FIFA 0910.07.2008, Jörg Luibl
FIFA 09

Vorschau:

Nach der EM ist vor der WM. Nach FIFA 08 ist vor FIFA 09 (ab 2,94€ bei kaufen). Und das ist gut so, denn dann kann man fleißig Fehler analysieren, sein Team verbessern und für das nächste große Turnier vorbereiten. Was für Jogi, Schweini & Co allerdings erst 2010 in Südafrika stattfindet, wird schon diesen Herbst für Electronic Arts angepfiffen: Das alljährliche Finale gegen Pro Evolution Soccer. Haben die Kanadier eine Chance gegen die Fußballmacht aus Japan? Wir haben PC- und PS3-Version ausführlich spielen können.

Anpfiff in München

Aufatmen, Fußballfans mit Rechner: Befand sich die PC-Version letztes Jahr auf PS2-Niveau, liefert EA dieses Jahr endlich ansehnlichen Fußball inklusive optionaler Maus/Tastatursteuerung, die euch per Point&Click passen und schießen lässt. (PC)
Wenn Electronic Arts kurz vor der E3 gleich drei Producer nach Deutschland schickt, um die aktuellen Fußballspiele für Wii, PC, 360 und PS3 zu präsentieren, dann kann man als Journalist jede Menge Fragen stellen. Das haben wir auch getan, allerdings haben wir auf Interviews verzichtet und lieber neben Flanke und Direktabnahme gequatscht, denn die Entwickler hatten für alle Konsolen spielbare Fassungen dabei. Und was zählen schon blumige Versprechungen gegen das, was auf dem Platz passiert?

Das PC-Debakel - aus Fehlern gelernt?

Trotzdem haben wir uns vor dem Anpfiff den Liverpool-Fan Paul Hossack geschnappt, der für die diesjährige PC-Version verantwortlich zeichnet und gleich Tacheles geredet:

"Paul, was war das letztes Jahr für eine Katastrophe auf dem PC (FIFA 08 : 59%; UEFA Euro 2008 : 55%)? Warum habt ihr eine technisch dermaßen erbärmliche Variante auf den Markt geschmissen?"

Nach einer kleinen Pause erklärt Paul, dass das ein Fehler war, dass man den Unmut der Fans versteht, dass dieses Jahr

Trotzdem sieht der Kick auf PS3 und 360, wo es 15 neue Stadien geben soll, besser aus. Auch in der Spielmechanik gibt es Unterschiede - und hier profitiert der PC von kleinen Feinheiten: Ballphysik, Abschirm-Technik und etwas mehr Spieldynamik könnten dafür sorgen, dass am Ende nicht die schönere Variante vorne liegt. (PS3)
alles anders wird und dass man auch PC-Spielern ansehnlichen Fußball servieren will.

"Und warum ging das nicht schon letztes Jahr?"

Da war man noch nicht so weit.

Und warum hat man das Spiel dennoch veröffentlicht?

Bevor Paul die wirtschaftliche Entscheidung entschuldigt, die er nicht zu verantworten hat, und bevor er zu lange über "350 neue Animationen" und Innovationen wie "Widgets" (kleine Fenster, die euch z.B. über aktuelle Ergebnisse eures Lieblingsclubs sowie eure Online-Statistiken informieren) sowie neue Physik- und KI-Routinen reden kann, bitten wir den Meister zum Duell. Wichtig für uns: Electronic Arts gesteht die Fehler ein. Noch wichtiger: Haben sie daraus gelernt?

Kulisse: Rechner = Konsole?

Im Animations- und Physikbereich hat EA die größten Fortschritte gemacht: Es gibt mehr Dribblings und je nach Statur sehr authentische Kollisionen bei Kopfballversuchen oder Grätschen. (PS3)
FIFA 09 wurde von einem eigenen Team separat für den Rechner entwickelt. Die erste Erleichterung: Es sieht auf dem PC endlich gut aus. Vergesst die Trauerkulisse vom letzten Jahr, dieses Jahr wird ansehnlich gekickt - übrigens auch mit Schiedsrichter und einem zweiten Mann bei Freistößen. Wer einen leistungsfähigen Rechner daheim hat, darf sich auf prächtige Stadien, geschmeidige Animationen sowie authentische Aufprallroutinen freuen.

Man merkt dem Spiel auf PS3 und PC an, wie viel mehr an Motion Capturing und Physikerweiterungen drin stecken: Keeper fausten Bälle weg, beim Sprintduell wird herrlich mit dem Ellbogen gearbeitet, neue Hackentricks sorgen für mehr Dribblingkultur, bei Grätschen fallen die Spieler nicht nur endlich in die richtige Richtung, sie schlagen je nach Einfallswinkel und Wucht des gegnerischen Beins auch Purzelbäume, rappeln sich nach einem Stolpern vielleicht wieder auf oder gehen wirklich so brachial zu Boden, dass man sich ein "Autsch" nicht verkneifen kann. Sehr gut gefallen haben mir die neuen Stolpereien und Ballannahmen bei hohen Flanken: Spieler steigen hoch, nehmen das Leder in der Luft elegant mit der Brust an und versuchen dann, am Boden mit einem Pass weiter zu spielen. Je nach Statur und Gewicht kann man zudem ganz unterschiedliche Kopfballsituationen erleben, in denen die Körper wuchtig aufeinander prallen oder sich nur leicht wegschieben - sehr schön!

Allerdings ist man auf dem PC grafisch immer noch nicht auf par mit dem Konsolenkick - die PlayStation 3-Variante sieht vor allem im Detail als auch beim distanzierten Blick auf Platz und Spieler deutlich besser aus; man erkennt einfach mehr von Statur und Bewegungen. Auch dieses Jahr wird EA also keine gleichwertige 1:1-Umsetzung anbieten können. Wir hoffen zudem, dass die leichten Ruckler auf PS3 (selbst in den Wiederholungen) noch bis zum Release verschwinden.    

Maus kontra Gamepad

Man hat vor allem bei den Stars auf die Individualität geachtet: Ronaldo & Co stehen, laufen, dribbeln, jubeln und fluchen wie ihre Vorbilder. Besonders ansehnlich ist das sanfte Streicheln des Balles, das ihn leicht rollen lässt. (PS3)
Die erste Überraschung: Man kann tatsächlich mit einer Kombination aus Maus und Tastatur am PC spielen! Über WASD steuert man seinen Spieler, sprintet mit der Leertaste, während man ein Fadenkreuz mit dem Nager frei über das Feld bewegt. Mit einem Klick auf die linke Maustaste wird flach gepasst, bei zweien hoch und die rechte Maustaste ist für die Schüsse zuständig. Pressing wird über die mittlere Taste aktiviert. Was für reine Gamepad-Spieler wie mich zu Beginn gewöhnungsbedürftig war, entpuppte sich auf Dauer als überraschend intuitive Point&Click-Variante, die ähnlich wie Konamis Pro Evolution Soccer auf Wii auch strategische Elemente ermöglicht - man kann z.B. Stürmer gezielt in freie Räume schicken. Außerdem kann man ber Mausbewegung je nach Profi insg. 32 Spezialbewegungen vom Übersteiger bis zum Hackentrick ausführen und 17 eigene Bewegungen kreieren; das konnten wir noch nicht ausprobieren.

Im Dauertest muss sich beweisen, ob das für frischen Wind im Spielaufbau sorgen kann. Obwohl dieses Steuerungs-Experiment durchaus aufgehen kann, vermisse ich allerdings die letzte Präzision bei den Dribblings. Die kann man sich holen, indem man einfach ein Gamepad anschließt und die Steuerung komplett frei belegt. Leider hatte EA in den betreffenden Menüs weder aussagekräftige Buttonangaben noch unterschiedliche Belegungen für Gamepads implementiert. Sprich: Wenn ihr zu zweit an einem Rechner spielt, wie Paul und ich, muss man sich auf eine Variante einigen - hier muss mehr Komfort her!

Neue Spieldynamik?

Zwei Kleinigkeiten feiern in FIFA 09 ihre Premiere: Erstens gibt es einen Schiedsrichter, zweitens kann ein zweiter Mann zum Freistoß hinzugezogen werden. Das hatte die Konkurrenz allerdings schon früher... (PS3)
Oder man spielt gemischt: Einer mit Maus/Tastatur, einer mit Gamepad. Das haben Paul und ich gemacht, und dabei sind mir drei Dinge aufgefallen: Erstens spielt sich FIFA 09 auf dem PC einen Tick schneller und dynamischer als auf der PS3. Zweitens gefällt mir die Ballphysik hier besser, denn die Direktabnahmen sowie Schüsse aus der zweiten Reihe krachen satter. Drittens sorgt das aktive Abschirmen des Balles dafür, dass man sich auf dem PC mehr Ruhe in hektischen Situationen verschaffen kann: Einfach den Gegner mit dem rechten Analogstick auf Abstand halten, wenn der Ball ruht, und überlegen, ob man evtl. mit einem engen Dribbling vorbei zieht oder passt.

Seltsam ist: Obwohl mir David Rutter, der Producer der Konsolenvarianten erklärte, dass das auch auf der PS3 möglich sein soll, konnte ich es hier nicht auf Knopfdruck einsetzen. Wenn man beide Versionen abwechselnd spielt, merkt man ohnehin schnell, dass hier zwei unterschiedliche Entwicklungsteams am Werk waren. Obwohl mir die Konsolenversion grafisch besser gefällt und im Vergleich zum Vorjahr auch spielerisch Fortschritte gemacht hat, zeigt sie noch zwei bekannte Schwächen: Da die defensiven Automatismen wie Doppeldeckung, Pressing & Co im Vergleich zu den offensiven Manövern wie Dribblings, Doppelpass & Co sehr stark sind, kommt es oft zu einem zähen Mittelfeldschlagabtausch, bei dem ein Ballverlust den nächsten jagt. Nach unserem dritten Spiel Manchester gegen Chelsea meinte David, dass das Spiel ganz schön "stressful" sei.

Zähes Hin und Her im Mittelfeld

Auf der Konsole kehrt der "Be A Pro"-Modus zurück, in dem ihr über vier Saisons einen unbekannten Spieler zum Star machen könnt. Auf dem PC warten drei Spielmodi auf euch: Ein Manager-, Turnier- und Herausforderungsmodus. Leider kann man online nicht an den imposanten 10 gegen 10-Konsolenkomfort anknüpfen - da geht es nur zu zweit zur Sache. Lediglich offline kann man am PC vier gegen vier spielen.
Da hat er Recht und genau da liegt das Kernproblem von FIFA 09: Obwohl man die Animationen sichtbar verbessert, neue Tricks eingeführt und die Geschwindigkeit insgesamt erhöht hat, bleibt das Spielgefühl in etwa gleich, da man im stark umkämpften Mittelfeld nur selten über One Touch-Pässe oder schnelle Dribblings Räume schaffen kann. Das liegt auch daran, dass die Offensiv-KI der eigenen Mitspieler bei weitem nicht so stark ist wie die der Abwehrreihe: Gut ist, dass die Stürmer selbst mit dem Arm in den freien Raum zeigen, wo der Pass hin kommen soll; schlecht ist, dass sie dabei oftmals nicht klug genug laufen und bei Doppelpässen zu langsam sind. Ob das auf dem PC mit der freien Maus-Steuerung der Laufwege besser funktioniert?

Ein Lichtblick ist allerdings die neue individuelle Stärke der Stars: In FIFA 09 kann man mit einem dribbelstarken Ronaldo, dem torgefährlichen Torres oder auch dem pfeilschnellen Lahm sehr effektiv agieren. Und ein Rooney zieht dermaßen unwiderstehlich in die Mitte, dass er nahezu jeden Steilpass erwischt. Wer den deutschen Außenverteidiger Lahm steuert kann sogar nach einem Ballverlust dermaßen schnell an Tempo gewinnen, dass man selbst den zehn, zwanzig Meter entfernten gegnerischen Spieler noch überholt.

Im Offlinebereich haben PS3-Spieler mit sieben Freunden vor einer Konsole gegenüber nur vieren an der Xbox 360 die Nase vorn. Im Online-Bereich gibt es die größten Fortschritte - allerdings nur auf 360 und PS3: Konnte man letztes Jahr nur 5 gegen 5 mit Freunden spielen, ist dieses Jahr sogar ein 10 gegen 10 möglich - nur der Torwart wird dann noch von der KI gesteuert. Auch im Taktikbereich liegen Konsoleros vorn: Ihr könnt eigene Formationen und Verhaltensmuster erstellen, die sich z.B. an der Spielweise eures Lieblingsvereins orientieren: Elf Parameter lassen sich für140 offensive und 40 defensive Situationen ändern, so dass theoretisch 50.000 Kombinationen möglich sind.

               

Ausblick

Der Ball läuft sauber, der Kick sieht klasse aus, das Spiel macht Spaß. Und Electronic Arts läutet nach dem Debakel des Vorjahres auch auf dem Rechner den ersten Schritt in die nächste Grafikgeneration ein. Freut euch also auf eine prächtige Kulisse mit geschmeidigen Animationen, 3D-Gras und allem Drumherum. Allerdings kann man noch nicht 1:1 an den grafisch weiter entwickelten Konsolenfußball für PS3 und 360 anknüpfen - da wird man wohl frühestens nächstes Jahr gleichziehen. Auf Konsolen geht es zwar nicht in Full HD, aber dafür immer noch brillanter und ansehnlicher Richtung Strafraum. Außerdem wird man nur dort zehn gegen zehn online spielen, eigene Teamtaktiken kreieren oder die Karriere vom Noname-Kicker zum Star starten können; auf der Konsole bekommt man also deutlich mehr Inhalte. Dafür profitieren Fußballer auf dem Rechner neben der strategisch interessanten, aber hinsichtlich präziser Manöver gewöhnungsbedürftigen Maus/Tastatur-Steuerung vor allem von der etwas besseren Dynamik und Schussphysik. Wenn ich abwechselnd PC und PS3 gespielt habe, fühlte sich der Kick am Rechner auch aufgrund des taktisch sinnvollen Abschirmens spieltechnisch etwas besser an. Noch kann man hier kein abschließendes Fazit ziehen, da es sich nicht um finale Fassungen handelte und auch auf der PS3 hat das Spiel richtig Laune gemacht. Allerdings hatte ich hier das Gefühl, dass trotz der sichtbaren Fortschritte im Bewegungs- und Kollisionsbereich die zwei Kernschwächen von FIFA 08 etwas deutlicher zum Tragen kommen: Die Ballphysik ist immer noch nicht so, wie sie sein sollte - explosiv, wuchtig, schwer. Und es kommt immer noch zu einem zähen Mittelfeld-Hin-und-Her, da man dem Gegner viel leichter den Ball abnehmen kann als dass man schnell und unberechenbar über Doppelpässe oder lange Flanken freie Räume schaffen kann. Nach unseren ersten Probespielen zu urteilen, macht die PC-Version nach dem katastrophalen Vorjahr einen Riesenschritt nach vorne, auf PS3 und Xbox 360 sehe ich bisher einen kleinen. Beide unterscheidet von FIFA 08, dass sie sich etwas schneller und dynamischer anfühlen - und das ist gut. Ob FIFA 09 wieder unser Gold erobern kann? Das wird sich zeigen müssen, wenn wir die Offensiv-KI und die Passwirkung im Dauertest prüfen. Ob FIFA 09 gegen Pro Evolution Soccer 2009 eine Chance hat? Gute Frage. Konamis Kick haben wir noch nicht spielen können.


Ersteindruck: gut

(Die Vorschau für die Wii-Version, die sich deutlich unterscheidet, kommt nächste Woche. Anm. d. Red.)

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