Papers, Please30.04.2013, Eike Cramer
Papers, Please

Vorschau:

Wir schreiben das Jahr 1982. Das fiktive, kommunistische Arstotzka öffnet in „Papers, Please“ nach sechs Jahren Krieg einen Grenzposten in der geteilten Stadt Grestin. Ich bin durch eine Lotterie ausgewählt worden, als Grenzbeamter meinen Dienst zu verrichten. Welchen Eindruck hinterlässt das Spiel von Ex-Naughty-Dog-Entwickler Lucas Pope?

Glory to Arstotzka!

Die Tage als Grenzbeamter laufen immer nach dem gleichen Schema ab: Ich lese die Schlagzeilen der Morgenzeitung, verlasse meine Familie und betrete mein enges Wachhäuschen an der stark gesicherten Grenze zum ehemals feindlichen Nachbarstaat Kolechia. Eine lange Schlange Wartender ist bereits vor mir dort und hofft auf die Einreise. Meine Aufgabe ist es, die Spreu vom Weizen zu trennen, Regularien einzuhalten, Unstimmigkeiten zu erkennen und korrekt vorzugehen. Dabei setzen mich vor  allem drei Dinge unter Druck: Die Zeit, denn ich werde pro abgefertigter Person entlohnt. Die Regularien, die mit jedem Tag wechseln und immer umfangreicher werden. Meine Vorgesetzten, denn jeder Fehler wird mit einem bösen Fax beantwortet. Ich fühle mich beobachtet. Bloß keine Fehler machen, sonst könnte es mir und meiner Familie schlecht ergehen.

Platzhalter 1
Dieser Einwanderer hat seine Chance vertan. Der Stempel ist das wichtigste Werkzeug des Spielers.
Ich muss an der Grenze vor allem Pässe kontrollieren, Fotos, Geschlecht und Ablaufdaten vergleichen, sowie das Herkunftsland und die Hauptstadt abgleichen können. Irgendwann kann ich Verdächtige festnehmen lassen oder Ganzkörperkontrollen anordnen. Umfangreiche Regeln erschweren diese Arbeit aber von Tag zu Tag. Diese kann ich zwar in den bereitliegenden Regularien nachlesen, kosten mich aber wertvolle Zeit.  Es bleibt also mir überlassen, wie viel Aufmerksamkeit ich jedem einzelnen Einreisewilligen schenke und wie genau ich auf Diskrepanzen eingehe – eine einfache Ablehnung oder doch noch ein Fingerabdruck-Vergleich? Außerdem steht mir aufgrund einer zwei-Fehler-Toleranz ein gewisser Spielraum zu: Lasse ich die Frau eines Einwanderers passieren, die keine Einreiseerlaubnis hat und nehme eine Abmahnung in Kauf? Oder reiße ich die Familie auseinander, um meine eigene zu schützen?

Autokratie in 8-Bit

Platzhalter 2
Auch Ganzkörperuntersuchungen gehören zu den gängigen Repressalien an der Grenze.
Mein Arbeitsplatz besteht aus dem Schalter, meinen Regularien und einer Arbeitsfläche, auf der ich die Dokumente ablegen, untersuchen und gegebenenfalls mit dem alles entscheidenden Stempel versehen kann. Ein automatisches Protokollgerät gibt mir die Möglichkeit immer Bezug auf  die Konversation mit den Reisenden nehmen zu können. Außerdem unterstützt mich ein Diskrepanzen-Aufspürer. Ich brauche nur die fraglichen Stellen zu markieren und erhalte Auskunft darüber, ob die Daten übereinstimmen oder nicht. Diese Untersuchung kostet jedoch Zeit – ob ich jedes Detail maschinell überprüfen lasse oder mich auf meinen Instinkt verlasse, bleibt mir also freigestellt. Aber ich brauche jede Minute, um mehr Geld verdienen zu können.

Dieses Geld ist nicht nur die Auszeichnung meiner Arbeitsleistung, sondern meine gesamte Familie hängt davon ab. So zahle ich nicht nur die Miete, Essen und Heizung, sondern muss auch im Krankheitsfall für Medikamente und Arztrechnungen aufkommen. Oft ein Ding der Unmöglichkeit, sodass sich bald die Frage stellt: Soll mein Sohn die dringend benötigten Medikamente erhalten und setze ich damit die Gesundheit der übrigen Familienmitglieder aufs Spiel, weil ich die Heizkosten nicht bezahlen kann?  Wer in meiner Familie hat Priorität?

Ausblick

Papers, Please befindet sich momentan in der Beta und macht bereits einen guten Eindruck. Im Kern ein Adventure-Puzzler, ist der Titel dennoch beinahe eine  Simulation der Grenzübergänge am Eisernen Vorhang zur Hochphase des Kalten Krieges. Eindringlich wird mir als Spieler die herzlose Bürokratie eines autokratischen Staates aufgezeigt – und bei harten moralischen Entscheidungen werde ich vollkommen alleine gelassen. Die spartanische 8-Bit-Kulisse und das Artdesign passen dabei vortrefflich zur düsteren Grundstimmung des Independent-Titels. Es fehlen hier und da zwar noch einige Elemente, wie etwa Teile des Familien-Bildschirms und Intro-Grafiken, dennoch ist erkennbar, was für ein hohes sozialkritisches Potential hier schlummert. Die einzige Gefahr ist, dass die tägliche Grenzkontrolle zu schnell in monotone Routine ausartet. Ich bin gespannt, wie sich das Spiel entwickelt.


Einschätzung: gut

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