TERA26.04.2012, Marcel Kleffmann
TERA

Vorschau:

Vor einem halben Jahr hat Star Wars: The Old Republic gezeigt, dass man ein gewöhnliches Kampf- und Questdesign mit aufwändigen Dialogen und Geschichten aufwerten kann. Bei TERA (ab 46,95€ bei kaufen), das Anfang Mai erscheinen soll, wird es auch ein Ungleichgewicht zwischen schwachen und starken Elementen geben. Aber was überwiegt?

Farbenfrohe Kulisse

Dass TERA ursprünglich aus Korea stammt und von Frogster in überarbeiteter Form in europäische Gefilde gebracht wird, sieht man dem Online-Rollenspiel mit Abo-Modell auf den ersten Blick an: Man taucht ab in ein Farbenmeer und erkennt üppige Architektur, während die überzeichneten Charaktere mit meterlangen Waffen die Welt erkunden. Gelegentlich lädt die exotische Schönheit der Welt mit ihrer hohen Sichtweite und scharfen Texturen zum Staunen ein. Das Online-Rollenspiel kann sich wirklich sehen lassen, obgleich es nicht ganz an die Pracht von Guild Wars 2 heran kommt.

Hau drauf und zwar "aktiv"

Doch nicht nur die Kulisse sticht heraus, auch das Kampfsystem hebt sich von der Konkurrenz ab, denn es darf aktiv gekämpft und ausgewichen werden: Es kommt stärker auf Positionierung und Timing sowie auf aktives manuelles Zielen an. Ein Gegner, der angegriffen werden soll, wird nicht bloß ins Visier genommen und dann prasseln die Angriffe nieder. Nein, es gibt keinen Automatismus und ihr trefft den Feind nur, wenn ihr in Reichweite seid und der Kontrahent tatsächlich von eurer Waffe oder eurem Geschoss getroffen wird - kein statistischer Wert legt fest, ob ihr verfehlt oder nicht, sondern eure Position und die Richtung des Angriffs in Relation zum Gegner. Prinzipiell könnt ihr mit einem Schwertangriff mehrere Feinde auf einmal treffen, sofern ihr sie vor euch - in Reichweite - versammelt.

Mehrere Gegner können problemlos von einer Fertigkeit getroffen worden.
Mehrere Gegner können problemlos von einer Fertigkeit getroffen worden.

Sowohl Nahkämpfer als auch Fernkämpfer (egal ob Bogenschütze, Zauberer oder Priester) müssen per Hand bzw. mit dem Fadenkreuz auf ihren Gegner zielen, sonst wird kein Schaden zugefügt. Was sich jetzt simpel anhört, ist im Endeffekt nicht ganz so leicht, da sich die Feinde mehr oder wenig agil bewegen. Schade ist hingegen, dass es momentan völlig egal ist, wo ihr die Feinde trefft. Konkrete Trefferzonen wie Kopf oder Beine fehlen bei den Standardgegnern. Diese hätten die Positionierung letztlich noch wichtiger gemacht und mehr Spielraum für Taktiken erlaubt.

Kaum eine Änderung im Spielgefühl?

Dafür kommt es auf gutes Timing in der Defensive an: Wenn z.B. ein mutierter Megakrebs von der Größe eines Einfamilienhauses gerade zu seiner Superfertigkeit ansetzt, dann funkeln seine Augen kurz rot auf und es heißt: Ausweichmanöver ansetzen. Und schon geht die feindliche Attacke ins Leere, wenn man rechtzeitig reagiert hat. Im Vergleich zu vielen eher statisch wirkenden Kämpfen wie z.B. bei Star Wars: The Old Republic, Rift oder World of Warcraft bestimmen also die Position des Charakters sowie das Timing des jeweiligen Angriffs, Blocks oder Ausweichmanövers das Ergebnis jeder Konfrontation. Dadurch wird das Kämpfen actionreicher und hängt weniger von passiven Werten ab. Nichtsdestotrotz haben aber die Ausrüstungsgegenstände und die Waffen einen wichtigen Einfluss auf die tatsächliche Kampfstärke des Charakters.

Trotzdem ist der Unterschied zu den anderen Spielen längst nicht so groß wie gedacht, denn im Prinzip positioniere ich auch hier meinen Charakter, nehme den Feind ins Visier und drücke dann wie gewohnt meine Fertigkeitstasten rauf und runter bzw. weiche manchmal aus. Mehr ist es leider nicht! Das Kampfsystem ist aktiver, ja, aber längst nicht der ganz konsequente Schritt nach vorne, der das Spielgefühl in den Gefechten radikal verändern würde. Wichtig für die finale Einschätzung wird sein, ob das Gegnerverhalten langfristig für frische Herausforderungen sorgt.

Nahkämpfer ohne Ende

Da aber viele seiner Attacken aufgeladen werden müssen, spielt sich der Berserker ein bisschen träge - gerade gegen agile Ziele. Seine Behäbigkeit macht er dadurch wett, dass er ankommende Angriffe teilweise blocken kann. Der vierte und letzte Nahkämpfer ist der Zerstörer, der leicht mit dem Berserker verwechselt werden könnte. Auch wenn Charaktere dieser Klasse Zweihandschwerter durch die Gegend schleppen, sind ihre Angriffe ziemlich rasant. Die Spielweise geht eher in Richtung Krieger (inkl. Betäubungsfertigkeiten) und als Träger von leichten Rüstungen sind Vertreter dieser Klasse recht schadensanfällig und müssen sich mit Ausweichmanövern oft selbst helfen bzw. vorausschauend kämpfen. So ganz trennscharf sind die Nahkampfklassen allerdings nicht, da sie über viele ähnliche oder gleiche Kampffertigkeiten verfügen - ohne allzu innovative Mechaniken oder Ideen.

Die Nicht-Nahkämpfer

Optisch kann sich TERA wahrlich sehen lassen!
Optisch kann sich TERA wahrlich sehen lassen!

Keine Lust auf Nahkampf? Dann gibt es den Zauberer als Alternative. Als Magier muss man seinen Gegner immer schön im Fadenkreuz behalten, sonst saust der Zauber am Ziel vorbei. Andernfalls kann der äußerst verwundbare Stoffträger hohen Initialschaden verursachen. Ein überaus beweglicher Kämpfer ist der Bogenschütze, der logischerweise mit Fernkampf-Fertigkeiten allerlei Schaden anrichtet. Aber da sich der Abstand zum Gegner ebenfalls auf die Stärke der Angriffe auswirkt, ist der nicht allzu gut gepanzerte Bogenschütze deutlich näher am Geschehen als bei anderen Spielen dieser Gattung. Abseits der dedizierten Schadensverursacher lauert der Priester. Seine Primäraufgabe ist es, die einzelnen Spieler sowie die Gruppe am Leben zu halten. Hierzu stehen Einzelziel-Heilungen (Fadenkreuz benutzen, um das Ziel anzuvisieren) und Flächenheilungen zur Verfügung. Für Schaden kann solch ein Priester ebenfalls sorgen, aber dies überlässt er doch besser den anderen Mitstreitern. Abseits der hinlänglich bekannten Klassen wartet der Mystiker, der als Unterstützer sowohl Heilen als auch Angreifen kann, Begleiter beschwören darf und mit starken "Crowd Control"-Effekte (Verlangsamung etc.) die Gruppe unterstützt. Im Gegensatz zum Priester ist der Mystiker eher ein Heiler für ein Ziel (aufgeschaltete Heilung), der ebenfalls gerne mal Heilungskugeln für seine Mitstreiter springen lässt. Bis auf den Mystiker gibt es innerhalbder Klassen keine Überraschungen oder Neuerungen.

Interessante und farbenfrohe Gebiete erwarten die Spieler, die sich durch die drögen Quests beißen.
Interessante und farbenfrohe Gebiete erwarten die Spieler, die sich durch die drögen Quests beißen.

Kettenangriffe und Glyphen

Gelungen ist, dass einige der Fertigkeiten der Klassen aufeinander aufbauen bzw. miteinander in Verbindung stehen, was zu den so genannten Kettenangriffen führt. Wird z.B. Fertigkeit 1 benutzt, wird Fertigkeit 2 danach stärker, besser oder schneller. Wenn ein Lanzer zum Beispiel dem Feind sein Schild auf die Zwölf haut, kann der Widersacher mit einer weiteren Aktion aufgespießt werden - mehr als die Leertaste braucht man dabei nicht zu drücken.

Zudem ist es möglich, die Fertigkeiten der Klassen mit Glyphen zu verbessern, um die Effektivität individuell anzupassen. Kombiniert man eine bestimmte Glyphe mit dem Angriff eines Bogenschützen, so richtet der mit einem lähmenden Bonus versehene Pfeilregen mehr Schaden an. Alternativ können Glyphen mit einem Nahkampfangriff genutzt werden, um die Abklingzeit zu senken.

Öde Quests

Optisch wenig ansprechend: Die Präsentation der Quests (ohne Sprachausgabe).
Optisch wenig ansprechend: Die Präsentation der Quests (ohne Sprachausgabe).

Kampfsystem hui, Aufgaben pfui: Sämtliche Quests, die ich bisher gemacht habe, waren ziemlich dröger Standard - zumindest gibt es kein typisches Monster-Grinding, eher ein Quest-Grinding. Bisher musste ich ausschließlich eine bestimmte Anzahl von Feinden töten, Gegenstände sammeln, Kontrahenten töten, Transportaufgaben erledigen oder alternativ auch mal Gegner töten. Einmal durfte ich eine hohe Plattform mit einer Liane erklettern – ein dramaturgischer Höhepunkt! Es gibt im weiteren Verlauf zwar Aufgaben mit einer gewissen Dynamik im Ablauf, aber an Guild Wars 2 reichen sie nicht heran.

Außerdem sind die hinter den Quests stehenden Geschichten langweilig - das hat Star Wars: The Old Republic wesentlich besser gemacht und die Standardquests zumindest hinter aufwändigen Dialogen versteckt. Ab und an schreien etwaige Zwischensequenzen (meistens Kameraflüge) nach Aufmerksamkeit, aber die Story will einfach nicht interessant werden. Gleichermaßen ist es bedauerlich, dass alle Klassen und Rassen auf der gleichen Tutorial-Insel starten und es keine klassenspezifischen Quests gibt. Es fehlt dem Abenteuer an Abwechslung und Überraschungen.

Dungeons und PvP

Einfacher geht's fast nicht: Wenn ihr keine Ahnung habt, wo die Gegner sind, die ihr für die nächste Quest töten müsst, dann klickt einfach auf den Namen des Gegners und schon werden sämtliche Positionen auf der Minikarte angezeigt.
Einfacher geht's fast nicht: Wenn ihr keine Ahnung habt, wo die Gegner sind, die ihr für die nächste Quest töten müsst, dann klickt einfach auf den Namen des Gegners und schon werden sämtliche Positionen auf der Minikarte angezeigt.

Da entfachen die Kämpfe eine weitaus größere Sogwirkung, obwohl der Auftakt, also die ersten 20 Stufen, sehr einfach sind - selbst nach dem letzten Beta-Update. Die Gegner sterben zu schnell und sobald man das Kampfsystem einigermaßen verinnerlicht hat, stellen sie absolut keine Herausforderung dar. Erst wenn die Gruppenquests aufkommen und die Fertigkeiten der Klassen im Teamplay kombiniert werden müssen, die alleine bekämpfbaren Bossmonster auftauchen (gegen die man locker mehrere Minuten kämpfen kann) oder Dungeons in Gruppen besucht werden können, wird es interessanter. Apropos Dungeons: Es wird über ein Dutzend Instanzen (Liste; Beispiel) geben. Ein Gruppensuchetool zur automatischen Zusammenstellung von Dungeongruppen darf ebenso wenig fehlen wie die mittlerweile obligatorischen "Hard Modes" für erfahrende und gut ausgerüstete Gruppen.  

Auch wenn sich das Kampfsystem für Spieler-gegen-Spieler-Duelle förmlich anbietet, wird dieser Aspekt bei der Veröffentlichung eher in den Hintergrund rücken. Es wird zwar Duell-Möglichkeiten oder Open-World-PvP (auf PvP-Servern) geben, aber die Schlachtfelder werden erst im Sommer nachgereicht und zu den Gilden-gegen-Gilden- oder Server-gegen-Server-Matches lässt sich noch nichts sagen. Ein Einblick in das Crafting- und das Politik-System war im Rahmen der Beta ebenso nicht richtig möglich.

Ausblick

TERA inszeniert actionreiche Kämpfe in farbenfroh überzeichneter Kulisse. In kaum einem anderen Online-Rollenspiel muss man so dynamisch und aktiv auf seine Feinde reagieren - wobei das Kampfsystem mit seinen Kettenfunktionen erst in längeren Gefechten oder im Gruppenkampf seine Stärken zeigt. Dennoch ist der Unterschied zu anderen Spielen längst nicht so groß wie gedacht, denn im Prinzip positioniere ich meinen Charakter, nehme den Feind ins Visier und drücke dann wie gewohnt meine Fertigkeitstasten bzw. weiche manchmal aus. Für Solisten ist es außerdem zu leicht - jedenfalls bis Stufe 20 in der Beta - und es bleibt zu hoffen, dass sich mit cleveren Feinden und Bosskämpfen nicht so schnell Routine einstellt. Ein größeres Problem ist hingegen die erzählerische Langeweile: Es gibt haufenweise belanglose Quests und eine öde Geschichte ohne Höhepunkte - das hat Star Wars: The Old Republic besser gemacht. Oftmals hatte ich das Gefühl, dass die Entwickler einfach nichts zu erzählen hatten, so dass die exotische Welt immer mehr an Reiz verlor. Abzuwarten bleibt, welche Rolle die Charakterentwicklung auf Dauer spielt, wie sich Anspruch und Schwierigkeitsgrad entwickeln und ob die versprochenen Gefechte zwischen Spielern für mehr Spannung sorgen – das Kampfsystem schreit geradezu nach PvP.

Einschätzung: befriedigend

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.