Shadow Harvest07.03.2011, Jan Wöbbeking
Shadow Harvest

Vorschau:

Der afrikanische Kontinent ist in Aufruhr: In der Welt von Shadow Harvest (ab 5,99€ bei kaufen) erheben sich allerdings keine friedlichen Demonstranten, sondern zwei Geheimdienstagenten  gegen einen somalischen Despoten, welcher die Piraten vor der Küste finanziert. Mit einer Mischung aus Stealth und Action wollen die Black Lion Studios mit ihrem für den 15. April angesetzten PC-Titel an Taktik-Shooter wie Hidden & Dangerous anknüpfen. Wir haben den Entwickler in Hannover besucht und uns durch das erste Szenario gekämpft.

Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe

Das Team hat seinen Sitz in der gleichen Villa, in der Entwickler Reakktor vor knapp zehn Jahren an Neocron arbeitete. Auch einige Köpfe wie Direktor und Gründer Martin Schwiezer sind geblieben. Spielerisch bewegt sich Shadow Harvest aber in eine komplett andere Richtung als der Online-Cyberpunk.

Aaron ist der Mann für's Grobe...
Zunächst schlüpfe ich in die Rolle von Aaron Alvarez. Das Ex-Mitglied einer Army-Spezialeinheit ist der Mann für's Grobe: Er besitzt die Fähigkeit, sich ähnlich wie in Gears of War hinter eine Deckung zu kleben und von dort aus seine Widersacher mit blauen Bohnen einzudecken.  Dabei schaue ich ihm wie in einem typischen Third-Person-Shooter über die Schulter. Man könnte meinen, seine Liebe zu Bleispritzen gehe so weit, dass er nicht mal im Nahkampf den Finger vom Abzug nimmt. Der Verzicht auf eine direktere Attacke hat allerdings seinen Grund: Die Entwickler haben ihn nicht mit einem Messer-Angriff oder Ähnlichem ausgerüstet, weil ich in späteren Missionen jederzeit zu Myra Lee umschalten kann. Sie besitzt zwar von Haus aus eine Abneigung gegen martialische Projektil-Waffen, hat allerdings keine Skrupel, auf Tuchfühlung mit dem Gegner zu gehen und ihm eine Reihe fieser Spezialklingen in den Hals zu rammen. Auch lärmende Pfeilspitzen kann sie zur Ablenkung verschießen.

Myra schlüpft in die Rolle des weiblichen Sam Fishers. Sie bewegt ihre im hautengen Latex-Anzug eingeschnürten weiblichen Kurven ebenso geschmeidig wie lautlos von einem Versteck zum anderen. Am meisten Spaß macht ihr technischer Schnickschnack: Im Jahr 2025 haben findige Forscher einen Anzug entwickelt, welcher dem des Predator in nichts nachsteht. Ein Knopfdruck genügt und schon verwandelt sich die schnittige Schleich-Expertin in einen verschwommenen Fleck, der nur auf den zweiten Blick zu erkennen ist. Auch die Gegner lassen sich auf diese Weise tarnen. Da es den Entwicklern in anderen Spielen auf die Nerven ging,  ständig die Leichen-Müllabfuhr zu spielen, muss man  den erlegten Gegner in Shadow Harvest nicht in einer dunklen Ecke verstecken. Stattdessen injiziert man einfach das passende Gift und schon verwandelt er sich in einen nahezu unsichtbaren Fleck in der Kulisse. Das Hacken und Schlösserknacken gehört ebenfalls zu ihren Fähigkeiten, außerdem kann sie ihre Gegner als menschliches Schutzschild benutzen.

Auf leisen Sohlen durch den Palast

In der ersten Kampagne muss Myra in den Präsidentenpalast eindringen, um als Bauchtänzerin in die Nähe von Diktator Kimosein zu gelangen und ihm eine GPS-Wanze zu verpassen. Die Quicktime-Einlage ist allerdings noch nicht in der Vorab-Version enthalten.  Statt die Hüften zu schwingen, benutze ich also eine weitere technische Finesse, als ich durch den Hof schleiche: Mit Hilfe eines Peilsignals lässt sich feststellen, 

...Myra geht subtiler vor: Ist der Tarnanzug aktiviert, verwandelt sie sich in einen schwer sichtbaren Fleck (links neben der Tür).
hinter welcher Ecke die Wachen ihren Posten bezogen haben. Auch ihre Blickrichtung spielt dabei eine wichtige Rolle, denn die Entwickler legen besonders viel Wert darauf, dass die Gegner den Spieler nur dann entdecken, wenn auch der Kopf in die entsprechende Richtung schaut. Bei meiner Spielsession reagierten einige der Wachen bereits erfreulich menschlich.

Unglaubwürdig wirkte allerdings, dass sie nicht nur Alarm schlugen, sondern an anderer Stelle kurz nach einer Entdeckung wieder das Interesse an mir verloren. Auch Schwiezer gibt in einem Interview zu, dass Letzteres nicht immer realistisch sei, aber letztendlich für einen fair ausbalancierten Spielfluss sorge: »Einen gewissen Abstraktionsgrad gibt es natürlich in jedem Schleichspiel«. Auch wenn ich mit Aaron unterwegs, verhielten sich einige Gegner clever und verfolgten mich. Andere litten dagegen noch unter KI-Schnitzern und liefen in die falsche Richtung.                  

Pflicht und Kür

Allgemein wirkte der Shooter-Part noch etwas unausgegoren. Manch einen Gegner traf ich auch dann nicht, wenn ich direkt auf ihn anlegte.  Außerdem sollten die Entwickler noch am Deckungssystem feilen: Theoretisch begibt Aaron sich hinter jedem geeigneten Gegenstand in Sicherheit, wenn man in die entsprechende Richtung drückt. In der Praxis funktioniert das aber an zu wenigen Stellen. Wenn man sich umschaut, verlässt man außerdem oft aus Versehen die Deckung und wird vom Kreuzfeuer durchsiebt. Damit man nicht zu oft in solche Situationen gerät, gibt es neben den  zertrümmerten Straßen aber auch kleine Seitengassen zum Flankieren von Geschützen und gepanzerten Fahrzeugen.

Myras Armbrust kann unterschiedliche Projektile verschießen: Die kostspieligen Pfeile mit dem Unsichtbarkeitsgift sind knapp und müssen gut eingeteilt werden.

Auch ein Gefecht mit einem gigantischen Kampfroboter des Dikators steht auf dem Programm, nachdem ich mit Myra einen Weg auf die Dächer gefunden habe und die Heckenschützen beseitigt habe. Nach meinem Sieg nehme ich in der Kampfmaschine Platz, um in einer Rail-Shooter-Sequenz Dampf abzulassen.  Wenn ein dickeres Fahrzeug in die Luft fliegt oder eine komplette Häuserwand in sich zusammenkracht, fliegen eine ganze Menge Trümmerteile durch die Flammen und den feinen Rauch. Black Lion benutzt eine modifizierte Version der Gamebryo-Engine, für die sie ein paar eigene Renderer geschrieben haben. »Für uns hat das zwei Vorteile«, erklärt Schwiezer, »Es ist günstiger  als z.B. ein Unreal-SDK zu lizenzieren und wir haben viel mehr Möglichkeiten, die Engine nach unseren Wünschen zu modifizieren«. Ein wichtiges Stil-Element der Welt sind die lichtdurchfluteten Kulissen, welche für meinen Geschmack aber schon etwas zu gleißend beleuchtet sind.

Nur für einsame Wölfe

Auch  an anderer Stelle versuchen die Hannoveraner, die Kosten und Arbeitsaufwand überschaubar zu halten: Das rund 20 Mann große Kernteam und die 20 externen Mitarbeiter konzentrieren sie sich auf die Einzelspieler-Kampagne und versuchen gar nicht erst, gegen Multiplayer-Modi großer Konkurrenten wie Call of Duty anzustinken. Leider fehlt auch ein Koop-Modus, obwohl sich das gerade bei diesem Spielprinzip anbieten würde. In späteren Missionen führt die Mission das Duo an Orte wie Dubai und Kuba, nähere Infos zu den Schauplätzen findet ihr hier.           

Ausblick

Nach meinem ersten Spiel hat Shadow Harvest noch keinen ausgewogenen Eindruck hinterlassen. Die Stealth-Ausflüge mit Myra besitzen durchaus Potential - besonders die futuristischen Gadgets wie die Unsichtbarkeitspfeilen machen Spaß. Außerdem verhielten sich meine Widersacher meist recht glaubwürdig. An den Action-Abschnitten muss Black Lion aber noch feilen. Das automatische Deckungssystem z.B. funktionierte nicht so gut wie bei der Konkurrenz. Auch der Rest der Steuerung wirkte während der Schusswechsel noch hakelig und ließ den Großteil der Gefechte zur Pflichtaufgabe werden. Eine Stärke ist dagegen die Grafik-Engine: Die detailreichen Kulissen und die schicken Explosionen mit feinen Rauch- und Partikel-Effekten können sich sehen lassen. Beim Design der Charaktere hätten die Entwickler sich aber etwas mehr Mühe geben können. Aaron wirkt auf den ersten Blick so austauschbar wie andere kurzgeschorene Shooter-Protagonisten und auch Myra erinnert an eine Lara im Hightech-Anzug.

Ersteindruck: befriedigend

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