Commander - Europe at War07.02.2008, Bodo Naser
Commander - Europe at War

Im Test:

In Sachen Echtzeit-Strategie lockt der Zweite Weltkrieg keinen Hobby-Offizier mehr aus dem Zelt hervor. Für die Rundenstrategie gilt das zum Glück noch nicht ganz, weshalb Commander - Europe at War (ab 14,00€ bei kaufen) sich jetzt anschickt, Nachschub zu liefern. Wird man mit dem Hearts of Iron 2-Klon von Slitherine (Legion Arena) glücklich?

Rundenweise zum Sieg?

Seit Panzergeneral besteht auch die Möglichkeit, den Zweiten Weltkrieg Runde für Runde für euch zu entscheiden. Vom Osten Frankreichs in die Ebenen von Stalingrad und in die Wüste Afrikas. Die berühmten Feldzüge waren auch Bestandteil

Der Frankreichfeldzug 1940 ist auch Bestandteil des Spiels. Gut sehen ist rechts die befestigte Maginot-Linie, um die ihr am besten einen Bogen macht.  
 von Hearts of Iron 2 (HoI2), das alles auf einer großen Karte präsentierte. Diese Spiele hatten eines gemeinsam: Ihr konntet vorgehen, wie ihr wolltet. Gerade HoI2 bot mannigfaltige Möglichkeiten, da ihr ja fast jedes am Konflikt beteiligte Land führen konntet. Mit Italien kurz mal halb Afrika einsacken oder mit Frankreich den großen Krieg verhindern, indem man Deutschland klein hält? Das alles konntet ihr ausprobieren, wenn ihr es wolltet.

Der Umfang von Commander nimmt sich dagegen eher bescheiden aus. Ihr könnt Achsenmächte oder Alliierte wählen, wobei keine einzelnen Länder spielbar sind. Ihr spielt immer das ganze Bündnis, was bei HoI2 ja auch möglich war. Kleinere Länder wie Ungarn treten dann bei, so dass ihr deren Armee führt. Sechs Startzeiträume gibt es von 1939-1944, die große Feldzüge wie Barbarossa oder D-Day markieren. Ihr könnt noch bestimmen, ob die Achse oder die Alliierten einen Vorteil haben sollen, was es etwas schwerer oder leichter macht. Weitere Szenarien gibt es nicht, ihr könnt das rundenbasierte Spiel aber auf zu zweit spielen. Das ist im Internet, LAN, an einem Rechner (Hotseat) und per E-Mail möglich.

Hearts of Iron 2 lässt grüßen

Danach geht es weiter, wie ihr es von HoI2 kennt: Ihr bewegt eure Korps auf einer in Hexfeder eingeteilten Karte, die auch Nordafrika und den Atlantik umfasst. Die ganze Welt ist jedoch nicht spielbar, weshalb Japanfans in die Röhre schauen. Nehmt ihr Deutschland könnt ihr Einheiten bewegen, angreifen oder neue aufstellen. Dafür erhaltet ihr pro Runde Nachschub, je nachdem wie sehr die Kriegsanstrengungen voran gehen. Auch Forschung ist möglich, wobei ihr Forschungspunkte verteilt. Eine Kriegserklärung ist die einzige diplomatische Möglichkeit, die ihr habt, denn ihr könnt noch nicht mal Frieden schließen. Wen wollt ihr angreifen: Dänemark und Norwegen oder doch lieber gleich Russland?

Auch der Polenfeldzug selbst erinnert frappierend an HoI2, ist aber kaum so anspruchsvoll. Auf ausgeglichenem Level sind die unterlegenen Polen überhaupt kein Gegner, was nicht ganz der historischen Wahrheit entspricht. Selbst Warschau, das 1939 erbittert verteidigt wurde, wird hier im Handstreich von den Landsern genommen. Ein ähnliches Bild ergibt sich in Russland. Schon in der zweiten Runde hat die Sowjetunion praktisch keine Armee mehr und ihr könnt leicht bis Moskau vorstoßen. Allerdings solltet ihr euch dabei nicht verzetteln und auf ein Ziel konzentrieren, denn wer gleichzeitig nach Leningrad und in den Süden stößt, wird nicht siegen. Der russische Raum entpuppt sich als endlich, auch wenn ihr den Schwierigkeitsgrad verschärft.

Blitzkrieg selten zu sehen

Mit echter Blitzkriegsstrategie hat das alles leider recht wenig zu tun, denn simple Infanterie reicht eigentlich immer aus. Panzer und insbesondere Flugzeuge sind so gut wie überflüssig, da auch Fußsoldaten Panzer und Flugzeuge (!) bekämpfen

Die deutschen U-Boote spielen eine Rolle, da ihr so den Alliierten den Nachschub zumindest erschweren könnt. 
können. Ideal ist motorisierte Infanterie, denn sie ist billiger als Panzer, mit ihr könnt ihr auch noch schnell vorstoßen und habt keinen großen Nachteil, wenn ihr im Wald oder in den Bergen kämpft. Ihr könnt eure Luftwaffe im Hangar stehen lassen, ohne dass es Nachteile hätte. Selbst über Flüsse hinweg ist es kein Problem, die eingegrabenen Feinde anzugreifen, zurückzuwerfen und zu vernichten. Selten gelingt es einmal, echte Durchbrüche zu erzielen und sie für großräumige Panzervorstöße auszunützen.

Auf See gelingt es besser, die berühmte Rudeltaktik der deutschen Marine abzubilden. Es ist relativ einfach, sich an die Konvois heranzupirschen, die mit schöner Regelmäßigkeit das Meer von den USA überqueren. Wenn ihr dabei zwei oder drei U-Boote einsetzt, könnt ihr den Geleitzug gleich ganz versenken und kein Nachschub kommt in England an. Allerdings ist es danach so, dass sich Zerstörer auf euch stürzen, wobei schon mal ein U-Boot auf Grund geht. Ansonsten spielt der Seekampf eine untergeordnete Rolle, da die deutsche Marine zu schwach ist, um ein echter Gegner zu sein. Es ist nicht möglich, Schlachtschiffe aus dem nichts zu stampfen, was realistisch ist, denn Deutschland war eher eine Landmacht.

                   

Feinde und Verbündete

Die gegnerische KI versucht ihr Bestes, geht aber vielleicht etwas zu aggressiv vor. Ihr gelingt es nicht immer rechtzeitig von Angriff auf Verteidigung umzustellen, obwohl sie bereits am Verlieren ist. 

Dieser italienische Vorstoß verläuft sich im Sande, da die Truppen so weit von zu Hause wenig motiviert sind.
Das bekommt manch menschlicher Geist auch nicht hin, aber es offenbart sich besonders 1941 zu Beginn des Russlandfeldzuges, wo die KI mit den Sowjets Vorstöße unternimmt, obwohl sie in der Unterzahl sind. Mit den Deutschen braucht euch nur angreifen zu lassen, schon habt ihr beste Voraussetzungen zum weitere Vorstoß durch die schwächten Feindeslinien.

Recht interessant ist das Konzept der Wirksamkeit der Truppen, denn je weiter weg sie von der Heimat kommen, desto weniger Kampfkraft entfalten sie. So sind Italiener in den Weiten Russlands so gut wie nutzlos und Deutsche in der Wüste immerhin nicht voll bei der Sache, aber doch besser als die Kämpfer vom italienischen Stiefel. Das ist erstaunlich realistisch, da gerade Rumänen, Bulgaren und Italiener eine schlechte Moral hatten. Entsprechendes gilt für den Nachschub, der vor Stalingrad natürlich immer weniger wird. Auch bei Rommels Afrikakorps kommt immer weniger an.

Produktion und Erfindungen

Wie bei HoI2 gibt es auch hier die Möglichkeit, euch durch Forschung einen Kriegsvorteil zu verschaffen. Es gibt die fünf Forschungsbereiche Infanterie, Luftwaffe, Panzer, Führung sowie Marine. Ihr könnt eure Forschungsstätten neue Technik erfinden lassen, dürft aber die Einrichtungen selbst nicht ausbauen. Allerdings ist das Ganze nicht sonderlich realistisch geraten, denn Italien hat im Spiel in Sachen militärischer Technologie gegenüber Deutschland die Nase vorn. Tatsächlich waren die italienischen Panzer veraltet. Zudem ist der Bereich Entwicklung nicht sonderlich verständlich gestaltet, weshalb ihr nicht so recht wisst, was ihr damit anstellen sollt.

Auch die Produktion spielt eine Rolle, denn ihr müsst neue Truppen und Waffen ausheben. Hier könnt ihr Panzer, Infanterie

Ihr bekommt pro Runde Produktionspunkte, mit denen ihr einkaufen könnt. Leider dürft ihr keine Fabriken bauen.
Flugzeuge und Schiffe erwerben, sowie Generäle wie Manstein oder Rommel, die die Kampfeigenschaften eurer Truppen verbessern. Alles hat seine Produktionszeit, die sich je nach Größe in Runden bemisst. Leider ist es nicht möglich, eure Produktionskapazitäten durch den Bau neuer Fabriken zu verbessern. Auch die Eisenbahn lässt sich nicht ausbauen, was unrealistische ist. Gerade die Deutschen entfalteten im Krieg eine fast manische Bautätigkeit in besetzten Gebieten, die mit Hilfe von Sklavenarbeitern auch neue Bahnlinien hervorbrauchte.

Sparoptik

Nicht nur inhaltlich sondern auch optisch hinerlässt es einen biederen Eindruck. Manches wirkt sogar richtig billig wie die Produktions- und Forschungsmenüs bzw. die Portraits der Generäle. Die Darstellung auf der Karte war schon bei HoI2 allenfalls zweckmäßig, hier ist sie noch spärlicher geraten. Natürlich erwartet niemand ernsthaft eine pompöse Darstellung von einem komplexen Strategiespiel dieser Art, aber ein wenig mehr könnte es schon sein. Schließlich hatte sogar Panzer General 1 anno 1994 schon die Bildchen der kämpfenden Truppen. Und Pacific General glänzte mit original Radiodurchsagen und zeitgenössischer Musik. Außer Panzergebrumm hat Commander da wenig zu bieten. Auch Entwickler Slitherine selbst hat das schon optisch Ansprechenderes abgeliefert.

      

Fazit

Obwohl es thematisch ziemlich ähnlich ist, kommt Commander - Europe at War nicht mal ansatzweise an den komplexen Klassiker Hearts of Iron 2 heran. Das Spiel bietet viel weniger Möglichkeiten, da insbesondere Kriegswirtschaft, Forschung und Diplomatie stark vereinfacht wurden. Die schmucklos präsentierten Schlachten sind trotz recht angriffslustiger KI meist keine große Herausforderung, da ihr eigentlich nur eine Masse von Infanterie braucht, um zu gewinnen. Die Luftwaffe ist völlig überflüssig und Tanks könnt ihr euch auch sparen. Einzige sinnvolle Neuerung ist, dass der Einsatzwille der Truppen mit steigender Entfernung zur Heimat abnimmt. Von Slitherine hat man im Grunde auch nix anderes erwartet, da ihre Strategiespiele wie Legion Arena eigentlich immer nur Durchschnitt waren. Unterm Strich: Ein Hearts of Iron 2-Klon, den niemand braucht. Wieder einmal sollten Rundenstrategen mit Herz und Verstand auf das Original zurückgreifen.

Pro

freies Vorgehen möglich
recht einfach zugänglich
Einsatzbereitschaft
Entfernung zur Heimat spielt mit
recht aggressive KI

Kontra

im Grunde nichts Neues
mageres Spielprinzip
eingeschränkte Forschung
Produktion lässt sich nicht ausbauen
lächerliche Diplomatie
Panzer und Flugzeuge überflüssig
oft zu einfach

Wertung

PC

Auch mit diesem Hearts of Iron 2-Klon rückt Slitherine nicht in die Topliga der Entwickler auf.

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