Black Mirror - Der dunkle Spiegel der Seele16.02.2004, Jörg Luibl
Black Mirror - Der dunkle Spiegel der Seele

Vorschau:

Drei Jahre hat das tschechische Team von Future Games in die Entwicklung von Black Mirror – Der dunkle Spiegel der Seele investiert. Eine lange Zeit für ein Horror-Adventure, das mit seiner klassischen Point&Click-Steuerung und den 2D-Hintergründen zunächst angestaubt wirkt. Trotzdem lauert hinter der antiquierten Kulisse schauriger Spielspaß...

Verfluchte Vergangenheit

England, Anfang der 80er: Eigentlich wollte Samuel Gordon nichts mehr mit seiner blaublütigen Familie zu tun haben. Immerhin hat er vor zwölf Jahren einen Brand im elterlichen Herrenhaus verursacht, dem seine Schwester zum Opfer fiel – er flüchtete von Schuldgefühlen gepeinigt in die Ferne. Doch der Tod seines Großvaters William zwingt den jungen Adligen zurück an den Ort des Geschehens: Schloss Black Mirror.

In diesem englischen Gemäuer warten allerlei Geheimnisse auf euch. Warum ist euer Großvater William gestorben? War es Mord?

Kaum angekommen, traut er seinen Augen nicht: Da war er ein Jahrzehnt außer Haus und es hat sich scheinbar nichts verändert! Bis auf zwei neue Bedienstete gleicht das Personal dem seiner Kindheit und egal ob Stühle, Regale oder Bücher – alles steht noch genau dort, wo es damals stand. Und das uralte Gemäuer wurde trotz baufälliger Flügel nicht mal ansatzweise restauriert; selbst der Garten siecht in uralter Lethargie vor sich hin.

Trügerische Stille

Doch der nostalgische Schein trügt, denn erstens ahnt Samuel, dass sich sein Großvater nicht ganz freiwillig aus dem Turmzimmer gestürzt hat: Warum gibt es z.B. keinen Abschiedsbrief? Und welches Motiv gäbe es für einen Selbstmord? __NEWCOL__Und zweitens hinterlassen die ersten Gespräche mit seiner Großmutter, dem Butler, dem Pferdeknecht und dem Doktor eine gewisse Ahnung, dass in letzter Zeit Seltsames vor sich ging: Da wird von wahnsinnigen Waisenkindern gemunkelt, da schließen sich Leute ein und ein seltsames Zeichen ziert den Tatort.

Was geschah mit Opa?

Im ersten Kapitel hat Samuel also jede Menge ungeklärter Fragen im Kopf, die er zwar auch ausspricht, die aber leider nicht in einem Notizbuch vermerkt werden – so muss man sich viele Zusammenhänge merken oder aufschreiben. Da das Gruseln auf über 30 Stunden angelegt ist, könnte so manches erzählerische Detail verloren gehen.

Übersichtlichkeit kontra Freiheit: Auch wenn diese Schublade jeden Adventurefan in helle Item-Freude versetzt, gibt`s gleich einen Dämpfer: Nur was gebraucht wird, darf mitgenommen werden.

Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, steuert ihr den jungen Erben mit der Maus durch das ehrwürdige Anwesen der Gordons und sucht den Bildschirm in typischer Point&Click-Manier nach Hinweisen ab: gediegene Kaminzimmer, edle Bibliotheken und düstere Dachböden harren eurer linken und rechten Mausklicks. Es gibt über 120 Innen- und Außenabschnitte, verteilt auf das Schloss, ein Dorf, eine Kirche und andere Orte.

Abenteuer mit Stil

Das englische Herrenhaus-Ambiente wurde sehr malerisch und detailliert eingefangen. Nur ein paar Eigenheiten des Interieurs wirken wie kitischige Fremdkörper in der sonst so authentischen Umgebung: Das Gemälde von Samuels Urahn Mordred erinnert eher an einen Warcraft-Nekromanten als einen mittelalterlichen Lord; und auch Bayernkönig Ludwig scheint in der englischen Provinz etwas fehl am Platze. Ansonsten verströmen Tapeten, Teppiche und Mobiliar britische Noblesse.

Eines der wenigen "Rätsel" des ersten Kapitels: Aus einem Wust an Schnipseln wird ein Foto gepuzzelt. Wer ist dieser irre blickende Kauz bloß?

Kleine, aber leider zu selten eingestreute Animationen wie verräterisches Leuchterwackeln, zitternde Weidenzweige oder flackernde Lampen lockern den statischen Hintergrund auf. Später kommen auch außerhalb des Schlosses Wettereffekte wie Regen und Rauch sowie schöne Wasserspiegelungen hinzu.

Leider lässt sich das Ganze nur in 800x600 betrachten und die viel zu trägen Animationen der Figuren erinnern an eben genesene Bandscheibenpatienten; gut, dass wenigstens der Bildschirmwechsel per Doppelklick nur einen Atemzug dauert.

__NEWCOL__Kombinieren & Fragen

Der Einstieg bietet nur wenig fordernde Rätselkost und verlangt viel Lauf- und Sucharbeit, denn die etwa 100 Gegenstände und Hinweise werden ereignisbezogen aktiviert.

D.h., dass der Hammer, der sich so fotorealistisch in der Schublade anbietet, erst dann in euer Inventar wandern kann, wenn ihr die vernagelte Tür gefunden habt oder den entsprechenden Hinweis von einem der insgesamt 20 NPCs bekommt. Das ist nicht logisch, hemmt den freien Entdeckergeist, aber hält das Inventar übersichtlich und die interessante Erzählung straff.

Im weiteren Spielverlauf füllt sich nicht nur das Inventar, sondern auch die Karte der Umgebung. Immer mehr Orte warten auf eure Ankunft; darunter zunächst nur ein Dorf und eine Kirche.

Die Gespräche sind meist nicht mehr als ein Abarbeiten von Stichpunkten, wecken aber die Neugier auf den Fortgang der Story. Und manchmal wird der Dialog durch Fragen der NPCs aufgelockert, denn dann steht ihr vor der Entscheidung, wie ihr antworten wollt – eigentlich ein klasse Feature. Leider werden eure Möglichkeiten nicht ausformuliert, sondern auf eine positive und negative Antwort beschränkt. Das ist erzählerisch unverständlich und spielerisch konfus: Was soll man z.B. auf das großmütterliche "Warum fragst Du, Samuel?" antworten? Positiv? Negativ?

Ausblick

Zum jetzigen Zeitpunkt vermag Black Mirror vor allem aufgrund seiner interessanten Erzählung zu fesseln. Samuels Abenteuer wirkt zudem wesentlich stimmiger als der Jules Verne-Ausflug "Der verborgene Kontinent" . Aber Vorsicht: Der Begriff Horror-Adventure trügt, denn es geht eher um gepflegten Grusel im Stile von E.A. Poe als um eine Zombieparty im Stile von Clive Barker. Bis auf ein, zwei Stilbrüche haben die tschechischen Grafiker im Rahmen der zweidimensionalen Technik hervorragende Arbeit geleistet: Das gediegene englische Ambiente verströmt von der ersten Sekunde an Herrenhaus-Flair, das sogar mit einigen netten Animationen aufwarten kann. Vor allem die verräterische Ruhe, das Ticken der alten Uhren und die kleinen Andeutungen des Unheimlichen vermitteln ein schaurig-schönes Spielgefühl. Hoffentlich wird die Lokalisierung besser als die englische, die laut unserer Kollegen in Übersee katastrophal war. Publisher dtp verspricht jedoch professionelle Sprecher auf Runaway-Niveau. Aber neben der Sprachausgabe bleiben noch andere Wünsche offen: Viele Rätsel verlangen gerade zu Beginn mehr Dauerlauf als Gehirnschmalz, ein Notizbuch wird vermisst, manche Texte sind noch missverständlich, das Antwortensystem ist verwirrend und die Bewegungen der Figuren sind zu träge. Wir sind gespannt, wie sich die Testversion präsentiert.

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