Lost Empire: Immortals09.04.2008, Bodo Naser
Lost Empire: Immortals

Im Test:

Nach unserer ernüchternden Vorschau haben nicht wenige Lost Empire: Immortals sicher schon von ihrer Liste der interessanten Spiele gestrichen. War das verfrüht? Kann es wirklich sein, dass ausgerechnet Paradox Interactive ein derart uninspiriertes Weltraum-Strategiespiel veröffentlicht? Wir verraten euch, warum es sich manchmal lohnt, einen zweiten Blick zu riskieren…

Besser, als erwartet

Ab und zu muss man seinen Ersteindruck korrigieren, denn das gebietet die Ehrlichkeit. Es bringt ja nichts, wenn man aus reiner Konsequenz auf seiner Meinung beharrt, obwohl sie so nicht oder zumindest nicht ganz richtig ist. Konsequenz sorgt

Kann eine solche Statistikorgie mit Schiebereglern Spaß machen? Es kommt darauf an, wie's gemacht ist, wie Gal Civ 2 unter Beweis stellte.
zwar für Verlässlichkeit, aber falsch verstanden ist sie ein Irrweg, der in die Unglaubwürdigkeit führt. Außerdem ist eine Vorschau oder gar First Facts immer mit einem gewissen Risiko behaftet, da sie nur einen vorläufigen Eindruck abbilden - Spiele wie Bad Day LA, Lair oder Turning Point lassen grüßen.

Das Spiel ist keinesfalls fertig, hat noch einige Baustellen und viele Zusammenhänge erschließen sich erst beim fertigen Produkt. Allerdings muss man Fairness halber dazu sagen, dass es selten sein dürfte, dass aus einem superschlechten Spiel beim Test ein supergutes wird. Lange Rede - kurzer Sinn: Bei Lost Empire: Immortals müssen wir teilweise unseren negativen Eindruck aus der Vorschau revidieren.

In der Beta hat sich das Spiel derart uninspiriert präsentiert, dass der Eindruck zu dieser Zeit aber durchaus berechtigt war. Obwohl es immer noch öfters abstürzt, ist es jetzt nicht mehr ganz so. Es ist durchaus ein brauchbares Runden-Strategiespiel, das zumindest anfänglich motiviert. Innovationen sind zwar Mangelware, aber das Spielprinzip ist solide und macht den Einstieg nicht gar so schwer. Größter Schwachpunkt sind die automatisch ablaufenden Schlachten, bei denen ihr zum Zuschauen verdammt seid.

Keine echte Wahl

Alles beginnt damit, dass ihr euch für eins von sechs Völkern entscheidet, zu denen auch die Menschen gehören. Allerdings ist diese Wahl bis auf ein paar wenig bedeutende Boni eigentlich keine große, denn die Aliens spielen sich trotz

Diese sechs Völker könnt ihr spielen. Leider spielen sich die Menschen nicht sonderlich anders als die Aliens.
abgefahrenen Aussehens nicht wesentlich anders. Ob ihr nun die Erdlinge oder die außerirdische Horde nehmt, macht im Prinzip nur einen kosmetischen Unterschied. Ihr habt ein anderes Schiffsdesign, aber die Vorgehensweise ist eigentlich immer ähnlich. Es ist auch nicht so, dass ihr beim Besiedeln von lebensfeindlichen Planeten als zähe Aliens Vorteile hättet. Hier tun sich alle gleich schwer. Weder forschen die einen besonders gut, noch vermehren sich die anderen wie die Karnickel.

Ein gewisses Gefühl der Beliebigkeit stellt sich auch andernorts ein, wo es was einzustellen gibt. Denn die vier angebotenen Staatsformen sind zwar nett, aber eine so große Rolle spielt es nicht, ob ihr nun Imperium, Föderation oder Überwachsungsstaat wählt. Natürlich empfiehlt es sich auf die autoritäreren Formen zu setzen, wenn eine Kriegserklärung ins Haus flattert, da sie dann mehr Kontrolle, Produktion und Patriotismus bieten. So entscheidend ist das aber nicht, wie ihr merkt, wenn ihr mal die falsche Staatsform habt. Es geht trotzdem fast unverändert rasch voran. Die Verfassung kann übrigens jederzeit geändert werden, nur dass dann wie bei Civilization drei Runden Anarchie herrscht. Das ist ein weiteres Prinzip, dass sich einmal gefällte Entscheidungen jederzeit und ohne große Abstriche revidieren lassen.

Was fehlt alles?

Nun, Lost Empire will ganz bewusst einsteigerfreundlich sein, so dass es von den Machern Pollux Gamelabs entschlackt wurde. Einige Dinge fehlen daher, die sonst üblicherweise Bestandteil eines Weltraum-Strategiespiels sind.

Der Ausbau der Planeten geht weitgehend von selbst vonstatten ebenso wie der Handel.  
Es gibt etwa kein Planetenmanagement im herkömmlichen Sinne, wo ihr Bauten hochzieht. Ihr stellt einfach die Form des Planeten ein und los geht's. Aber einigen wird es dann doch fehlen, zumal es außer Truppen, Raketenstellungen und Schilden auf den Planeten wirklich nix zu bauen gibt. Bei den Rohstoffen ergibt es ein ähnliches Bild, da es nur Nahrung, Erze, Wissen und Geld als Ressourcen gibt. Auch der Handel funktioniert fast von alleine, was Veteranen sicher zu wenig ist. Übersichtlicher ist das Spiel daher aber auf lange Sicht nicht.

Was Einsteiger allerdings abschrecken dürfte, ist der Schwierigkeitsgrad, der auf "normal" schon recht happig ist. Schnell gerät man ins Hintertreffen, da die aggressiv vorgehenden Feindvölker auf der Siegestabelle punktemäßig enteilen. Zu Beginn sieht alles noch nach einem leichten Sieg aus, da man schnell ein paar neue Planeten kolonisiert hat, die gelegentlich auch Artefakte bieten. Aber wer dann den falschen Weg einschlägt, der ist schnell ausmanövriert. Wer mal nicht die üblichen Planetenverbesserungen, besseren Scanner und Rumpfvergrößerungen erforscht, der ist schnell auf dem Holzweg. Das endet oft damit, dass Alienschiffe vor dem Heimatplaneten aufkreuzen, gegen die ihr machtlos seid. Es gibt auch einen Multiplayer, der kaum erwähnt werden muss.

                  

Was ist neu?

Neu ist das Prinzip der Anführer, die ihr dieses Mal nicht einzelnen Planeten, Armeen oder Flotten zuteilt, sondern die globale Vorteile bringen. Wenn ihr einen Arzt einstellt, dann vermehrt sich eure Bevölkerung im ganzen Reich schneller. Ein

Die Anführer sind zwar nicht neu aber dafür deren Einsatz. Ihre Boni wirken aufs ganze Reich.   
Bergmann bringt euch pro Runde mehr Erze, ein General verbessert die Verteidigung und ein Diplomat die Beziehung zu den anderen. In eurem Anführermenü habt immer eine Anzahl von Anführen, denen ihr Aufgaben zuteilen könnt. Sie werden älter, erfahrener und sterben irgendwann. Bisweilen erscheinen neue, so dass ihr immer einige in petto habt. Man könnte sie als lebende Joker sehen, da sie Defizite ausgleichen. Habt ihr eine schlechte Handelsbilanz, kann ein Händler aus den roten Zahlen helfen.

Jeder Anführer hat spezielle Eigenschaften wie Einfallsreichtum, Gerissenheit oder Persönlichkeit, die seine Fähigkeiten bestimmen. Diese lassen sich durch Ausbildung verbessern allerdings nicht gezielt. Auch durch Forschung lassen sich die Werte der Anführer verbessern, die dann bessere Bürokraten sind. Ihr könnt den Beruf jederzeit ändern. Auch die Planetentypen lassen jederzeit ganz leicht und ohne große Strafe ändern. Wollt ihr eine Minenkolonie, ein Handelszentrum oder eine Festung, dann könnt ihr das im Planetenmenü einstellen. Je nachdem könnt ihr sehen, für was der jeweilige Planet geeignet ist. Die Planeten haben unterschiedliche Bevölkerungsdichte, da sie sich nicht alle gleich terraformen lassen.

Was bleibt?

Viel zu tun ist dann eigentlich nicht mehr, aber dennoch bleiben Forschung, Schiffsbau und Diplomatie. Das alles läuft weitgehend konservativ ab, wie ihr es von vergleichbaren Spielen kennt. Ihr erkundet den Weltraum, wobei das nicht so spannend ist, da ihr euch beim Besiedeln von neuen Systemen kaum anstrengen müsst. Die Forschung ist da schon wichtiger, da ihr nur so mithalten könnt. Ihr bekommt pro Runden Forschungspunkte, die sich auf eure Projekte verteilen. Je aufwändiger eine Technik ist, desto länger dauert ihre Erforschung. Neue Erfindungen werden sofort übernommen. Ihr könnt sie auch tauschen. Die Diplomatie ist ebenfalls so wie ihr's kennt. Ihr könnt Kriege erklären, und Allianzen schmieden. Die KI ist allerdings sehr misstrauisch, da es keine Völker gibt, die euch freundlich gesinnt sind. Von kleineren Völkern erhaltet ihr eine Art von Quests, die im Spielverlauf immer anspruchsvoller werden.

Auch der Flottenbau funktioniert absolut so, wie ihr es kennt. Er ist sehr wichtig, dass ihr eine schlagkräftige Flotte habt, die neueste Technik verwendet. Ihr könnt Schiffe unterschiedlicher Größe mit euren Technologien entwerfen, was etwas umständlich ist. Dann baut ihr die Kreuzer, wenn ihr genug Erz dafür habt. Es gibt Planeten, die sich besser für den Bau eignen. Ihr könnt den Schiffsbau durch neue Technologien verkürzen und verbessern. Leider ist die Bedienung nicht immer komfortabel, was sich beim Flottenmanagement zeigt. Gerade das Kombinieren von Flotten ist umständlich und auch das Anklicken der Flotten im Gewirr der Planeten funktioniert nicht einwandfrei. Oft wählt ihr dehn Planeten aus, obwohl ihr den Flotte daneben wolltet.

Krieg im All

Wie bereits angekündigt, sind insbesondere die Schlachten ein Schwachpunkt, da sie nicht interaktiv sind. Ihr könnt sie zwar verfolgen, aber erst nach Ablauf. Wenn ihr also eine Flotte, die übrigens Unterhalt kostet, in ein feindliches Gebiet

Eine Schönheit ist Lost Empire nicht, auch wenn das Intro was anderes verheißt. Schon eher herrscht Nüchternheit vor.
manövriert, startet der Kampf. Siegentscheidend ist die Feuerkraft eurer Raumschiffe, weshalb ihr immer die neuesten Technologien einsetzen solltet. Ihr könnt auch die Taktik beeinflussen, indem ihr bestimmt, wie sich ein Schiff im Gefecht verhalten soll. Zurückhalten oder doch lieber in die Offensive gehen? Auch ein Admiral beeinflusst das Kriegsglück. Schiffe können auch Planeten bombardieren und Invasionstruppen absetzen. Wenn ihr ihn einnehmt, gehört er euch, ist es das Heimatsystem, ist es aus mit dem Feind.

Auch die Inszenierung der Schlachten ist wenig aufregend, was dem schmucklosen Gesamteindruck entspricht, den das Spiel hinterlässt. Irgendwelche winzig kleinen Schiffe werden auf einander losgelassen und ballern ein wenig. Dann geht eins in die Luft, das war's. Die Darstellung des Weltalls beeindruckt insgesamt kaum, auch weil es keine Nebel, Spiralgalaxien oder ähnliche Effekte zu bestaunen gibt. Die Sternenkarte ist zudem flach wie eine Flunder und damit weit von einer realistischen Darstellung entfernt. Zoomen dürft ihr auch nur bis zu einem gewissen Grad. Mit steigender Spieldauer wird das Ganze immer unübersichtlicher, obwohl es eine Minikarte gibt.

    

Fazit

Auch wenn es nicht so schwach ist wie gedacht: Verglichen mit viel komplexeren Spielen wie Galactic Civ 2 oder dem ungleich schöneren Sins of the Solar Empire vermag Lost Empire nicht richtig zu punkten. Dazu fehlt es einfach an passender Weltraum-Atmosphäre, die nur gelegentlich mal andockt. Zunächst entfaltet das rundenbasierte Strategiespiel jedoch eine gewisse Sogwirkung, die viele dieser strategischen Aufbauspiele besitzen. Man will, dass das Volk vorankommt, weshalb man kolonisiert, erfindet und Schiffe baut, was das Zeug hält. Außerdem will man die neuen Dinge ausprobieren wie etwa die nützlichen Anführer oder die entschlackte Spielmechanik. Dann merkt man aber schnell, dass die KI schon auf mittlerer Schwierigkeitsstufe zu happig ist und einem kaum eine Chance lässt. Außerdem gibt es für Reichsgründer hier nicht viel zu tun, da Planetenausbau, Handel oder Krieg automatisiert wurden. Bleiben also Schiffbau und Forschung, die von zentraler Bedeutung sind, aber nur das Übliche bieten. Auf lange Sicht kommt einem alles auch deshalb recht beliebig vor, da sich die sechs Völker zu ähnlich spielen. Unterm Strich ist es also nicht ganz so schlecht wie in meiner Vorschau dargestellt, aber auch aufgrund der Abstürze, der Unübersichtlichkeit sowie der umständlichen Bedienung bleibt eines der gerade noch befriedigenden Spiele von Paradox übrig.

Pro

anfänglich motivierend
entschlackte Spielmechanik
Anführer aufstellen
vereinfachtes Ressourcenmanagement
vereinfachte Planetenverwaltung
vieles jederzeit ändern

Kontra

Völker spielen sich ähnlich
Gefühl der Beliebigkeit
kein Ausbau der Planeten
Schlachten laufen automatisch
Handel läuft automatisch
KI lässt kaum eine Chance

Wertung

PC

Ein solides Weltraum-Strategiespiel, das zwar ein entschlacktes Prinzip aber wenig Neues bietet.

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