Grand Theft Auto 404.12.2008, Paul Kautz
Grand Theft Auto 4

Im Test:

Vor gut einem halben Jahr feierte Rockstar Games seinen Schaffens-Höhepunkt: Grand Theft Auto 4 (ab 16,41€ bei kaufen) kassierte weltweit Höchstwertungen, definierte das Action-Genre mal wieder neu und machte ganz nebenbei noch irre viel Spaß! Danach hörte die Gerüchteküche nicht auf zu brodeln: Kommt eine PC-Version, oder kommt keine? Ist ein Spiel dieser Art auf dem PC überhaupt möglich? Ja, ist es - aber nicht makellos.

Ein exklusiver Lebensstil

Die Wartezeit hat sich gelohnt: Mit der richtigen Hardware sieht GTA 4 besser denn je aus. Falls ihr die Engelsgeduld habt, um die Installation zu überstehen.
 Der Begriff »Rockstar« steht nicht nur für wildes langes Haar, zielsicher auf die Bühne geworfene Tangas und männlich geschwungene Gitarren. Sondern auch für »Diva«. Und zwar die Art Diva, die ausschließlich zartrosa Lilien vom Berg Fujisan in ihrer Garderobe erträgt, und zwar genau 76 davon, sonst geht ihre Stimme vor die Hunde. Die Art Diva, die nach einem eigens für sie gepimpten Maybach für die 20 Meter zur Bühne verlangt, ohne den ihr Auftritt von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Und die Art Diva, die ausschließlich von Jungfrauenmündern gespültes Mineralwasser trinkt, um ihre Goldkehle geschmeidig zu halten. Genau diese Art von Diva ist GTA 4 auf dem PC. Auf 360 und PS3 lege ich einfach die Disc ins Laufwerk und los geht's. Nicht so auf Computern: Alleine die Warnung vor Installationsbeginn liest sich wie ein schlechter Scherz: »Grand Theft Auto IV PC erfordert die Installation von Software und -komponenten, einschließlich Rockstar Games Social Club, Sony DADC SecuROM, Adobe Flash, Microsoft .NET Framework, Games for Windows - LIVE, Internet Explorer und DirectX.«

Noch bevor auch nur ein Bit des eigentlichen Spiels auf die gebeutelte Festplatte wandert, müsst ihr eine halbe bis eine Stunde lang etwas anderes machen: Zuerst einmal wird der Rockstar Games Social Club installiert - das ist eine Art Rockstar-Version von Steam, die aus irgendeinem Grund für den GTA 4-Start dringend benötigt wird. Installier, installier, installier, oh ein Update muss auch noch sein, installier, installier, uh fertig? Nein, Account anlegen bitte - na gut, das ist ja schnell gemacht. Danach geht's immer noch nicht los, denn erstmal muss Games for Windows LIVE auf die Platte gehebelt werden. Ihr wisst schon, diese nach wie vor hartnäckig erfolglose Windows-Variante von Xbox Live, die gerne so bequem und einfach wie ihr Konsolen-Pendant wäre, aber nach wie vor nicht über den Status eines lästigen Tools hinwegkommt. GTA 4 benötigt es aber, denn nicht nur kassiert ihr im Spiel dieselben Achievements wie auf 

Gerade die Gefechte mit Schusswaffen profitieren von der präzisen Maussteuerung - dadurch werden sie fast schon zu einfach.
der 360, auch werden Spielstände und Videos nur gespeichert, wenn es eben einen GfW LIVE-Account gibt! Schön, installieren wir das Ding eben auch noch. Installier, installier, rödel, rödel, installier, oha - sollte die eigentliche Installation endlich losgehen? Ja, sofern ihr die neuesten Versionen von Microsofts Visual C++ Redistributable, dem .NET-Framework und DirectX drauf habt. Falls nicht, werden auch die erstmal vorgezogen. Dass danach die GTA 4-Installation endlich startet, nimmt man eigentlich nur zur Kenntnis, weil sie gefühlte Ewigkeiten  dauert - immerhin werden knapp 15 GB von den zwei DVDs auf die Festplatte gezaubert.

Eine knappe Stunde nach dem Einschieben der ersten Disc ist theoretisch alles bereit - abgesehen davon, dass der Rockstar Games Social Club ebenso aktualisiert werden muss wie Games for Windows LIVE. Ein kurzes Gebet zum Technikgott der Wahl kann auch nicht schaden, denn irritierenderweise gab es immer wieder »Keine Verbindung zu Rockstar Games Social Club möglich. Bitte Netzwerkverbindung überprüfen.« zu lesen.  Oh, und die Online-Aktualisierung des Spiels inklusive der Eingabe des 25-stelligen Codes nicht zu vergessen. Auf der linken Seite des Hauptfensters vom Rockstar-Tool prangt dann irgendwann doch mal einladend »Spielen«, also machen wir das doch. Eine kurze Ladezeit später lädt das Optionsmenü zum Verweilen ein: Was sollen die Limitierungen bei den Grafikoptionen? Theoretisch kann ich zwar die Auflösung bis in die Quantillionen und die Sichtweite bis nach Brasilien hochschrauben, aber praktisch  schreibt mir das Programm vor, wo meine Grenzen sind. Auch wenn der interne Benchmark verlautet, dass das Spiel bei mir mit mehr als 30fps läuft, darf ich

Die Grafik wurde dezent verbessert: Die Explosionen wirken wuchtiger, die Bäume dichter. Allerdings gibt es unschöne Rastereffekte, und die Schatten sind krümelig wie eh und je.
trotzdem nix hochkurbeln. Okay, raus aus dem Spiel und das readme-File geöffnet: Unter Punkt zwölf stehen die Kommandozeilen-Parameter, einer davon lautet »norestrictions« - den muss ich nur in der GTA 4-Verlinkung hinter die ausführbare Datei setzen, dann kann ich in den Grafikoptionen ungehemmt schalten und walten. Zwar bedeutet das, dass ich das Spiel nicht mehr über den Rockstar Social Club starten darf (weil dann der Parameter nicht aktiviert und die Grafikoptionen auf den Standard zurückgesetzt werden), aber ich kann das Ding eh nicht leiden. Laufen muss es natürlich trotzdem weiterhin, wenn auch nur im Hintergrund.

Nachdem ich bei den Grafikoptionen jetzt freie Hand habe, drehe ich natürlich gewaltig an der Kurbel: Alles hoch, alles prachtvoll. Jedenfalls auf einem Rechner mit vier GB RAM. Mit nur zwei kann ich zwar auch alles einstellen, aber dann muss ich mit ewig nicht angezeigten Texturen, gigantischen Löchern in der Welt, schwebenden Figuren und Autos sowie klaffenden Polygonfehlern leben - das Spiel kommt mit dem Nachladen nicht hinterher. Also drehe ich zähneknirschend die Texturauflösung auf ein meinem System entsprechendes Kaliber runter und fluche im Hinterkopf weiter; ich weiß schon, warum ich Mariah Carey nicht ausstehen kann.           

Für Kontrollfreaks

Auf Systemen mit ATi-Grafikkarten kommt es derzeit noch zu fiesen Grafikfehlern.
 Spielerisch hat sich bei der PC-Fassung von GTA 4 im Vergleich zur Konsolen-Version überhaupt nichts geändert - es gibt keine Extramissionen oder ähnliche Boni, das Spiel ist identisch. Und damit auch identisch brillant, alle Informationen dazu findet ihr in unserem ausführlichen Test der 360- und PS3-Fassung. An dieser Stelle beschränken wir uns auf die Unterschiede zu den Konsolen-Varianten.

Der offensichtlichste ist die Technik: Ist euer Rechner potent genug, dann erstrahlt Liberty City in schönerem Licht als je zuvor. Die Sichtweite ist höher als auf den Konsolen, der Hintergrund verschwimmt nicht mehr in Unschärfe, sondern zeigt knackescharfe Details. Explosionen werden wuchtiger dargestellt, Bäume zeigen dichteren Blattwuchs, außerdem könnt ihr die Verkehrsdichte enorm hochregeln - Wahnsinnige dürfen das Fahrzeugaufgebot im Vergleich zur Konsole verdreifachen! Allerdings gibt es nicht nur gute Nachrichten, denn genauso wie die Präsentation an einigen Ecken verbessert wurde, so bleiben an anderen Fragezeichen. So gab es bei uns sowohl in der Testfassung als auch in der Verkaufsversion deutliche Grafikfehler mit ATi-Grafikkarten, allen voran extrem flackernde Schatten (die überall nach wie vor sehr krümelig dargestellt werden), grob gerasterte Echtzeit-Reflexionen auf 

Viel Spaß beim Bowlen: Im Optimalfall vertraut ihr auf eine Steuerungs-Mischung aus Tastatur/Maus und Gamepad.
Fahrzeugen, starke Pop-Ups und Fade-Ins - auf einem vergleichbaren nVidia-System kam das nicht vor. Ein Treiberupdate konnte dieses Problem ebenso wenig aus der Welt schaffen wie ein Runterregeln der Schattendichte.

Der nächste Unterschied betrifft die Steuerung: Habt ihr ein 360-Pad am PC baumeln, dann fühlt sich das PC-GTA exakt wie sein Konsolenbruder an - das Pad wird nativ unterstützt, damit gibt es keinerlei Probleme. Nutzt ihr jedoch Tastatur und Maus, hat das sowohl Vor- als auch Nachteile: Klarerweise laufen damit gerade die Gefechte präziser ab, aber spätestens bei den Vehikeln wünscht man sich die Leichtigkeit eines Analogsticks - gerade wenn es darum geht, einen Helikopter gerade fliegen zu lassen oder die Kamera schnell zu schwenken. Und richtig eklig wird's z.B. beim Bowlen, bei dem ihr mit der Maus schnell vor- und zurück wischen müsst, um die Kugel zu starten - gezieltes Kugeln ist kaum möglich. Gesegnet sind also jene, die auf eine Misch-Steuerung setzen: Ihr könnt jederzeit zwischen Tastatur/Maus und Pad wechseln, um in jeder Situation die optimale Kontrolle zu haben.     

Der Bruckheimer in mir

Was ist noch neu? Der Mehrspielermodus erlaubt jetzt 32 statt 16 Spieler sowie dediziertes Filtern des Matches - schön. Neben den bereits vorhandenen Radiostationen, die eigentlich fast jeden Geschmack bedienen dürften, könnt ihr jetzt auch eure Lieblingsmucke laufen lassen - »Independence FM« macht's möglich:

Der Videoeditor ist einfach zu bedienen und lässt dem künftigen Starregisseur viele Bearbeitungsmöglichkeiten.
Platziert eure Lieblings-MP3 (oder M4As, sofern sie DRM-frei und sowohl iTunes als auch Quicktime installiert sind) in einem speziellen Verzeichnis, lasst kurz einen Spiel-internen Scan drüberlaufen, und schon wird Liberty City ein Stücken heimeliger. Auf Wunsch werden hier sogar DJ-Sprüche und Werbeclips dazwischengeschaltet, ihr könnt aber auch einfach nur eurer Musik lauschen.

Die wichtigste Neuerung ist allerdings PC-exklusiv und nennt sich »Video-Editor«: Endlich coole Szenen aufzeichnen und vor der Welt damit protzen! Und es könnte einfacher kaum sein, denn passiert euch etwas unfassbar Cooles oder Angebenswertes, drückt ihr einfach F2, und schon wird die Szene im Nachhinein automatisch aufgezeichnet. Leider lässt sich nicht genau abschätzen, wie viel tatsächlich aufgenommen wird, denn die Schnipsel sind zwischen 20 Sekunden und gut einer Minute lang. Ist die Szene im Kasten, ruft ihr das Handy auf und startet von da aus den Video-Editor: Im Hauptmenü könnt ihr zunächst alle aufgezeichneten Videos filtern, eure Favoriten aussuchen und im Nachhinein sinnlose direkt löschen. Euren Liebling ladet ihr dann ich den Editor, in dem ihr ihn vor- und zurückspulen könnt, um wichtige Szenen mit Markern zu belegen. An diesen Markern könnt ihr euch schließlich austoben: Die Kameraperspektive gefällt euch nicht? Dann nehmt eine andere - entweder vorgefertige (die denen im Spiel entsprechen) oder ihr platziert die Kamera innerhalb gewisser Grenzen selber. Ihr seid auch nicht auf Niko als Mittelpunkt des Geschehens angewiesen; alle im Bild befindlichen Personen können als Ausgangspunkt genutzt werden. Ihr könnt die Kamera schwenken und rotieren lassen, das Sichtfeld verstellen, jede Menge Effekte dazuschalten oder das Bild schneller bzw. langsamer laufen lassen. Falls ihr einen eigenen Kurzfilm drehen wollt, könnt 

Ihr könnt die Verkehrsdichte gehörig nach oben kurbeln - falls ihr die Herausforderung einer Flucht im Stau mögt.
ihr auch beliebig viele Clips aneinander fügen - natürlich inklusive Übergänge zwischen den einzelnen Szenen. Darüber hinaus dürft ihr Texte einblenden sowie natürlich Musik in verschiedenen Lautstärken drunterlegen: Ihr habt die Wahl unter einem Großteil der im Spiel beinhalteten Musik - allerdings nicht unter allen Stücken, außerdem dürfen laut gegenwärtigem Stand keine eigenen MP3s eingebunden werden.

Das dürfte vor allem urheberrechtliche Gründe haben, denn natürlich dürft ihr eure Meisterwerke, nachdem ihr damit fertig seid, auch mit der Welt teilen: wmv-Files lassen sich in verschiedenen Größen generieren, außerdem könnt ihr euren Clip auch auf die Server vom Rockstar Games Social Club hochladen, wo sie von anderen Spielern angesehen und bewertet werden können. Ihr könnt sowohl aus dem Hauptspiel als auch aus dem Multiplayermodus heraus Video machen, allerdings nicht von Zwischensequenzen oder Minigames. Und wer auf diesen Schnickschnack ganz verzichten möchte, der kann das System auch komplett abschalten - wodurch Rechenzeit gespart wird und das Spiel schneller läuft.    

Fazit

Grand Theft Auto 4 ist ein großartiges Game, ein Ausnahmetitel, ein Meilenstein der Actionszene: Kein anderes Spiel setzt derart überzeugend eine pulsierende, erdrückende Stadt in Szene, kein anderes Spiel erweckt sie derart brillant zum Leben, kein anderes Spiel bietet einen cooleren Antihelden als Niko Bellic. All das trifft auch in der PC-Version zu, außerdem sieht GTA 4 hier mit entsprechend befeuerter Hardware besser aus denn je - vom großartigen Video-Editor ganz zu schweigen. Allerdings können sich gegenwärtig wohl nur Spieler mit nVidia-Grafikkarten ins Fäustchen lachen, denn auf ATi-Systemen gibt es noch Grafikfehler am laufenden Band: Flackernde Schatten, Pop-Ups noch und nöcher und starke Rasterungen sägen am Grafiknerv. Und was sich Rockstar bei der unsäglichen, ausufernd langen Installation gedacht hat, die einem das System mit einem Haufen unerwünschter Zusatzsoftware zumüllt, ist kaum nachzuvollziehen. Wie gesagt, GTA 4 ist und bleibt ein Ausnahmetitel, wie es ihn kein zweites Mal gibt - aber auf dem PC mit ausnehmend nervendem Diva-Habitus! Die fehlerhafte Umsetzung macht das Spiel an sich nicht schlechter, raubt ihm aber einen Teil der Faszination - deswegen gibt's auch ein paar Punkte weniger.

Pro

gigantischer Umfang
dichte, glaubwürdige Welt
coole Story
über weite Teile fantastisches, nicht-lineares Missionsdesign
brillant inszenierte Zwischensequenzen
beeindruckende Dramaturgie
schweinecoole Dialoge
solider aufgebohrter Online-Modus
fantastische (englische) Sprachausgabe
großartige Grafik
hervorragende Animationen+intuitive Steuerung
fantastischer Soundtrack
rasantes Geschwindigkeitsgefühl
großartiger Video-Editor

Kontra

nervend ausufernde Installation
etliche Grafikfehler auf ATi-Systemen
unpräzise Tastaturkontrolle
spürbare künstliche Grenzen

Wertung

PC

Die PC-Version ist spielerisch zur Konsole identisch und damit brillant - kommt aber mit einigen nervenden Macken daher.

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