Total War: Shogun 214.06.2010, Jörg Luibl
Total War: Shogun 2

Vorschau:

Vor zehn Jahren wurde mit Shogun: Total War der Grundstein für eine bis heute faszinierende Strategiespielreihe gelegt, die Echtzeitgefechte und Rundentaktik vereint. Im Laufe der Zeit wurde das epische Erobern in der europäischen Antike, dem Mittelalter und der Neuzeit fortgeführt, bis man schließlich mit Napoelon unter Pulverdampf nach Moskau marschierte. Jetzt wollen die britischen Entwickler zurück zu ihren Wurzeln. Wir konnten kurz vor der E3 die ersten Schlachten sehen.

Zurück nach Japan

Was hätte nach Napoleon: Total War noch kommen können? Der Amerikanische Bürgerkrieg als Erweiterung und dann der Erste Weltkrieg mit Giftgas und Grabensterben? Ich bin froh, dass da weder ein Add-On rausgehauen noch dass der Stellungskampf à la Verdun visualisiert wird - von den taktischen und technischen Schwierigkeiten des "modernen" Krieges ganz zu schweigen. Creative Assembly zieht also die historische Reißleine und kehrt zurück ins alte Japan, genauer gesagt in das 16. Jahrhundert, die "Periode der Krieg führenden Provinzen" oder "Sengoku-Zeit". Und dafür hat man seine Artdesigner ein Jahr in Japan recherchieren lassen, um sich einzustimmen - heraus kommen edle Malereien wie diese, die auch in einem Museum in Tokyo hängen könnten:

Ziel ist es, als Fürst (Daimyo) so mächtig zu werden, dass einen der hilflose Kaiser (Tenno) zum General (Shogun) ernennt - also zum militärischen Beschützer des Landes. Je nach Wahl eines von neun Clans soll man ganz andere Startbedingungen haben. Die Entwickler wollen nicht nur bekannte Persönlichkeiten der Epoche integrieren, die getötet werden und Nachwuchs bekommen können, sondern auch eine bessere Geschichte erzählen, indem sie mehrere Charaktere und eine historische Dramaturgie aufbauen. Das, was man in Napoleon in Ansätzen an Story beobachten konnte, soll hier noch stärker in der Kampagne spürbar werden. Ich bin gespannt, ob man die Biographien oder Schicksale einzelner japanischer Kriegsherren hier erzählerisch integriert. Man wird Fürsten übrigens auch selbst mit Fähigkeiten weiter entwickeln können, so dass man nicht auf festgelegte Eigenschaften der Feldherren angewiesen ist.

Creative Assembly trifft mit der Rückkehr in diese kriegerische Zeit eine gute Entscheidung. Denn erstens haben die Samurai mit ihren zehn Jahren so viel Staub angesetzt, dass ich mich über eine moderne Politur freue. Erst kurz nachdem das erste Shogun erschien, wurde 4Players gegründet - in unserem Archiv gibt es also keinen Test zu diesem Klassiker, der immerhin den Ruhm der Reihe begründete; ich habe das damals neben Age of Empires gespielt wie ein Besessener. Zweitens können die Briten ihre Erfahrung mit klassischer Kriegführung im Zeitalter der Samurai wesentlich besser einbringen als im Zeitalter der ersten Panzer und Bomber. Und drittens ist es einfach klasse, dass dieser letzte Dinosaurier der PC-Strategie weiter marschiert.

Ein Ozean voller Katanas

Mit dieser Neugier im Gepäck bin ich kurz vor der E3 nach London geflogen, um mir das neue Shogun anzuschauen. Und als die Briten ihren Alpha-Code starten, geht zwar die Sonne auf dem Schlachtfeld unter, aber mein Strategenherz auf - eigentlich habe ich nur mit einer Präsentation gerechnet, aber es geht bereits in die Vollen mit Spielszenen: Zwei Armeen stehen sich bei Nacht in einem hügeligen Gelände gegenüber, Regen prasselt auf hunderte Samurai in Formation, Nebel geistert in großen Schwaden über den Baumwipfeln und der Wind peitscht durch hohes Gras, während im Hintergrund eine beleuchtete Festung prangt. Das sieht ja aus wie ein Gemälde!

Neben schwer gepanzerten Samurai stehen leicht gerüstete Krieger und auch bewaffnete Bauern. Die Kamera fährt durch die Reihen und zeigt unheimlich realistische, allerdings noch viele gleiche Gesichter. Besonders beeindruckend sind jetzt schon die Details der Rüstungen: Mit ihren gehörnten Helmen und Halbmasken sehen vor allem die Samurai wie düstere Dämonen aus - bis zu 40.000 Polygone sollen eine Figur schmücken. Und das sieht als Schauplatz schon verdammt gut aus, ohne dass überhaupt ein Katana gezogen oder ein Pfeil abgeschossen wird. Warum? Weil es wunderbare Licht- und Partikeleffekte auf dem Schlachtfeld gibt:

In den Reihen der Krieger stehen Laternenträger, die für kleine orange Inseln in der wogenden Dunkelheit sorgen, in der sich selbst große Tannen im Wind wiegen. Das Ganze erinnert auf den ersten Blick an einen bewegten Ozean voller Holz und Stahl. Als die dumpfen Trommeln verstummen, gibt es eine Ansprache des Fürsten à la Braveheart, der seine Männer regelrecht aufpeitscht. Noch konnten wir nicht in Erfahrung bringen, inwiefern diese Moralpredigten wirklich Einfluss haben, aber es soll zig rhetorische Alternativen zur Auswahl geben. Als die ersten Kriegsschreie sowie Feuerpfeile durch die Nacht jagen und zwei Kompanien Samurai aufeinander prallen, zeigt dieses Total War seine Nahkampftugenden: Es wird geschwungen, gestoßen, geschlitzt und getreten - all das wirkt im totalen Zoom bereits angenehm authentisch.             

Reale Kendokämpfer als Vorbilder

Die vier Jahreszeiten sollen sich auch auf die Kämpfe auswirken.
Man habe Kämpfe über Motion Capturing bei der British Kendo Association aufgenommen, um möglichst realistische Bewegungsabläufe mit den asiatischen Waffen zu zeigen: Egal ob Wakizashi oder Naginata, Tanto oder Yari - alles ist dabei. Und auch der Yumi, der aus Bambus gefertigte japanische Bogen, kommt bereits zum Einsatz. Allerdings wird seine Durchschlagskraft laut Entwickler nicht so verheerend ausfallen wie jene des englischen Langbogens - das ist okay, aber hoffentlich hinterlässt er letztlich mehr Wirkung als in der gezeigten Schlacht, denn dort verpufften die Pfeile bei heran rückenden Kompanien für meinen Geschmack etwas zu schnell.

Dafür soll das Gemetzel aus nächster Distanz besser visualisiert werden als in Medieval: Total War . Es soll gerade beim Aufeinanderprallen von Truppen zu brachialen Szenen kommen, von denen wir einige bereits sehen konnten. Und vor allem die schweren Reiter haben es in sich: Als die Entwickler die Kavallerie der Samurai in die Flanke des Gegners donnern lassen, bleibt fast nichts mehr außer einem Häufchen Chaos und flüchtender Feinde übrig - das war schon eine gewaltige Attacke. Schere, Stein und Papier sollen genau so effizient wirken wie Angriffsrichtung und Moralverluste. Kennt man, mag man, will man gerne in Zukunft sehen.

Neue Spielmechaniken

Aber bis hierher wirkt dieses ebenso farbenprächtige wie blutige Total War auch wie alle anderen. Was gibt es Neues? Wie will man die Schlachten spannender und anspruchsvoller gestalten? Zum einen soll es mit dreizehn zwar deutlich weniger Truppentypen als noch in Empire: Total War geben, aber dafür sollen sich diese stärker unterscheiden - genau so wie die neun spielbaren Clans, die z.B. eine Vorliebe für Bogenschützen, für Speerformationen oder Seegefechte haben könnten. Auch Ninja- und Formationstaktiken? Noch wollte man trotz schelmischem Nicken nicht viel verraten. Es soll z.B. markante Spezialfähigkeiten wie brennende oder heulende Pfeile geben, die den Feind aufgrund ihrer Geräuschentwicklung demoralisieren. Die Benutzeroberfläche wurde entschlackt, es gibt jetzt eine klarere, fast ikonographische Übersicht über die Truppentypen:

Interessanter als diese Ankündigungen ist die stärkere Einbindung der zerfurchten japanischen Landschaft: Aufgrund der zahlreichen Schluchten, Wäldchen und Hänge sollen taktische Hinterhalte und besondere Kampfsituationen in engen Arealen stärker zur Geltung kommen als in bisherigen Teilen, wo es fast immer in offenem Gelände zur Sache ging. Man könnte also auch in Unterzahl bestehen, wenn die Flanken vom Fels geschützt werden. Es wird ein charakteristischeres Terrain geben, indem auch kleinere Hügel und Tümpel bedeutsam sein könnten und die vier Jahreszeiten sollen sich ebenfalls auf die Kämpfe auswirken - der rosa Schnee der Kirschbäume sieht zwar jetzt schon fantastisch aus, allerdings wurde man da noch nicht konkret. Immerhin werden Gebäude wie Hütten, Schreine oder Tempel physikalisch korrekt abbrennen und einstürzen, was wir im Gegensatz zum Versprechen besser visualisierter Gebäudekämpfe bereits in Funken sprühender Aktion sehen konnten.

D-Day in Japan

Ein weiteres Merkmal der japanischen Landschaft sind die idyllischen, aber tückischen Küsten, an denen ebenfalls gekämpft wird. Es wird nicht nur Gefechte zwischen bewaffneten Booten (zwölf Schiffstypen sind geplant) auf Gewässern geben, die sich im Gegensatz zur Kanonenbreitseite europäischer Linienschiffe eher wie schwimmende Festungen mit Feuerpfeilen und Rammen beharken, bis sie geentert werden oder an Riffen zerschellen - man muss weder Segel setzen noch den Wind beachten. Zum ersten Mal in der Reihe wird es auch Kämpfe geben, die See- und Land vereinen, indem man quasi den D-Day auf Küstenkarten inszeniert: Da landen Transportschiffe am Strand, entladen Samurai und die Schlacht beginnt dann an Land. Die bisher gezeigten Landungen an der Küste könnten das Spiel deutlich aufwerten:

Noch interessanter, aber leider noch nicht mit Spielszenen untermauert: Die komplett neuen Belagerungen. Es soll drei Festungstypen geben, die man in fünf Stufen ausbauen kann: Berg-, See- und Landburgen. Man will einen taktischen Schwachpunkt der Reihe ausmerzen, indem man ihre Eroberung stufenweise über mehrere Areale simuliert. Man schießt also nicht einfach ein Loch in die Mauer oder das Tor, sondern muss zunächst den Vorhof erobern, um sich dann weiter nach vorne zu kämpfen, wobei die Verteidiger genau das einkalkulieren und die Defensive darauf ausrichten - hier sollen auch Ninjas und Fallen eingesetzt werden. Wir sind gespannt, welche Möglichkeiten man hier bekommt und ob das tatsächlich eine Bereicherung ist.

Man fährt zwar die maximale Armeegröße runter, wobei letztlich immer noch 56.000 Krieger gleichzeitig sichtbar sein sollen, will aber die Details in allen Bereichen erhöhen - egal ob Texturen oder Animationen, die jetzt auf mehr als 50 Knochen für den polygonalen Körperbau beruhen; ein Drittel mehr als im letzten Total War. Hier muss man allerdings abwarten, ob sich dieser Zusdatz wirklich bemerkbar macht. Außerdem sollen nicht nur die Fürsten als mächtige Krieger und Befehlshaber in Personalunion auftreten, sondern auch mythologisch oder historisch inspirierte Helden wie Kampfmönche, die sich mit einer kleinen Leibwache in den Kampf stürzen - aber keine Bange: Das soll alles in Maßen integriert werden, so dass man sie auch mit gewöhnlichen Truppen töten und lediglich gewisse Tendenzen der Schlacht mit diesen besonderen Kriegern beeinflussen kann. Ob es auch direkte Duelle zwischen verfeindeten Helden geben wird und wie diese dargestellt werden, bleibt genau so abzuwarten wie ihre Rolle als Joker auf der Strategiekarte: Kann man sie gezielt abwerben oder anheuern? Bisher deutet alles darauf hin.        

Ausblick

Ich freue mich auf dieses Comeback. Nicht nur, weil ich Shogun schon vor zehn Jahren wie ein Besessener gespielt habe, sondern weil Creative Assembly all seine Erfahrung in diesen epischen Konflikt des 16. Jahrhunderts investieren kann. Als ich kurz vor der E3 nach London geflogen bin, konnte ich zwar nur ein Gefecht bei Nacht sowie eine Landungsszene bei blühenden Kirschbäumen sehen, aber das Wenige hat mein Feldherrenherz bereits erobert. Zum einen erinnerte die Schlacht mit ihren einsamen Laternen und windumtosten Gräsern an einen wogenden Ozean voller Stahl. Zum anderen werden die Briten weit mehr anbieten als ein ebenso schönes wie blutiges Gemälde: Die Seegefechte werden ganz anders ablaufen, es wird erstmals Landungen und Kämpfe an Küsten geben, die Helden sollen für Abwechslung sorgen, die Story persönlicher werden und last but not least werden die Belagerungen ganz andere Ansprüche stellen. Welche Fähigkeiten bieten mir die Clans? Was ist mit Ninjas und Spionage? Wie entwickeln sich Fürsten und Helden? Welche Möglichkeiten hat man auf der Strategiekarte? Wie setzt man Helden konkret ein? Was leistet die KI? Noch bleiben viele Fragen offen. Sobald die Entwicklung den nächsten Schritt erreicht, werden wir euch informieren.

Ersteindruck: sehr gut

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