Die Siedler: Königreiche von Anteria06.08.2014, Marcel Kleffmann
Die Siedler: Königreiche von Anteria

Vorschau: Aufbaustrategie + Dungeoncrawler = ?

Sie wuseln wieder! Trotz der spielerischen Qualitäten von Die Siedler 7 blieb der letzte Ableger hauptsächlich durch den Einsatz des Always-On-Kopierschutzes in Erinnerung, dem Ubisoft mittlerweile abgeschworen hat. Auch das jüngst angekündigte Die Siedler: Königreiche von Anteria wird man nur online spielen können. Aber diesmal verspricht Ubisoft Blue Byte eine waschechte Online-Verzahnung, denn Aufbau-/Wirtschaftsstrategie wird mit einem Dungeon-Crawler gekreuzt. Ob das eine gute Idee ist?

Zwei Spiele in einem?

Mit Die Siedler: Königreiche von Anteria wird das serientypische Aufbau-/Wirtschaftstrategie-Geschehen in ein persistentes Online-Universum verfrachtet und mit Echtzeit-Taktikgefechten in Form eines Dungeon-Crawlers ergänzt. Obgleich sich die Mixtur ein bisschen krude anhört, scheint die Kombination in der Praxis zu funktionieren, da Hidden Path Entertainment mit Hinterland bereits ein ähnliches Konzept verfolgt hat.

Ein malerisches Panorama: Bis das eigene Königreich so aussieht, vergehen bestimmt einige Wochen oder gar Monate ...
Wie gewohnt zieht man in seiner Siedlung Gebäude hoch und kümmert sich um die Herstellung von Waren sowie um die Erstellung von möglichst effizienten Produktionsketten. Ziel ist es, die Siedlung auszubauen und angrenzende Gebiete zu annektieren, um wiederum Zugriff auf neue Rohstoffquellen usw. zu bekommen, was weitere Verarbeitungs- und Fertigungsgebäude erfordert. Die Siedlung bzw. das Königreich wächst, doch nicht alle erforderlichen Waren lassen sich in Eigenregie herstellen. Hier kommen die Helden ins Spiel, die freigeschaltet werden, sobald bestimmte Gebäude vorhanden sind.

Diese Helden dürfen zu viert auf abenteuerliche Beutezüge in die „ungezähmten Lande“ geschickt werden, die man als instanzierte Dungeons bzw. Karten verstehen kann. In diesen Abenteuern steuert man seine Helden wie in einem Echtzeit-Taktikspiel, erkundet das Gelände und bekämpft mit den heroischen Schergen die Gegner. Die Helden gewinnen dabei an Erfahrung und lassen sich mit Hilfe kleiner Talentbäume dezent weiterentwickeln. Abschließend winken Beute und Ruhm. Während Beute für das Aufwerten von Gebäuden oder die Herstellung von speziellen Gegenständen notwendig ist, stellt Ruhm eine Währung dar, um neue Gebiete für das Königreich zu kaufen und die Forschung voranzutreiben.

Auf Grund der spielerischen Zweiteilung werde ich in dieser Vorschau zunächst auf den weitgehend gelungenen Aufbauteil und anschließend auf die nicht ganz so überzeugenden Abenteuer eingehen.

Zusätzliche Rohstoffe/Materialen und Ruhm erhält man durch kleine Abenteuer, die vier Helden abseits des Königreiches bestreiten.

Der Aufbau des Königreiches

Die Siedler: Königreiche von Anteria versteht sich als Onlinespiel, das nicht auf einem Free-to-play-Modell basiert. Zu dem Finanzierungskonzept wollten sich die Entwickler bisher nicht äußern, aber kaufbare Waren oder Ruhm würden sich als Mikrotransaktionen anbieten, obgleich sich Ubisoft Blue Byte dazu noch in Schweigen hüllt.

Jeder Spieler kann nur eine Siedlung bzw. ein Königreich pro Account errichten – weitere Slots sind nicht vorgesehen. Die Entwickler begründen diesen Schritt damit, dass viele Spieler davon genervt waren, in den Kampagnen oder im freien Spiel immer wieder eine Siedlung komplett neu aufbauen zu müssen. Stattdessen gibt es diesmal nur Platz für eine Stadt und der Auf- bzw. Ausbau einer Siedlung zum Königreich soll über mehrere Wochen und Monate passieren. Hierbei stellt sich die Frage, ob das Management der Siedlung aufwändig genug ist und die Abenteuer genügend Abwechslung bieten. Die Entwickler versprechen jedenfalls, dass man keine Ewigkeit auf die Fertigstellung von Gebäuden warten muss (wie bei vielen Free-to-play-Titeln), sondern eher damit beschäftigt sei, die Wirtschaftskreisläufe zu optimieren, das Königreich weiterzuentwickeln und mit den Helden auf Beutetour zu gehen. Der Spieler soll stets ein Ziel vor den Augen haben und dies ist im Regelfall das Sammeln von Ressourcen zum Bau oder zur Aufwertung von Gebäuden.

Typisches Siedler im Wirtschaftsbereich

Trotz aller Neuerungen folgt der Aufbauteil klassischen Siedler-Mechaniken. Es beginnt mit dem Bau des ersten Wohnhauses. Dann folgen Holzfäller sowie Sägewerk und fertig ist die erste Produktionskette für Holz, denn der Holzfäller fällt logischerweise Bäume (in einem zu definierenden Gebiet) und produziert so das Rohmaterial, das das Sägewerk zur Produktion von Holzbrettern braucht. Den Förster hingegen gibt es nicht mehr. Aufgeforstet wird mit einem Gegenstand im Spiel, der über Handwerkskunst hergestellt wird.

Überaus wichtig ist die Planung der Straßen, die manuell platziert werden können. Je kürzer der Weg zwischen Sägewerk und Holzfäller ist, desto effizienter läuft die Produktion. In jedem Produktionsgebäude sind stets (mindestens) zwei Siedler aktiv: Der erste ist der Träger und holt die notwendigen Waren ab, während der zweite für die Verarbeitung/Herstellung zuständig ist. Die Produktionszeit setzt sich also aus Liefer- und Produktionszeit zusammen, die beide optimiert werden können – einerseits durch clevere Planung der Straßen und andererseits mit Nahrungsmitteln zur Beschleunigung der Fertigung. Ein perfekt organisierter Wirtschaftskreislauf wird einmalig mit Ruhmpunkten belohnt.

Welche Gebäude eine Produktionskette bilden, wird mit untereinander verbundenen Kreis-Symbolen anschaulich dargelegt. Hier fällt der Holzfäller keine Bäume, sondern plündert ein Lager mit Baumstämmen.

Ausdehnung des Königreiches

Das Baugebiet umfasst zunächst nur ein kleines Fleckchen Erde, das schrittweise erweitert werden kann. An das Gebiet angrenzende Sektoren lassen sich mit Ruhmpunkten kaufen – die man durch die Abenteuer erhält. Die ersten acht freizuschaltenden Gebiete werden bei allen Spielern gleich sein, damit jeder die grundlegenden Rohstoffe zur Verfügung hat. Danach darf man sich entscheiden, ob als nächstes eher flaches Gelände zur Nahrungsproduktion oder Berge mit wertvollen Erzen freigeschaltet werden sollen. Diese Entscheidung ist nicht wirklich folgenschwer, denn man soll prinzipiell alles auf der Karte erobern können, wenn man genug Zeit investiert, heißt es von den Entwicklern. Alles andere wäre bei der Beschränkung auf eine Siedlung pro Account auch ziemlicher Blödsinn.

Je größer das Königreich, desto länger werden die Transportrouten und desto umfangreicher wird das Management der Warenproduktion.

Die Errichtung und Optimierung solch eines langen Wirtschaftskreislaufes erfordert viel Zeit.
Während es zur Produktion von „behauenen Steinen“ schon Steinmetz, Steinbruch, Werkzeugmacher, Eisenschmiede, Erzbergwerk und Sagemühle plus Holzfäller erfordert, sind 19 Stationen in der längsten Kette involviert, damit der Meisterwaffenschmied „verzauberte Klingen“ herstellen kann.

Ingesamt gibt es 70 unterschiedliche Gebäudetypen, die bis zu sechs Mal aufgewertet werden können. Aufwertungen erhöhen die Anzahl von Sockeln für Gegenstände bzw. Artefakte, die die Produktion beeinflussen – und die auch selbst hergestellt werden können.

Kein ANNO in Siedler

Obgleich sich sowohl Siedler als auch ANNO in den Händen von Ubisoft befinden, werden beide Titel nicht miteinander vermischt. So haben die Bewohner in Siedler praktisch keine Bedürfnisse, die es zu stillen gilt. Produzierte Nahrung ist ausschließlich ein Mittel zur Produktionsbeschleunigung. Wenn in der Siedlung alles gut läuft bzw. die Betriebe effizient arbeiten, laufen Frauen, Kinder und Haustiere als optisches „Alles-ist-gut“-Feedback auf den Straßen der Siedlung entlang.

Abgesehen von den „Hauptstraßen“ zwischen den Sektoren der Karte können sämtliche Straßen manuell geplant und gebaut werden.

Der Aufbauteil des Spiels überzeugt vor allem durch die durchdachten Wirtschaftskreisläufe und die gelungene Visualisierung des Zusammenspiels der einzelnen Gebäude. Mit dem Technologiebaum, der erweiterbaren Königreichkarte und diversen Herstellungsmöglichkeiten im Handwerks-System (ca. 2.000 Rezepte) scheint genügend Komplexität für ein langes Spiel vorhanden zu sein. Noch offen ist allerdings, wie groß die Leerlaufzeit ausfällt, wenn mal bestimmte Ressourcen fehlen und ob es wirklich der Fall ist, dass die Siedlung in meiner Abwesenheit – also wenn ich offline bin – auch Ressourcen herstellt, wie es bei der Präsentation des Spiel angedeutet wurde. Sonst könnte aktives Siedler-Spielen durch langweiliges Offline-Warten ersetzt werden.

Unterwegs in den ungezähmten Landen

Ruhm ist erforderlich, um in dem Technologiebaum mit rund 300 Einträgen (Eigenschaften, Gebäuden, landesweite Verbesserungen etc.) voranzukommen.

Insgesamt sieben Helden kann man in seinem Königreich unterbringen: Bogenschützin, Kriegerin, Bestienmeister, Barde, Priester und Ritter. Jeder fällt in eine der Kategorien Tank, Heilung oder Schadensverursacher. Außerdem hat jeder Held ein kleines Inventar für Gegenstände wie Waffen und Brustrüstung, passive Eigenschaften zur Verbesserung des (wirtschaftlichen) Königreiches sowie einen kleinen Talentbaum, der entweder auf kooperative Verstärkungszauber oder Einzelverstärkungen ausgelegt werden kann.

Da für Aufwertungen von Gebäuden seltene Ressourcen erforderlich sind, die nicht im normalen Königreich hergestellt werden können oder manchmal Quest-Aufgaben von den Einwohnern gestellt werden, müssen die Champions immer wieder auf ein Abenteuer in die ungezähmten Lande geschickt werden. Bis zu vier Helden können an einem Abenteuer teilnehmen und nicht mehr als 12 Fähigkeiten (der Helden) finden Platz in der Kontrollleiste am unteren Bildschirmrand – wobei der Spieler die Auswahl der Fertigkeiten trifft.

Kooperative Abenteuer

Diese vier Helden könnt man entweder selbst stellen oder man lädt bis zu drei weitere Spieler ein, die mit einem kooperativ in die Abenteuer ziehen und die restlichen Heldenplätze besetzen. Die kooperative Variante hat den Vorteil, dass mehrere Helden vom gleichen Typ unterwegs sein können, sofern es die Situation erfordert oder unterschiedliche Spielstile wie „Alles auf Angriff“ und „Heilung sowie Gruppen-Kontrolle“ kombiniert werden können. Zugleich gibt es im Team mehr Beute. Spieler mit hochstufigen Helden können ebenfalls Personen mit niedrigstufigen Helden zur Seite stehen und durch die Gefechte begleiten.

Die Abenteuer werden auf einer großen 2D-Karte ausgewählt und je weiter man in die ungezähmten Lande vorstößt, umso schwerer werden die Begegnungen. Neben Abenteuern, die als tägliche Missionen und sonstiger Herausforderungs-Fortschritt gelten, gibt es Story-Aufgaben, die die Hintergrundgeschichte schrittweise fortführen. Ein Abenteuer findet auf einer eigenen Karte statt, auf der man die Helden mit typischen Echtzeit-Taktik-Mausklicks befehligt und zwischendurch Spezialaktionen wie „Klingensturm“, „Heilung“ oder „Pfeilhagel“ mit den Fähigkeitstasten auslöst.

Wenn Bogenschützen, Räuber, Wikinger und Co. attackiert werden, fällt auf, dass die Kämpfe überraschend gemächlich vonstattengehen. Die Entwickler wollen zwar, dass die Schlachten übersichtlich und nachvollziehbar ablaufen, aber in der präsentierten Version wirkten die Kämpfe eher hakelig, träge und ungelenk. Zudem fehlt es an Wucht und Intensität. Auch die Komplexität der Gefechte lässt sich in diesem Entwicklungszustand kaum beurteilen, aber so richtig harmonisch fügen die Kämpfe sich noch nicht in das Gesamtbild ein.

Bonuseinheiten mit Abklingzeit und Beute für’s Scheitern

Die Helden werden auf ihr Abenteuer vorbereitet. Vier Kämpfer und Kämpferinnen dürfen mitgenommen werden und maximal 12 Plätze für Fähigkeiten stehen zur Verfügung. Bei kooperativen Abenteuern teilen sich die Helden der Spieler auf die vier Plätze auf.
Ziemlich unglücklich finde ich, dass zusätzliche Einheiten wie Ballisten oder Bogenschützen, die im Königreich als Unterstützungstruppen produziert werden, nur mit Abklingzeit auf Knopfdruck eingesetzt werden können und ausschließlich einem Helden folgen. Warum kann ich die Bonustruppen nicht selbst steuern? Und warum stehen sie nicht permanent ggf. mit Truppenlimit zur Verfügung? Die Kombination aus Helden und mehreren Einheitentypen hätte der taktischen Komplexität und dem Ausmaß der Gefechte jedenfalls nicht geschadet.

Seltsam finde ich es auch, dass der Tod der Helden quasi keine Auswirkung hat – außer ein bisschen Zeitverlust. Sterben beispielsweise alle Helden auf einem Abenteuer, bekommt man etwas Beute (nicht so viel wie bei einem Sieg) und alle Helden stehen sofort zu einem weiteren Ausflug zur Verfügung - es gibt nicht einmal eine Abklingzeit bei der Wiederauferstehung.

Auch Bosskämpfe mit mehreren Phasen und Begleitern gilt es zu überstehen.

Anfangs mehr Königreich, später mehr Abenteuer

Kurze Abenteuer sollen fünf bis zehn Missionen dauern und größere Ausflüge mit Bosskämpfen werden nicht mehr als eine halbe Stunde in Anspruch nehmen. Zugleich schätzen die Entwickler, dass man ungefähr die Hälfte der Spielzeit im Aufbauteil verbringen wird und die andere Hälfte in den Abenteuern - je weiter das Spiel fortschreitet, desto mehr Zeit soll für die Abenteuer draufgehen. Und wenn man keine Lust auf die Echtzeit-Taktik-Scharmützel hat, können die seltenen Waren in einem Online-Marktplatz von anderen Spielern gekauft werden.

Ausblick

Die Mischung aus Aufbaustrategie und Echtzeit-Taktik-Dungeon-Crawler wirkt zwar erst befremdlich, funktioniert bei Die Siedler: Königreiche von Anteria aber dennoch gut. Nichtsdestotrotz ist und bleibt die Stärke des Spiels der Wirtschaftsteil. Die Produktionsketten sind sauber und logisch ausgearbeitet, ansprechend visualisiert und nehmen ordentlich an Komplexität zu – der siedlertypische Wuselfaktor ist mit ansehnlicher Grafikpracht ebenso vorhanden. Zudem gibt es Belohnungen für optimierte Wirtschaftskreisläufe, einen großen Forschungsbaum und reichlich Herstellungsmöglichkeiten. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Wartezeiten auf Ressourcen und Co nicht allzu sehr in die Länge ziehen und es vor allem im späteren Verlauf genug zu tun gibt. An dieser Stelle kommen wohl die Echtzeit-Schlachten ins Spiel, die mir ein bisschen zu träge und zu staksig sind, jegliche Form von Wucht sowie Intensität vermissen lassen und bei denen der Tod eines Charakters keine Rolle zu spielen scheint. Hingegen gefällt mir der Gedanke mit den kooperativen Gefechten und der Kombinationen der Helden bzw. ihrer Fertigkeiten. Während der Wirtschaftsteil mich also überzeugt hat, müssen sich die Echtzeit-Taktikkämpfe noch beweisen.

Einschätzung: gut

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