Sherlock Holmes jagt Arsène Lupin 07.11.2007, Bodo Naser
Sherlock Holmes jagt Arsène Lupin

Im Test:

Im vierten Sherlock Holmes-Abenteuer geht's ganz schön kultiviert zu. Dieses Mal muss der Londoner Meisterdetektiv einen berühmten Pariser Dieb dingfest machen, der das Empire mit seinen Raubzügen in Verlegenheit bringen möchte. Ob der neueste Streich aus dem Hause Frogwares sitzt, verraten wir im Test.

Im Verlies des Tower

Der Tower of London ist im Spiel ganz schön groß. Ich war zwar mal dort, aber die mittelalterliche Festung an der Themse habe ich nicht so weitläufig in Erinnerung. Eher schon, dass dort die Kronjuwelen in einem Tresor gelagert werden. Auf die hat es Arsene Lupin aber nicht abgesehen. 

Im Tower of London steht nicht alles zum Besten. Lupin hat die Vögel geraubt und ihr müsst sie wiederfinden.
Sein verbrecherisches Augenmerk gilt vielmehr den berühmten Raben, von denen es auf dem Gelände sechs gibt.

Die Legende besagt: So lange sie dort weilen, habe Englands letztes Stündchen noch nicht geschlagen. Kein Wunder, dass Britenhasser Lupin die Vögel einsacken will, um das Empire zu demütigen, was er in über 15 Stunden Rätselei fleißig versuchen kann.

Das ist schon sein zweiter Streich, denn der erste Diebeszug führt euch in die Nationalgalerie. Dort hat Lupin bereits ein unbezahlbares Bild entwendet, das ihr mit Glück in letzter Minute wiederentdecken konntet. Weitere Punkte auf der virtuellen Karte von London sind das Britische Museum und der Buckingham Palace, von einigen Abstechern in die obligatorische Baker Str. 221b ganz zu schweigen. Wie schon beim Vorgänger streift in Ego-Perspektive durch die heiligen Hallen des Britischen Empire, was recht schnell ein historisches Mittendrin-Gefühl aufkommen lässt. Die 3D-Grafik ist bis auf Nuancen unverändert, auch wenn sie mehr architektonische Highlights bietet.

Kryptische Botschaften

Dem arroganten Pariser stellen sich allein Sherlock Holmes und Dr. Watson entgegen, die die Sache des Königsreichs vertreten. Einzig der auf allen Feldern bewanderte Meisterdetektiv scheint in der Lage, die komplexen Botschaften des französischen Diebs zu dechiffrieren, um seine Pläne zu durchkreuzen. Die schön geschriebenen Briefe sind gespickt mit Rätseln, die Kenntnisse in Geschichte, Kunst und Kultur erfordern. Doch keine Angst: Es gibt immer genug Hinweise, so dass ihr auch die Abfragen nicht fürchten müsst, die Holmes euch ab und an stellt. Die Wortpuzzles bleiben also stets im Bereich des Lösbaren.

So müsst ihr etwa den Admiral herausfinden, der den Sieg in der Seeschlacht bei Trafalgar gegen Frankreich davon trug. Ein denkwürdiges Ereignis für beide Völker, da die Franzosen zwar die Schlacht verloren die Engländer aber ihren großen Helden, der einem Scharfschützen zum Opfer fiel. Immer wieder tauchen Anspielungen auf die Zeit Napoleons auf, als das Verhältnis der rivalisierenden Nationen auf einem Tiefpunkt war. Bücher, die "Laufbursche" Watson erst noch im Laden kaufen muss, weisen euch den Weg zur Lösung. Später gilt es, die Ritter der Tafelrunde samt Wappen zu identifizieren. In der Reihenfolge müsst ihr mittelalterliche Waffen in Halterungen stecken, die dann eine Geheimtür im finsteren Kerker des Tower öffnen.

Kein Hexenwerk

Worträtsel sind aber nicht die einzigen, die euch begegnen. Ihr müsst auch das eine oder anderen Logikrätsel lösen, etwa wenn ihr den letzten Buchstaben in der mondän eingerichteten Galerie herausfinden müsst. Bei einem Schieberätsel müsst ihr die zuvor eingesammelten Bilder (es handelt sich um abstrakte Kunst, die Holmes regelrecht anekelt) in die richtige

Holmes eigentliches Werkzeug kommt selten zum Einsatz. Stattdessen gibt es Wortkniffeleien satt, die aber stets lösbar bleiben. 
Position bringen, damit sie ein großes Ganzes ergeben. Wenn man weiß, dass man die Plättchen auch drehen kann, kein Problem. Ein anderes Mal müsst ihr auch ein Netz flicken, mit dem ihr einen Vogel fangen müsst. Ihr müsst alle Strecken und Ecken treffen, dürft euch aber nicht überschneiden - ein bisschen Fummelei, aber nach einiger Zeit doch lösbar. Wieder andere Aufgaben sind kaum der Rede wert, da ihr sie nebenher löst, etwa wenn ihr Münzen in Holmes Wohnung sucht. Actionsequenzen gibt es übrigens nicht.

Andererseits ist es nicht immer ganz einfach, alle Gegenstände zu finden. Bisweilen müsst ihr an einem bestimmten Punkt vorbeikommen, um ein Rätsel auszulösen. Wenn ihr den nicht findet, dauert es eine Weile, bis es weitergeht. Ebenso weil ihr immer wieder an bekannte Orte zurückkehren müsst. Was Holmes entdeckt hat, kann er oft erst später mitnehmen. Um die Rätsel zu lösen, ist also auch Laufarbeit gefragt, die durch eine Schnellreisefunktion verkürzt wird. Einfach den Ort auf der Karte anklicken und schon geht's dort hin. Die Droschke, die Watson ab und zu ruft, hat also nur rein nostalgische Funktion. Echte Detektivarbeit ist kaum gefragt, da ihr nur gelegentlich die Lupe zur Hand nehmt.

              

Große und kleine Geister

Obwohl Britannien gemeinhin als Land ohne selbige gilt, spielt die Kultur im Spiel eine entscheidende Rolle, was zu den beiden hochgebildeten Protagonisten gut passt. Der eher praktisch veranlagte Watson und der fast schon debile Lestrade nehmen sich dagegen wie Kleingeister aus. Dennoch könnt ihr

Wenn Holmes mal wieder seine typischen Belehrungen von sich gibt, kann Dr. Watson nur mit den Ohren schlackern.
beide spielen, wovon die Passagen mit dem Arzt gar nicht selten sind. Hier geht es darum, wie alles hinter den Kulissen abläuft, während der Meister mal wieder seinen Spuren hinterher rennt. Hinter jedem großen Mann steht eine Frau und hinter Holmes eben Watson, da der Exzentriker nicht verheiratet ist. Die Frotzeleien der beiden entsprechen auch eher dem, was man von einem alten Ehepaar erwarten würde.

Aber die Verbrecherjagd ist nicht nur unterhaltsam, sie ist auch noch lehrreich. Wenn Holmes über die Kunst der alten Meister sinniert, können Wissbegierige dabei schon etwas lernen. Dabei setzt er ganz auf eine klassische Bildung, denn ihr erfahrt außerdem etwas über babylonische Gottheiten, mittelalterliche Jagd und den berühmten Stein von Rosette. Wohlgemerkt das ist alles kein Muss sondern nur ein Angebot, da es für das Verständnis des Falles nur von eingeschränkter Bedeutung ist. Wer an der Oberfläche bleiben möchte, kommt auch irgendwie zur Lösung. Dazu passt es auch gut, dass das Ganze von klassischer Musik untermalt ist, die wenig aufdringlich ist.

Stilechte Dialoge

Schließlich bleibt es nicht aus, dass ihr das eine oder andere Gespräch führen müsst. Diese beginnen automatisch oder ihr dürft zumindest das Thema wählen. Leider müsst ihr immer alles fragen, so dass es letztlich keine Auswirkung hat, was ihr fragt. Eine kleine Szene in Spielgrafik läuft ab, die den Dialog zeigt. Leider sind weder die Arme noch die Bewegungen besonders überzeugend noch gibt es gar lippensynchrones Sprechen, was schon an der Authentizität nagt. Dafür sind die Akteure in stilechte Kleidung des ausgehenden 19. Jahrhunderts gewandet. Holmes trägt keinen schlappohrigen Deerstalker, sondern Zylinder; Watson und Lestrade ihre Melone.

Da es um eine Sache von nationaler Bedeutung geht, werden die Gesprächspartner im Laufe des Spiels immer einflussreicher, so dass am Ende sogar Queen Victoria persönlich auftaucht. Auch bei den Stimmen setzt man auf Altbewährtes, da es im Wesentlichen die aus Die Spur der Erwachten sind. Die hochnäsige Stimme von Holmes passt perfekt und auch der etwas genervte Watson wurde gut getroffen, allerdings fallen alle andere Stimmen dagegen ab, auch weil sie sich weniger Mühe geben als die beiden Hauptdarsteller. Unangenehm wird's dann beim Vogelgekrächze.

Sightseeing mit Schwächen

Obwohl die Schauplätze in London möglichst echt wiedergegeben werden, lässt sich eine gewisse Kahlheit nicht verhehlen. Alles ist fast menschenleer, auch wenn ihr ab und an auf einen Akteur trefft. Im nächtlichen Tower geht das noch durch,  aber selbst in

Obwohl die virtuellen Bauten stilecht rüberkommen, könnte manches davon doch etwas belebter sein.
der Kneipe um die Ecke hängen -für die trinkfesten Briten völlig ungewohnt- gerade mal drei Leute rum, von denen einer was zu sagen hat. Trotz der teils riesigen Areale wie am Tower lässt der Grad an Freiheit zu wünschen übrig, da ihr immer wieder auf gesperrte Durchgänge, Barrikaden oder Pseudotüren trefft. Was nützt es, wenn ein Gebäude 300 Türen hat, wenn ihr dann nur zehn davon aufmachen könnt.

Erfreulicherweise bleibt ihr an so gut wie nichts hängen, was bei Das Geheimnis des silbernen Ohrrings oft der Fall war. Sogar der getreue Watson steht euch nicht im Weg herum, sondern wird wie von Zauberhand weggebeamt, wenn ihr eine der zahllosen Treppen hoch eilt. Die typische Tastatursteuerung ist einfach und dürfte insbesondere für Shootergeschulte kein Problem sein. Wenn ihr an eine Stelle gelangt, wo Aktionen möglich sind, verwandelt sich der Cursor automatisch in ein Symbol - alles ganz easy.

      

Fazit

Sherlock Holmes jagt Arsene Lupin knüpft wieder an die alten Stärken des Geheimnis des silbernen Ohrrings an, erreicht aber nicht ganz dessen Niveau. Es gibt zwar lange Kapitel und viele Rätsel, von denen aber nur wenige richtige Kopfnüsse sind. Meist sind die Worträtsel, Aufträge und Knobelaufgaben jedoch ohne größere Gehirnverwindungen lösbar. Dennoch ist es nicht nur für Fans von Sherlock und Co. empfehlenswert. Der virtuelle Wettkampf zwischen England und Frankreich ist spannend inszeniert, so dass ihr euch ständig fragt, was Lupin nun wieder im Schilde führt. Gut, dass das neue Krimiabenteuer nur in London spielt, denn hier gehören der Meisterdetektiv, Dr. Watson und Inspektor Lestrade einfach hin. Das Reisen um die Welt hat der Spur der Erwachten nicht gut getan, obwohl es sogar Anspielungen auf die Verschwörungsgeschichte um Cthulhu gibt. In Teil 4 ist aber alles stimmiger, die berühmten Monumente in der britischen Hauptstadt, altmodische Kleidung und die Wortgefechte zwischen den Beteiligten. Insbesondere kulturell Interessierte werden ihre Freude an dem virtuellen Sightseeing in London haben, bei dem Holmes den überqualifizierten Fremdenführer mimt.

Pro

spannende Krimistory
Wettkampf zwischen England und Frankreich
machbare Rätsel
Texträtsel satt
Kultur gefragt
Sightseeing in London
auch Dr. Watson und Lestrade spielen
Frotzeleien zwischen Holmes und Watson

Kontra

oft zu einfache Rätsel
Sachen bisweilen schwer zu finden
häufige Rückkehr notwendig
kaum echte Detektivarbeit gefragt

Wertung

PC

Nicht nur spannende Jagd nach dem Dieb, Holmes führt euch auch noch durch Londons kulturelle Highlights.

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