Im Test:
Ich bin der Geist, der stets verteilt
Der Vorteil von Betatests: Man merkt schnell, wenn was nicht funktioniert. Diese Herangehensweise an Probleme gab es zu Anbeginn der Schöpfung nicht, weswegen Gottes Projekt »Der Erstgeborene« in der Version 1.0 auch in die Hose ging.
Statt genetisches Recycling zu betreiben folgt der Rauschebartträger seiner Arbeitsweise des alten Testaments und sperrt das missglückte Experiment einfach in eine Paralleldimension, wo es sich bis zum Ende der Zeit langweilen soll, während Gott an »Der Erstgeborene Redux« arbeitet. Wie das mit in Paralleldimensionen eingesperrten Entitäten aber oft so ist, versucht Nummer Eins, immer stärker werdend, von Zeit zu Zeit in unsere Welt auszubrechen, um sie, Tradition ist Tradition, völlig zu vernichten. Genau das zu verhindern ist die Aufgabe des Jericho Squad, einem schlagkräftigen Sieben-Mann-Team, dessen Mitglieder paranormale Vorzüge haben: Abby ist eine begabte Scharfschützin, deren Blattschuss-Talent dadurch verstärkt wird, dass sie Kugeln auch im Flug noch steuern kann. Delgado hat nicht nur eine mächtige Minigun in der einen, sondern auch noch einen Flammendämon in der anderen Hand, der Gegnern nachhaltig Feuer unterm Hintern macht. Katana-Schwingerin Church zapft sich auf Anfrage etwas des eigenen Blutes ab, um damit Gegner für eine kurze Zeit zu binden. Und Hackerin Cole kann die Zeit verlangsamen sowie das Team bei Bedarf mit Munition aus der Zukunft versorgen - praktisch! Das sind die restlichen beiden Kameraden nicht: Priester Rawling schwingt zwei ziemlich nutzlose Pistolen und kann Teammitglieder aus der Entfernung heilen - auf kurze Distanz kann das aber auch jeder andere, außerdem ist Rawling grundsätzlich der erste, der fällt. Und Jones hat nicht nur ein ziemlich schwaches MG, sondern auch die Fähigkeit der Astralprojektion, die hauptsächlich dazu dient, sonst nicht erreichbare Hebel zu bedienen - und die furchtbar krampfig zu steuern ist! Das Jericho (ab 13,50€ bei kaufen)-Team in voller Pracht: Als kontrollierender Geist könnt ihr jederzeit zwischen den Mitgliedern hin- und herspringen.
Unfreiwillige Blutspende: Der rote Saft fließt in Jericho gleich hektoliterweise. |
Knee-Deep in the Dead
Bei einem Spiel, das derart stark auf begleitende Kameraden setzt, ist die KI derselben eines der wichtigsten Features. Wie sehr das in die Hose gehen kann, beweist ein ums andere mal der »Klassiker« Daikatana, in dem die KI-Kumpels nicht viel mehr waren als ein Haufen hirnloser Polygone. In Jericho ist das dankbarerweise nicht der Fall, jedenfalls so lange es ums reine Kämpfen geht: Die Kollegen ballern kompetent, teilweise sogar so gut, dass man selbst gemütlich dastehen kann und gar nichts machen muss. Dann wiederum gibt es viel zu oft Momente, in denen die eigenen Leute wie Fliegen fallen, weil sie lieber auf offenem Feld so viel Munition wie möglich zu schlucken versuchen oder angesichts eines explodierenden Feindes stehen bleiben, anstatt in Deckung zu hetzen. Als Resultat ist man viel zu oft damit beschäftigt, die Kameraden zu reanimieren als tatkräftig Blei zu verteilen - ein Nervfaktor, den man von Games wie Conflict: Global Storm nur zu gut kennt und hasst. Nervfaktor: Einen nicht unerheblichen Teil eurer Zeit verbringt ihr damit, zu Boden gegangene Teamkameraden zu heilen.
Wird man selbst so stark erwischt, dass man nur noch rot sieht, kann man nur noch auf die Gnade einer schnellen Regeneration seitens eines Kumpels hoffen. Falls keiner mehr verfügbar ist, wird automatisch der letzte Checkpunkt geladen; freies Speichern bzw. das manuelle
Anlegen eines Spielstandes an sich ist nicht erlaubt. Netterweise liegen die Kontrollpunkte ziemlich nahe beieinander, so dass man nur selten längere Abschnitte wiederholen muss. Generell liegt der Schwierigkeitsgrad von Jericho ziemlich niedrig: Auf »Easy« ist das Spiel ein Witz, auf »Normal« das, was bei anderen Spielen »Easy« wäre - erst auf »Hard« wird's fordernd. Der schwierigste Teil liegt tatsächlich weniger in der eigentlichen Action, sondern vielmehr den immer wieder unerwartet über dem Spieler hereinbrechenden »Quicktime Reactions« - und die sind auch nur deshalb fies, weil die Reaktionszeit, die man hat, um eingeblendete Richtungsangaben zu bestätigen, extrem kurz ist. Dann wiederum erlaubt euch das Spiel unendlich viele Versuche, so dass auch diesen Herausforderungen schnell der Zahn gezogen wird. Eure Teamkameraden kämpfen an sich ziemlich gut, sind aber ziemlich unbegabt darin, Deckung zu nutzen.
Clive Barker ist nicht gerade ein Meister der Subtilität: Die von ihm erschaffenen Figuren würden normalerweise für die Albträume von einem Dutzend Designer ausreichen, seine dezent kranke Phantasie spiegelt sich nicht nur in
Die Quicktime Reactions kommen unerwartet, erfordern schnelle Reflexe und sind für die meisten Tode im Spiel verantwortlich - allerdings können sie problemlos wiederholt werden. |
Französisch stöhnende Zombies
Technisch ist Jericho vor allem eines: dunkel. Dunkler als ein Kind der Eltern Doom 3 und F.E.A.R. , dem man die Taschenlampe geklaut hat. Davon habt ihr dankbarerweise eine dabei, die zumindest etwas Licht in die Sache bringt. Und siehe da: Besonders die beeindruckend filigran designten Figuren sind verdammt gut gelungen und animiert. Die streng linear aufgebauten Levels bieten wenig Spektakuläres, aber auch wenig Anstößiges - Durchschnittsware eben. Dazu noch ein paar schöne Effekte wie die gut wirkende Tiefenunschärfe und schon haben wir eine ganz gut aussehende Suppe, die darüber hinaus auch keine allzu hohen Anforderungen an die Hardware stellt, etwa vergleichbar mit TimeShift . Ihr solltet allerdings nicht am RAM sparen, denn die Ladezeiten sind (logischerweise besonders auf 360 und PS3) erschreckend lang - aber mit langsam ins Bild getippten Story-Schnipseln immerhin gut getarnt. Wo wir schon dabei sind: Die Story aus Barkers Feder um die Jericho-Truppe, die in verschiedenen Zeitzonen für Ruhe im Kontinuum sorgt, ist nett - aber auch nicht mehr. Immerhin ist das Intro-Video technisch
Das Gegnerdesign entstammt den tiefsten Abgründen von Clive Barkers dunkler Seele - Spielern mit schwachem Magen dürfte sich derselbe des Öfteren umdrehen. |
Nach etwa sieben bis acht Stunden solltet ihr am Ende eurer halbgöttlichen Mission angekommen sein - und danach gibt es nicht viel mehr zu tun: Kein Mehrspielermodus weit und breit! Was sehr schade ist, denn nicht nur hätten die verschiedenen Charakterklassen interessante Gefechte ermöglicht, auch hätte sich ein kooperativer Modus ziemlich aufgedrängt. Naja, immerhin könnt ihr ja zum Telefonhörer greifen, und für 1,24 Euro/min die Codemasters-Hotline anrufen, um Cheatcodes zu erfahren...
Fazit
Unabhängig davon, dass Jericho in einer Zeit erscheint, in der die Spieler die Wahl zwischen Shootern wie Call of Duty 4, Crysis, Halo 3 und TimeShift haben, gibt es nicht viele gute Gründe, zu Codemasters' Schlachtfest zu greifen: Okay, Fans von Clive Barker-Designs finden hier mehr als genug Einblicke in die düsteren Abgründe der Phantasie des Horror-Altmeisters - Jericho ist ein spielbarer Splatterfilm. Spieler mit guten Ohren werden sich an der sehr guten Soundkulisse ergötzen. Und ja, einige Kämpfe sind sehr intensiv, gerade die Bossfights machen Spaß. Aber sonst? Der Splatter-Overkill entfaltet nur anfangs seine Wirkung, schon nach kurzer Zeit wirken die Blut-Fluten nur noch störend. Das strikt lineare Leveldesign geht so weit, dass nicht mal Springen erlaubt ist. Und von der gegnerischen KI, die ungefähr auf einem Niveau mit den Kollegen von Serious Sam ist, will ich gar nicht erst anfangen. Auch nicht von der der eigenen Kameraden, die die meisten Zeit damit beschäftigt sind, sich abknallen zu lassen und dann nach Hilfe zu rufen. Es gibt zu viele zu gute Alternativen zu Jericho.
Pro
Kontra
Wertung
360
Technisch und spielerisch entspricht das 360-Jericho mit leichten Textur-Abstrichen dem PC-Vorbild.
PlayStation3
Auch das PS3-Jericho entspricht technisch wie spielerisch dem PC-Vorbild - einziger Unterschied sind etwas schwächere Texturen.
PC
Ein interaktiver Splatterfilm, der sich zu sehr darauf konzentriert, möglichst bizarr zu wirken, statt gut spielbar zu sein.
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