RaceRoom Racing Experience01.02.2013, Michael Krosta
RaceRoom Racing Experience

Vorschau:

Rennspiele sind eigentlicht wie gemacht für Free-to-play: Nicht nur einzelne Karossen und Pisten eignen sich zum Abkassieren - auch bei den zahlreichen Tuningteilen vom Auspuff über ein tieferes Fahrwerk bis hin zu optischen Aufwertungen wie Felgen, Lackierungen und Spoiler lässt sich Geld machen. Ein Freibrief für eine gnadenlose Abzocke? Ja, wenn manche Hersteller schon bis zu 15 Euro für ein einziges Fahrzeug verlangen! Jetzt wollen auch die Sim-Spezialisten von SimBin mit Race Room Racing Experience auf dem lukrativen Trend-Markt Gas geben. Werden sie dabei ebenfalls von ihrer Habgier ausgebremst?

Hohe Erwartungen

Dass die Schweden wissen, wie man eine erstklassige Rennsimulation auf die Beine stellt, haben sie schon mehrfach bewiesen: Auch wenn die Technik mittlerweile in die Jahre gekommen ist, zählen die Titel aus der GTR- und Race-Reihe neben rFactor, iRacing & Co immer noch zu den Vorzeige-Exemplaren, wenn es um eine realistische Fahrphysik, Tuning-Einstellungen und packende (Online-)Rennen geht. Genau diese Stärken sollen jetzt auch das Fundament für den neuen Free-to-play-Ansatz bilden.

Dabei könnte es sich SimBin einfach machen: Warum nicht die alten Spiele nehmen, ihre Inhalte in kostenpflichtige Einzelteile zerstückeln und ohne großen Aufwand oder Entwicklungskosten einfach unter der F2P-Flagge neu veröffentlichen? Milestone würde vielleicht genau das machen, haben sich die Italiener durch ihr ständiges Recycling doch schon einen gewissen Ruf „erarbeitet“. SimBin hat sich zum Glück für einen anderen Weg entschieden und spendiert seiner Racing Experience nicht nur eine neue Grafik- und Sound-Engine, dank der die Kulisse endlich moderner und die Motorenklänge mit einer Abmischung von bis zu 7.1 noch authentischer wirken. Auch an der Fahrphysik wurde weiter geschraubt und optimiert, um das Verhalten der Boliden noch realistischer zu gestalten.

Amateur oder Profi?

Die neue Engine ist verglichen mit dem Technikgerüst von GTR 2 ein großer Schritt nach vorne.
Die neue Engine ist verglichen mit dem Technikgerüst von GTR 2 ein großer Schritt nach vorne.
SimBin stellt den Fahrern zwei Modelle der Fahrphysik zur Auswahl: Die Amateur-Stufe ist zwar nicht ohne, greift den Piloten aber mit Fahrhilfen wie Automatik-Schaltung, Traktionskontrolle etc. unter die Arme. Zudem wird das Strafsystem hier nicht so streng eingebunden, wenn man z.B. mal durch einen Verbremser die Strecke verlässt. Das Schadensmodell ist bei den Amateuren zudem nur optischer Natur.

Wer das Fahren dagegen so simulativ wie möglich erleben wird, wird mit der Get Real-Einstellung glücklich: Angefangen vom Reifenabrieb und Erwärmung der Pneus über Benzinverbrauch bis hin zum vollwertigen Schadensmodell ist alles dabei, was sich Lenkrad-Profis wünschen. Dabei fühlt sich die Fahrphysik genauso an, wie man es von einem SimBin-Titel erwartet - vor allem mit einem guten Lenkrad und entsprechenden Pedalen stellt sich schon nach den ersten paar Metern die gewohnte Begeisterung ein, wenn man mit Boliden wie dem Saleen S7R über die Rundkurse oder die engen Straßen des Lakeview-Bergrennens jagt. Jede Bodenwelle wird vom Fahrwerk übertragen und wer kein Feingefühl für den Umgang mit Gas und Bremse entwickelt, wird gerade beim Herausbeschleunigen aus Kurven massiv an Bodenhaftung verlieren und sich drehen.

Kostenlose Inhalte der offenen Beta

Fahrzeuge:

-Aquila CR1 Sports GT

-134 Judd V8

-Saleen S7R

-Canhard RS2

-DMD P20

Strecken:

-Lakeview Hillclimb

-Raceroom Raceway

Spielmodi:

-Leaderboard Challenge

-(gesponserte) Wettbewerbe

-Streckentest

-Medienzentrale

-Amateur-Fahrphysik Leider gibt es einen Haken, der symptomatisch für Free-to-play ist: Wer das volle Simulationsprogramm erleben möchte, muss dafür zahlen und sich das Get Real Paket zulegen, das für ca. 1 Euro angeboten wird. Okay, das ist ein Preis, der sich verschmerzen lässt - vor allem, wenn man bedenkt, dass man dadurch auch Zugriff auf das Wagen-Setup bekommt und selbst am Getriebe, dem Fahrwerk, der Aerodynamik, dem Differenzial und den Stabilisatoren der Boliden herumschrauben darf. Sogar das Ausmaß der Traktionskontrolle lässt sich für jeden Gang separat einstellen. Zudem bekommt man mit dem Paket Zugriff auf den Modus Apex-Hunt. eine Art spielerischer Fahrschule für das Erlernen der Ideallinie von jeder Strecke. Trotzdem bleibt das Gefühl, regelrecht zum Zahlen gedrängt zu werden, denn mal ehrlich: Welcher Simulations-Fan will sich denn mit den Amateur-Beschränkungen zufrieden geben? Richtig, keiner! Immerhin bekommen alle Spieler, die sich innerhalb der nächsten zwei Wochen registrieren und an der offenen Betaphase teilnehmen, das Get Real Paket geschenkt. Wer in Zukunft in den Genuss der Zusatzfunktionen kommen will, muss aber zahlen.

Es gibt noch viel zu tun!

Mit dem Start der Betaphase ist SimBin noch weit von der Finalisierung entfernt: Punkte wie Einzelrennen oder Meisterschaften für Solisten stehen bisher genauso wenig zur Verfügung wie Mehrspieler-Events über das Internet. Einzig die Option Streckentest, vergleichbar mit einer Trainings-Session, steht im Rahmen der Einzelspieler-Angebote zur Verfügung. Hier kann man sich pro Sitzung bis zu 60 Minuten auf der Piste austoben und auf die Jagd nach persönlichen Bestzeiten gehen - entweder alleine oder mit zuschaltbaren KI-Piloten, deren Leistung sich bisher nur adaptiv anpasst und (noch) nicht eingestellt werden darf.

Pole Position des Bestenliste

Flitzer wie dieser BMW müssen kostenpflichtig dazu gekauft werden.
Flitzer wie dieser BMW müssen kostenpflichtig dazu gekauft werden.
Interessanter sind natürlich Rennen gegen Fahrer aus Fleisch und Blut. Wie gesagt fehlt derzeit noch die Möglichkeit für echte Rad-an-Rad-Duelle, doch erlaubt die Leaderboard Challenge immerhin asynchrone Kämpfe um die Bestzeit. Dabei wird am oberen Bildschirm eine Leiste mit den Rundenzeiten sowie dem Abstand zur eigenen Bestmarke eingeblendet und in Echtzeit aktualisiert. Zudem wird man alternativ zum eigenen Ghost auch die Geisterwagen der Konkurrenz herunterladen und direkt gegen sie antreten können. Schön: Die Ideallinie lässt sich optional einblenden und markiert nicht nur grob Vollgasabschnitte und Bremspunkte, sondern auch Halbgas, das Antippen der Bremse und sogar Schaltpunkte. Es macht einfach süchtig, immer wieder eine Runde in Angriff zu nehmen in der Hoffnung, doch noch ein paar tausendstel schneller zu sein und vielleicht nicht nur den Ghost zu schlagen, sondern sich sogar noch weiter auf der Rangliste nach vorne zu arbeiten.

Inhalte des Get Real Pakets:

- Get Real Voreinstellung (Fahrphysik)

- Interface für Wagen-Setup

- Reifenabrieb und Erwärmung

- Benzinverbrauch

- mechanisches Schadensmodell

- 60 Minuten Session-Höchstgrenze

- Meister-Level Apex Hunt Einen ähnlichen Reiz üben die Wettbewerbe aus: Hier treten alle Teilnehmer unter den gleichen Rahmenbedingungen an - sowohl Strecke als auch Auto sowie die erlaubten Fahrhilfen werden in der Regel streng vorgegeben. Allerdings fährt man hier nicht nur für Ruhm und Ehre in die Bestenliste, sondern kann dank diversen Sponsoren auch echte Preise wie RAM-Bausteine oder T-Shirts gewinnen. Schöner Nebeneffekt: In diesen Wettbewerben bekommt man auch die Gelegenheit, sich hinter das Steuer von Fahrzeugen zu klemmen, die man nicht zwingend in seiner Garage und / oder gekauft haben muss.    

Kleine aber feine Auswahl

Wie bei Free-to-play üblich, hält sich der Umfang des Starterpakets auch hier in Grenzen. Trotzdem reichen die anfangs sechs verfügbaren Boliden und zwei Strecken fürs Erste aus, um die Faszination  des virtuellen Rasens zu erleben. Immerhin steht der fiktive Rundkurs Race Room Raceway in vier Streckenvariationen bereit und es dauert eine Weile, bis man den Verlauf der engen A-B-Piste Lakeview Hillclimb verinnerlicht hat.

KI-Fahrer lassen sich beim Streckentest hinzu schalten - echte Rennen gegen sie sind aber (noch) nicht möglich.
KI-Fahrer lassen sich beim Streckentest hinzu schalten - echte Rennen gegen sie sind aber (noch) nicht möglich.
Wem es nach mehr Inhalten gelüstet, der darf schon im Rahmen der offenen Beta seine Geldbörse zücken: Neben weiteren Boliden wie dem Audi R8 LMS Ultra, RUF CTR oder dem 2012er BMW Z4 GT3 gibt es mit dem Hockenheimring, dem Circuit Park Zandvoort, Bathurst und dem Autodromo International Algarve auch schon Nachschub an der Streckenfront. Die Preise bewegen sich dabei in einem halbwegs humanen Bereich von 2-3,50 Euro für Fahrzeuge und 3,50 bis 5 Euro für zusätzliche Kurse, die meist auch mit mehreren Strecken-Layouts daher kommen. Im Gegensatz zur Auto Club Revolution bekommen hier scheinbar auch nicht nur ausgewählte, sondern alle Boliden eine Cockpitansicht spendiert. Bisher werden die Inhalte nur einzeln angeboten, Bundle-Angebote sollen in Zukunft folgen.

Die soziale Komponente rückt ebenfalls noch etwas mehr in den Vordergrund: Registrierte Spieler bekommen nicht nur eine eigene Profilseite mit massig Statistiken, sondern können auch Inhalte wie Fotos und gespeicherte Videos über die integrierte Medienzentrale mit anderen Nutzern teilen. Zudem kann man sich ein eigenes Dashboard mit Webseiten einrichten oder sich über Neuigkeiten ausgewählter Autohersteller informieren.

Wo muss ich hin?

Die Fahrphysik ist vor allem unter "Get Real-Bedingungen" herrlich fordernd.
Die Fahrphysik ist vor allem unter "Get Real-Bedingungen" herrlich fordernd.
Woran SimBin auf jeden Fall noch arbeiten sollte, ist die Menüstruktur: Derzeit wirkt der Aufbau selbst nach der Eingewöhnungszeit noch extrem chaotisch und unübersichtlich. Ich hätte z.B. gerne den direkten Zugriff auf meine eigene Garage, in der - sortiert nach Klassen - alle Fahrzeuge aufgelistet werden, die ich besitze. Momentan ist es noch so, dass man sich durch sämtliche Inhalte wühlen muss und nur durch eine kleine farbliche Markierung erkennen kann, welcher der Flitzer oder Strecken schon mir gehört. Zudem könnte man auch den Bildschirm für das Wagen-Setup etwas stylischer präsentieren anstatt weiter auf die derzeit öde Aufmachung zu setzen.

Viel schlimmer wiegt aber, dass der Motor noch nicht rund läuft: Mehr als 15 Minuten am Stück konnte ich nur selten aufs Gaspedal drücken, denn immer wieder hat sich das Spiel mit einem eingefrorenen Bild aufgehängt und konnte anschließend nur über den Task-Manager beendet werden - mit dem typischen Windows-Hinweis, dass Game.exe nicht mehr funktioniert. Gestern Abend ist übrigens schon ein erster Patch erschienen, der einige Probleme beheben soll. Leider konnten wir seitdem nicht mehr Hand an die Beta anlegen.

Ausblick

Race Room Racing Experience ist der erste Free-to-play-Titel, dem ich auch über einen längeren Zeitraum etwas abgewinnen könnte. Und ich wäre durchaus bereit, zu investieren: Eutechnyx zeigte bei Auto Club Revolution zwar ein paar gute Ansätze, doch hat mich damals die widerwärtige Abzock-Mentalität vergrault. Auch die Fahrphysik ist dort noch meilenweit von dem entfernt, was SimBin hier leistet. Man beommt quasi das Basispaket einer der besten PC-Simulationen für lau - und das in einem modernen Engine-Gewand, das zwar bei Konsolen-Titeln wie Forza Motorsport 4 nicht mithalten kann, aber nach dem betagten Technikgerüst von GTR 2 einen deutlichen Schritt nach vorne darstellt. Und obwohl inhaltlich mit den wenigen Strecken und dem kleinen Fuhrpark nicht viel geboten wird, hatte ich bei der packenden Jagd nach Bestzeiten und diesem fantastischen Fahrgefühl mehr Spaß als bei manchem Vollpreis-Titel. Das in Zukunft kostenpflichtige Get Real Paket ist allerdings ein Muss, wenn man das ganze Potenzial ausschöpfen, die Faszination hinter dem Steuer und das Schrauben in der Garage erleben will. Preislich bewegen sich die derzeitigen Angebote für den Nachschub an Pisten und Wagen auf einem akzeptablen Niveau - hoffentlich bleibt es auch dabei! Nur die ständigen Abstürze haben mir trotz der vielen Qualitäten die Lust am Rasen vermiest und meinen Ersteindruck von „sehr gut“ auf „gut“ gedrückt.

Einschätzung: gut

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