Auto Club Revolution04.07.2012, Michael Krosta
Auto Club Revolution

Vorschau:

Ein Free to Play-Titel? Und dann auch noch ein Rennspiel? Bei diesem Gedanken stellen sich mir erst mal alle Haare zu Berge, weckt es doch sofort Erinnerungen an EAs grausiges Need for Speed World. AutoClub Revolution soll der nächste große „Freifahrtschein“ für PC-Raser werden und dabei die Autofreaks auch noch in einem sozialen Netzwerk vereinen. Hat Eutechnyx das Zeug, tatsächlich für eine kleine Revolution zu sorgen?

Einfacher Zugang

Der Zugang zu AutoClub Revolution ist fast so einfach wie das Umdrehen des Zündschlüssels: Man registriert sich einfach über die offizielle Webseite (www.autoclubrevolution.com) und kann von dort aus das Hauptprogramm laden, das derzeit in einer offenen Beta allen Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Gleichzeitig fungiert der Browser als Hub, denn über die Webseite bekommt man nicht nur Zugriff auf sein individuelles Profil, Freundeslisten, den Autosalon und die (Tuning-)Werkstatt, sondern auch das Fahrerlager, von dem aus Einzel- und Mehrspielerrennen aufsetzt werden können. Alternativ nimmt man an bestehenden Sessions teil, über die man in einem Bereich des Fahrerlagers oder den integrierten Chat informiert wird.

(Fast) leere Garage

Der Browser fungiert als Rennzentrale.
Der Browser fungiert als Rennzentrale.
Zum Start findet man einen Opel Corsa OPC in seiner Garage - immerhin besser als nichts. Weitere Boliden bekommt man entweder beim Erreichen bestimmter Ränge oder Promo-Aktionen geschenkt. Oder man muss beim Besuch des Autosalons ins Portemonnaie greifen. Und das muss man wörtlich verstehen: Während man die meisten Upgrades wie Felgen, Chip-Tuning, Antriebswellen oder gar einen Kat-Ausbau alternativ mit den virtuell verdienten Preisgeldern anschaffen kann, sind Wagenkäufe nur mit so genannten E-Coins möglich, die in Paketen zum Kauf angeboten werden. Für 1,99 Euro bekommt man z.B. 250 E-Coins. Für 4,99 Euro dagegen 550 E-Coins, einen Ford Focus ST, 3 Lacke und ein Aufkleberpaket. Schaut man sich beim Autohändler um, muss man schnell feststellen, dass die Preise ganz schön happig ausfallen: Zwar bekommt man einen VW Beetle schon für 105 E-Coints, doch selbst für einen BMW M5 muss man schon 395 Coins bezahlen. Will man gar einen flotten Sportwagen wie den Bugatti Veyron sein Eigen nennen, sind gar 1995 E-Coins fällig - das sind über 15(!) Euro für ein einziges Fahrzeug! Okay, dabei handelt es sich um das teuerste Modell, doch selbst für einen Nissan GT-R werden schon knapp vier Euro verlangt. Vielleicht könnte ich mich mit der übertriebenen Preisstruktur noch anfreunden, wenn ich die Boliden alternativ mit der virtuellen Währung - und damit kostenlos - anschaffen dürfte, auch wenn ich dafür länger spielen müsste, um sie mir leisten zu können. Aber eine solche Option wird erst gar nicht angeboten - und genau das halte ich für einen riesigen Fehler seitens Eutechnyx! Zudem bekommt man keine Möglichkeit, vor dem Kauf eine Probefahrt zu machen - in der wirklichen Welt wäre das undenkbar! Immerhin planen die Entwickler für die Zukunft eine Autovermietung anzubieten - hoffentlich kann man zumindest dort mit den im Spiel verdienten Credits zahlen.

Die BMW Experience

Im Autosalon finden sich bereits einige Modelle diverser Hersteller.
Im Autosalon finden sich bereits einige Modelle diverser Hersteller.
Da lobe ich mir doch Promo-Aktionen wie die von BMW: In der BMW Experience bekommen Spieler die Chance, das brandneue 1er M Coupé über den Hafenkurs in Hongkong zu jagen. Anschließend finden sie die flotte Kiste kostenlos in ihrer Autoclub-Garage und können auch auf lizenzierten Kursen wie Spa Francorchamps, Silverstone, Infineon Raceway sowie drei Varianten der legendären Piste in Indianapolis sowie Fantasiestrecken um den LA River an den Start gehen.

Dabei wird auch deutlich, dass es innerhalb des Fuhrparks eine Zweiklassen-Gesellschaft gibt - ähnlich wie bei Gran Turismo 5. Während ein Großteil der Boliden eher durchschnittlich modelliert und mit einer einfacheren Physik ausgestattet werden, fährt das 1er Coupé mit einer zusätzlichen Cockpitansicht, kernigen Motorenklängen und dem anspruchsvollen Fahrverhalten eindeutig in einer anderen Klasse. Es wird klar, dass der bayerische Wagenbauer die Entwickler besser unterstützt und dafür im Gegenzug ein gewisses Maß an Authentizität erwartet hat. Bei diesem Fahrzeug gibt es kein generisches Heulen, das mehr an einen Staubsauger erinnert als an einen starken Dreiliter-Turbo. Nein, hier hört man förmlich die Kraft, wenn man das Gaspedal berührt und der Motor aus den Boxen schreit oder Fehlzündungen aus dem Auspuff knallen - natürlich stilecht mit kleinen Flammen. Und auch beim Fahrmodell nähert man sich eindrucksvoll den Qualitäten von Gran Turismo & Co an: Ohne Hilfen ist die Heckschleuder eine echte Herausforderung und verlangt viel Gefühl am 360-Controller oder einem Lenkrad - die Tastatur ist als Alternative unter diesen Bedingungen nicht zu empfehlen. Erst mit aktiver Unterstützung wie Traktions- und Stabilitätskontrolle sowie einer automatischen Bremse lässt sich das Kraftpaket auch auf diese Weise auf der Straße halten. Allerdings fällt mit zunehmenden Hilfen die Siegprämie kleiner aus - gleiches gilt bei Kollisionen, automatischer Schaltung und kurzen Renndistanzen.

Freude am Fahren

Zur kostenlosen BMW Experience gelangt man hier . Kein Wunder, dass sich das Fahren so real anfühlt, schickte BMW den Entwicklern doch ein echtes Modell als Leihgabe nach England, damit die Fahreigenschaften möglichst akkurat eingefangen und ins Spiel übertragen werden konnten. Zudem erhält man auch Zugriff auf die Original-Lackierungen und Felgen, so dass man sich sein „Traum-Coupé“ aus Bayern zusammenstellen kann. Nur eines stört auch hier: Wie schon bei Ferrari Challenge - ebenfalls von Eutechnyx - greift auch hier trotz abgeschalteter Fahrhilfen eine leichte Lenkunterstützung, was man in der Cockpitansicht an den automatischen Korrekturen und einem Gegensteuern am Lenkrad sieht.

Unfallfrei

Qualmende Reifen...doch Abnutzung oder gar ein Schadensmodell ist nicht vorhanden.
Qualmende Reifen...doch Abnutzung oder gar ein Schadensmodell ist nicht vorhanden.
Doch eines bietet selbst eine Premium-Kutsche wie der 1er M Coupé nicht: Genau wie bei allen anderen Boliden verfügt auch der BMW nicht über ein Schadensmodell - und das weder optisch noch mit mechanischen Auswirkungen. Es gibt einen offiziellen Kommentar, warum das zumindest beim bayerischen Flitzer der Fall ist, denn laut Andreas-Christoph Hofmann, Leiter der BMW Markenkommunikation, sei es nicht erwünscht, die eigenen Fahrzeuge zerbeult und beschädigt auf dem Bildschirm zu sehen. Schade, denn so verliert Autoclub Revolution ein gewisses Maß an Authentizität, das dem Titel gut stehen würde. Da die meisten Hersteller beim Thema „Schadensmodell“ ins gleiche Horn blasen dürften, wird sich daran wohl auch bei zukünftigen Updates nichts mehr ändern. Auch Faktoren wie Reifenverschleiß oder Benzinverbrauch spielen keine Rolle.

Zukunftspläne

Dafür hat man andere Pläne: In Zukunft soll es neben der Autovermietung u.a. die Möglichkeit geben, eigene Farbverläufe und Beschriftungen zu erstellen sowie die Autos mit Nummernschildern, Karosserie-Kits und Deko-Artikeln zu pimpen. Hoffentlich wird auch der Netzcode noch weiter optimiert, denn sind alle Starterplätze mit maximal acht Fahrern besetzt, stören mitunter heftige Lags das Renngeschehen oder es kommt sogar zu Abstürzen. Bei vier bis sechs Online-Rasern gibt es dagegen weniger Probleme.

Geplante Erweiterungen werden bereits im Spiel angekündigt.
Geplante Erweiterungen werden bereits im Spiel angekündigt.
Auch der Weg zu den Positionskämpfen gegen andere Fahrer ist kinderleicht: Entweder tritt man mit wenigen Klicks einer Lobby bei oder erstellt eine eigene, in der man Strecke, Rundenzahl und Begrenzungen von Modellen bis hin zur maximalen Leistung individuell festlegen darf. Neben Standardrennen sind auch Eliminations-Events möglich, in denen die Letztplatzierten nach und nach aus dem Spiel gekickt werden. Was ich vermisse, sind die Leistungsangaben der Flitzer - sie werden im Rahmen der Lobby leider nicht aufgelistet, so dass man sich kein Bild von der Konkurrenz machen kann. Auch gibt es keine Möglichkeiten, am Setup der Boliden herumzuschrauben, womit Nachwuchs-Mechaniker weniger auf ihre Kosten kommen.

Wer lieber ohne Gegner aus Fleisch und Blut seine Runden dreht, kann im Zeitfahren auf die Piste, bei dem man ebenfalls Preisgelder einstreichen kann. KI-Fahrer lassen sich allerdings nicht zuschalten - schade. Auch vermisse ich Geisterwagen und die Einblendung von Zwischenzeiten an bestimmten Messpunkten, doch gibt es als Ersatz immerhin ein Daueranzeige des Abstands zur besten Runde in Echtzeit.

Facerace

Allerdings hat es sich Eutechnyx ohnehin auf die Fahnen geschrieben, die Interaktion mit anderen Spielern und die damit verbundene soziale Komponente zu fördern. ACR will mehr sein als ein kostenloses Rennspiel - es versteht sich mehr als Anlaufstelle, bei der Autofreaks zusammenkommen und austauschen können. Aus diesem Grund kann man ähnlich eines sozialen Netzwerks ein detailliertes Profil anlegen, in dem man sogar Fotos seiner realen Boliden hochladen darf. Ein Nachrichtensystem sowie eine Freundesliste gehören neben der obligatorischen „Pinnwand“ ebenfalls dazu.

Mini-Karriere, Abzeichen und Wettbewerbe

Die Preise im Autosalon fallen happig aus.
Die Preise im Autosalon fallen happig aus.
Zusätzlich wurde das Spiel mit einem Achievement-System ausgestattet: Erreicht man bestimmte Ziele wie das Unterbieten einer Rundenzeit, fehlerfreie Rennen oder ein Sieg ohne Fahrhilfen, bekommt man kleine Icon-Sticker als zusätzliche Belohnung zum Preisgeld. Bis zu drei von ihnen kann man neben seinen Spielernamen heften, damit andere Fahrer schon einen ersten Eindruck von den eigenen Fähigkeiten bekommen. Und dann gibt es noch den Rang, bei dem man zumindest sehen kann, wie intensiv sich der jeweilige Spieler im Autoclub engagiert hat. Schön: Neben Abzeichen und Preisgeldern bekommt man manchmal beim Erreichen eines höheren Rangs auch ein neues Auto in die Garage gestellt. Einsteiger werden zudem in einer kleinen Mini-Karriere an die Hand genommen, indem die Teilnahme an bestimmten Events empfohlen wird. Zudem gibt es Community-Wettbewerbe, bei denen man ebenfalls lukrative Preise abstauben kann - neue Wagen inklusive.

Überraschend gute Technik

Technisch kann der Free to Play-Raser durchaus überzeugen.
Technisch kann der Free to Play-Raser durchaus überzeugen.
Dass man von einem kostenlosen Rennspiel nicht gerade die grafischen Qualitäten aktueller Vertreter wie Forza Motorsport 4 oder Gran Turismo 5 erwarten darf, ist klar. Angesichts dessen ist das, was einem hier über den Browser geboten wird, überraschend gut: Die Pisten wurden originalgetreu und aufwändig designt, das Geschwindigkeitsgefühl kommt klasse rüber und selbst die Beleuchtung ist gelungen. Ähnlich verhält es sich mit den Boliden, die zwar nicht an die aufwändigen Modelle der Vollpreis-Titel heran reichen, aber trotzdem mit Spiegelungen und Details wie glühenden Bremsscheiben schick aussehen. Genau wie bei Gran Turismo 5 stört aber auch hier der Qualitätsunterschied zwischen Premium- und Standardmodellen.

Ausblick

Autoclub Revolution hat mich positiv überrascht: Nach dem verkorksten Need for Speed World hätte ich nicht gedacht, dass mich ein kostenloses Rennspiel mit dem Browser als Zentrum derart ansprechen könnte. Doch vor allem in Kombination mit der BMW Experience ist der Titel einen Blick wert, denn hier kann er zeigen, was in ihm steckt: Der 1er M Coupé wurde angefangen beim detaillierten Modell inklusive Cockpitansicht über den fantastischen Motorenklang bis hin zur akkuraten Fahrphysik hervorragend ins Spiel übertragen. Und all das gibt es umsonst - inklusive lizenzierter Pisten wie Silverstone, Spa und Daytona. Schade nur, dass Premium-Modelle wie der BMW die Ausnahme bilden und es ähnliche starke Unterschiede zwischen den Boliden gibt wie bei Gran Turismo 5. Das grafische Niveau aktueller Vollpreis-Titel erreicht man zwar nicht, doch gemessen an anderen Free to Play-Titeln sind Qualität und Umfang erfreulich hoch, sofern man mit vereinzelten Problemen beim Netzcode und einem kleinen Fuhrpark leben kann. Denn wenn es um den Kauf neuer Fahrzeuge geht, bereitet mir die unverschämte Preisstruktur echte Bauchschmerzen. Mit Preisen bis zu 15 Euro pro Auto schießt man gewaltig über das Ziel und die Grenze des Zumutbaren hinaus. Hier wird aus dem vermeintlich kostenlosen Rennspaß schnell eine ungemütliche Abzocke, denn mit den im Spiel verdienten Credits kommt man im Autosalon und bei einigen Anpassungswünschen nicht mehr weiter. Hier hilft dann nur noch der Griff zur Kreditkarte, Paypal oder Lastschrift. Ich für meinen Teil würde bei diesen horrenden Preisen derzeit keinen Cent investieren und weiter die „Freude am Fahren“ mit dem bayerischen Sportwagen genießen.   


Eindruck: gut

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