Mordheim: City of the Damned15.06.2015, Jörg Luibl
Mordheim: City of the Damned

Vorschau: Tabletop im Warhammer-Stil

Focus Home Interactive bringt einige interessante Titel von  Games Workshop auf den Bildschirm: Neben Battlefleet Gothic: Armada oder Space Hulk: Deathwing wird auch Mordheim: City of the Damned (ab 1,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) gerade für PC  entwickelt. Was können Tabletop-Fans vom kanadischen Studio Rogue Factor erwarten? Wir sind mit Skaven in den Kampf gezogen.

Vom Tisch auf den Bildschirm

In meinem Keller liegt seit etwa sechzehn Jahren eine braune Box. Das ist nicht wirklich etwas Besonderes, aber da steht "Mordheim" drauf. Darin schlummern Söldner, die man aus Plastikteilen zusammen bauen konnte – so ließen sich Kleidung und Bewaffnung von Schwert bis Pistole sowie Köpfe individuell anpassen, bevor man mit Farbe und Pinsel loslegte. Die Figuren von Games Workshop gehörten damals eigentlich nicht in mein Beuteschema, aber dieses Mordheim hatte mich 1999 als Tabletop so richtig angefixt.

Auf geht's, ihr Skaven: Die Rattenwesen sind eine der vier Fraktionen.
Warum? Das morbide Flair, der Kampf in engen Gassen, die Mischung aus Klingen, Projektilen und Magie sowie die verwinkelte städtische Kulisse. Und natürlich: Skaven! Diese coolen Rattenwesen, die so wunderbar aus dem Einerlei von Elfen, Zwergen & Co herausstachen. Also wählte ich für meine Gefechte in diesem ersten Videospiel zum Tabletop-Klassiker natürlich eine Kriegsbande mit Skaven, angeführt von "Kretz Gnaw" – was ein Name!

Eine Stadt im Chaos

Allerdings hielt sich die nostalgische Begeisterung in der Early-Access-Version dann recht schnell in Grenzen. Ja, die Entwickler von Rogue Factor fangen die düstere bis schauerliche Atmosphäre der vom Chaos befallenen Stadt mit ihrem mittelalterlichen Fachwerkstil ganz ordentlich ein; da gibt es windschiefe Hütten über mehrere Etagen und dampfende Kanalisation, da hängen

Noch kann man lediglich Tutorials sowie Gefechte spielen und seine Kriegsbande managen - Story bzw. Kampagne fehlen. Neben Skaven kann man Söldner, die "Sisters of Sigma" sowie den "Cult of the Possessed" wählen.
Leichen an Balken oder bizarre organische Extremitäten glimmen irgendwo an Wänden. Braun- und Grautöne dominieren wie anno dazumal im Tabletop die Farbpalette. Das sieht ansehnlich aus, aber trotzdem vermisst man mehr malerische Hingabe, was Architektur und Interieur, Oberflächen und Licht betrifft – die Unity Engine lässt da nicht gerade Muskeln spielen.

Und schon während der Tutorials konnte ich die Kulisse auch deshalb nicht wirklich genießen, weil einen die Kamera immer wieder mit Texturtapeten konfrontiert – mal schwenkt sie im Gefecht wild hinter Wände, mal hektisch unter den Boden. Die Präsentation wirkt noch recht spröde, zumal die Steuerung alles andere als intuitiv ist. Warum werde ich am PC so mit statischen Tastatureingaben gegängelt, dass ich mit der Maus nicht frei hantieren kann? Warum kann ich in der strategischen Sicht nicht besser Befehle erteilen? Warum gibt es so viele Anzeigen und Werte, aber so wenig hilfreiche Tooltips dazu? Wieso kann ich mir die kompletten Charakterwerte nicht per Mouseover anzeigen lassen? Selbst nach dem Spielen der Tutorials fühlt man sich noch nicht mittendrin und wohl in der Spielwelt.

Wo ist die Magie der Miniaturen?

Die Inszenierung der Gefechte wirkt zudem ernüchternd, weil die Magie belebter, toll aussehender Miniaturen nicht entsteht: Ein digitales Tabletop wie Mordheim muss auf den ersten Blick viel klarer rocken, muss gerade angesichts der Rundenstatik für mehr Leben, Hingucker und Staunen in den Gefecht-Situationen sorgen! Es muss Spaß machen, nah an die Figuren heran zu zoomen und sich die Waffen oder Fähigkeiten anzusehen. Obwohl sich Rogue Factor hinsichtlich der Charaktermodelle an das originale Artdesign hält, vermiesen mir vor allem die steifen Animationen beim Laufen, die Clippings beim Aufheben der Beute sowie die allgemeine Darstellung der Kämpfe das Hinsehen – da wird noch recht plump draufgehauen statt elegant choreografiert. Vor allem die Menschen werden zu grob dargestellt.

Was ist das für ein Riese? Und warum bewegt er sich trotz Sichtlinie nicht?
Immerhin gibt es ansehnliche Ansätze, wenn ein Skaven etwa beim Laufen seine zwei Klingen theatralisch auseinander hält oder aus zwei Pistolen feuert. Es ist auch lustig, wenn ein Rattenwesen z.B. den Sprung von einem Sims zum anderen nicht schafft und auf dem Rattenhosenboden landet. Denn hinter allen Aktionen stehen wie im Tabletop die klassischen Würfelberechnungen. Und da hat man jede Menge taktisches Potenzial, denn man kann seine kleinen, bis zu zehn Mann starken Söldnergruppen nicht nur einzeln bewegen und mit Klingen angreifen lassen, sondern auch Tränke, Bomben, Magie oder Schusswaffen einsetzen sowie spezielle Haltungen einnehmen, die das anschließende Parieren, Ausweichen oder das hinterhältige Angreifen wahrscheinlicher machen.

Auf Konter lauern

Dumm, dümmer, Söldner: Seit drei Runden nimmt der Bogenschütze lieber freiwillig den Feuerschaden, anstatt sich aus der Gefahrenzone zu bewegen...
Man kann also ähnlich wie in XCOM proaktiv sein und auf Konter lauern oder Fallen stellen. Dabei unterscheidet das Spielsystem zwischen roten Aktions- und blauen Strategiepunkten. Gerade Letztere sorgen dafür, dass sich die Planung lohnt, denn man kann neben den Haltungen auch die Reihenfolge in der Initiative ändern, um z.B. drei Positionen nach vorne zu rücken. Oder man nutzt die Punkte, um Wände, Leitern & Co hinauf zu klettern oder über Abgründe zu springen. Leider kann man die Architektur in der Vertikalen bisher noch nicht optimal für den Fernkampf einsetzen und auch eine aktiv eingenommene Deckung hinter Fässern, Wagen & Co gibt es nicht.

Dafür hat jede Figur eine Bedrohungs- sowie Kontrollzone, die zu wüstes Losstürmen eindämmt: Wer einfach so

Mit Bomben oder Magie kann man auch mehrere Feinde anvisieren...
auf einen Gegner rennt und zuschlägt, muss mit Kontern rechnen. Sehr schön ist, dass man nicht einfach so ohne Gefahr fliehen kann, wenn man erstmal in einen Nahkampf verwickelt ist – man muss erstmal einen Schritt aus der Zone gehen. Was noch gar nicht gut beim Feind funktioniert: Das Verhalten im Gefecht. Obwohl man z.B. mit einer Ölbombe für einen Feuerteppich sorgt, bleiben die Feinde einfach darin stehen, anstatt sich in Sicherheit zu begeben – es sieht total bescheuert aus, wenn ein Bogenschütze bereits die dritte Runde vor Brandschmerzen ächzt, bevor er feuert. Außerdem müssen die Entwickler noch an der Gruppentaktik der Feinde arbeiten, denn die ist aktuell nahezu nicht vorhanden, wenn sich Nah- und Fernkämpfer nicht unterstützend positionieren. Abzuwarten bleibt zudem noch das Motivationspotenzial des Managements: Immerhin kann man seine Kriegsbande individuell ausrüsten und entwickeln, so dass sich gerade für Online-Gefechte langfristige Perspektiven ergeben.

Ausblick

Mordheim ist ein interessantes Tabletop-Szenario und Skaven sind einfach cool – ich hab sogar die Figuren von 1999 im Schrank. Aber dieses Spiel braucht noch verdammt viel Feinschliff, bis Begeisterung in den Rundengefechten entstehen kann. Focus kann das morbide Flair zwar in Ansätzen einfangen und viel taktisches Potenzial anbieten. Aber die Steuerung ist alles andere als intuitiv, die Kamera verschwindet zu oft in Boden oder Wand, hinzu kommen steife bis unpassende Animationen sowie ärgerliche KI-Probleme. All das lässt die Gefechte in Mordheim noch recht spröde wirken, zumal Story oder Kampagne bisher gar nicht vorhanden sind. Ich bin noch skeptisch.

Einschätzung: befriedigend

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