiten, einlagern oder anderweitig verwenden könnt. Klingt kompliziert? Ist es nicht: Baut ihr z.B. einen Holzfäller, liefert er in schöner 

"Wusel- und Knuddelfaktor reloaded."
Regelmäßigkeit und sofern Bäume vorhanden sind, einen Baumstamm nach dem anderen ab. Diese müssen dann ins Sägewerk, um zu Brettern verarbeitet zu werden, damit ihr wiederum neue Gebäude errichten könnt. Aufgrund dieser Mini-Produktionskette ist es sinnvoll, einen Holzfäller direkt mit einer Straße ans Sägewerk zu versehen.

Der Straßenanschluss beginnt an der hauseigenen Fahne und muss wiederum zu einer weiteren Fahne führen. Ist der rohstofflose Wegbau abgeschlossen, begibt sich ein "Träger" in die Mitte des Weges und wartet bis Waren ab- oder weitertransportiert werden müssen. Dieser Transport funktioniert automatisch und lässt sich lediglich indirekt beeinflussen, in dem ihr die Prioritätenliste umschichtet. Generell solltet ihr nicht wild drauflos bauen, sondern euch vorab überlegen, welche Gebäude wo Sinn machen und wie ein effizientes Straßennetzwerk aussieht. Um ein Verkehrschaos zu vermeiden empfiehlt es sich, kleine Produktionskomplexe zu organisieren oder mehrere Waren-Autobahnen zu bauen.

Produktive Ketten

Sind die ersten Ressourcen wie Holz oder Stein noch einfach zu besorgen, gestaltet sich die Beschaffung von Erzen und Co. schwieriger. Zuerst muss ein Geologe das Gebirge auskundschaften, um herauszufinden, ob es dort etwas abzubauen gibt. Ist er fündig geworden, schreit er "Jippie" und das Nachrichtensystem meldet sich. Anschließend könnt ihr dort ein Bergwerk

Stark frequentierte Straßen werden mit Steinen gepflastert und auch Esel (aus der Eselzucht) kommen zum Transport-Einsatz.
konstruieren, was wiederum mit Nahrung versorgt werden will. Diese Gaumenfreuden sind entweder Fische (Fischerhütte), Fleisch (Schweinezucht + Wasser + Korn -> Schlachterei) oder Brot (Bauernhof -> Mühle -> Bäckerei + Wasser), die vom Produktionsort bis hin zu den Minen geliefert werden müssen. Nur so kommt ihr z.B. an Kohle oder Eisenerz, das in der Eisenschmelze schließlich zu Eisen gegossen wird. Nein, dieser Wirtschaftskreislauf ist noch lange nicht abgeschlossen, denn neue Werkzeuge oder Schwerter werden aus Eisen geschmiedet. Besonders bei solch aufwändigen Produktionsketten ist es wichtig, dass ihr die Infrastruktur eurer Siedlung klug und vorausschauend plant.

Ausdehnung des Gebietes

Wie im echten Leben ist nichts für die Ewigkeit, da die natürlichen Ressourcen im Laufe der Zeit schwinden und euch zwingen, neue Areale zu erschließen bzw. zu erobern. Euer Gebiet dehnt ihr mit militärischen Gebäuden aus, indem ihr z.B. eine Wachhütte oder Festung an eure Grenze baut und sobald ein Soldat eintrifft, vergrößert sich euer Areal. Genauso breiten sich ebenfalls eure Konkurrenten (Nubier und Asiaten) aus, die allerdings keinerlei Unterschiede in der

Neuerungen und Veränderungen im Vergleich zum Siedler 2 von 1996:

- 3D-Grafik

- Beobachtungsfenster fehlt

- gleichzeitiges Kampfsystem, nach alter Berechungsgrundlage

- Waren und Gebäude sind identisch

- Einblendung der Gebäudeproduktivität im Baumenü

- Darstellung der benötigen Ressourcen in einem Fenster beim Gebäude

- Gruppierung der Waren im Transport-Prioritätensystem

- Träger können mit Kanus auch Wasserrouten überbrücken

- Gebäudeabriss bringt Hälfte der Ressourcen wieder

- Minen brauchen mehr Nahrung

- Förster pflanzen weniger Bäume

- Militärgebäude lassen sich aufwerten

- Soldaten können ins Hauptquartier zurückgeschickt werden

- Zeitbeschleunigung zweifach und dreifach

- vereinfachte Steuerung

- Internet- und LAN-Netzwerkmodus für bis zu sechs Spieler

- kein Splitscreen-Mehrspieler-Modus

- Drei Mehrspieler-Modi: Alles besiegen, 100 Goldstücke sammeln, Gebietsdominanz

- weniger ArbeitsanimationenSpielweise aufweisen und eher passiv reagieren. In der Regel könnt ihr in Ruhe siedeln, bevor es irgendwann zu einem Grenzkonflikt kommt. Der Nachteil dieser Lethargie im Gegnerverhalten ist, dass erfahrene Spieler einfach nicht gefordert werden.

Grenzstreitigkeiten werden auf militärische Art gelöst: Attackieren könnt ihr ausschließlich militärische Bauwerke. Alle in einem Militärgebäude an der Front befindlichen Leute stürmen dann auf das von euch ausgesuchte Ziel zu. Im Gegensatz zum Vorbild, in dem die Duelle abwechselnd stattfanden, laufen jetzt alle Soldaten nach draußen und kämpfen gleichzeitig gegen die Feinde. Berechnet werden die Kämpfe genau wie beim Vorbild, was hin und wieder zu Überraschungen führt. Taktische Interaktivität ist bei den Kämpfern nicht gefragt - ihr könnt bloß zusehen, was passiert. Im Vorfeld und zur Stärkung empfiehlt es sich, eure Soldaten mit den Rohstoffen Gold und Bier einzudecken.

Abwechslung bleibt aus

Mit der Zeit ist eure Insel mehr oder weniger voll besiedelt. Dann hilft euch die Werft auf die Sprünge: Mit Hilfe eines Schiffes, das ihr mit einem Kompass zu anderen Ländereien schicken könnt, lassen sich ferne Regionen erschließen. In der "neuen Welt"

In der Lavalandschaft findet ihr deutlich weniger Bauplätze als auf grünem Untergrund.
angekommen wird ein Haupthaus hochgezogen, das das Zentrum eurer nächsten Kolonie wird und wieder geht das Siedler-Spielchen von vorne los - und genau hier liegt das Problem: die Abwechslung im Aufbau fehlt, man wendet immer die bekannten Mechanismen an.

Im Grunde genommen spielt sich jede Partie gleich. Ihr siedelt, siedelt, wuselt, siedelt, kämpft ein bisschen und dann wiederholt sich das Schema - insbesondere die Kampagnen-Missionen unterstützen diesen Eindruck. Auf jeder der zehn Karten müsst ihr euer Gebiet so weit ausdehnen bis ihr ein Portal erreicht, dazwischen halten euch Gegner, Gebirge oder Seen kurzfristig auf. Wenn zumindest die Computergegner etwas angriffslustiger wären oder unterschiedliche Persönlichkeiten hätten und sich nicht nur vom Äußeren unterscheiden würden, könnte die Kampagne besser unterhalten. Eine spannendere Hintergrundgeschichte als "gestrandete Römer müssen sich von Portal zu Portal kämpfen, um nach Hause zu kommen" hätte vielleicht auch geholfen.

Downloads & Videos

Download: Deutsche Demo (229,5 MB)

Video: Trailer 1 (Laufzeit: 0:58 Min.) Wollt ihr hingegen nur "siedeln" bzw. in aller Ruhe eine funktionierende Siedlung aufbauen, seid ihr trotz fehlenden Zufallskartengenerators im "Freien Spielmodus" gut aufgehoben. Auch Mehrspieler-Partien mit bis sechs Mitspielern sind möglich, diese dauern aber aufgrund der Kartengröße und Spielthematik locker mehrere Stunden - zum Glück lässt sich im Multiplayer die Zeitbeschleunigung aktiveren, die fairerweise jeder Spieler wieder wegdrücken kann. Außerdem könnt ihr mit dem etwas umständlich zu bedienenden Editor eigene Welten erschaffen.

Anno oder Siedler oder beides?

Rauchschwaden zeugen von fleißiger Produktivität in den Gebäuden.

Im September buhlen die Siedler um die Gunst der Aufbaustrategiefans und im Oktober wird ANNO 1701 in die Läden einschiffen. Welches Spiel ist denn die bessere Wahl? Das kommt eigentlich auf eure Neigung an. Seid ihr ein begeisterter Fan von Siedler 2 und habt das Straßensystem in den letzten Teilen vermisst, dann ist ein Ausflug in die knuffige Welt der Siedler nicht verkehrt. Sucht ihr hingegen mehr Komplexität und Abwechslung, dann haltet lieber Ausschau nach ANNO 1701, das mit umfangreicheren Warenkreisläufen, echtem Handel und Diplomatie aufwartet. Hätte ich die Wahl und müsste mich zwischen den beiden Spielen entscheiden, würde ich auf ANNO warten - auch wenn es meinem Herzen schwer fällt, die Siedler links liegen lassen zu müssen. Aber was ich bisher von ANNO gesehen habe (zur Vorschau), bietet mehr Umfang und Abwechslung fürs Geld. Schließlich ist die Siedler 2 DnG ja auch "nur" ein Remake, ohne wahnsinnig große Neuerungen.

Fazit

Keine Frage: "Die Siedler 2 - Die Nächste Generation" macht in den ersten Stunden richtig Spaß und weckt nostalgische Gefühle! Deswegen haben wir nach dem ersten Anspielen auch sofort den Fit4Hit-Award gezückt. Aber je länger man das Remake der Funatics spielt, desto mehr Monotonie stellt sich ein. Der Aufbau auf den hübschen Karten bleibt immer derselbe und lässt die Motivation schon nach zwei, drei Endlosspielen sinken. Insbesondere bei der Kampagne macht sich diese stetige Wiederkehr der gleichen Elemente bemerkbar, selbst bei unterschiedlichen Herausforderungen auf den Karten. Nichtsdestotrotz hat der Charme des alten Straßenbausystems in den zehn Jahren kaum nachgelassen und zwingt euch auf zauberhaft inszenierte Art und Weise zum überlegten Aufbau einer effizienten Siedlung. Funatics serviert euch ein hundertprozentmäßiges Remake mit kleinen Detailverbesserungen in Bezug auf Interface und Zugänglichkeit. Das ist auch gut so, das wird Veteranen freuen und unterhalten. Aber vielleicht hätten ein oder zwei neue Produktionskreisläufe oder spürbare Unterschiede zwischen den Völkern Award-Wunder gewirkt…

Pro

Straßensystem erfordert Planung
sehr gute Konvertierung des alten Spiels
einfaches und verständliches Wirtschaftssystem
Expansionsdrang wird gefördert
umfangreicher Freier Spielmodus
diverse Detail-Verbesserungen
durchdachte Überarbeitungen des Interfaces
niedliche 3D-Grafik mit Wuselfaktor und Aquariumeffekt
verschiedene und schöne Landschaftstypen
Karten-Editor
Mehrspieler-Modus für sechs Spieler

Kontra

auf Dauer fehlende Abwechslung
zusammenhanglose Kampagne
immer die gleichen Aufgaben & Abläufe
Computerintelligenz ist zu "zahm"
andere Völker unterscheiden sich nur optisch
kein Zufallskartengenerator

Wertung

PC

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