Test: Nikopol: Die Rückkehr der Unsterblichen (Adventure)

von Bodo Naser



Nikopol: Die Rückkehr der Unsterblichen
Publisher: JoWooD
Release:
27.02.2009
Spielinfo Bilder Videos
Bislang gab es von Benoit Sokal nur schön gezeichnete Welten im Stil von Syberia, Sinking Island oder Paradise. Jetzt versucht sich der Schriftsteller und Adventure-Macher an einer finsteren Zukunftsvision, deren Vorlage von Enki Bilal stammt. In Nikopol befindet sich Paris sowohl im Klammergriff inländischer als auch fremder Mächte. Wird die Ansammlung von Rätseln dem düsteren Comic gerecht?

Heruntergekommene Stadt

Im Jahre 2023 ist Paris nicht mehr das, was es mal war. In Nikopol erinnert es eher an die verregneten Hinterhöfe aus Blade Runner als an die Stadt der Liebe. Typische Sehenswürdigkeiten wie Eiffelturm, Notre Dames oder Seineufer sind allenfalls
Die Herrschaft von Sarkozy hat Paris wohl nicht gut getan. Im Jahr 2023 erinnert es eher an Mordor als an die Stadt der Liebe.
noch schemenhaft zu erkennen. Die Stadt wirkt finster, herunter gekommen und hat ihre Leichtigkeit eingebüßt. Stattdessen gibt es überall Blinklichter, Neonreklame und Schmierereinen an der Wand. Was ist nur geschehen? Hat Law&Order-Mann Sarkozy doch noch den berüchtigten Dampfstrahler raus geholt, um in den Vorstädten aufzuräumen? Wenn ja, hat es nicht viel genützt, denn nun sieht es überall so aus wie in den trostlosen Plattenbauten der Banlieues.

Kein Wunder - verschanzen sich die Herrschenden doch in einem hermetisch abgeschotteten Stadtviertel, das von allen nur der Bunker genannt wird. Außerhalb lebt der Abschaum der Gesellschaft, wozu auch der Held Alexander Nikopol gehört. Für Ordnung sorgt eine zynische Diktatur, die mit einem riesigen Polizeiaufgebot die Leute kontrolliert und die Reichen bewacht. Wer auffällt, dem werden monströse Wächter auf den Hals gehetzt. Damit nicht genug schwebt wie ein Menetekel eine gigantische Pyramide über der Stadt, die an den Stargate-Film erinnert. Was geschieht da? Die Ankunft führt dazu, dass neben der offiziellen Amtskirche des Diktators Weißkohl (Name klingt lächerlich, stimmt aber) jegliche Form von Aberglaube blüht. Es mischen sich Obrigkeitsglaube, christlicher Fanatismus und altägyptische Gottesfurcht.

Sand im System

Alexander Nikopol ist eigentlich Künstler. Er lebt in einer abgewetzten Wohnung und zeichnet Frauen-Portraits, von denen er
Pietätlos - die Urne der Mutter, die wie ne Coladose aussieht, gibt's aus dem Automaten. 
mehr schlecht als recht lebt. Als der allgegenwärtige Überwachsungsstaat unvermutet an seine Haustür "klopft", gelingt Nikopol gerade mal so eben die Flucht, die der Spieler unter Zeitdruck organisieren muss. Schutz verspricht sich der Held wider Willen von einem ominösen Orden, dem er erst kürzlich beigetreten ist und der auf dem Friedhof beheimatet ist. Es wird immer deutlicher, dass Alexander wegen seiner Herkunft vom Regime verfolgt wird. Sein Vater, der Raumfahrer war, verschwand unter mysteriösen Umständen im All. Gibt es da einen Zusammenhang mit dem pyramidenförmigen Fluggefährt über der Stadt? Fürchtet sich das Regime etwa vor einem einzelnen Mann?

Leider ist diese vielschichtige Hintergrundgeschichte kaum zu verstehen, da sie nicht gescheit erzählt wird. Das recht linear ablaufende Adventure kümmert sich mehr um seine Rätsel, die mit Müll gepflasterten Schauplätze und den coolen Look als um den roten Faden, der von Enki Bilals Comic-Trilogie vorgegeben wird. Und das ist schade, denn so ist es fast ein Wunder, dass überhaupt noch einige Anklänge von Kritik an unserer realen Welt rüberkommen. Auf dem High-Tech-Gottesacker gibt es etwa einen Automaten, an dem man Urnen samt Inhalt rauslassen kann. Um sich die Blechdose mit seiner Mutter "zu ziehen", muss der Spieler allerdings erst die Kollekte des Wärters plündern. Wenn das mal keine Kritik an unserem kommerziellen Bestattungswesen ist?
             

Kommentare

SnkShadow schrieb am
sarnokh hat geschrieben:Ächz... bin ich eigentlich der Einzige der düstere Welten-Settings a la Watchman satt hat? Matrix und Co lassen grüßen. Wenn ich ne düstere Welt sehen will, setz ich mich ins Wartezimmer des Jobcenters. Wenn ich einen Film oder ein Spiel bezahle, muss es schon mehr sein, als grau, braun und oh gugg noch mehr braun und grau.
Der einzige schonmal nicht, mir gehts auch aufn Keks. ;-)
MatsiWatsi schrieb am
Ha, ich hab die Comics von Enki Bilal zuhause liegen. Die sind noch von meinem Vadder. Gegen die Comics kann man nichts sagen, ausser dass sie was abgedreht sind, aber ein Spiel dazu brauch man nicht.
Dolgsthrasir schrieb am
Ich liebe die Spiele von Sokal, ob nun Syberia, Paradise (wenn auch das schlechteste von allen) oder Sinking Island.
Aber bei Aufgaben auf Zeit bin ich raus. Sowas (und Action- oder Schleicheinlagen) will ich in einem Adventure einfach nicht haben.
Nächstes mal bitte wieder ein Adventure im Stile von Syberia, das kann Sokal doch am Besten.
sarnokh schrieb am
Ächz... bin ich eigentlich der Einzige der düstere Welten-Settings a la Watchman satt hat? Matrix und Co lassen grüßen. Wenn ich ne düstere Welt sehen will, setz ich mich ins Wartezimmer des Jobcenters. Wenn ich einen Film oder ein Spiel bezahle, muss es schon mehr sein, als grau, braun und oh gugg noch mehr braun und grau.
JammyPage schrieb am
Da muss ich recht geben.
Ich fand die Spiele von Benoit Sokal immer wunderschön auch wenn man vor Einsamkeit fast gestorben ist.
Sinking Island war aber dann total entnervend für mich.
Und das jetzt.......
Sehr schade
schrieb am