Jagged Alliance: Back in Action18.01.2012, Marcel Kleffmann
Jagged Alliance: Back in Action

Vorschau:

Als die Entwickler von Jagged Alliance: Back in Action (ab 4,25€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ankündigten, dass das Strategiespiel ohne Kämpfe im Runden-Modus auskommen würde, ging ein Raunen durch die Reihen der Fans. Das Herz des Klassikers schien rausgerissen und durch eine unzureichende Attrappe, ein pausierbares Echtzeit-System, ersetzt worden zu sein. Seither sind einige Monate vergangen und mittlerweile konnten wir selbst die ersten Sektoren in Arulco befreien.

Nach Arulco gestolpert

Auch wenn das Szenario von Jagged Alliance 2 und Jagged Alliance: Back in Action weitgehend identisch ist, startet ihr diesmal nicht in Omerta, um zunächst Kontakt zum Widerstand gegen die Diktatorin aufzunehmen. Der Startangriff erfolgt direkt am Flughafen, nördlich von Drassen, um gleich einen Nachschubweg offen zu haben. Als wahnsinnig störend habe ich diese Veränderung nicht empfunden, abgesehen davon, dass der Kontakt zum Untergrund (bzw. zu den Rebellen) den Freiheitskampf wesentlich besser untermalt hätte - gerade weil solch ein Storyelement in der Anfangsphase von "Back in Action" nicht stattfindet. Vielmehr startete ich überstürzt in die Mission: Meine eben erst eingekauften Söldner standen sofort außerhalb des Zauns des Flughafens und schon durfte gekämpft werden. Etwas mehr oder zumindest eine bessere als mit schnöden E-Mails (ohne Sprachausgabe) im Notebook präsentierte Geschichte hatte ich mir schon erhofft.

Plan&Go ist "in Ordnung"

Meine Söldner können vom Gegner nicht nur entdeckt werden, wenn sie "visuell" sichtbar sind (also ihre Sichtlinie durchqueren), sondern ebenfalls durch Geräusche (Schießen, Laufen, Rennen etc.), welche die Feinde wohlmöglich noch schneller auf das nahende Unheil aufmerksam machen.
Meine Söldner können vom Gegner nicht nur entdeckt werden, wenn sie "visuell" sichtbar sind (also ihre Sichtlinie durchqueren), sondern ebenfalls durch Geräusche (Schießen, Laufen, Rennen etc.), welche die Feinde wohlmöglich noch schneller auf das nahende Unheil aufmerksam machen.

Mein dreiköpfiger Söldnertrupp steht also mitten im Geschehen, wobei die Positionen aller Gegner bereits beim Betreten des Sektors auf der Karte offen und dauerhaft angezeigt werden. Wo sich die Feinde aufhalten, ist demnach kein spannungsträchtiges Geheimnis mehr und ich konnte direkt mit der Planung zum Ausschalten beginnen. Kenner des Originals werden jetzt verwundert mit den Ohren schlackern: Ja, die Positionen aller Gegner sind sofort und immer sichtbar, auch wenn sie sich bewegen. Der Reiz zur Erkundung der Umgebung fällt ebenso flach wie das vorsichtige Vorgehen, da die Unkenntnis über die Aufenthaltsorte der Feinde fehlt.

Der erste Feind wartet hinter einer Hausecke. Ich befehle meinen Leuten, sich nicht mehr "rennend", sondern "kniend" fortzubewegen und möchte, dass sie das Feuer eröffnen. Peng Peng Peng! Der Gegner wehrt sich noch, fällt aber zügig um und das ganz ohne Pause (Leertaste), was mir nicht gerade das Gefühl von Kontrolle gibt. Also justierte ich in den Optionen einen Auslöser für die "automatische Pausefunktion" und zwar, wenn "ein Gegner meine Söldner gesehen hat" und wenn "die Waffe nachgeladen" werden soll.

Im Pause-Modus ist der "Sichtkegel" (rot) eingezeichnet. Und obwohl der Feind auf der rechten Seite keinen meiner Söldner direkt sieht, wird der Krach der Schusswaffen ihn irgendwie auf meine Leute aufmerksam machen.
Im Pause-Modus ist der "Sichtkegel" (rot) eingezeichnet. Und obwohl der Feind auf der rechten Seite keinen meiner Söldner direkt sieht, wird der Krach der Schusswaffen ihn irgendwie auf meine Leute aufmerksam machen.

Meine Söldner laufen nun weiter durch das Gebiet und beim Kontakt mit dem nächsten Gegner greift die Auto-Pause-Funktion. Zunächst lösche ich alle bisher erteilten Befehle, überrede meine Leute sich hinzulegen, erteile den Feuerbefehl und hebe die Pause auf. Der Feind quittiert dies mit saftigen Fehlschüssen, worauf meine Kämpfer in liegender Position antworten.  Meine Leute feuern dabei nur so oft, wie ich ihnen im Pause-Modus gesagt habe, dass sie auch wirklich schießen sollen (ein Klick: ein Schuss; zwei Klicks: zwei Schüsse) - zusätzlich konnte ich Trefferregionen (Kopf, Torso, Beine) anvisieren und zwischen zwei Feuermodi (Einzelschuss, Salve) wählen, sofern die Waffe dies ermöglicht. Trotzdem lebt der Gegner noch und versetzt vor seinem Ableben dem guten "Bull" einen schmerzhaften Streifschuss. Doch Hilfe ist nicht weit, denn "MD" seines Zeichens "Schisshase und kompetenter Arzt" flickt ihn in wenigen Sekunden wieder komplett zusammen. Erholen (auf der Arulco-Karte) muss sich Bull von dieser Verwundung übrigens nicht mehr. Darüber hinaus sammeln die Recken durch Schießen, Heilen und Co. individuell Erfahrungspunkte, die sich in Level-Ups niederschlagen. Im Anschluss lassen sich einige Talentpunkte in die Fähigkeiten der Söldner verteilen.

Kampfsysteme im Vergleich

Auch wenn ich diesem Kampfsystem skeptisch gegenüberstand, funktioniert es im Prinzip tatsächlich ganz gut - jedenfalls nach gewisser Eingewöhnungszeit und gelegentlichen Kämpfen mit der Steuerung sowie der Wegfindung. Im Gegensatz zum ehemaligen Rundensystem verlaufen die Kämpfe deutlich rasanter und bieten mehr Action, was wohl der Gleichzeitigkeit der Aktionen zugerechnet werden kann, da Freund und Feind simultan statt abwechselnd agieren können. Jede Bewegung bzw. jede Handlung kostete früher Aktionspunkte. Jetzt verbraucht sie "Zeit".

Mit dem Plan&Go-System ist es sogar möglich, die Aktionen der Söldner aufeinander abzustimmen und zu koordinieren, so kann z.B. zunächst eine Granate geworfen werden, bevor die anderen Mitstreiter mit den Feuersalven beginnen und ein anderer Kämpfer seine Flankenposition clever zum Vorstoß ausnutzt. Da vor jedem Kampf automatisch gespeichert wird, sind etwaige Fehler zudem korrigierbar. Prima ist außerdem, dass im Plan&Go-System der Sichtmodus (Farbdarstellung) verändert wird und die Blickwinkel der Gegner (nicht ihre Hörreichweite, die weitaus größer ist) wie in Commandos eingeblendet werden - und genau an solch eine Mischung aus Commandos und Jagged Alliance 2 erinnert mich das Spiel immer wieder.

Nach einem Level-Up darf "MD" insgesamt sieben Trainingspunkte auf fünf Attribute und Talente verteilen.
Nach einem Level-Up darf "MD" insgesamt sieben Trainingspunkte auf fünf Attribute und Talente verteilen.

In Sachen Spannung kann das Kampfsystem nicht ganz mit dem Vorgänger mithalten, denn der Nervenkitzel der Marke "Trifft der Gegner oder nicht" oder "kommt Verstärkung noch irgendwoher" beim Warten auf dem gegnerischen Zug fehlt weitgehend. Die Echtzeit-Gefechte sind auf ihre Art zwar durchaus spannend, aber kein Vergleich zum alten System - vor allem durch die Offenheit der Gegnerpositionen kann ich abschätzen, ob der Feind noch mit Verstärkung zu rechnen hat und dank des vereinfachten Heilungssystems brauche ich mich nicht mehr so intensiv, um etwaige Ausfälle oder Verletzungen meines Trupps kümmern. Dennoch leben die Söldner in Jagged Alliance: Back in Action relativ schnell ab, sofern die taktisch Planung vorher nicht allzu gut war.

Strategischer Kahlschlag

Unterwegs auf der Weltkarte von Arulco.
Unterwegs auf der Weltkarte von Arulco.

Vermasselt haben die Entwickler hingegen das Interface, vor allem das Inventar-Management, denn umständlicher geht es fast nicht mehr. Hat ein Gegner mehrere Sachen hinterlassen, so gibt es zum Beispiel keinen Button, den man drücken kann, um "alles mitzunehmen", ganz zu Schweigen von einer Funktion zum automatischen Aufsammeln von Gegenständen am Ende des Gefechts. Auch konkrete Vergleichsmöglichkeiten der Waffen fehlen, da immer nur die Stärke und die Werte der aktuell ausgewählten Knarre angezeigt werden - ein direkter Vergleich ist nicht möglich. Das Handeln zwischen den Söldnern ist ebenso umständlich und hätte mit zwei geöffneten Inventarfenstern sicher besser gelöst werden können als mit einem Austauschfenster.

Das Angebot des Waffenhändlers.
Das Angebot des Waffenhändlers.

Kenner des Originals bis jetzt schon zahlreiche Einschnitte bei der taktischen Tiefe festgestellt haben und diese Vereinfachung zieht sich wie ein roter Faden durch das Spiel: Die  strategische Karte von Arulco, auf der sich die Söldnertrupps zwischen den Einsätzen bewegen, ist nahezu vollständig beschnitten worden. Das fängt damit an, dass sich Söldner nicht mehr für einen bestimmten Zeitraum anwerben lassen (z.B. für zwei Wochen), sondern sie nach einem Anfangshonorar nicht mehr regelmäßig bezahlt werden müssen. Ihr kauft sie einfach. Die Erstellung eines eigenen Charakters mit dem kultigen BSE-Test fehlt übrigens komplett. Zudem werden die Söldner automatisch geheilt, sobald sie das Schlachtfeld verlassen, repariert wird nicht mehr auf der Weltkarte, es gibt kein Training von Fertigkeiten und Milizen zur Verteidigung eroberter Hotspots (ehemals Sektoren) können zwar gezielt bewaffnet aber nicht mehr umverteilt werden. Abgesehen vom Anwerben von Söldnern, der Beschaffung von Munition und Waffen sowie dem Planen der nächsten Angriffe ist auf der Übersichtskarte nicht viel zu tun.

Ausblick

Auch wenn ich Jagged Alliance: Back in Action mehrere Stunden gespielt habe und mir noch keine Bewertung der Computerintelligenz sowie vom fortgeschrittenen Spielablauf erlauben kann, fallen mir die zahlreichen unnötigen Vereinfachungen ins Auge. So ist der Strategiemodus (Weltkarte) nur noch ein Schatten seiner selbst, da essentielle Funktionen wie Training, Genesung und Co. gestrichen wurden. Man kann dort nur einkaufen, ausrüsten, Milizen anheuern und die Route planen. Deutlich besser, aber dennoch beschnitten zeigt sich der Taktikmodus. Das pausierbare Echtzeit-Kampfsytem funktioniert tatsächlich besser als ich gedacht hätte und bringt mehr Dynamik in die Schusswechsel, muss jedoch Einschränkungen in Sachen Komplexität und Spannung in Kauf nehmen. Störend finde ich, dass die Positionen der Gegner ständig auf der Karte angezeigt werden und dass das Interface viele Funktionen vermissen lässt. Natürlich versprühen die Gefechte auf Arulco weiterhin einiges an Spaß, doch gerade im Vergleich zum Klassiker und vor dem Hintergrund der drastischen Reduktion der Komplexität, hat mich Jagged Alliance: Back in Action bisher eher ernüchtert.

Ersteindruck: befriedigend

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