Total War: Shogun 210.09.2010, Jörg Luibl
Total War: Shogun 2

Vorschau:

Zurück zu den Wurzeln: Creative Assembly entwickelt gerade den Nachfolger von Shogun, das vor zehn Jahren die Total War-Reihe einleitete. Über die stilistische Atmosphäre sowie die spielmechanischen Änderungen konnten wir bereits in einer Vorschau berichten: Es wird weniger, aber besser animierte Truppen geben, dazu eine neue Belagerungsmechanik, drei Festungstypen und Seegefechte inklusive Küstenlandungen. Aber was passiert auf der Strategiekarte? Wir haben die Entwickler besucht.

Terra incognita

Die Kamera gleitet sanft zwischen den Wolken hinab zum Pazifik. Ein Stück Ozean glitzert türkisfarben am Rande einer vergilbten Karte, die den ganzen Bildschirm ausfüllt. Trommeln ertönen im Hintergrund, während die Maus weiter nach Norden scrollt, das ostchinesische Meer hinauf, an Kyushu vorbei über Shikoku bis hoch nach Honshu - ich wusste gar nicht, dass Japan so verdammt groß wirken kann! 65 Provinzen einer weit reichenden Inselkette mit gefährlichen Vulkanen verbergen sich unter diesem Nebel des Krieges, den es über viele Runden zu lüften gilt. Das Artdesign der Karten, Zeichnungen und Hintergründe wurde an die späte Edo-Phase ab 1750 angelehnt; es wirkt mit seinen Holzdrucken und dem Tuscheflair unheimlich stilsicher.

Zu Beginn der Kampagne weiß man noch nichts von dem, was sich da oben an schroffen Gebirgen und schmalen Fjorden, exklusiven Rohstoffen und aggressiven Shogunen verbirgt. Für die Herstellung so mancher Waffen wird man ganz spezielle Materialien brauchen, die es nur in bestimmten Provinzen gibt. Wo sind sie? Man startet nicht in einer voll kartografierten Welt wie in Empire: Total War, sondern in einer asiatischen Terra incognita des 16. Jahrhunderts, in einem kleinen Fürstentum am Rande eines Kaiserreiches, das gerade im Chaos rivalisierender Clans unterzugehen droht. Und dann landen da auch noch diese Europäer mit ihrem Schießpulver und diesem hängenden Gott.

Der Weg zum Shogun

Idyllischer Ausblick: Die Kamera geht fast auf Schulterperspektive und zeigt eine komplett animierte 3D-Landschaft - in der Mitte die Geisha, die auf der höchsten Stufe noch tödlicher ist als ein Ninja.
Ziel ist es, als Fürst (Daimyo) so mächtig zu werden, dass einen der hilflose Kaiser (Tenno) zum General (Shogun) ernennt - also zum militärischen Beschützer des Landes. Je nach Wahl eines von neun Clans hat man ganz andere geografische, militärische und wirtschaftliche Startbedingungen. Gerade mal drei Gebiete der eigenen Provinz ragen bunt, exotisch und dreidimensional aus dem Nebel des Krieges heraus, während der Rest der Karte in vergilbtem 2D verharrt, bis man z.B. die Küste mit seinen Schiffen erforscht. Diese Erkundungsreize sind neu für Total War und erinnern an die Startphase von Civilization, wenn der Scout unterwegs ist.

Sehr ansehnlich sind die neuen 3D-Portraits, die je nach Einheitenwahl unten links voll animierte Gesichter zeigen: Erst wenn man zu Wasser oder an Land mit ihnen vorwärts zieht, zeigen sich Wiesen und Wälder, Berge und Straßen, je nach Jahreszeit in einem anderen Stil - gerade eben ist Frühling und es rieselt rosa von den Kirschbäumen. Zum ersten Mal gibt es auch Partikeleffekte auf der Karte, wenn man sich z.B. einem Wasserfall nähert. Und man kann die Kamera endlich frei drehen, um sich einen Überblick über das teilweise zerfurchte Gelände zu verschaffen, in dem auch Vulkane und Engpässe lauern. Die Figuren auf der Karte wirken größer und detaillierter als noch in Empire: Man kann erkennen, wie sich der Ninja katzengleich inkl. Schattenwurf dem General nähert. Und zum ersten Mal verändern die Figuren mit gewonnener Erfahrung auch ihr Aussehen - egal ob Geisha oder General.

Aussehen und Fähigkeiten

Hinterhalte im Wald sind in Shogun 2 effektiver und die Fähigkeiten der Truppen passen sich den Jahreszeiten an, was Marschtempo und Ausdauer betrifft.
Als sich der Ninja der Standarte der feindlichen Truppen nähert und das Attentat einleitet, steigt die Spannung - seine tödliche Erfolgschance liegt bei 37%. Dann wird ein kurzer Film eingespielt, der ihn in Aktion zeigt: Er schleicht an schlafenden Wachen vorbei, plötzlich wird er an einem Fuß festgehalten, kann sich aber lautlos befreien und hockt ein paar Klettereien später wie der schwarze Tod auf einem Ast, direkt über dem General - Katana gezückt, Sprung nach unten, Feind tot! Das bringt ihm so viele Erfahrungspunkte, dass er in Rang 3 aufsteigt und sein Aussehen verändert: Ab sofort trägt er eine dämonische Maske.

Aber bevor man die tödlichen Schatten überhaupt einsetzen kann, muss man die Infrastruktur dafür schaffen: Man muss Sake erforschen, dann die Bude und schließlich die Spielhalle, wo man Ninjas anwerben kann. Jede Figur kann bis zu drei optische Entwicklungen in ihrer Karriere zeigen, aber auch die inneren Werte lassen sich anpassen: Man kann seinen Ninja auch ganz anders entwickeln, indem man nicht in seine mörderischen Talente, sondern eher in das Kundschaften oder das Spionagenetz investiert - schließlich kann auch eine Sabotage von Vorteil sein. Aber ich sollte ihn jetzt vom Tatort abziehen, denn sein Mord wird die Aufmerksamkeit des Ninja-Jägers auf sich ziehen: Jeder hat quasi einen Rivalen, der ihm gefährlich werden kann.

     

Bushido oder der Weg des Chi

Egal ob Geisha, Ninja oder General - es gibt immer einen eigenen Baum an Fähigkeiten, auf dem meist zwei grundsätzliche Wege möglich sind. Also muss man sich hier ähnlich wie in StarCraft II entscheiden, welche Talente man mit seinen Punkten freischalten will, denn das eine schließt das andere aus: Ninjitsu, Gift und exotische Klingen? Alles auf einmal geht nicht. Der eigene Shogun kann z.B. am Ende seiner Karriere ein "Legendärer Krieger" sein und Feuerpfeile oder eine erhöhte Marschgeschwindigkeit auf der Karte erforscht haben, weil er sich auf das Militär (Bushido) konzentriert hat.

Oder er wird eine "Lebende Legende", weil er sich auf die Kunst der Diplomatie und die Kultur (Way of Chi) spezialisiert hat. Es soll deutlich mehr Möglichkeiten geben, das Spiel an seine Strategie anzupassen. Jedem angehenden Shogun stehen übrigens vier Berater zur Seite, die man natürlich selbst bestimmen kann: Sie kümmern sich um Krieg, Nachschub, Entwicklung und Finanzen. Wie stark das mit aktiven Ratschlägen an Civilization angelehnt wird, konnten wir noch nicht sehen.

Geiseln nehmen und Heiratspolitik

Die Strategiekarte muss Stück für Stück erkundet werden, damit sich der Nebel des Krieges lüftet.
Aber nicht nur auf dem Schlachtfeld muss man schlagfertig sein: In Shogun 2 soll auch die Heiratspolitik eine Rolle spielen. Man kann als Familienoberhaupt mit bis zu vier Brüdern im Schlepptau ein gewisses Personal-Management betreiben und Geiseln mit anderen Clans austauschen oder eigenen Nachwuchs sinnvoll verheiraten. Wer greift einen schon an, wenn man die Tochter betreut? Sollte ein Feind trotz Geisel attackieren, kann man sie immer noch töten. Inwieweit das mit mehrstufigen Verhandlungen à la "Ich-gebe-dir-meine-Tochter-für-einen-Nichtangriffspakt-plus-Luxusgüter" verknüpft wird, bleibt abzuwarten.

Auch das Spielerlebnis auf der Karte soll von mehr Möglichkeiten profitieren. Hinzu kommen kleine und große Entscheidungen: Es kann z.B. sein, dass man herrenlosen Samurai (Ronin) begegnet, die man entweder aufnehmen oder abweisen darf - was Folgen haben kann. Es wird kleine Clans geben, die man vernichten oder integrieren kann. Etwas drastischer könnten die Konsequenzen sein, wenn man sich für oder gegen die Zusammenarbeit mit den christlichen Europäern entscheidet: Will man für die Feuerkraft des Schießpulvers den Unmut der anderen Clans auf sich ziehen und plötzlich Mönche in seiner Provinz missionieren sehen? Das könnte die eigene Ehre ins Wanken und das Volk zur Revolte bringen. Es soll auch böse Omen inkl. daraus resultierender Katastrophen geben. 

Ausblick

Ich freue mich riesig auf dieses Spiel. Shogun hat mich vor zehn Jahren mit Total War infiziert und jetzt ist ein Remake im besten Sinne im Anmarsch: Prächtiger, stimmungsvoller, größer und vor allem offener. Das Artdesign wirkt authentisch, die Engine ist bildgewaltig und es wird komplett neue Belagerungstaktiken, Küstenlandungen und militärische Auswirkungen der Jahreszeiten geben. Jetzt konnte ich erstmals die Strategiekarte sowie die komplette Benutzeroberfläche auf mich wirken lassen und bin begeistert: Die Karte sieht mit ihren animierten 3D-Portraits, den Partikeleffekten und dem Holzdruckstil nicht nur fantastisch aus, sondern lockt strukturell mit Erkundungsreizen aufgrund der unerforschten Provinzen sowie kleinen Entscheidungen inklusive Konsequenzen: Ronin anwerben oder abweisen? Christen einladen oder vernichten? Hinzu kommen die Karrierebäume für Ninjas, Geishas und Generäle, die bei einem Levelaufstieg ihr Aussehen anpassen und mir eine Wahl bei der Entwicklung lassen, so dass etwas Rollenspielflair entsteht. Richtig neugierig machen mich die diplomatischen Fortschritte in der Heirats- und Geiselpolitik. Aber nach zwei klasse Präsentationen muss eine spielbare Fassung beweisen, wie gut all diese Neuerungen ineinander greifen.

Ersteindruck: sehr gut

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