Ceville02.01.2009, Jan Wöbbeking
Ceville

Vorschau:

Ein Hoch auf die neuen Antihelden! Nach Ednas Ausbruch aus der Geschlossenen von Daedalic Entertainment wartet am 19. Februar bereits der nächste neurotische Charakter auf Freunde gepflegt alberner Adventure-Unterhaltung. Ceville (ab 3,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) lautet nicht nur der Titel des Spiels der Münchner Realmforge Studios (vormals Boxed Dreams), sondern auch der bösartigen Hauptfigur. Das breite Grinsen erinnert sofort an Isnogud, René Goscinnys größenwahnsinnigen Großwesir, der in unzähligen Episoden versuchte, Kalif anstelle des Kalifen zu werden. Ceville hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.

Boshaftigkeit ist Schwerstarbeit

Kaum hat es sich der rechtmäßig gewählte Tyrann auf dem Thron bequem gemacht, klingeln auch schon Putschisten an der Schlosstür und erwirken mit höflicher Androhung von Waffengewalt seine Absetzung. Schon zu Beginn des Spiels ist es ein wahrer Genuss, die letzte Dialogzeile aus den beiden stumpfen Palastwachen zu kitzeln. Die Texte sind nicht nur konsequent albern, sondern auch erstaunlich gut vertont. 

LeChuck lässt grüßen: Das Spiel ist vollgestopft mit Zitaten aus Adventure-Klassikern, Filmen und Wirtschaftsnachrichten.
Die Hauptfigur wird von Joe Pescis deutscher Stimme Mogens von Gadow gesprochen, der auch Bilbo Beutlin aus Der Herr der Ringe seine Stimme geliehen hat. Außerdem dabei sind die Synchronstimmen von Angelina Jolie sowie von Doug und Carrie aus King of Queens.

Auf seiner Mission zur Wiedererlangung seiner rechtmäßigen Schreckensherrschaft findet Ceville nicht nur mich als Verbündeten. Auch auf seiner Seite der Mattscheibe trifft er auf zwei Gehilfen. Dazu gehört neben dem vertrottelten Paladin-Schönling Ambrosius die gute Seele Lilly. Sie unterstützt den Tyrannen, um ein Regime des noch bösartigeren Basilius zu verhindern. Zunächst spielt sie sich gerne als moralische Instanz auf, doch im Laufe des Spiels färbt Cevilles zynische Ader auf sie ab. Ähnlich wie in Undercover: Doppeltes Spiel dirigiert ihr das ungleiche Trio abwechselnd durch das Königreich und löst ein ganzes Füllhorn an Rätseln.

Geisteskranke Rätsel unerwünscht

Obwohl sich die Kopfnüsse über mehrere Areale erstrecken, verspricht Creative Director Christian Wolfertstetter, dass die Spieler ihre Gehirnwindungen nicht auf all zu abstruse Weise verknoten müssen. Im Gegensatz zu den albernen Dialogen steht bei den Puzzles die Logik im Vordergrund. Zu Hilfe kommt außerdem die dynamische Hilfe-Funktion, welche per Tastendruck nicht nur die Pixeljagd erspart. Sie zeigt auch an anzeigt, welche Aktionen sich mit einem ausgewählten Gegenstand anbieten.       

Vielschichtiges Comic-Königreich

Auf seiner Reise lernt der quaderförmige Ex-Tyrann die unterschiedlichsten Facetten des Königreichs kennen. Er bereist idyllische Wälder, einen Dämonen-Friedhof, eine verträumte Südseeinsel und viele andere aus Polygonen zusammengesetzte Kulissen.

Mit moderner Technik zu Wohlstand gekommen: Die Zwergen-Limited-Incorporation-AG. 
Trotz der 3D-Darstellung atmen Hintergründe und Charaktere den Charme verschrobener Comiczeichnungen. Das liegt vor allem daran, dass die Grafiken zuerst liebevoll zu Pergament gebracht und sodann möglichst detailgetreu in die dritte Dimension übertragen wurden.

Die muckelig warmen Farben plus kleine Grafik-Spielereien wie Überstrahlen und Tiefenunschärfe tragen ebenfalls ihren Teil dazu bei, dass ich mich in der heimeligen Märchenstunden-Atmosphäre sofort wohl fühle. An den zahlreichen Clipping-Fehlern sollten die Entwickler aber noch arbeiten - bisher laufen die Charaktere munter durch Figuren und Gegenstände hindurch. Auf den Bildschirm gebracht wird die hübsche Kulisse von der Ogre Engine, welche auch bei Jack Keane zum Einsatz kam. Einen einigermaßen zeitgemäßen Rechenknecht solltet ihr daher schon besitzen; auf Omas Laptop könnte es Komplikationen geben.

Öko-Elfen vs. Kapitalisten-Zwerge

Ohne eine Grafikkarte mit DirectX-9-Unterstützung überredet ihr das Abenteuer genauso wenig zum Laufen wie die an einem Baum festgekettete Elfe. Die Öko-Aktivistin kämpft zusammen mit ihren Unterstützern im Hippie-Bulli gegen die skrupellosen Rodungsmethoden der Zwerge.

Wieder im Business: Das geläuterte Bossmonster wurde von Ceville auf den Weg des Bösen zurückgeführt.
Sprecht ihr sie an, beschwert sie sich natürlich prompt über Cevilles ehemaligen Regierungsstil: "Wir als Elfen hätten bei einer Regierungsbeteiligung das grüne Gewissen sein können." Auch der neureiche, mit fortgeschrittener Technik ausgestattete Zwerg gibt sich ganz und gar nicht altertümlich. Als Ceville vorschlägt, die Elfe einfach mitsamt dem Baum zu zerlegen, antwortet der Holzfäller: "Das zieht leider äußerst negative Publicity nach sich. Das würden wir gerne vermeiden."

Sogar das lispelnde Bossmonster auf dem Dämonenfriedhof ist gedanklich bereits im 21. Jahrhundert angekommen. Auf Wunsch referiert er detailliert über sein Geschäftsmodell des Helden-Anlockens und Schätze-Hortens, was wiederum neue Helden mit weiteren, äußerst wertvollen Gegenständen anlockt. Eigentlich wollte der knallrote Dämon das Endgegner-Dasein an den Nagel hängen, nachdem er erfolgreich an einer Resozialisierungsmaßnahme der guten Fee teilgenommen hatte. Glücklicherweise hat ihn Ceville aber wieder auf den Pfad des Bösen zurückgeführt. Um erneut seiner wahren Bestimmung nachzugehen, benötigt das Bossmonster allerdings ein neues zünftiges Dungeon, welches mein Helden-Trio ihm vermitteln soll. Als Gegenleistung darf Ceville auf seine Stimme zählen, wenn es darum geht, den geschäftsführend im Amt befindlichen Schurken Basilius abzuwählen.             

Ausblick

Ich liebe Überraschungen! Nur wenige Monate nach Daedalics Edna darf ich schon wieder durch herrlich selbstironisch gestaltete Adventure-Welten wandeln. Trotz des märchenhaften Settings ist Ceville vollgestopft mit albernen Gags, Zitaten und Anspielungen aus Genre-Klassikern, Filmen und aktuellen Wirtschaftsdebatten. Das Spiel wirkt wie das spielbare Gegenstück von Film-Parodien wie Scary Movie oder Hot Shots - nur eben in einem Königreich voller neurotischer Märchenfiguren. In einer solchen Welt stellt der Flaschengeist als Gewerkschaftsvertreter der Geisterwesen natürlich Bedingungen, bevor er die Lampe verlässt. Die Elfen leben als Öko-Aktivisten in einem blumigen Hippi-Bus und ein rotes Bossmonster mutiert zu einem schlimmeren Softie als der South-Park-Satan. Es gibt sogar einen verdrehten Piraten mit Wischmob-Holzbein und Papagei in der Augenhöhle! Trotz ansehnlicher 3D-Grafik wirken die Charaktere beinah so liebevoll gestaltet wie die gezeichnete Konkurrenz. Wenn Ceville auch über längere Zeit mit spannenden Rätseln und lustigen Dialogen unterhalten kann, steht uns ein echtes Highlight bevor.

Ersteindruck: sehr gut

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