Shadows: Heretic Kingdoms15.07.2014, Mathias Oertel
Shadows: Heretic Kingdoms

Vorschau: Atmosphäre statt Beutewahn?

Das Hack & Slay ist so stark wie schon lange nicht mehr. Und warum auch nicht? Eine kurzweilige Jagd auf Monster und Beute kann man immer einschieben. Doch haben kleinere Titel wie Shadows Heretic Kingdoms überhaupt eine Chance, im Beute-Stakkato von Diablo 3 oder Torchlight 2 aufzufallen? Wir haben uns eine frühe Version angeschaut.

Ketzerische Action?

Heretic Kingdoms? Da war doch was? Richtig: Vor gut zehn Jahren gab es mit dem Spiel Kult bereits einen Abstecher in die ketzerischen Königreiche. Schon damals im Kern ein ambitioniertes Action-Rollenspiel, waren es in erster Linie die Story sowie die relativ offene Figurenentwicklung, die überzeugten, während das Kampfsystem und vor allem die Kulisse es seinerzeit nicht mit Diablo oder Sacred aufnehmen konnten. Insofern ist es erstaunlich, dass das Team von Games Farm im Auftrag von bitComposer der Fantasy-Welt nach so langer Zeit wieder einen Besuch abstattet.

Düstere Gewölbe, stimmungsvolle Landschaften: Shadows versucht auch über die Kulisse für Atmosphäre zu sorgen.
Andererseits sorgt eine Rückkehr ans Reißbrett häufig für Besserung, frei nach dem Motto "Wer abrutscht, darf nochmal". Und Games Farm scheint gewillt, die Scharte des Vorgängers auswetzen zu wollen. Die Geschichte beginnt zumindest interessant: Ein seelenfressender Dämon (im englischen Original "Devourer") wird von einem auf Rache sinnenden Unbekannten beschworen. Die ersten Zwiegespräche legen einen düsteren, geheimnisvollen Grundton, der neugierig auf die in der Anfangsphase fragmenthaft erzählte Story macht. Ich hoffe, dass über den Verlauf der auf sechs große Kapitel angelegten Kampagne sowohl Spannung als auch Überraschungsfaktor aufrechterhalten werden können. Und dass sich die angedeuteten Gespräche zwischen Devourer und anderen Figuren nachhaltig auf den Spielverlauf auswirken und nicht nur ein kurzes, sinnfreies Intermezzo darstellen.

Dimensions-Kampf

Da der Seelenfresser sich nur in der schemenhaften graugrünen Geisterwelt bewegen kann, ist für ihn eine sterbliche Hülle notwendig - eine so genannte "Puppe". Erst mit der Bindung der Seele eines verstorbenen Wesens und der damit verbundenen Wiedergeburt dieser Figur kann der Spieler auch in der Welt der Lebenden herumstreifen. Drei Figuren stehen zur Verfügung, aus denen man die erste Puppe auswählen kann - in der Early-Access-Fassung war die Auswahl auf einen Nahkämpfer sowie einen Fernkämpfer limitiert. Später kommen noch weitere Figuren hinzu, wobei man jedoch nur ein Trio aus Heldenpuppen sowie den Devourer in den Kampf mitnehmen, aber jederzeit zwischen ihnen wechseln kann - wobei jener zum Seelenfresser auch mit einer Änderungen der Dimension von der Welt der Lebenden zur Geisterwelt mit sich

Mitunter muss man in die Schattenwelt wechseln, um einen neuen Weg durch die teils mit Fallen gespickten Gewölbe zu finden.
bringt. Jede Figur hat ihre eigene Geschichte und auch ihre eigenen Beweggründe, um Rache für ihr zumeist vorzeitiges Ableben zu nehmen. Es bleibt allerdings noch offen, inwieweit sich diese in viele Richtungen verlaufenden Handlungsschnüre nicht als Stolperdrähte erweisen.

Hinsichtlich des Kampfsystems sind die taktischen Auswirkungen der Figurenwahl jedoch deutlich zu spüren. Zwar noch begünstigt von einer KI, die aus der "richtigen" Entfernung attackiert keinerlei Angriffsversuche unternimmt, spielen sich die Fernkämpfer erfreulich anders als die Nahkämpfer oder der Dämon, so dass der Gruppenauswahl zusätzliche Bedeutung zukommt. Vor allem auch, weil nur die Figur, die letztlich den "Kill" anbringt, die hauptsächliche Erfahrung dafür gut geschrieben bekommt und auch der Devourer partizipiert - was wiederum eine weitere taktische Komponente innerhalb des nach Hack&Slay-Standards sehr konventionellen Prinzips mit sich bringen könnte: Versucht man, mit dem evtl. hochstufigen Nahkämpfer die Gegner zu schwächen, um dann mit einer "niedrigen" Figur das Gros der Erfahrung abzugreifen? Unabhängig von der Erfahrung lassen die Feinde auch noch "Seelenkugeln" zurück, die entweder vom Devourer oder seinen Puppen aufgesaugt werden und die über die Leertaste (solange Vorrat reicht) die Gesundheit wieder auffüllen. Dennoch ist das Ableben aller oder einzelner Puppen unumgänglich. 

Doch so lange der Seelenfresser nicht das Zeitliche segnet, kann man an bestimmten Dimensionstoren, die auch als Teleport zu bestimmten Gebieten genutzt werden können, die Gesundheit aufladen oder Reanimationen durchführen. Zusammen mit dem im Vergleich zu Diablo 3 oder Torchlight 2 deutlich gemächlicheren Spiel- und Kampftempo, das sich auch in den längeren Abkühltimern der Spezialfähigkeiten bemerkbar macht, entwickelt Shadows eine ganz eigene, leicht gewöhnungsbedürftige Dynamik.

Schick und geruhsam

Alles ist einen Tick langsamer als man es aus vergleichbaren Titeln kennt. Wer nur das schnelle Klick-und-Weg-Vergnügen oder den nächsten Beute-Kick sucht, ist hier Fehl am Platze. Denn zum einen wird hier bislang vergleichsweise wenig fallengelassen oder in zerstörbaren Kisten oder Krügen versteckt. Die Stars sind die Figuren und nicht unbedingt das, was sie mit sich führen - obwohl eine adäquate Ausrüstung weiterhin einer der Grundpfeiler des Erfolges ist. Und zum anderen nutzt Shadows den Wechsel zwischen den Dimensionen für Rätsel. Hier sind Abgründe, die nur der Devourer überwinden kann, dort Schalter, die nur von den Puppen genutzt werden können - Wechselwirkungen müssen herausgefunden werden.

Das Kampfsystem orientiert sich an üblichen Hack-&-Slay-Standards.
Fallen stellen in den Dungeons eine weitere Gefahr dar, so dass man experimentieren kann, ob es vielleicht sinnvoll ist, in die Geisterwelt abzutauchen, um dort sicherer vorwärts zu kommen. Man kann nicht einfach vorpreschen und im Zweifelsfall ebenso schnell den Rückzug antreten. Taktisches Vortasten und sinnvoller Einsatz von Ausrüstung und Fähigkeiten sind gefragt.

Und das alles in einer ansehnlichen Kulisse. Allerdings könnte es nicht schaden, in den mit NPCs und Händlern bevölkerten Regionen mehr Bewegung einzusetzen, um z.B. ein lebendigeres Stadtbild zu schaffen. Mit den statischen Positionen der Figuren erinnert alles an die Anfangszeit der Hack&Slays - für mich ein Stück zu konservativ. Bei den Hintergründen geht man erfreulicherweise einen moderneren Weg: Palmen wiegen sich im Wind, Stoffe ebenso, Flammen werden vielfältig animiert und sorgen beim dynamischen Tag-Nacht-Wechsel für eine ganz besondere Stimmung. Allerdings gibt es auch noch Tearing-Probleme, die selbst die aktivierte V-Sync nicht in den Griff bekommt. Doch da der Release erst für Ende des Jahres vorgesehen ist, hat Games Farm noch ausreichend Zeit, um visuelle Optimierungen einzubringen.

Ausblick

Shadows versucht gar nicht erst, das Hack-and-Slay-Rad neu zu erfinden. Und das ist gut so. Denn stattdessen konzentriert es sich darauf, das Konzept von actionlastigen Kämpfen in isometrischer Perspektive mit der eigenen Vision in Einklang zu bringen. Diese verfolgt ein gemächlicheres Spieltempo sowie taktischere Auseinandersetzungen und setzt weniger auf ausufernde Beuteberge, wie man sie aus Diablo 3 oder Torchlight 2 kennt. Stattdessen nutzt man geschickt das Konzept des Dimensionswechsels mitsamt des Seelenverschlingers sowie seine wiedererweckten "Sklaven", um sowohl die Kämpfe aufzuwerten als auch umgebungsbezogene Rätsel zu integrieren. Viele Inhalte wie Schmiedekunst oder sämtliche spielbaren Figuren sind in der Early-Access-Version noch nicht enthalten. Ebenso fehlt ein Großteil der Sprachausgabe und hinsichtlich der Kulisse läuft nicht alles rund. Doch bis zum vorgesehenen Release Ende des Jahres ist noch genug Zeit. Viel wichtiger ist: Das Grundkonzept funktioniert und gibt Hoffnung, dass es ein Hack&Slay schaffen könnte, auch ohne Beuteflut erfolgreich zu sein. Ich bin gespannt!

Einschätzung: gut

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