Shadowgrounds Survivor31.01.2008, Benjamin Schmädig
Shadowgrounds Survivor

Im Test:

Etwa 100 Jahre in der Zukunft: Auf Ganymed entsteht die erste Kolonie menschlicher Siedler - und was passiert? "Aliens" passiert! Gigers Schöpfung, oder das, was ihr verblüffend ähnlich sieht, überrannte im Vorgänger den Trabanten mit mehreren Hundertschaften. Und weil das außerirdische Gesindel erst jetzt zum Großangriff bläst, hetzen euch die finnischen Entwickler kurzerhand ein zweites Mal über den düsteren Jupitermond...

Banal genial

Der Weltraum, unendliche Weiten... alles Quatsch! Shadowgrounds erzählt auch im zweiten Aufguss keine Weltraumoper, sondern missbraucht das coole SciFi-Szenario lediglich als Ausrede für brachiale Zerstörungswut. Das gilt vor allem deshalb, weil heuer nicht nur mit totschicken Schattenwürfen im Lichtkegel der Taschenlampe gespielt wird, sondern weil sich zertrümmerte Kisten, explodierende Fässer und abknickende Bäume realitätsnah verabschieden - den Physikroutinen von Ageia sei Dank. Zusätzlich gibt es dichte Nebelbänke, schmutzigen Rauch sowie verstörende Verzerrungen des gesamten Bildes. Pyromanen erleben außerdem imposant knisterndes Feuer, sobald ihr Flammenwerfer Tacheles spricht oder Öllachen in Brand setzt.

Auf Ganymed ist immer noch die Hölle los: Shadowgrounds 2 erzählt u.a. die Geschichte von drei Überlebenden.
Schön, eindrucksvoll, äußerst befriedigend - spielerisch erneut banal. Denn tatsächlich setzt Frozenbyte seiner zwei Jahre alten Technik lediglich ein paar zusätzliche Effekte auf, wirft hier und da eine Hand voll neuer Ideen ein, verpackt sie in frischen Kulissen und fertig ist die Fortsetzung.

Macht aber nichts: Shadowgrounds ist nicht mehr als eine Spielwiese für Schaulustige, das feierabendliche Intermezzo mit dem Abzug, und als solches funktioniert es ganz hervorragend. Wer mit dem ausgesprochen knackigen "Splat" beim Zerplatzen eines Aliens nichts anfangen kann, ist hier ohnehin fehl am Platz. Taktik? Nix da! Eine packende Story? Ähhh... Grusel oder gar Horror? Fehlanzeige. Nicht, dass keine Stimmung aufkommt - im Gegenteil! Pulkkinens Soundtrack wabert z.B. mal unheilvoll im Hintergrund, frönt ein andermal mit trotzigen Gitarren dem Schlachtfest und die Solistin beschwört schaurig-schöne Momente. Klasse, dass Käufer der deutschen Box die komplette Tonspur auch separat hören dürfen. Im Zusammenspiel mit den allgegenwärtigen Schatten, die vom Licht der Taschenlampe zerschnitten werden, erzeugen die Finnen eine erfreuliche dichte Atmosphäre, die in ihren besten Momenten einem Doom 3 das Wasser reicht.

Mehr 3D

Wo Alienjäger im Vorgänger zudem meist durch sehr eindimensionale Schauplätze gestapft sind, nutzen die Entwickler ihre gestalterischen Möglichkeiten diesmal effektiver. Nein, mehrstöckige Gebäude oder Höhlen wurden auf Ganymed noch immer nicht entdeckt. Allerdings geben viele Kulissen den Blick auf höher oder tiefer gelegene Ebenen frei, wodurch die Welt kompletter wirkt. Beeindruckend ist z.B. der Blick auf eine im Tal gelegene Station, durch die man schon aus der Ferne Monster schleichen sieht. Vor allem dann, wenn hohe Stahlträger ins Bild rücken, während die Taschenlampe darunter Dutzende Schatten in Bewegung versetzt, weiß man nie,

Die Schauplätze sind diesmal interessanter, da sie auch den Blick in die Tiefe freigeben.
ob gerade ein Monster um die Ecke gekrochen kam... Frozenbyte hätte allerdings mehr solcher Situationen erschaffen müssen, um Survivor deutlicher von seinem Vorgänger abzugrenzen: Die meisten Schauplätze sind zu einfach gehalten, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Und zugegeben: Auch die befriedigende Alienhatz bleibt für sich genommen nicht im Gedächtnis hängen. Die Angreifer rennen schnurstracks auf ihr vermeintliches Opfer zu, stehen mitunter trotz längst gesichteter Frischnahrung einfach am Fleck und verabschieden sich nach wenigen Sekunden ohnehin in die ewigen Jagdgründe - dass nur eine Hand voll Rassen zum Angriff bläst, kommt deren Wiedererkennungswert da nicht gerade entgegen. Einen bemerkenswerten Auftritt hat lediglich jene Spezies, die gelegentlich vom Skript getrieben an Felswänden empor kriecht. Dafür ist das Vorankommen diesmal abwechslungsreicher, weil neue "Zielscheiben" oftmals unverhofft im Rücken der Helden auftauchen. Gegen einen große Meute Aliens hilft daher nicht mehr das einfache "Nach hinten Laufen und nach vorne Schießen"; eine Prise mehr Einfallsreichtum als zuletzt ist gefragt. Schade nur, dass offenbar sämtliche große Zwischengegner bereits in Shadowgrounds ausgerottet wurden. Die "Überlebenden" bleiben jedenfalls vor solchen Kreaturen verschont - ein Jammer.  

"Demnächst per Patch"

Als Ersatz müssen kleine Areale herhalten, in denen sämtliche Ausgänge plötzlich verschlossen werden und die Außerirdischen sich zum Großschlag entscheiden - brav nacheinander natürlich, aber in stärker werdenden Angriffswellen. Das ist waschechte Arcadeaction in Reinkultur, mehr aber auch nicht. Witzig sind die Arenen nur, wenn man sie separat im Survivalmodus anwählt. Dort wird einer von drei Charakteren gewählt, der sich anschließend, teilweise durch Benutzen stationärer Geschütze, einem nicht enden wollenden Ansturm Außerirdischer erwehren und nach dem Ableben ins lokale Highscorebrett eintragen darf. Online-Ranglisten gibt es hingegen ebenso wenig wie Mehrspieler-Gefechte im Internet. Das flotte Ballern bietet sich dafür zwar geradezu an, aber Frozenbyte verzichtet leider darauf. Die einzige Möglichkeit, bis zu drei Gleichgesinnte auf eine Partie einzuladen ist der eigene Rechner: Sind ausreichend Eingabegeräte (Maus, Tastatur, Gamepad usw.) vorhanden, dürfen vier Spieler Seite

Licht, Schatten, Nebel, Feuer: Grafisch zieht Frozenbyte fast alle Register.
an Seite über Ganymed schlurfen - eine verdammt magere Alternative zum Online-Kugeltausch.

Zyniker dürfen es positiv sehen, denn so bleibt den Fans mehr Zeit, um Mods oder neue Levels zu erstellen. Das Programm dafür liefern die Entwickler diesmal gleich beim Start mit aus. Keine Kunst, schließlich wurde die Technik kaum verändert, seit der Editor des Vorgängers veröffentlicht wurde. Tatsächlich weisen sämtliche Textdateien noch auf das erste Shadowgrounds hin und in dem brandneuen Tutorialvideo heißt es lapidar: "Kommt demnächst per Patch. :)" Professionell wirkt das nicht, auch wenn die offene Programmstruktur natürlich lobenswert ist.

Zurück zum Spiel, in dem Veteranen mehr zu tun bekommen als zuletzt, da sie statt des zum Einzelkämpfer umgebildeten Mechanikers gleich drei Protagonisten steuern - abwechselnd versteht sich. Charakterlich bleiben die Helden samt ihrer Portraits freilich so blass wie ihre Gesichtszüge beim Anblick der "Giger-Armee"; immerhin gelingen dem im englischen Original mit russischen Akzent sprechenden Bruno "Napalm" Lastmann aber ein paar unterhaltsame Sprüche, und die Entwickler verstecken immer wieder eine witzige Anspielung, wenn auf einem Podest z.B. einen Pflanze namens Chuck postiert wurde. Interessanter sind allerdings die unterschiedlichen Fähigkeiten des Trios, denn im Gegensatz zum Erstling kann nicht jeder Protagonist jede Waffe tragen: Drei Stück plus einen jeweils anderen Typ Handgranate hat jeder irgendwann im Gepäck - Pfeffer bringen dabei die Möglichkeiten zum Aufrüsten ins Spiel. Denn wer ausreichend von toten Gegnern fallen gelassene Upgrade-Teile aufliest, verpasst den Bleispritzen mehr Durchschlagskraft, größere Clips und eine zweite Funktion. Mit dem Sekundärfeuer seines MGs erhält Soldat Luke Giffords z.B. einen Granatwerfer, dessen Munition - köstlich! - am Ziel haften bleibt und manuell gezündet wird. Die Scharfschützin Isabel löst mit ihrer Railgun hingegen auch Schockwellen aus - ideal, wenn die fragile Lady eingekreist wurde.

Shadowgrounds, das Rollenspiel?

Die Waffenerweiterungen führte bereits der erste Teil in ähnlicher Form ein; komplett neu sind hingegen acht Fähigkeiten, die für jeden Charakter einzeln gesteigert werden. Das System ist einfach: Jeder liegen gebliebene, zurück geworfene, zerfetzte, sprich: tote Gegner bringt Punkte - ist das Konto gefüllt, werden zum einen weitere Fähigkeiten verfügbar, 

Was der Protagonist aus Teil eins nicht wusste: Je weiter sich ein Held entwickelt, desto zuverlässiger setzt er sich zur Wehr.
zum anderen gibts Punkte. Und mit denen wird das Erlernen neuer Eigenschaften bezahlt. U.a. lernen die Protagonisten, selbstständig Medikits zu verwenden, kritische Treffer zu landen und irgendwann auch einen Spezialangriff - Isabel kann z.B. die Zeit verlangsamen, während sie sich weiterhin im normalen Tempo bewegt. Es ist spielerisch notwendig, es motiviert - es täuscht dem Spieler aber auch Freiheit vor, die er gar nicht hat. Tatsächlich ist die Menge der Erweiterungen und Fähigkeiten zu gering, als dass die offizielle Bezeichnung "Rollenspiel-ähnlich" treffend wäre. Abgesehen davon werden weitere Fähigkeiten nur zum dafür vorgesehenen Zeitpunkt freigeschaltet - die Anzahl der pro Level erlegten Monster ist schließlich eine feste Größe und damit kalkulierbar.

Sei's drum: Die Upgrades bringen stets eine gehörige Portion zusätzlichen Rumms ins Spiel und der vorgegebene Wechsel zwischen den sehr unterschiedlichen Protagonisten sorgt für ein abwechslungsreiches Erlebnis. So knifflig wie im Vorgänger wird es dabei allerdings nie, denn die Abschnitte sind diesmal zwar zahlreicher, aber zum Glück kürzer. Zum Glück deshalb, weil zwischen Start und Ziel auch diesmal nicht gespeichert wird. Keine Angst: Eine begrenzte, aber ausreichend große Anzahl Freiversuche ohne damit verbundene Monster-Wiederbelebung verhindern verkniffene Gesichtsmuskeln beim Ableben. Könner sollten sich übrigens für die höchste Schwierigkeitsstufe entscheiden - andernfalls endet ihr geplanter Höllentrip nach "Retroland" in einem zu simplen Sonntags-Spaziergang.   

Fazit

Zwei Jahre ist es her, dass Shadowgrounds herrlich altmodische Action in ein dichtes atmosphärisches Gewand packte und intensive Arcade-Action inszenierte. Zwei Jahre, in denen sich viel getan hat - nur auf Ganymed ist die Zeit scheinbar stehengeblieben. Im Grunde zeigt sich den Überlebenden ein ähnliches Bild, wie es schon der Vorgänger präsentierte: Survivors begeistert vor allem mit eindrucksvollen Schattenspielen, schickem Nebel und seinem brachialen Klang, befriedigt spielerisch allerdings nur niedrigste Gelüste. Das Konzept geht auch heute noch auf! Aber Frozenbyte hätte mehr tun können, als eine Idee einfallsreichere Levels zu stricken und Kisten physikalisch korrekt zu bewegen. Zwei neue Schießeisen findet man in jedem Add-On und die restlichen Änderungen sind in Bezug auf spielerische Auswirkungen ebenfalls nur Makulatur. Unterm Strich spielt das aber keine Rolle: Auch die Fortsetzung vereint mühelos zittrige Zeigefinger, coole Science Fiction und die Lust an jenem befriedigenden Krachen, das Actionspielern im Blut steckt. Nach einem Abend mit Shadowgrounds 2 werden die Herzen der Arcade-Fans jedenfalls lächelnd Ruhe finden.

Pro

schnelle, unkomplizierte Action
detaillierte Kulissen mit eindrucksvollen Schatten...
sehr motivierendes...
Musik von finster bis rockig
knackige Geräusche
netter Survival-Modus, witzige Extras
abwechslungsreiche Erzählweise
mitgelieferter Leveleditor

Kontra

wenig unterschiedliche und einfallslose Aliens
... die denen des Vorgängers sehr ähneln
... aber eingeschränktes Aufwerten der Fähigkeiten
kaum Abwechslung
lieblos wirkende Sprachausgabe
Mehrspieler-Koop nur vor einem Rechner

Wertung

PC

Spielerisch einfältiger, aber herrlich brachialer Arcade-Shooter in beeindruckender Kulisse.

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