Vorschau: Civilization 4: Colonization (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Civilization 4: Colonization
Entwickler:
Publisher: 2K Games
Release:
26.09.2008
Spielinfo Bilder Videos
Was verbindet ihr mit MicroProse? Wahrscheinlich das berühmte Soccer für Amiga oder C-64. War auch wirklich gut, der Kick anno 1988. Aber sonst noch? Natürlich! Sid Meiers Civilization! Was sechs Jahre später für die rundenbasierte Kolonisierung Amerikas sorgte, feiert am 26. September 2008 sein Comeback. Kann der Klassiker im neuen Gewand überzeugen? Wir haben mit den Franzosen unser Glück in der Neuen Welt versucht...

Nostalgie anno 1994



Eiche rustikal und 2D frontal: Das waren noch Zeiten! So sah Colonization anno 1994 unter MS-DOS aus. 
Wie eng die Verwandtschaft zwischen Brett- und Computerspielen vor allem in der Pionierzeit der Strategie war, zeigen die Spiele von Sid Meier. Er war selbst leidenschaftlicher Brettspieler und hat diese Passion in die von ihm gegründete Firma MicroProse (1982) einfließen lassen. Spiele wie "Crusade in Europe", "Railroad Tycoon" und nicht zuletzt "Civilization" sind ohne die rundenbasierten Wurzeln nicht denkbar. Und "Colonization" (1994) gilt für viele heute noch als eines der besten Sid Meier-Spiele. Wenn man sich heute die Zitate von damals anschaut, ist sehr oft von "Bis zum Morgen gespielt", "Mann am Monitor verhungert" oder "Nach 789 Runden Scheidung eingereicht" die Rede. Jedenfalls weckt der Name nostalgische Erinnerungen an längst vergangen geglaubte Nonstopzockerei in einer Galaxie namens MS-DOS...

Versunken in der Nordwest-Passage

...und auch anno 2008 hört man schnell den Ruf der Frau, wenn man sich mit seinen Kolonisten in die rundenbasierte Wildnis Amerikas wagt: Schatz, das Essen ist fertig! Wen interessiert die Nahrungsaufnahme, wenn die verdammten Spanier so verdammt schnell expandieren? Was soll ich Spagetti schlemmen, wenn meine Kolonisten in Québec hungern? Und wie soll ich aus der Küche heraus meine Unabhängigkeit gegenüber der französischen Krone erklären? Das sind existenziell wichtige Fragen, die mich in Civilization IV: Colonization beschäftigen. Und sie machen mich schon auf dem dritten von sieben Schwierigkeitsgraden fast wahnsinnig. Das Leben in der Neuen Welt ist weder im freien Spiel noch in den vier Szenarien (Nordwestpassage, Südamerika, Westliche Welt normal und riesig) ein Zuckerschlecken, denn hier geht es im Gegensatz zum großen Bruder Civilization IV nicht so sehr um das Weltreichs-, sondern vielmehr um das kluge Personalmanagement.

Und so sieht das mit der Civilization IV-Engine entwickelte Remake heuet aus - vor allem das Wasser und die Schiffe können sich sehen lassen.
Colonization hat einen ganz anderen Rhythmus und alte Civ-Hasen müssen genau so umdenken wie sich Neulinge angesichts der Komplexität reinbeißen müssen. Was heißt das? Das heißt, dass jeder Mann wichtig ist - Frauen kommen in dieser historischen Männerwelt nicht vor, sie rufen nur genervt aus der realen Welt rein: Schatz, du kannst dir die Spagetti jetzt warm machen! Sobald ihr mit einem Schiff und zwei Einheiten im Jahr 1492 eine Kolonie gründet, setzt ihr das Räderwerk in Gang, das euch Nahrung, Gold, Schätze, Rohstoffe, Produkte, Verbündete, Religionspunkte, Politikpunkte oder die wichtigen Freiheitspunkte bringt. Hört sich alles wichtig an? Ist es auch, aber ihr müsst Prioritäten setzen! Denn das Spielziel lautet unmissverständlich: Ihr müsst bis Ende des 18. Jahrhunderts als erste (!) europäische Kolonie die Unabhängigkeit von eurem Mutterland (Spanien, England, Frankreich, Niederlande) erklären und die Truppen der Krone besiegen. Und das geht nur, wenn 50% eurer Bevölkerung rebellisch gestimmt und eure Soladten auf Abwehrschlacht getrimmt sind.

Wirtschaft & Rebellion

Jeder Mann ist wichtig: In Colonization entscheidet der effiziente Einsatz eurer Siedler über die Expansion eures Reiches.
Tja, und genau das ist knifflig: Denn wie soll man gleichzeitig wirtschaftlich expandieren, also Wohlstand und Arbeit schaffen, was wiederum Gold und Handelsware einbringt, und rebellisch sein? In Colonization müsst ihr dazu wertvolle Arbeitskräfte und Neusiedler ins Rathaus stecken, wo sie das nationale Selbstbewusstsein in Glockenform stärken. Das Problem ist erstens, dass diese drei nicht arbeiten und trotzdem ernährt werden müssen. Das Problem ist zweitens, dass die rebellische Stimmung immer aus einem Verhältnis zwischen diesen drei Propagandamännern und der Stadtbevölkerung berechnet wird. Sprich: Je mehr arbeitende Leute in der Siedlung, desto niedriger der Wille, gegen die Krone aufzubegehren. Man muss also einen Weg finden, der sowohl eine gewisse Produktion sichert als auch genügend Propaganda. Und dann muss man seine Siedlungen noch so schützen, dass sie nicht gleich von Indianern überrannt oder von den drei europäischen Konkurrenten vereinnahmt werden. Und dann muss man mit Indianern aus zig Stämmen handeln, sie bekehren und mit Geschenken beehren. Und dann muss man selbst Waffen produzieren. Und dann muss man die blöden Freibeuter mit eigenen Linienschiffen abwehren. Und dann. Und dann. Und dann.

Also behandelt man jeden, wirklich jeden neuen Kolonisten, wie einen Schatz. Und man macht sich Gedanken darüber, ob man den Meistertabakpflanzer, der statt drei gleich sechs Blätter erntet, wirklich auf das Feld schickt oder ihn nicht doch zum rebellischen Politiker oder Missionar ausbildet. Das Schöne an Colonization ist, dass ihr die Berufe der Kolonisten quasi jederzeit wechseln könnt - allerdings auf Kosten etwaiger Spezialisierungen. Wie teuer die Ressource Mensch ist, vor allem wenn sie qualifiziert ist, zeigt sich bei einem Besuch im Heimatland. Wer dort seine Rohstoffe verkauft, kann auch Auswanderer mit Beruf einkaufen, wenn sie nicht von alleine in die Neue Welt wollen. Und das ist richtig teuer: Für so einen Meisterpolitiker, der im Rathaus von Québec ordentlich gegen den französischen König wettern könnte (sechs statt drei Glocken!), zahlt man schon mal zweitausend Gold. Dafür muss man in Amerika richtig lang Baumwolle pflücken. Apropos teuer: Euer König hebt fast jede gefühlte Runde nicht nur die Steuern auf eure Exporte, sondern verlangt auch mal die Hälfte eurer Koloniekasse oder des gerade gefundenen Schatzes. Und dem Mann muss man auch noch den Ring küssen - oder eben alles verweigern. Aber dann  darf man bestimmte Rohstoffe nicht mehr exportieren und plötzlich wird das monarchische Expeditionsheer verstärkt. Ob man sich doch mit den Franzosen oder Engländern anfreunden soll? Aber dann sind die wieder schneller unabhängig. Verflixt, welche Strategie ist hier nur die bessere...oh, es ist schon 1:25 Uhr? Dann nur noch schnell eine neue Siedlung gründen, den Pionier einen Bauernhof errichten lassen und die Missionare gen Sioux-Ebenen schicken... 
 

AUSBLICK



Ja, ich komme später zum Essen! Wann? Weiß ich nicht genau - ich hab noch 67 Runden bis zur Unabhängigkeitserklärung. Stellt euch auf diese Szenario der verschobenen Familientermine ein und rechnet noch die Nächte hinzu, dann wisst ihr, was euch ab dem 26. September in der Neuen Welt erwartet. Diese Vorschau sollte nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Testanalyse sein, die wir euch schon in zwei Wochen anbieten. Das Team von Firaxis befriedigt mit Colonization nicht nur inhaltlich, sondern auch in Sachen Art & Design die nostalgischen Gefühle rundenbasierter Eroberer - Startbildschirm, Holzmenüs & Co erinnern an den Klassiker, der natürlich im Bereich der Wasser- & Landschaftsdarstellung verschönert wurde; übrigens auch gegenüber dem großen Bruder Civilization IV. Dieses edle historische Remake darf man sich vor allem als Ü30-Stratege nicht entgehen lassen. Noch bin ich mir trotz aller Sympathie und totgeklickter Zeit aber nicht sicher, ob mich die Spielmechanik begeistert. Ja, sie hat ihre magische Anziehungskraft in dem Blanceakt zwischen Wirtschaftlichkeit und Rebellion. Aber sie hat auch ihre kleinen Logikfehler und Macken, auf die wir im Test eingehen. Und sie bleibt einige Verbesserungen schuldig, die das Mikromanagement sowie den Kampf betreffen. Noch hab ich ein bisschen Zeit, um die Franzosen zur Unabhängigkeit zu führen und des Königs Flotte vor Québec mit krachenden Breitseiten zu begrüßen.


Ersteindruck: gut

Kommentare

X-Live-X schrieb am
@4p: Ist eigentlich absehbar wann ihr das zugehörige Review online stellt?
Also vor oder nach dem Release?
X-Live-X schrieb am
KnuP hat geschrieben:Jetzt noch ein SMACX Remake und alle anderen Publisher können mich mit ihren langweiligen supidupi Produkten gepflegt am Popo ****......
Das liegt leider weder in der Macht von Take2 oder Firaxis, sondern ist EAs Bier!
KnuP schrieb am
Jetzt noch ein SMACX Remake und alle anderen Publisher können mich mit ihren langweiligen supidupi Produkten gepflegt am Popo ****......
Thanius schrieb am
Bendu hat geschrieben:Die Gründerväter sind wieder mit von der Partie.
super, danke für die Info :)
Bendu schrieb am
Die Gründerväter sind wieder mit von der Partie.
schrieb am