Saints Row 229.01.2009, Mathias Oertel
Saints Row 2

Im Test:

Etwa zwei Monate, nachdem man auf PS3 sowie Xbox 360 mit Saints Row 2 (ab 5,88€ bei kaufen) die Straßen von Stilwater unsicher machen konnte, greifen nun auch die PC-Gangster in den Machtkampf in der fiktiven US-Metropole ein. Was haben die vornehmlich in lila gekleideten Saints auf dem Kasten? Und viel wichtiger scheint die Frage, ob das für Titel wie Descent Freespace oder Red Faction bekannte Team von Volition im ersten PC-Auftritt seit 2005 die Hardware zu nutzen versteht...

Gute Umsetzung

Aufmerksamen Lesern wird bei der Lektüre der letzten Seite auffallen, dass die Liste der Pros und Kontras weitestgehend mit denen der Konsolen-Fassungen übereinstimmt. Das kommt nicht von ungefähr. Denn gleichsam wird aufmerksamen Spielern auffallen, dass das Gesamtpaket im Wesentlichen eine gelungene Umsetzung des auf HD-Konsolen bereits bewährten Gangster-Ausfluges nach Stilwater darstellt.

Die Saints rüsten auf... Um Stilwater in all seiner Pracht ohne technische Einschränkungen genießen zu können, ist extrem potente Hardware gefragt...
Und das wiederum bedeutet, dass Saints Row 2 (SR2) eine lohnenswerte, wenngleich im Detail nicht so ausgefeilte Alternative zu GTA IV darstellt. Angefangen vom Gefängnisausbruch des wahlweise auch weiblichen Helden, der nach einer vermeintlich tödlichen Explosion und jahrelangem Koma wieder erwacht, bis hin zum Grande Finale bietet der Ausflug nach Stilwater dramatische und teilweise famos inszenierte Szenen.

Die Stadt, die etwas kleiner als Liberty City zu sein scheint, ist nach wie vor von Anfang an frei erkundbar. Und wer aufmerksam ist, wird feststellen, dass beim Erforschen auf der Karte alle gefundenen Shops und die so genannten Aktivitäten festgehalten und zum späteren Anwählen verfügbar gemacht werden.

Respekt ist der Schlüssel zu den Story-Missonen, die sich auf fünf unabhängig voneinander entwickelnde Erzählstränge verteilen. Diesen Respekt erhaltet ihr durch erfolgreiches Bewältigen der verschiedenen Aktivitäten. Dazu gehören wie in Teil 1 nicht nur Autorennen oder die Beschaffung von heißen Schlitten für den örtlichen KfZ-Gebrauchthändler. Auch der beliebte Versicherungsbetrug oder das Ausspannen und Überführen von Pferdchen in den heimischen Prostituierten-Stall gehören nach wie vor dazu.

Um diese Aktivitäten zusätzlich attraktiv zu gestalten, bekommt ihr nicht nur Respekt und bare Münze. Zusätzlich wird an bestimmten Punkten ein Goodie, ein Bonus oder ein Gimmick ausgeschüttet, das den weiteren Verlauf erleichtert. 

Bedauerlich ist allerdings, dass einige der neuen Missions-Typen der deutschen Schere zum Opfer gefallen sind. Auch einige Waffen sind nicht mehr in der lokalen Version enthalten, was angesichts des nach wie vor üppig gefüllten Arsenals allerdings zu verschmerzen ist. Die ganzen Kürzungen führen jedoch zu einem weiteren Problem. Die USK-Versionen sind inkompatibel zu den anderen Fassungen, wodurch das Internetspiel deutlich leidet. Denn was bringen mir gute und größtenteils lagfreie

Die Action in Saints Row 2 ist ebenso überzeichnet wie die Charaktere und die herrlichen Dialoge in den größtenteils überzeugenden Zwischensequenzen.
Sessions oder gar die Möglichkeit, mich mit einem Kumpel oder einem wahllosen Quereinsteiger kooperativ durch die Kampagne zu ballern, wenn die Teilnehmerzahl schon im Vorfeld durch die Schnitt-Variante eingeschränkt wird?

Die T-Frage

Es ist schon ein Weilchen her, dass sich Volition auf PCs herumgetrieben hat. Und die lange Abstinenz merkt man auch Saints Row 2 an, wobei sich Aktivierung und DRM per Steam als erfreulich komfortabel und auf der Höhe der Zeit zeigen.

Aber die Umsetzung hat nicht nur mit der PC-Technik an sich zu kämpfen, sondern auch mit dem Vermächtnis der Konsolen-Versionen. Denn die hatten bereits Problemen im Texturdetail, technische Schwächen wie Pop-Ups, Fade-Ins sowie gelegentlich im Boden versinkende Fahrzeuge oder unglückliche Kamerapositionen vorzuweisen.

Auch auf dem PC sind viele dieser Mankos nach wie vor zu finden. Im Gegenzug kann man (entsprechende Rechenpower vorausgesetzt) die Auflösung zwar bis auf 1920x1080 bzw. das 4:3-Gegenstück 1920x1440 hochsetzen, doch die Ruckler, Pop-Ups etc. werden dadurch nicht reduziert. Ganz im Gegenteil: Um diese Pracht ohne störende Bildrateneinbrüche genießen zu können, sollte Hardware jenseits der Empfehlung mit 3,2 GHz Dualkern-Prozessoren, 1GB RAM sowie Nvidia-Karte der 7000er-Reihe verbaut sein.

Dafür gibt es allerlei Skalierungsmöglichkeiten, so dass man auch auf dem Minimalsystem mit 2,0 GHz Dualkern, 512 MB RAM und vergleichsweise schwachbrüstiger Grafikkarte ein passables Ergebnis erzielen kann.

     

Doch um ein visuelles Erlebnis auf den Monitor zu bekommen, das zumindest dem der Konsolenversionen entspricht, ist ein unverhältnismäßig hoher Hardwarehunger vorhanden - was unter dem Strich für eine unsaubere Konvertierung spricht.

Dadurch dass man zudem deutlich hinter dem zurückbleibt, was GTA IV auf entsprechenden Systemen zu leisten imstande ist und das Großstadtbild, das Stilwater zeichnet, zwar auf den ersten Blick nach wie vor interessant ist, aber letztlich nur an der Oberfläche kratzt, wird hier das meiste Wertungspotenzial verschenkt.

Da wirkt es fast schon wie ein Tropfen auf den heißen Stein, dass Animationen, Figurendesign, Physikeinsatz etc. sich als ansehnlich und wie aus einem Guss präsentieren.

Dramatisch, praktisch, gut

Ja: Saints Row 2 hat mit technischen Problemen und dem einen oder anderen Defizit zu kämpfen - nach wie vor. Und

Die Saints sind bis an die Zähne bewaffnet und bereit, alles dafür zu geben Stilwater von den konkurrierenden Gangs zu befreien.
dennoch habe ich auch auf dem PC wieder Schwierigkeiten, mich von der Gangster-Saga loszureißen. Große Schwierigkeiten sogar; und das, obwohl ich Stilwater auf Konsolen bereits durchgespielt habe.

Denn was Volition auf technischer Seite vermissen lässt und auch auf dem PC nicht vollends überzeugend lösen kann, packt man in punkto Spaßfaktor, Unterhaltungswert und Drama bis zum Überfluss hinein. Vor allem der Story-Abschnitt mit den Ronin, der Yakuza Stilwaters, packt mich in den Zwischensequenzen mit klasse Dialogen, hervorragenden Kamerafahrten sowie spektakulären Zeitlupen im John Woo-Stil. Und als Sahnehäubchen gibt es teils Atem beraubendes Drama. Nicht Scorsese-Drama und schon gar kein Tennessee Williams. Aber Drama, das der leicht überzeichneten Action im Stile eines Michael Bay gut zu Gesicht steht und bei aller Überlebensgröße der Figuren den Charakteren erstaunliche Tiefe gibt.

Doch auch die anderen Fraktionen, die Bruderschaft (Tatöwierungen liebende Rocker) oder die Söhne Samedis (Voodoo-Anhänger) sowie die in alles verstrickte Ultor-Corporation (ja: die aus Red Faction), die die Armut aus Stilwater vertreiben will, bieten interessante Geschichten.

Und irgendwann kümmert mich nicht mehr, dass auch der PC-Version eine nach vor wie meist strunzdoof verhaltende KI innewohnt oder dass manche Missionen leicht zufallsabhängig sind. Denn es gibt viel zu tun, viel zu entdecken und nicht zuletzt sorgen die enormen Personalisierungsmöglichkeiten für die Hauptfigur, die Gang und die Vehikel dafür, dass der Unterhaltungswert sich von Anfang bis Ende auf einem guten Niveau einpendelt.   

Fazit

Der erste Rechenknecht-Ausflug nach Stilwater, und damit die erste hierzulande veröffentlichte PC-Arbeit von Volition seit Red Faction 2, kann sich sehen lassen. Wie in den Konsolenversionen ist die Over-the-top-Action mit Gangsta-Style äußerst unterhaltsam inszeniert und mit zahlreichen herrlichen Dialogen angereichert. Das inhaltliche Konzept, die Erfüllung von Nebenmissionen als Basis zur Freischaltung der nonlinearen Hauptgeschichte(n) zu nutzen, geht nach wie vor auf und gibt euch als Spieler größtmögliche Freiheit. Vollkommen überzeichnete Charaktere, abwechslungsreiche Aufgaben und enorme Personalisierungs-Möglichkeiten sorgen zusätzlich für ein rundum gelungenes Vergnügen. Dass Saints Row 2 auf dem PC dennoch eine niedrige Wertung einfährt als auf 360 oder PS3, ist auf die technische Umsetzung zurückzuführen, wobei die Steuerung wahlweise per guter Tastatur-/Maus-Kombo oder per Pad (der 360-Controller wird nativ unterstützt) davon ausgenommen ist. Doch um in Stilwater dieselbe Pracht genießen zu können, wie auf den Konsolen, ist eine mächtige Hardware erforderlich. Und selbst dann bleibt man hinter dem PC-Ausflug von Niko Bellic in Liberty City zurück. Dank zahlreicher Skalierungsoptionen kann man Stilwater zwar auch einem Minimalsystem mit 2 GHz Dual Core-Prozessor weitestgehend ruckelfrei genießen. Doch wirklich optimiert und angepasst wirkt Saints Row 2 nur selten. Dennoch: Das B-Film-Flair bietet eine interessante Alternative zum Hollywood-Blockbuster von Rockstar. 

Pro

herrlich überzogene Action
teilweise starke Zwischensequenzen
fünf interessante Story-Stränge
umfangreiche Personalisierungs-Möglichkeiten
abwechslungsreiche Nebenaufgaben
auch kooperatives Online-Spiel möglich
umfangreiches Waffenarsenal in acht Kategorien
Stadt von Anfang an geöffnet
360-Pad für Windows wird unterstützt
passable Tastatur-/Maus-Steuerung

Kontra

Pop-Ups, Fade-Ins, Clipping
Bildratenprobleme
haufenweise Klon-NPCs und –Gegner
kein aktives Deckungssystem
deutsche Version teilweise stark gekürzt
mitunter Kamera-Schwierigkeiten
Online-Modi eingeschränkt, da an deutsche Version gebunden

Wertung

PC

Der Gangsta-Ausflug nach Stilwater ist auch auf dem PC eine lohnenswerte Alternative zu Liberty City, erzielt aber weder technisch noch inhaltlich Höchstleistungen...

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