Im Test:
Erst meckern, dann loben!
Einige Echtzeit-Taktikspiele sorgen bei mir für mehr Frust als Lust, weil es einfach viel zu viel Gefummel gibt: Bis man bei Commandos & Co eine Wache ins Reich
der Träume geschickt hat, muss man üblicherweise ungefähr 800 Mal erneut laden, da man ständig entdeckt wird. Man muss auf jeden kleinen Mist achten, um nicht von der hypernervösen KI enttarnt zu werden. Das Dilemma daran ist die aufgezwungene Einbahnstraße, da man an einer bestimmten Stelle vorbei muss, um zum Ziel zu gelangen. Die Bedienung ist bis dahin oft genug eine Geduldsprobe. Obwohl das Spiel auf den ersten Blick aussieht wie gehabt, macht Helldorado vieles besser.
Dass es auch anders geht, beweist Helldorado, denn es bietet Taktikspaß für Leute mit Entscheidungsfreude. Vorgegeben ist bei den zwölf Missionen eigentlich nur das Ziel: Wie ihr dort hinkommt, bleibt gänzlich euch überlassen. Das bietet für ein solches Spiel eine ungeahnte Freiheit. Ihr könnt schleichen, trickreiche Aktionen machen und von hinten ausknocken oder aber ihr schlitzt, ballert und sprengt einfach, was das Zeug hält. Solange dann alle tot sind, die das mitbekommen, bringt es euch weiter. Nach bestandenem Level erhaltet ihr eine Bewertung in Form einer Medaille in Bronze, Silber oder Gold je nach Schwierigkeitsgrad.
Nicht nur für Veteranen
Zudem ist Helldorado einsteigerfreundlich, wie man es im Genre selten findet: Die erste Mission dient als einfaches, aber dennoch spannendes Tutorial, das euch alle wichtigen Funktionen spielerisch beibringt. In den ersten Aufträgen kommt nicht gleich Frust auf, weil alles machbar bleibt, wofür auch die drei einstellbaren Schwierigkeitsgrade sorgen, die stilecht Greenhorn, Pistolero und Desperado heißen. Später wird's natürlich noch etwas anspruchsvoller, etwa wenn ihr alleine loszieht. Die Zahl der Wachen ist überschaubar, sie sind nicht übermächtig und Erfolge stellen sich rasch ein.
Diese Zugänglichkeit ist es, die anderen Taktikspielen einfach abgeht. Ein Beispiel dafür sind die voreingestellten Kombinationen, deren Handhabung bewusst einfach gestaltet ist. Jeder der sechs Westernhelden verfügt über spezielle Aktionen, so kann Indianer Hawkeye schleichen, Tomahawk einsetzen und Pfeile surren lassen. Zusammen mit dem Explosivmeister kann er nette Pfeile verschießen, die dann in die Luft gehen. Das Ganze wird per simpler Schaltfläche ausgelöst, vorausgesetzt das Bleichgesicht hat noch genug Dynamit in seinem Tornister. Leider bringt euch nicht jede Kombo in jeder Situation weiter, weshalb einfache Aktionen die Regel sind.
Feinde, die mitdenken
Auch die KI der Wachen wurde stark überarbeitet, so dass sie sich weit weniger dumm anstellen. Jeder Gegner hat einen Alarmwert, der von Grün bis Rot angezeigt wird. Ist er bei Gelb, könnt ihr
weiter weg durchaus noch im Sichtkegel herumschleichen. Wer dann jemanden attackiert, muss damit rechnen, dass es auf Rot anwächst. Violette Feinde haben sich euren Helden gemerkt, was bedeutet, dass sie rufen, wenn ihr in ihren Sichtkreis tretet. Nur die niedrigen Stufen sind irgendwann wieder normal, denn wenn sich jemand richtig aufregt, beruhigt er sich nicht mehr. Er sucht dann umher, ruft andere um Hilfe und weckt Schlafende auf. Was aussieht wie ein Beamstrahl zeigt an, dass man euch gesehen hat. Bei helleren Alarmfarben ist ein Entkommen ohne Folge noch möglich.
Natürlich könnt ihr euch auch wieder den Sichtbereich anzeigen lassen, wie ihr das von anderen Taktikspielen kennt. Praktisch ist auch, dass ihr euch anzeigen lassen könnt, wie viele Leute diesen einsehen. Noch besser ist, dass ihr sie sogar der Reihe nach durchklicken könnt. Auch die Reichweite der Ohren könnt ihr bequem ablesen. Hinzu kommt allerdings noch, dass euch die Vorlieben angezeigt werden, die die Wachen haben: Eine Flasche über dem Kopf zeigt z.B. an, dass der Typ auf Alkohol steht. Ein Fall für den Mexikaner, der ihn mit dem Tequila in eine ruhige Ecke lockt - andere sind eher für weibliche Reize zu begeistern.
Morsche Punkte
Die Freiheit beim Planen hat natürlich auch so ihre Schattenseiten, denn ihr wisst oft nicht gleich auf Anhieb, was zu tun ist. Die Missionsziele sind zwar klar vorgegeben,
aber wie ihr dort hingelangt, ist unklarer als bei vergleichbaren Spielen. In der dritten Mission sollt ihr einen Lokführer mit Hilfe von Schnaps ausschalten, um an die Ladung zu kommen. Der Typ ist aber von einer Menge Soldaten umgeben und ihr seid nur allein. Der Mexikaner Pablo, den ihr steuert, hat nicht gerade viel drauf. Was ist zu tun? Gibt es einen Trick oder lieber alle ausschalten? Das ist leider nur mit viel neuem Laden herauszufinden, was wieder recht typisch ist. Hawkeye ist derart überlegen, dass er schon mal vergisst, dass er eigentlich noch Mitstreiter hat...
Nicht immer ist es notwendig, besonders durchdacht vorzugehen: Da meist auch robustes Vorgehen belohnt wird, werdet ihr nicht gezwungen, Speziaktionen durchzuführen. Und weil Hawkeye quasi unbesiegbar ist, könnt ihr euch allein mit ihm durch eine Mission wursteln - immer schön anschleichen und von hinten töten. Wieso umständlich, wenn es auch einfach geht? Als Spieler ist man halt auch nur Mensch und wählt meistens den simplen Weg. Die Quickactions sind zwar ganz nett, aber wirklich nötig sind sie meist nicht. Die überwiegende Spielzeit kann man auch ohne diese vorgeplanten Kettenaktionen meistern.
Die Bedienung ist im Großen und Ganzen durchdacht: So ist es möglich, ohne große Mühe die Karte flüssig zu drehen, was oft nötig ist, da ihr nicht hinter die Häuser seht. Ihr könnt immer per Maus oder
Tastatur steuern, weil ihr auch in der Schulterperspektive unterwegs sein dürft. So ist man hautnah am Geschehen dran und kann den Soldaten quasi in die Suppe spucken. Leider funktioniert die Steuerung nicht immer reibungslos, denn es ist z.B. nicht gleich auf Anhieb möglich, eine Aktion per rechter Maustaste zu verlassen - das sorgt für Frust beim Klicken. Ihr könnt auch aus der Shooterperspektive spielen, allerdings leidet dann die Übersicht. Zudem fehlen Details.
Cowboy und Indianer
Das Ganze spielt natürlich wie Desperados wieder im Wilden Westen, wo ihr 1883 einer fiesen Witwe das Handwerk legen müsst. Leider nimmt die genretypische Hintergrundstory nicht die Rolle ein, die sie könnte, weshalb die Missionen etwas im luftleeren Raum schweben. Die Geschichte ist auch deshalb zu vernachlässigen, weil es gar nicht mal so leicht ist, ihr zu folgen. Die wackeligen Standgrafiken, in denen sie erzählt wird, sind kein Augenschmaus, so dass die Aufmerksamkeit schwindet. Hier wären durchweg Videosequenzen wünschenswert.
Verblichener Westen
Optisch macht Helldorado trotz überzeugender Darstellung des
Alles sieht aus, alles hätte es die besten Zeiten schon hinter sich. Es fehlt an Farbtupfern und Bildschärfe. |
Zu hören gibt es die unvermeidliche Westernmusik, die an Hollywoodstreifen, Karl May-Verfilmungen oder Spaghettiwestern erinnert. Anders als beim Vorgänger bleibt sie dezent im Hintergrund, weshalb die Musik ein Lob verdient. Gelungen ist auch die deutsche Sprachausgabe, die zu jedem Charakterkopf die passende Stimme bietet. Pablo klingt so verlebt, als hätte er die letzten 30 Jahre im Saloon zugebracht.
Fazit
Wären alle Taktikspiele so wie Helldorado, hätte ich das Genre sicher besser in Erinnerung. Es ist angenehm einsteigerfreundlich und die Bedienung ist durchdacht, so dass es auch grünen Gringos nach kurzer Übung gelingt, eine Wache ins Reich der Träume zu schicken - selbst Teamaktionen sind kein Problem! Die ersten Missionen sind angenehm frustfrei gehalten, aber später wird's dann happiger. Das Beste ist jedoch, dass Helldorado in Sachen Missionslösung viel freier ausgelegt ist als etwa der Vorgänger Desperado. Ihr habt immer mehrere Optionen, wie ihr ein bestimmtes Ziel erreichen wollt, die sich zum einen aus der Umgebung ergeben, aber auch den Fähigkeiten der Westernhelden entspringen. Hier liegt allerdings auch eine Schwäche, da ihr so nicht gezwungen seid, euer Vorgehen großartig zu variieren. Meist reicht es, wenn ihr einen überlegenen Charakter wie Indianer Hawkeye einsetzt. So entgehen euch Tricks wie die Verführungskünste von Kate oder die Schnapsflasche von Pablo. Die KI wurde deutlich verbessert, weshalb ihre Aktionen nachvollziehbar sind. Natürlich fragt man sich immer noch ein wenig, warum ihr Leute umnieten könnt, während ein paar Meter weiter Soldaten Wache stehen. Aber das ist eben das Genre mit seinen begrenzten Sicht- und Hörweiten. Die verwaschene Grafik enttäuscht zwar gerade in der Schulterperspektive, aber sie wirkt authentisch und lässt zusammen mit der Musik sehr schnell Westernfeeling aufkommen.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Gut zu bedienendes Taktikspiel, das Veteranen und Anfänger gleichermaßen anspricht.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.