Treasure Island27.03.2008, Bodo Naser
Treasure Island

Im Test:

Wer möchte nicht gerne einen riesigen Goldschatz finden, der ihn für den Rest seines Lebens sorgenfrei zurück lässt? Mit Treasure Island (ab 9,94€ bei kaufen) ist das zumindest virtuell möglich, wobei sich das Adventure recht genau an die Romanvorlage von Robert. L. Stevenson hält. Ihr trefft auf hochnäsige Briten, fiese Piraten und feiert ein Wiedersehen mit bekannten (Anti-)Helden aus der Jugend wie Long John Silver.

Sturm im Rechner

Als wir unsere Vorschau online stellten, fragte man uns, ob wir nicht auch schon einen Blick auf die Szene im Sturm geworfen haben. Damals war es noch etwas früh dafür. Nun, nachdem wir das Spiel ausführlich gespielt haben, sind wir

Euer Schiff, die Hispaniola, pflügt durch die virtuellen Wellen in Richtung Schatzinsel. Sie trotzt sogar einem Sturm.
 natürlich auch durch die Passage aus Wind, Gischt und Wellen geschippert. Alles beginnt im Bauch des Segelschiffes Hispaniola: Nachdem wir ein unangenehmes Gespräch mit Antoinette - der einzigen wirklich neuen Figur- hatten, flüchtet sie nach draußen. Dumm nur, dass dort ein Unwetter tobt, das sich gewaschen hat. Ihr müsst den traditionellen Heldenpflichten nachkommen, um sie zu retten, denn eigentlich hat eure hübsche Begleiterin einen eigenen Kopf und kann sich selbst beschützen.

Sonderlich atmosphärisch ist diese kurze Passage allerdings nicht, da gibt es im Spiel Besseres wie etwa den Friedhof an der Küste, das Gewirr des Dschungels oder den Hafen von Bristol. Sie ist aber außergewöhnlich, da sie fast so etwas wie eine Actionsequenz darstellt, obwohl ihr sie so oft durchleben könnt, wie ihr wollt. Spielerisch ist sie nur eingeschränkt gelungen, da sie wie die Sequenz im undurchsichtigen Dschungellabyrinth ein gewisses Nervpotenzial birgt. Da die Spielmechanik hier nicht ausreichend erklärt wird, fliegt man im Wind öfter zu Boden als nötig wäre. Wer einmal geschnallt hat, dass er sich zwischendurch immer nur wieder festhalten muss, kommt schnell voran. Wenn schon solche gut gemeinten Minispielchen eingebaut werden, muss man auch erläutern, wie sie funktionieren.

Gespieltes Piratenabenteuer

Diese Passage ist grob in der Mitte des von Radon Labs entwickelten 3D-Abenteuers angesiedelt, da sie das Ende des Kapitels auf See markiert. Sechs Kapitel gibt es insgesamt mit rund 10 Stunden Spielzeit, davon spielen die ersten drei gar nicht auf der Schatzinsel. Diese Vorgeschichte ist aber unter dem Strich besser als der etwas gekünstelt wirkende Schluss, da euch auch hier echter Piratenflair um die Nase weht. Etwa wenn ihr als Jim Hawkins Hochprozentiges an Bill Bones ausschenken müsst. Der Typ säuft ganz schön was weg und eure Vorräte schmelzen dahin wie Butter in der Sonne. Dann im zweiten Kapitel müsst ihr Seeleute anheuern, die eigentlich gar nicht mit an Bord wollen. Da ist List und Tücke gefragt.

Im dritten Kapitel geht's endlich auf See hinaus, um Kurs in Richtung Schatzinsel zu nehmen. Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt die Schatzkarte den Abgang macht und dies, obwohl Jim sie in seiner Kajüte versteckt hat. Wo ist sie hin? Wer sie entwendet hat, hat allein der Diener des Friedensrichters gesehen, der aber krank danieder liegt. Ihr müsst ihm auf die Beine helfen, um mehr zu erfahren. Wie schon in den anderen Kapiteln hilft euch Long John Silver bei der Lösung weiter, der Jim als einziger Pirat leiden kann. Die Aufträge sind abwechslungsreich und werden nicht so schnell langweilig, weil sie gut in die Story eingeflochten sind. Jedoch werden die Kapitel gegen Ende leider immer kürzer und es gibt weniger zu tun.

Rätselhafte Hinweise

Ansonsten gilt es, in erster Linie klassische Rätsel zu bestehen, die aber fast immer lösbar sind. Meist drehen sie sich ums Inventar, etwa wenn ihr aus mehreren Gegenständen eine Falle zusammenbasteln sollt. Das ist öfters der Fall aber nicht

Der zwielichtige Long John Silver ist stets ein Fels in der Brandung. Wenn ihr mal nicht weiter wisst, fragt einfach ihn.
sehr schwer, da ihr meist nicht viele Sachen herumtragt. Ihr müsst aber auch mal Fragen beantworten, was per Multiple-Choice passiert. Es gibt sogar ein kleines Quiz, das natürlich von Freibeutern handelt. Hier werden keine Unmöglichkeiten gefordert, so dass kein Frust aufkommt. Einige Rätsel sind sogar eher zu leicht. Bisweilen kommt man sich aber schon fast wie in einem Rollenspiel vor, was nicht nur an den questartigen Rätseln liegt. Auch das freie Umherstreifen in den unterschiedlich großen Arealen ist dafür mitverantwortlich, die übersichtlich sind. Hier zahlt sich die 3D-Darstellung aus, die einfach für mehr Freiheit anbietet.

Echte Kopfnüsse sind also selten, so dass ihr nur ganz gelegentlich mal eine Zahlenkombination herausfinden müsst. Wenn so etwas vorkommt, dann gibt es stets genug Hinweise, die euch weiterhelfen. Ihr müsst sie nur erst finden, was durch die Anzeige der Hotspots erleichtert wird: Bei Leertasten-Druck leuchten die Punkte auf, auf die es im Spiel ankommt. Auch das Tagebuch ist Gold wert, da hier Rätsel und Hinweise verzeichnet werden. Ebenfalls wichtig ist die Funktion, Gegenstände im Inventar von allen Seiten beäugen zu können. So findet ihr oft entscheidende Tipps auf der Rückseite eines Gegenstands. Leider stehen viele Sachen nur zum Anschauen herum, etwa im Keller, wo es nur auf ganz bestimmte Gegenstände ankommt und der Rest nutzlose Staffage ist.

               

Atmosphärische Bilder

Das Abenteuer spielt an der englischen Küste, auf dem Schiff und auf der Schatzinsel unter südlicher Sonne. Entsprechend abwechslungsreich sind die 3D-Umgebungen, die mit Hilfe der Nebula-Engine entstanden. Hier wird Atmosphäre groß

Aus dem Piratenroman bekannte Schauplätze wurden stimmungsvoll in 3D umgesetzt. Leider sind die Gegenstände oft nur Zier. 
 geschrieben, was sich u.a. durch schöne Lichteffekte wie das Spiel der Sonnenstrahlen im Blätterdickicht des Dschungels zeigt. Ansonsten ist das Spiel zwar bunt, aber nicht so knallig, wie manch modernes Comic-Abenteuer. Die Farben der Klamotten sind eher gedeckt, was der authentischen Stimmung gut tut. Denn Farbe konnten sich zur Zeit der Freibeuter nur die Reichen leisten, wozu Piraten und Schankjungen aber nicht gehören.

Daneben bekommt ihr immer wieder die handelnden Akteure zu sehen, deren Charaktermodelle im zeitgenössischem Stil gekleidet sind. Trotz einer gewissen comichaften Übertreibung der Figuren sind diese durchaus realistisch gehalten und verhalten sich auch so. Ihre Bewegungen könnten jedoch etwas umfangreicher sein, da sie meist nur recht unbewegt in der Gegend herumstehen. Ein Schwachpunkt sind wieder einmal die nicht lippensynchronen Gesichtsanimationen, die aber auch bei anderen Spielen nicht immer das Gelbe vom Ei sind. Für ein kleines Team besitzt das Abenteuer unter dem Strich eine beachtlichte 3D-Optik, die im Genre nicht selbstverständlich ist.

Fast ein Hörspiel

Lange bevor der Begriff "Hörbuch" überhaupt in Mode kam, hatten wir als Kinder bereits Hörspiele auf Audiokassette oder LP. Gerade das der Schatzinsel hörten ich und mein Bruder so oft, dass wir es fast auswendig kannten. Wir liebten es wegen der beeindruckenden Stimmen und der tollen Piratenatmosphäre. Eine derartige Wirkung entfaltet die deutsche Sprachausgabe von Treasure Island nicht ganz, aber sie ist doch überdurchschnittlich. Das geht sogar soweit, dass man den teils langen Gesprächen gern folgt, die man in vergleichbaren Titeln schon mal wegklickt. Insbesondere Long John Silver, der Doktor und Jim stechen positiv heraus.

Natürlich könnt ihr die Gespräche nicht nur passiv mitverfolgen, sondern dürft auch selbst was sagen. Hier gaukelt euch das Adventure oft eine echte Auswahl vor: Ihr könnt eurem Jim zwar stimmlich Gewicht verleihen, indem ihr entscheidet, was er sagen soll. Durchtriebener Pirat oder Müttersöhnchen? Soll Jim wichtig aufsprechen oder doch eher verbal vor den Erwachsenen kuschen? Allerdings hat das keinerlei Auswirkung auf den Spielverlauf, da die Geschichte weitergeht, egal für was ihr euch entscheidet. Es ist linear, es gibt keine alternativen Spielverläufe und oft müsst ihr einfach alles durchfragen, wie ihr es aus anderen Adventures kennt.

Stilechter Aufwasch

Auch sonst nehmen die Berliner Macher Robert L. Stevensons Romanvorlage ernst, wie wir euch bereits in der Vorschau mitteilten. Die Stationen der Schatzsuche sind alle grob wiedergegeben, ihr könnt sie der Reihe nach besuchen und alle

Das Zeitalter der Musketen lebt wieder auf. Alle wichtigen Personen des Romans sind mit von der Partie.
wichtigen Akteure sind mit von der Partie. Sogar Ben Gunn, der verrückte Hund, erhält einen durchgeknallten Auftritt, der fast ein wenig an Gollum erinnert, wenn er vom Schatz schwärmt. Da merkt man halt, dass er jahrelang allein auf dem Eiland weilte. Klar, dass es im Roman noch mehr zu entdecken gibt, da er halt doch noch mehr Details bietet als ein Computerspiel, das sich ans Wesentliche halten muss, um nicht den Faden zu verlieren.

Trotz mancher Änderung ist die Umsetzung gelungen, so ist es auch zu verschmerzen, dass Jims Mutter leider draußen bleiben musste. Im Spiel ist der Junge ein Vollwaise, der die Spelunke ganz alleine führt. Einzige echte Neuerung ist Antoinette, die kesse Tochter von Friedensrichter Trelawny, die Schwung in die Männerwirtschaft bringt. Im Gegensatz zu der weiblichen Person in der Pro 7-Verfilmung des Romans, vermag sie zu überzeugen und steuert etwas zur Story bei. Und wenn es nur die Beschützerinstinkte sind, die sie weckt und die auch zum Durchspielen motivieren. Klar dass sie bei der Besatzung auf geteiltes Echo stößt, denn Frauen bringen ja bekanntlich Unglück an Bord.

      

Fazit

Obwohl sich die Macher von Treasure Island ein paar Freiheiten nehmen, gelingt es ihnen, die Atmosphäre des Piratenromans einzufangen. Alle wichtigen Anlaufstellen der Literaturvorlage sind zu finden, stimmungsvoll inszeniert und ihr könnt sogar in ihnen herumspazieren. Die Geschichte wird von professionellen Sprechern spannend erzählt und anders als bei vergleichbaren Neuauflagen stört die zusätzliche Figur der Antoinette nicht, sondern hat durch ihre frische Art sogar etwas hinzuzufügen, da sie zusätzlich Schwung ins Geschehen bringt. Damit nicht genug hat das 3D-Adventure auch spielerisch was zu bieten: Stets faire Rätsel, die oft an Quests eines Rollenspiels erinnern. Ben Gunn will seinen Käse und ihr müsst ihn mitten im Dschungel auf der einsamen Insel auftreiben. Dass diese Aufgaben nicht zu reinen Hol- und Bringdiensten verkommen, liegt an ihrer Einbindung in die Story, da sie oft entscheidend fürs Fortkommen sind. Ben rückt eben nur sein Boot raus, wenn er seinen Stinker bekommt. Obwohl ihr im Gespräch entscheiden dürft, ob ihr den Piraten oder doch einen ängstlichen Jungen mimen wollt, bleibt das leider ohne Auswirkung, da es keine alternativen Verläufe gibt. Leider gibt es gegen Ende hin kaum noch etwas zu tun, da die Rätsel aus unerfindlichen Gründen immer einfacher werden. Vieles lässt sich mit zwei Klicks erledigen, frustriert aber auch nicht großartig. Gegen Ende lässt leider auch die spannend erzählte Story etwas Federn, was nicht sein müsste. Hier wäre auf jeden Fall mehr möglich gewesen.

Pro

Flair der Romanvorlage
spannende Story
klassisches Adventure
questartige Aufgaben
machbare Rätsel

Kontra

trotz Freiheit letztlich linear
Gesagtes ohne Auswirkung
einige Rätsel zu simpel
vieles nur Staffage
gegen Ende kaum noch was zu tun
Schluss wirkt gekünstelt

Wertung

PC

Ein spannend erzähltes Piratenabenteuer, das die Stimmung des Romans einfängt.

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