Vorschau: Der Große Krieg
Verlust und Menschlichkeit
Die Kriegserklärung bedeutet das Ende des friedlichen Lebens von Emiles Familie. Sein Schwiegersohn Karl wird als in Frankreich lebender Deutscher ausgewiesen und er selbst zur Armee eingezogen. Im Land herrscht wie in ganz Europa Kriegsbegeisterung – unzählige junge Männer melden sich freiwillig. Ausbildung und Transport an die Front umgibt eine merkwürdig euphorische Stimmung. Am Bahnhof spielt eine Kapelle und die liebevoll gezeichnete Kulisse strotzt vor Farbe. Doch die Realität holt Emile und seine Kameraden schneller ein als ihnen lieb ist – schon der erste Angriff auf deutsche Stellungen endet im Granatenhagel und Beschuss der deutschen Maschinengewehre. Emile überlebt verletzt, wird gefangengenommen und muss sich im deutschen Feldlager, in dem auch Karl als Soldat dient, als Koch durchschlagen.
Der Weltkrieg als Graphic-Novel
Besonders die Kulisse hat mich sofort verzaubert: Umgebungen, Charaktere und Hintergründe stammen aus einer Hand, was sich sofort im stimmigen Artdesign bemerkbar macht. Der unheimlich charmante Graphic-Novel-Stil schafft es, einerseits Leichtigkeit und andererseits Verzweiflung abzubilden – sowohl herzerwärmende Szenen mit dem Sanitätshund Walt als auch die brutale Realität der Sturmangriffe werden mit der nötigen Ernsthaftigkeit eingefangen und inszeniert. Parallax-Scrollig erzeugt zudem ähnlich wie in Rayman Origins eine räumliche Tiefe, bei der animierte Hintergründe für viel Bewegung sorgen. Dazu kommen Bild-im-Bild Einblendungen im Comic-Stil und abwechslungsreiche Schauplätze. Sehr schön.
Angenehmerweise verzichtete man auf eine Schwarz-Weiß-Zeichnung: der einzige Feind ist der Krieg selbst. Die Opfer sind die Menschen auf beiden Seiten. Es gibt weder die rein bösen Deutschen, noch die rein guten Franzosen. Spannend ist die Möglichkeit, sich jederzeit historische Fakten zu Einheiten, Gegenständen oder Schauplätze anzeigen zu lassen. So behält man stets einen Bezug zu realen Gegebenheiten und Ereignissen.
Schalterrätsel im Granatenhagel
Während Valiant Hearts durch seine charakterbezogene und einfühlsame Erzählweise in der Vorschau überzeugt, bietet man spielerisch eher gehobenen Standard. Da müssen z.B. Schalterrätsel gelöst werden, an denen auch der Hund mit Kommandos beteiligt wird. Ein mehrstufiges (und abschaltbares) Hinweissystem bietet Hilfe, sollte man zu lange an einer Stelle feststecken. Allerdings muss man schon länger untätig herumlaufen, bevor man einen ersten Hinweis erhält – angesichts der eher mäßig anspruchsvollen Puzzles eine gute Entscheidung. Zudem gibt es sammelbare Gegenstände, die immer einen Bezug zum realen Krieg haben und Informationen über den Konflikt
In eingestreuten Actionsequenzen muss geschickt der Artillerie ausgewichen oder der Gegner mit Stein- oder Flaschenwürfen abgelenkt werden. Die Rätsel und Puzzles sind durchweg solide, bieten aber kaum neue Elemente. Witzig: Mit Anna gibt es Fahrsequenzen, die ähnlich wie in den Musiklevels von Rayman Legends im Takt der Musik stattfinden. Die Spielelemente wechseln sich in der ersten Stunde in einem angenehmen Rhythmus ab und bieten eine gute Mischung aus Erkundung und Rätseln.
Soundtrack und „Gibberish“
Apropros Sound: obwohl sich das Abenteuer mit Beziehungen und dem Verhalten von Menschen beschäftigt, kommen die Spielszenen völlig ohne gesprochenen Dialog aus. Stattdessen nutzen die Entwickler Sprachfetzen, Kauderwelsch und Symbole in Sprechblasen, um Emotionen, Forderungen oder Befehle zu verdeutlichen.
Dazu kommt ein sehr stimmiger Soundtrack, der zu jeder Szene den richtigen Ton trifft – sei es bei der Ausbildung der Soldaten in Frankreich oder im Granatenhagel der Artillerie: Die Musik unterstreicht jederzeit subtil die Stimmung der Situation.
Ausblick
Die gezeigte Stunde hat mich berührt! Valiant Hearts erzählt anders als viele Spiele keine Kriegsgeschichte, sondern eine Geschichte im Krieg. Es geht um Menschen, die von der Flut des Konfliktes davongerissen werden und darum kämpfen, ihre Menschlichkeit zu behalten. Die schöne, handgezeichnete Kulisse sowie die stimmungsvolle Musik ergeben ein harmonisches Gesamtbild. Die Akteure, allen voran Hund Walt, sind unheimlich sympathisch und auch die feinfühlige Charakterzeichnung überzeugt. Spielerisch bietet man Standardkost, verbindet aber geschickt Rätsel, Action, Puzzle und Erkundung. Allerdings ist unklar, ob das Konzept über die ganze Länge so gut unterhalten kann wie in der ersten Stunde, da die Wiederholung der oft recht einfachen Spielelemente schnell ermüden könnte.
Einschätzung: gut
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