Marvel: Ultimate Alliance28.11.2006, Mathias Oertel
Marvel: Ultimate Alliance

Im Test:

Die X-Men sind zu schwach, die Fantastischen Vier können nicht mehr helfen und Spider-Man ist auf sich allein gestellt nur ein kleiner Netzwerfer. Gegen die neuen Angriffe von Dr. Doom kann nur die versammelte Marvel-Macht helfen. Doch bedeutet summierte Helden-Power auch gleichzeitig mehr Spielspaß?

MOE vs. MUA

Nein, hier geht es nicht um den Box-Weltmeisterschaftskampf eines unbedeutenden Verbandes. Wenn die Masters Of Evil angreifen, ist das Universum in Gefahr - zumindest das Kult-Universum, in dem Marvel-Helden wie Spider-Man, Captain America sowie bekannte Fraktionen wie z.B. die X-Men zu Hause sind. Nur wenn alle (insgesamt mehr als 20) Helden zusammen arbeiten und die Ultimative Allianz ausrufen, können Dr. Doom und seine Schergen, die nahezu alle bekannten (und viele unbekanntere) Bösewichte umfassen, besiegt werden.

Insgesamt gibt es über 20 Helden (davon einige exklusiv für jede Version), darunter auch die Filmstars Blade, Elektra und Ghost Rider...
Marvel Legends III

Auch wenn man weit über das X-Men-Universum hinaus geht, das bislang die Grundlage für die Marvel-Action-Rollenspiele bildete, hält man im Wesentlichen an den bekannten, beliebten und erfolgreichen Spielmechaniken fest: Nach wie vor seid ihr mit einem Vier-Mann- bzw. Frau- bzw. Mixed-Team unterwegs, um mit einfachen Kampf-Kommandos sowie dem Einsatz von Spezialfähigkeiten Hundertschaften von Gegnern sowie immer wieder auftauchende Bosse zu plätten. Dabei seid ihr allerdings nur in der Anfangsphase auf eine vorgegebene Zusammenstellung angewiesen, die in diesem Fall aus Spider-Man, Wolverine, Captain America und Thor besteht. An gut verteilten Knotenpunkten könnt ihr nicht nur das Spiel speichern, sondern auch die Teamzusammenstellung ändern. Ihr wollt Thor nicht? Kein Problem: Dann ersetzt ihn doch durch z.B. Spider-Woman oder Iron Man. Ihr wollt mit den X-Men oder den Fantastischen Vier als Gruppe kämpfen? Super. Dann bekommt ihr sogar einen kleinen Extra-Bonus. Wie übrigens auch im Falle eines reinen Frauen-Teams, das fortan als "Femme Fatales" gegen das Böse in den Kampf zieht.

Ab dem Zeitpunkt eures Abstechers nach Atlantis könnt ihr sogar ein eigenes Team aus allen verfügbaren Helden zusammenwürfeln, dieses mit Namen und Logo versehen und ab sofort z.B. als "Heroes for Hire" auf Jagd nach Reputationspunkten gehen. Diese wiederum könnt ihr nutzen, um neue Slots sowie Bonus-Fähigkeiten freizuschalten, um eure Heldentruppe so weit wie möglich zu personalisieren. 

Eingängige Action, durchdachter Rollenspieleinschlag, klasse Effekte: Marvel Ultimate Alliance kann sich sehen lassen...
Mein Held...

Apropos Personalisierung: Das Salz in der Suppe eines Action-Rollenspiels liegt natürlich auch in der Möglichkeit, die Figuren bei einem Aufstieg in eine neue Erfahrungsstufe nach eigenen Wünschen auszurüsten und weiterzubilden. Hier bietet MUA ein System, das Anfängern die Arbeit komplett abnehmen kann und dabei sogar recht intelligent und vielschichtig "auflevelt". Wer ins Detail gehen möchte, kann dies allerdings auch und sich in den zig Nah- und Fernangriffen sowie Unterstützungsfähigkeiten für die Gruppe verlieren. Zumal es auch die Möglichkeit gibt, für jede Figur verschiedene Kostüme freizuspielen, die wiederum mit weiteren speziellen und ebenfalls aufrüstbaren Eigenschaften wie z.B. XP-Bonus oder erhöhte Verteidigung ausgestattet sind.

Auch an mögliche Wechselspielchen innerhalb des Teams wurde gedacht: Wer sich entscheidet, nach einigen Missionen und ebenso vielen Stufenaufstiegen ein neues Mitglied ins Team zu berufen, muss keine Sorge haben, dass er (oder sie) sich im nächsten Kampf nicht durchsetzen kann. Die Stufe wird automatisch an euer Team angepasst - eine gute Idee, die Frust nahezu komplett eliminiert.

Ganz im Gegensatz zu den unter dem Strich nicht immer ausbalancierten Figuren: Ein Spider-Man oder Captain America wirken nicht nur anfangs, sondern vor allem auch in höheren Stufen im Vergleich z.B. zu Elektra oder Blade viel zu stark. Und so löblich es auch ist, dass abseits der logisch erscheinenden Helden-Riege auch unbekanntere Marvel-Stars auftreten, bleibt ein schaler Beigeschmack zurück. Denn gerade Figuren wie die bereits erwähnten Blade, Elektra oder auch Ghost Rider scheinen nur integriert worden zu sein, da es einen Film dazu gibt (bzw. geben wird). Andererseits sucht man den grünen Riesen Hulk vergeblich - und das, obwohl ihr sogar relativ früh seinem Alter Ego Bruce Banner begegnet.

        

Zuckerbrot und Peitsche

Dass man sich trotz streitbarer Heldenauswahl gerne durch das gut 20 bis 25 Stunden lange Abenteuer prügelt, ist einigen kleinen Verbesserungen zuzuschreiben, die die Mechanik im Vergleich zur X-Men Legends-Serie erfahren hat: So fällt z.B. das lästige Verwalten von Heiltränken endlich weg. Stattdessen setzen manche besiegte Gegner sowie zerstörbare Kisten etc. kleine blaue und rote Kugeln frei, die von euch (und jedem anderen Helden) aufgenommen werden können und die jeweils Gesundheit als auch Heldenkraft (das Marvel-Gegenstück zu Mana) auffüllen. Dabei ist positiv anzumerken, dass es keine Rolle spielt, ob z.B. eure Energie schon voll ist, wenn ihr die Orbs einsammelt. Dann nämlich wird die Leiste des nächsten Helden wieder aufgefüllt - wobei es sich dabei nicht um den bedürftigsten, sondern den räumlich nächsten Heroen handelt. Was vor allem in Multiplayer-Partien zu kleinen, nicht weiter den Spielspaß beeinflussenden Problemchen führen kann.

Auf der Xbox gibt es den klassischen Comic-Shading-Look, den man bereits aus der X-Men Legends-Serie kennt.
Aber selbst wenn man in Betracht zieht, dass das Kampfsystem minimal aufgewertet wurde, stellt sich langsam die Frage, ob es nicht einmal an der Zeit wäre, das gesamte Spielkonzept ein wenig aufzulockern, sich von den konservativen Mechanismen wegzubewegen und so die Annäherung an "klassische" Rollenspiele im Stile von Bioware-Epen zu schaffen.

Eine Möglichkeit dazu wären z.B. offenere Level-Strukturen oder Multiple Choice-Entscheidungen, die sich auf den Spielverlauf auswirken. So aber folgt ihr einer zwar gut erzählten, aber durch ihre Linearität nur leidlich interessanten Geschichte, auf die ihr letztlich keinen Einfluss habt.

Und wenn wir schon dabei sind: Die Rätsel sind eigentlich nicht als solche zu bezeichnen, da ihr euer Gehirn nicht einmal ansatzweise strapazieren müsst. Was nützt es mir, wenn ich in einer Stelle Hinweise auf ein kommendes "Puzzle" bekomme und ich schließlich am Ort des Geschehens zusätzlich noch Markierungen auf dem Boden finde, wie die Statuen richtig platziert werden?

Im Gegensatz zu diesen Mankos gibt es hingegen teilweise richtig cool inszenierte Bosskämpfe, die mit ihren Quicktime-Reactions wohltuend an Spiele wie God of War erinnern. Das bedeutet allerdings, dass sämtliche übrigen Angriffsversuche (und damit auch die Spezialfähigkeiten eurer Figuren) an Gewicht verlieren, da es in diesem Fall nur darum geht, den richtigen Moment abzupassen, um das Minigame einzuleiten. Doch als Abwechslung im Button-Mash-Alltag der Marvel-Helden sind diese Geschicklichkeitsübungen höchst willkommen.

Gemeinsam sind wir stark?

Wie bei den Vorgängern habt ihr die Möglichkeit, mit bis zu vier Spielern sowohl on- als auch offline anzutreten. Neben dem kooperativen Spiel gibt es dieses Mal auch die Möglichkeit, im Arcade-Modus in den direkten Wettbewerb miteinander zu gehen. Hier kriegt nur derjenige Punkte, der den entscheidenden Schlag setzt.  Doch egal ob mit- oder gegeneinander: Absolut empfehlenswert sind die Mehrspieler-Heldenauftritte nicht. Offline bleibt das bekannte Gefühl, sowohl in Übersicht als auch in Bewegungsfreiheit beschnitten zu sein, da man sich nicht weiter entfernen kann, als dass nicht immer noch alle vier Spieler auf dem Bildschirm zu sehen sind.

Online hingegen gibt es vor allem auf den Microsoft-Konsolen immer wieder unerklärliche Lags, die an der Geduld nagen, da sich diese auch in Kämpfen zum Nachteil entwickeln können. Und als ob das nicht reichen würde, spielt das bereits angesprochene nicht optimierte Balancing der Helden untereinander vor allem im Mehrspieler-Modus eine große Rolle. Jemand, der mit Captain America unterwegs ist, hat von vornherein größere Chancen, als ein Spieler, der sich mit Ms. Marvel in den Kampf begibt. Zudem sollte man vornehmlich mit Freunden spielen, da sonst der Groll auf die wildfremden "Killstealer" unangenehm hoch wird...

Die 360-Version bietet die aufwändigsten Effekte und das beste Figuren-Design aller Versionen...
Plastik statt Cel

Technisch hat sich im neuen Superhelden-Abenteuer ebenfalls einiges verbessert. Diese Aussage trifft allerdings weniger auf die Sprachausgabe zu, die dieses Jahr nur in Englisch und ohne Untertitel aus den Lautsprechern schallt. Während der sporadisch eingestreuten Story-Sequenzen und den normalen Unterhaltungen können die Stimmen nicht komplett überzeugen, liefern aber eine solide Leistung ab. Die One-Liner, die in unregelmäßigen Abständen ertönen, hängen einem aber spätestens nach einer Stunde aus den Ohren. Und damit wird die Atmosphäre, die von der gut gelungenen, mal dramatischen, mal sphärischen und stets dynamischen Musik-Kulisse aufgebaut, immer wieder ein Stück nach unten gezogen.

In Sachen Kulisse trennt sich dieses Jahr die Spreu vom Weizen: Während die Xbox-Version an dem Comic-Shading der Quasi-Vorgänger festhält, gehen PC und 360 in eine neue Richtung. Hier verzichtet man auf die schwarzen Umrandungen, sondern gibt den Helden ein realistischeres Aussehen, das sich mit seinem Plastikglanz allerdings eher an Spielzeug-Action-Figuren denn an "menschlichen" Vorbildern orientiert. Doch gerade dieser Look ist es, der die Spielwelt aufwertet. In diesem Zusammenhang ist es allerdings bedenklich, dass die Engine der PC-Version auf unseren Alienware-PCs in einer hohen Auflösung immer wieder Schluckauf bekam - und das, obwohl nicht einmal die aufgewerteten Licht-, Partikel- und Bump-Mapping-Effekte der 360 Version integriert wurden, die den internen Grafikvergleich gnadenlos anführt.

Da können natürlich die abwechslungsreichen Abschnitte nicht zurückstehen, die allerdings etwas zu spät Fahrt aufnehmen: Um sich z.B, an den Lichtspielereien der Unterwasser-Welt Atlantis zu erfreuen oder Asgard, die Heimatwelt Thors zu genießen, muss man sich erst durch düstere metallene Gebiete prügeln, die man aus den XML-Spielen zu Genüge kennt.        

Fazit

Der inoffizielle Nachfolger der X-Men Legends-Serie hat es in sich: Über 20 Marvel-Helden, eine gut erzählte Geschichte, ein bewährtes und leicht aufgepepptes Kampfsystem sowie ein komplexes Aufstiegssystem sorgen für einen Heidenspaß. Auch der Schritt weg von der Comic-Grafik der Vorgänger hin zu einem realistischen Touch, der allerdings eher an Action-Figuren als an Helden aus Fleisch und Blut erinnert, hat den Marvel-Stars gut getan. Doch trotzdem will sich nicht ganz die Faszination einstellen, die uns letztes Jahr dazu gebracht hat, den zweiten Teil der X-Men Legends (wenngleich mangels Konkurrenz) zum Rollenspiel des Jahres zu küren. Vielleicht liegt es daran, dass manche Helden unter dem Strich zu unbalanciert erscheinen. Vielleicht daran, dass die Entwickler bei den sporadisch eingestreuten Rätseln die Lösung quasi auf dem Präsentierteller liefern. Vielleicht ist auch die Sprachausgabe schuld, die die von der Musik mühsam aufgebaute Atmosphäre immer wieder zunichte macht. Es könnte auch daran liegen, dass trotz kleiner Verbesserungen hier und da sowie der gewaltigen Marvel-Power mit weit über 150 bekannten Figuren in punkto Spielmechanik sehr konservativ vorgegangen wurde und das Konzept mittlerweile etwas abgenutzt erscheint. Doch kleinere Mankos hier, größere Schwierigkeiten da: Wer auch nur ansatzweise etwas mit Marvel-Helden oder Hack&Slays im Allgemeinen anfangen kann, hat die Gewissheit, hier extrem gute Unterhaltung serviert zu bekommen - und das auf jedem System.

Pro

über 20 Marvel-Helden zur Auswahl
in jeder Version exklusive Helden
klasse Render-Sequenzen
eigene Superhelden-Teams erstell- und aufrüstbar
bestimmte Teams (z.B. X-Men, Fantastischen Vier) mit Boni
diverse Kostüme mit aufrüstbaren Eigenschaften
eingängiges Kampfsystem
bis zu vier Spieler kooperativ oder kompetitiv
zahlreiche Nebenmissionen
Quicktime-Reactions
unterhaltsame Story

Kontra

Defizite in der Helden-Balance
nur auf Englisch
weitestgehend linear
schwache, sich schnell wiederholende Sprachausgabe
kaum spielerische Neuerungen
unübersichtlich sowie eingeschränkte Bewegungsfreiheit im lokalen Vier-Spieler-Modus (360, Xbox)
unspektakuläre Rätsel
Lags im Online-Spiel (Xbox, 360)

Wertung

360

XBox

Spielerisch gut, da identisch zur 360-Version, grafisch nur zweite Wahl.

PC

Feines Superhelden-RPG mit bewährter X-Men Legends-Spielmechanik!

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