The Chosen23.11.2007, Benjamin Schmädig
The Chosen

Im Test:

The Chosen (ab 9,94€ bei kaufen) versucht eine Gratwanderung: Auf der einen Seite will es die an Fantasy-Szenarien gewohnten Monsterjäger ansprechen, auf der anderen Seite will es sich mit seinem Szenario am Ende des 19. Jahrhunderts von den Lokis und Legends dieser Tage abheben. Ist das Abbild der realen Welt so faszinierend, dass es besonders wirkt? Und viel wichtiger: Ist es auch spielerisch interessanter als es der millionste Mausklick auf das zillionste Monster vermuten lässt?

Miniplot

Weil es sich The Chosen einfach macht, tue ich es ebenso: Marcus Dominus Ingens, Zauberer, Bösewicht, will die Welt erobern. Seine diabolische List: "Benutze magischen Schlüssel mit Tor zur Hölle". Auftritt: Zaubernder Mönch, schießende Jägerin oder Nahkampf-erprobter Krieger. Einer von diesen soll die unheilvolle Verkettung "Tor zur Hölle - Marcus - geschätzte zehntausend Vampire, Dämonen, Werwölfe" in umgekehrter Reihenfolge 

Schön gezeichnete Städte und Wälder: Euer Abenteuer beginnt in Kamenz.
ausradieren. Wer braucht in einem solchen Spiel schon eine einzigartige, gut erzählte Geschichte?

Ich, um ehrlich zu sein. Und auch, wenn mich dieser Makel weniger schmerzt: Mehr als drei Charaktere, auf deren Erschaffung man keinen Einfluss hat, wären ebenfalls schön gewesen. So beginnt The Chosen sehr bieder, und alle, die sich wenigstens den Funken von etwas Besonderem erhofft hatten, bleiben ernüchtert auf der Strecke. Die sperrigen Texte sämtlicher Akteure drücken den ersten Eindruck zusätzlich. Dafür muss man den Machern zugute halten, dass sie sämtliche Dialoge, oder vielmehr: Monologe, von professionellen Sprechern vortragen lassen. Ausuferndes Textstudium fällt somit flach - was wegen der knapp gehaltenen Erzählung nicht wundert.

Heimatnah

An einem Punkt macht sich das Spiel allerdings interessant, denn das Szenario wirkt im Vergleich zum mystischen Fantasy-Allerlei sympathisch. Schließlich seid ihr Ende des 19. Jahrhunderts mitten in Deutschland unterwegs, genauer gesagt in der Gegend des sorbischen Kamenz. Es liegt wohl auch daran, dass ich 50 Kilometer entfernt davon aufgewachsen bin, aber auch so wirkt die Welt greifbarer als frei erfundene Reiche; u.a. deshalb, weil ihr die zahlreichen Gegner nicht nur mit Äxten und Zaubersprüchen beharkt, sondern auch Pistolen und Gewehre einsetzt. Selbst die Kleidung der Helden sowie die einfache Architektur der schrägen steinernen Gemäuer basiert auf zeitgenössischen Vorlagen. Stimmungsvoll sind auch Tag-/Nachtwechsel oder raschelnde und sich bei Berührung bewegende Büsche. Schade nur, dass die Entwickler nicht den Mut haben, ihre Geschichte konsequent in dieses Szenario einzubetten und 

Video: Der Starttrailer stellt die drei Charaktere vor.stattdessen ein gewöhnliches Fantasy-Abenteuer mit entsprechend gewöhnlichen Monstern erzählen.

Somit macht ihr euch auf, eine Dämonen-Horde nach der nächsten abzuklappern, gebt euren Gegnern per Mausklick Saures und sammelt fleißig Geld, Waffen, Rüstung, Tränke. Gewiefte Widersacher trefft ihr dabei nicht; dass die Kreaturen schon mal vorsichtig zurückweichen ist das höchste der Gefühle. Mitunter verharren sie sogar so lange an einer Stelle, bis ihr ihnen endlich direkt auf den Pelz rückt. Kommt ihr aus der "falschen", vom Programm nicht vorgesehenen Richtung, warten sie nämlich brav auf euer Überschreiten ihrer "Aktivierungslinie". Sinnvoll sind hingegen die in Büschen platzierten Werwölfe: Ihr müsst genau hinsehen, um die Wegelagerer in dem Geäst zu erkennen; bewegt sich die Flora, heißt es wachsam sein. Schützen und Magier mit wachsamem Auge können solche Gegner dafür schon im Vornherein erledigen.    

Scotty...?

Wer sich über- oder unterfordert fühlt, darf übrigens stets die Schwierigkeit an seine Bedürfnisse anpassen - ebenso wie er oder sie sich jederzeit ins Hauptquartier des Widerstands gegen den böswilligen Marcus teleportieren darf. Da sich dort Händler und Hersteller aufhalten, kommt ihr somit selten in Lebensgefahr. Jedenfalls dann nicht, wenn ihr genug der nicht raren, aber sparsam verteilten Goldstücke bei euch tragt - die ihr zum großen Teil mühselig aus zu vielen Kisten, Fässern und ähnlichen Behältern fischt. Grundsätzlich ist der dauerhafte Rettungsanker eine hervorragende Idee, doch Licht und Schatten liegen dicht beieinander. Denn weil die Herausforderung sonst gegen null sinken würde, halten euch die Entwickler zum Einen in Sachen Gold an der erwähnten kurzen Leine und zum Anderen werdet ihr häufig von einem derart großen Mob überrannt, dass ihr ohne zwischenzeitliches Auffrischen von Kräften und Vorräten keine Chance habt. Der Haken: Man hat in solchen 

Im späteren Verlauf verschlägt es euch auch an exotische Schauplätze.
hektischen Situationen nicht das Gefühl, Herr der Lage zu sein - ausufernde Heiltrank-Gelage zwischen hektischen Angriffsklicks sind die Folge.

Weil man sich in der Basis jedoch ständig stärken kann, muss man das letztendlich auch tun - eine schlechte Entscheidung in Sachen Spielkonzept. Ganz davon abgesehen, dass ihr euch einen Bug zunutze machen könnt: Wer im Quartier den Alchemisten anspricht, wird, warum auch immer, automatisch geheilt. Ihr habt also wenig Gold oder Heiltränke, müsst aber ein Drachen-ähnliches Monstrum plätten? Im schlimmsten Fall haut ihr dann ein paar Mal zu, teleportiert ins Versteck, "beamt" euch zurück und das Spiel beginnt von vorn. So dürfen Kämpfe nicht ablaufen! Hoffentlich merzt Entwickler Rebelmind diesen Unfug mit einem Patch aus.

Abgesehen von diesen Schwächen erwarten euch unterhaltsame Ausflüge in die sich zwar ähnelnden, aber sehr schön gezeichneten und mit stimmungsvoller Musik untermalten Wälder. Schade, dass ihr meist nur winzige Abstecher in am Wegrand gelegene Areale macht, um optionale Aufträge zu erledigen und dass euer Ziel weder am Bildschirm noch auf der Karte angezeigt wird. Doch die Monsterjagd ist spannend, das Sammeln der - im Vergleich zu ähnlichen Abenteuern wenigen unterschiedlichen - Waffen und Rüstungen gewohnt Sucht erregend und oft stehen euch Personen zur Seite, auf die euer Alter Ego in einer kurzen Einspielung trifft. Wichtiger als die gelegentlichen Begleiter sind jedoch die beiden Helfer, ein Golem und ein Neferkar, von denen ihr jeweils einen beschwören könnt. Mit anderen Worten: Solange die beiden nicht das Zeitliche segnen (ihre Wiederbelebungs-Zauber sind teuer), begleitet euch wahlweise ein brachialer Schläger oder ein fliegender Schütze. Beide erkämpfen sich unabhängig höhere Stufen, so dass ihr ihre Widerstandsfähigkeit oder Schlagkraft erhöhen könnt. Ein netter Einfall, denn so müsst ihr euch nicht um die Verwaltung einer ganzen Gruppe kümmern, seid aber trotzdem selten alleine unterwegs.

Edle Waren

Eure eigene Entwicklung beeinflusst ihr zum größten Teil über vier Werte: Stärke, Gewandtheit, Okkultes Wissen, Vitalität. Wobei die Erweiterung des Wissens eure magischen Fertigkeiten beeinflusst. Zusätzlich dürfen die zwei 

Der Rucksack ist klein, aber übersichtlich.
Helden und die Heldin verschiedene offensive, defensive sowie "andere" Fähigkeiten lernen, von denen aus jeder Kategorie nur eine aktiv ist. So findet er oder sie mehr Gold, schlägt kräftiger zu, kann längere Strecken rennen, erholt sich schneller von Verletzungen, steckt magische Attacken besser weg usw. Auch hier sind die Möglichkeiten, die eigene Figur nach Belieben zu formen, begrenzt - die Entwicklung motiviert trotzdem auch auf lange Sicht. Seid zu Beginn aber vorsichtig: Die einmal geklickte Erhöhung eines Wertes lässt sich nicht wie sonst üblich umgehend rückgängig machen.

Wem das Sammeln und Kaufen neuer Ausrüstung nicht reicht, der darf seinen Besitz per Hand verbessern. Zieht einfach das zu veredelnde Objekt in euren Schmelztiegel und fügt Gegenstände hinzu, die ihr nicht mehr benötigt: Waffen erhöhen die Grundeigenschaft, Rüstungsteile die Festigkeit, während Zauberbücher die Voraussetzungen senken, welche euer Charakter zum Anwenden des Gegenstands erfüllen muss. Werft noch einen Batzen Gold hinzu und fertig ist das einzigartige Schwert. Das kostet zwar einen Großteil eures Besitzes, erspart aber die Suche nach den sehr seltenen besonders mächtigen Gegenständen. Falls ihr übrigens bei einem Händler einen Schild oder Helm finden, den ihr trotz Goldmangel oder unzureichenden Fähigkeiten unbedingt haben müsst, könnt ihr den Artikel gegen eine kleine Gebühr reservieren lassen - eine ausgezeichnete Idee! 

Fazit

Vernachlässigt man kleine Ideen wie das Reservieren von Gegenständen oder das scheinbar unverbrauchte Szenario, wird man auf sehr ausgetretenen Pfaden durch das fiktive, schön gezeichnete Deutschland des 19. Jahrhunderts geschleust. Glück im Unglück: So gewöhnlich wie sich The Chosen gibt, so bewährt spielt es sich auch. Das Verhauen der zigtausend Dämonen befriedigt den Jagdtrieb des Diabolikers, das Sammeln von Gold, Rüstung und Waffen motiviert den Messie und die Entwicklung der drei Helden bietet trotz fehlendem Charakterbaukasten und relativ wenig Fähigkeiten gerade genug Möglichkeiten der Individualisierung. Doch die Entwickler stolpern über kleine Hürden wie den gut gedachten Dauer-Teleport ins heimische Lager. Denn um die Kämpfe trotzdem spannend zu halten, sind sie oft einfach einen Tick zu schwer. Das wird zwar durch einen Bug relativiert, der die Helden in der Basis automatisch heilt - das ständige Hin- und Herbeamen zerstört allerdings die Dynamik der Kämpfe. Mit mehr optionalen Aufträgen hätte Rebelmind seiner Welt zudem mehr Leben einhauchen können. Was bleibt ist ein stimmungsvolles, aber sehr unauffälliges Abenteuer. Das deshalb keinen bleibenden Eindruck hinterlässt, weil es sich zu sicher auf längst ausgetretenen Pfaden fühlt, ohne jemals den Umfang der hinterlassenen Abdrücke auszufüllen.

Pro

Mix aus Magie und Technik, in realer Welt angesiedelt
selbstständiges Verbessern der Ausrüstung
jederzeit Rückkehr zur Basis...
viel gesprochener Text...
schön gezeichnete Schauplätze
zwei ständige Begleiter
Händler reservieren Gegenstände
geskriptete Ereignisse & gelegentliche Begleiter
Schwierigkeit jederzeit einstellbar

Kontra

nur drei, vorgegebene Charaktere
Monster reagieren mitunter nicht auf Spieler- ... was als Cheat genutzt werden kann
... bei sehr mäßiger Sprachausgabe
wenig unterschiedliche Gegenstände
kaum nennenswerte zusätzliche Aufträge
kein wegweisender Pfeil zum Ziel

Wertung

PC

Schön gezeichnetes Abenteuer Ende des 19. Jahrhunderts - das sich zu starr auf ausgetretenen Pfaden bewegt.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.