Medieval 2: Total War - Kingdoms10.09.2007, Jörg Luibl
Medieval 2: Total War - Kingdoms

Im Test:

Wie lange ist es her, dass man auf dem PC zu den Fahnen rufen konnte? Wie lange ist es her, dass man Bogenschützen, Speerkämpfer und Panzerreiter in die Schlacht werfen konnte? Creative Assembly bereitet dem öden Waffenstillstand ein Ende und schickt euch in vier höchst turbulente Konflikte des Mittelalters - inklusive indianischer Hundekrieger und spanischer Konquistadoren.

 Der Deutsche Orden

Erst einer, dann hunderte: Der Deutsche Orden verheert Litauen und andere Regionen Osteuropas. Wer ihn spielt, kann zwar auf die beste Ausrüstung zurückgreifen, aber hat eine Menge agiler Feinde.
Schwertbrüder in grimmiger Entschlossenheit, disziplinierte Gotteskrieger und trutzige Burgen. Wenn man Großmeister eines Ordens ist, der die schlagkräftigsten Truppen seiner Zeit befehligt, dann könnte der Griff zur Macht so einfach sein - ist er aber nicht. Vor allem nicht in einem Europa, das im 13. Jahrhundert gerade im Osten neue Mächte gebiert. Auch, wenn die Infrastruktur des Deutschen Ordens hervorragend ist, auch wenn es Zugänge zum Meer und jede Menge Freiwillige gibt, hat er mit vielen Problemen zu kämpfen. Zum einen ist da die geostrategische Lage: Das Reich ist gespalten. Das starke Marienburg und Königsberg im Westen, dazwischen die heidnischen Litauer, und weit im Osten die eher schwachen Bastionen von Winau, Pernau und Arensburg. Wie kann man diesen Keil vertreiben?

Hinzu kommen die nicht ganz ungefährlichen Nachbarn: Die Polen lauern im Westen und versperren den Weg zum deutschen Kaiserreich. Die Dänen lauern im Norden und drohen an den unbefestigten Küsten zu landen - sollten sie gar ganz Skandinavien erobern, bildet sich die Kalmarer Union inkl. mächtiger Verbündeter und neuer Truppen aus dem Norden! Und

Neuerungen im Überblick:

* vier Kampagnen

(Großbritannien, Heiliges Land, Deutscher Orden, Amerika)

*Hotseat

(mehrere Spieler an einem PC können auch alle neuen Kampagnen spielen - aber macht man soetwas heute noch?)

*Verstärkung kommandieren

(erstmals kann eine weitere Armee separat zur Hauptarmee befehligt werden - ideal für Hinterhalte)

*neues Blockieren von Routen

*Zeitlupe aktivieren

(über die Shift-Taste lässt sich die Echtzeitschlacht verlangsamen)

* 13 neue spielbare Fraktionen, 150 neue Einheiten, 50 neue Gebäude, 20 neue Karten

* "Griechisches Feuer" & Mangonelschließlich ist da das junge, aber aufstrebende Nowgorod. Wie will man die Ostseehäfen sichern, ohne es sich mit den Russen zu verscherzen? Wie will man die Litauer bekehren, ohne den Missmut der Nachbarn zu wecken? Fragen über Fragen, die ihr in dieser Erweiterung beantworten müsst. Das Ganze richtet sich mit seinem Anspruch nicht an Einsteiger, sondern an Kenner der Serie, die die wunden Punkte des Gegners ausmachen und angreifen. Aber der Kampf um Osteuropa ist nur ein Teil der Herausforderungen. Insgesamt gibt es vier Kampagnen, darunter auch welche in Britannien, im heiligen Land und in Amerika. Damit spannt das Spiel einen ebenso weiten wie interessanten mittelalterlichen Bogen. Und spätestens, wenn man mit den Apachen gegen die Spanier in den Krieg zieht, nimmt das Ganze auch exotische Ausmaße an: Diese Nomaden können auf dem Kriegspfad enorm kostengünstig wüten und sehr schnell Technologien vom Feind erlernen; außerdem sehen ihre berittenen Kämpfer genau so klasse aus wie ihre zu Fuß auftretenden Hundekrieger.

Vier differenzierte Kampagnen

Und das Schöne ist: Jeder Schauplatz verlangt eine andere Taktik, wird teilweise sogar von eigenen Spielemechanismen getrieben. Auf der Insel jenseits des Ärmelkanals dreht sich z.B. alles um Loyalität. Wer England einigen will, muss mit rebellischen Baronen und Walisern rechnen und sollte deshalb an den Grenzen Befestigungsanlagen errichten - inklusive kostenloser Verpflegung. Aber

Ein zweigeteiltes Reich: Zu Beginn hat der Deutsche Orden ein geostrategisches Problem - die Litauer treiben einen Keil in die besetzten Gebiete.
Vorsicht: Nur hier kann jedes der streitenden Reiche plötzlich einen charismatischen Anführer hervorbringen; der Schotte mit dem Blau im Gesicht hebt dann gleich die Moral aller Verbündeten.

Nur als Spanier muss man Ansehen und Titel gewinnen, um auf neue Truppen zurückgreifen zu können; man darf keine Burgen in Amerika bauen und ohne Häfen zur Versorgung geht gar nichts. Nur im heiligen Land tauchen byzantinische, türkische, arabische, oder westliche Helden auf, die mit ihren Spezialfähigkeiten auf Schlachten einwirken: Saladin feuert den Kampfgeist an, Richard Löwenherz sammelt fliehende Truppen nicht nur, sondern bringt sie mit gestiegener Moral an die Front zurück und Manuel Komnenos kann Zwietracht unter den Feinden säen - einige Truppen bewegen sich für einige Zeit nicht. Außerdem hat jede Partei hier ein sensibles Machtzentrum, das mit seinen Reliquien und Spezialgebäuden streng gesichert werden sollte.

         

Pilgern für Ruhm & Gott

Einige Rebellen haben sich auf einem Hügel verschanzt: Obwohl sie keine besfestigte Mauer besitzen, muss man sich mühsam hinauf kämpfen - ideale Stellungen für Bogenschützen.
Und nehmen wir noch mal den Deutschen Orden: Hier besteht das Hauptziel ähnlich wie bei den anderen zwar darin, 45 Regionen inklusive sensibler Orte wie Kiew, Nowgorod oder Posen zu halten und die Litauer zu vernichten, aber der Weg dahin gestaltet sich ganz anders als in Amerika oder Jerusalem. Es gibt z.B. keinen Stammbaum, sondern nur neue Großmeister; außerdem müssen kleine Städte irgendwann in Burgen verwandelt werden und es können nur da Nachwuchsritter rekrutiert werden, wo der Glaube stark ist - sprich: Bekehrung ist Pflicht, Priester müssen durchs Land streifen. Es kommen noch weitere Besonderheiten hinzu. Zum einen gibt es nur hier die adligen Kreuzfahrer: Aus ganz Europa kommen abenteuerlustige Ritter in den Osten, die euch mit ihren Spenden nur dann belohnen, wenn ihr ihnen denn ordentlich Bekehrungskriege bietet - das kann natürlich mit diplomatischen Absprachen kollidieren. Also müsst ihr diese Gotteskrieger wie ein Fremdenführer motivieren und beschützen, während die Litauer gerade diese Gäste erbittert jagen; man kann sehr gut beobachten, wie ernst die KI die Beseitigung dieser Fremden nimmt.

Ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor in diesem Szenario ist auch die Hanse: Nur, wer die meisten der fünf kommenden Hansestädte besitzt, darf irgendwann das Kontor dafür errichten - inklusive des warmen Geldsegens. Und auch das Spielen der Litauer lohnt sich: Die können nämlich ihre Religion wechseln und als Katholiken auf die Techniken des Westens zurückgreifen, um militärisch zurückschlagen zu können oder das eigene Reich zu festigen. Aber auch ohne die Christen können die Litauer siegen: Immerhin lassen sich drei Gottheiten anbeten und Elitetruppen daraus bilden. Da wären z.B. die Kämpfer des Donnergottes Perkunas. Außerdem haben die Heiden interessante Verbündete, die den schwerfälligen Ordensrittern arg zusetzen können: Tatarische Lanzenreiter, baltische Bogenschützen oder Dzukija-Reiter. Egal, wo man hinschaut: Diese Erweiterung bietet euch zig neue Truppentypen und Einheiten.

Neue Hinterhalte & Spielbalance

Auch abgesessen machen die Ritter des Deutschen Ordens eine gute Figur. Sie sind im Nahkampf Furcht erregend und schlagkräftig. 
Die wesentliche Änderung in der Spielmechanik betrifft die neue Verstärkung. Ihr könnt in bestimmten Situationen auch eine Nachhut oder eine Truppe im Hinterland des Gegners kontrollieren - unabhängig von der Hauptarmee. Ihr seht z.B., wie sich Saladin eurer großen Kerntruppe nähert, könnt ihn herankommen lassen und seinen Reitern dann von einem Hügel aus in die Flanke fallen. Allerdings könnt ihr sie nicht komplett autark befehligen, sondern nur drei grobe Richtlinien für die Aktion vorgeben: Aggressive und defensive Haltung sowie die reine Schussposition. Gerade Letztere ist sehr nützlich, wenn die kleine Truppe nur ärgern und nicht gleich der Gefahr einer Hauptattacke ausgeliefert werden sein soll. Hier hätte Creative Assembly noch etwas mehr Freiheit anbieten müssen, damit man solche Situationen besser planen kann. Vielleicht gibt es ja dynamischere Hinterhalte im kommenden Empire: Total War .

Auch an der Spielbalance hat Creative Assembly gefeilt. Sie wurde zugunsten von Pfeilregen und Kavallerieangriff verbessert - sprich: Es gibt wesentlich mehr Gefallene, wenn ihr einen Schwarm an Projektilen frontal in die Infanterie schießt oder von hinten in den Feind donnert. Gerade, wenn man die schwächer gerüsteten Indianer oder Heiden spielt, sind diese kleinen Vorteile sehr wichtig. Nicht nur im Feld, auch auf der Karte kommen verbesserte Routinen zum Einsatz: Händler sind effektiver, machen wesentlich mehr Gewinn mit Rohstoffen und die KI greift nur noch an, wenn sie tatsächlich Chancen auf den Sieg hat. Außerdem baut sie eher die Truppen, die landestypisch sind - die Waliser z.B. ihre Langbogenschützen. Und schließlich gehen eure direkten Nachbarn auf der Karte jetzt offensiver vor: Wenn ihr z.B. im Süden in andere Länder einfallt, wird bald euer Norden bedroht. Das zwingt natürlich zur Sicherung der eigenen Grenzen. In Sachen Diplomatie und Kartentaktik bleibt allerdings alles beim Alten.  

Fazit

Endlich wieder Jubel, Kampfgeschrei und Sturmangriffe! Endlich eine Erweiterung, die es in sich hat: Freut euch auf vier interessante und wirklich anspruchsvolle Kampagnen, die eure Strategenkünste auf ganz unterschiedliche Art und Weise fordern. Wer Medieval 2: Total War gemocht hat, darf sich hier auf Nachschub der Extraklasse freuen. Creative Assembly hat sich sehr viel Mühe gemacht, jedem Szenario ein stilistisch und politisch markantes Flair zu geben - und das ist dem Team gelungen! Auch, wenn nicht alles historisch akkurat ist, muss man doch anerkennen, dass jede Kampagne durchaus authentische Mächte und Strukturen anbietet. Die Einspielfilme sind stimmungsvoll, die Aufgaben motivierend und die Kulisse gehört immer noch zum Besten, was es derzeit im Bereich virtueller Kriege zu sehen gibt. Noch wichtiger ist die inhaltliche Qualität: Als Anführer des Deutschen Ordens habt ihr es mit ganz anderen geostrategischen, religiösen und militärischen Problemen zu tun als im heiligen Land. Als Einiger Englands werdet ihr eure Taktik angesichts zickiger Barone komplett anders ausrichten müssen als in der Rolle spanischer Konquistadoren im weiten Amerika, die um die Gunst ihres Königs buhlen. In diesem Spiel stecken zudem viele neue Karten, viele neue Völker, eine verbesserte Spielbalance und vor allem verdammt viel Abwechslung!

Pro

sehr umfangreiche Erweiterung
sehr gute Einspielfilme
Verbesserung der Händler
Verbesserung der Gegner-KI
neue Verstärkung kommandieren
jede Kampagne mit eigener Dynamik, eigenem Flair
anspruchsvolle Missionen

Kontra

Verstärkung nicht voll kontrollierbar
immer noch Wegfindungsprobleme
trotz KI-Tuning immer noch Inkonsequenzen auf der strategischen Karte
keine Diplomatie-Zusätze

Wertung

PC

Umfangreich, individuelle Kampagnen & neue Einheiten - so muss eine Erweiterung aussehen!

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